Ⅴ. 𝚂𝚎𝚎 𝙼𝚎 𝙵𝚒𝚐𝚑𝚝
Triggerwarnung: Es geht wieder ein bisschen um Suizid. Wenn es euch triggern könnte, dann lest es bitte nicht.
Verloren.
Ich habe aufgegeben.
Aufgehört zu kämpfen.
Du fehltest mir.
Du hättest mich retten können.
Wie ich gekämpft habe, hättest du sehen müssen.
Tränen verschleiern meine Sicht. Die Blätter des Baumes, auf dem ich sitze, verschwimmen zu grünen Punkten. Ich spüre nicht, wie die salzigen Tropfen meine Wangen herabrinnen. Krampfhaft versuche ich, ihren Fluss zu stoppen. Später würde ich ihr Versiegen bereuen und rückgängig machen wollen.
Ich wünschte, du hättest gesehen, wie ich gekämpft habe. Wärst du für mich da gewesen, hätte ich es vielleicht geschafft. Wir hätten es schaffen können, gemeinsam. Aber du warst nicht da. Du kamst zu spät. Als du kamst, war es schon vorbei. Ich hatte keine Kraft mehr - du hättest sie mir geben können.
Du hast mich so sehr enttäuscht.
Jetzt sitzt du dort und trauerst um mich. Gibst dir die Schuld an meinem Tod. Wie recht du hast. Du hättest ihn verhindern können, wenn du früher an mich gedacht hättest. Vielleicht wärst du stolz auf mich, hättest du mich kämpfen sehen. Ich weiß, dass ich alles gegeben habe, aber trotzdem war es nicht genug. Deine Tränen fallen auf mein blasses Gesicht, ziehen saubere Bahnen in den Schmutz. Doch spüre ich ihre Kälte nicht. Ich fühle gar nichts. Nur die Leere, die mich umgibt und ausfüllt. Ich kann nur zusehen, wie mein lebloser Körper vor deinem zusammengekrümmten liegt. Mein Kopf liegt in deinem Schoß. Du verbirgst dein weinendes Gesicht in deinen blutigen Händen, die zuvor hoffnungsvoll auf meine Wunde gedrückt hatten, um die Blutung zu stoppen. Doch es war vergeblich gewesen. Aus meinem Bauch war das Blut herausgequollen und du konntest es nicht aufhalten. Verzweifelt legtest du deine Wange auf meine Brust, in der Hoffnung, dass sie sich hob und senkte. Doch das tat sie nicht. Ich atmete nicht mehr und würde es niemals wieder tun.
Einerseits will ich dich hassen. Du bist schuld daran, dass ich nicht mehr lebe. Du hast mir meine Zukunft genommen. Wir hätten noch so viel zusammen erleben können, so viel Zeit miteinander verbringen können. Und genau dies stimmt mich auch traurig. Ich hatte einen Traum. In ihm hatten wir eine Familie. Waren glücklich - gemeinsam. Jetzt ist er zunichte. Er war so etwas wie mein Lebensziel.
Wie sehr ich mir jetzt wünsche, dass du mich berührst. Mich fest in den Arm nimmst, wo ich mich geborgen fühlen kann. Ich beobachte von meinem Platz aus, wie du meine Leiche an dich drückst, als ob du meinen Wunsch erhört hast, doch spüre ich nichts von der Umarmung. Stattdessen fröstel ich; eigentlich sollte so ein leichter Windhauch, der das Laub der Bäume leise rascheln lässt, mir - der Seele meines Körpers - nichts anhaben.
Ich wünschte, du würdest mich sehen. Nicht meinen Leichnam. Es scheint doch, als würde ich hell leuchten. In der Abenddämmerung müsstest du das doch sehen. Ich bin so verzweifelt. Ich kann nichts tun, nur zuschauen. Ich strahle Licht aus, doch Wörter wollen noch nicht einmal in meinem Kopf zusammenhängende Sätze bilden. Ich würde dir so gerne noch etwas sagen. Dich anschreien, dass ich doch hier, auf einem Ast eines Baumes sitze. Dreh dich zu mir um! Aber uns Seelen ist das nicht mehr zugestattet. Wir weilen nicht unter den Lebenden. Wir müssen sie verlassen. Ich möchte mich doch nur von dir verabschieden.
Du bist weggelaufen, obwohl du wusstest, in welcher Gefahr ich schwebte. Dir war klar, was passiert, wenn du nicht mehr da bist. Ich brauchte dich. Ohne dich konnte ich nicht leben, dennoch bist du gegangen und ich wusste nicht, warum. Als du weg warst, ist die ganze Welt für mich zusammengebrochen, auf einmal hatte das Leben keinen Sinn mehr. Ich versuchte wirklich gegen meine Gedanken und Gefühle anzukämpfen, die mir sagten, dass ich nicht mehr leben möchte. Ich verdrängte sie, verbannte sie in die letzte Ecke meines Kopfes, doch kamen sie wieder und wieder. Irgendwann verließ mich die Kraft - du hättest was bewirken können. Mich motivieren und mir helfen. Ich merkte, wie mein Widerstand schwand. Alle Wände, die ich jemals errichtet habe, um das Selbstzerstörerische zurück zu halten, sind zu Staub zerbröselt. Und dann hat mein Körper das Vorhersehbare getan.
Meine Beine trugen mich von Zuhause davon, meine Finger griffen davor zu einem Messer. Und dann nahmen mir meine eigenen Hände das Leben. Als du kamst, umklammerte ich das Messer noch immer. Nachdem du es aus meinem Griff befreitest, lag es eine Weile schwer in deiner Hand. Ich weiß, dass du mit dem Gedanken spieltest, mir zu folgen. Obgleich du mit Schuld trägst, kann ich dich nicht hassen. Du warst nun mal mein Leben und ich anscheinend deines, und ich möchte nicht, dass du dir nun auch deine Zukunft und deine Träume nimmst. Deshalb war ich sehr erleichtert, als du das Messer weit von dir geschleudert hast. Du bedeutest mir noch immer viel und ich möchte dich wieder glücklich sehen.
Auf einmal fühle ich mich schrecklich hilflos und beobachtet. So als würden mich massenweise Menschen anstarren, unter ihnen niemand bekanntes oder vertrautes. Ich kann mich nirgends verstecken, nirgendwo ist etwas, was mir als Unterschlupf dienen könnte. Ich möchte weinen, aber die Stelle, wo mein Herz sein sollte, ist leer. Keine einzige Träne verlässt meine Augenwinkel mehr.
Vorhin hatte ich mich gefühlt, als ob ich der Regen auf einem verheerenden Feuer wäre. Der brennende, lodernde Schmerz endlich gelöscht. Mein Körper muss nun eiskalt sein und du sehnst dich sicherlich nach meiner Wärme. Du siehst gebrochen aus. Noch sind deine Augen mit Traurigkeit gefüllt. Irgendwann wird es Verbitterung sein. Sie sehen immer noch mit Liebe auf mich herab. Deine linke Hand hast du jetzt in meine blonden Locken vergraben und einzelne Strähnen um deine Finger gezwirbelt. Wahrscheinlich fühlen sie sich immer noch gleich an.
Unwillkürlich greife ich mir an den Kopf, aber irgendwie fühle ich auch meine Haare nicht. Ich sehe doch, dass sie dort sind und leuchten, aber meine Hände nehmen sie nicht wahr. Ich schwelge in Erinnerungen an deine sanften Hände, die mir so oft widerspenstige Strähnen hinters Ohr gestrichen haben. Wie sehr ich diese zarten Berührungen genossen habe. Könnte ich deine Finger doch noch ein letztes Mal in meinem Haar spüren.
Deine Frisur sieht jetzt ziemlich verstrubbelt aus, dennoch siehst du so gut aus wie immer. Deine Haare zu verwuscheln war eine Beschäftigung, der ich deiner Meinung nach zu oft nachging, ich aber liebte. Ein bitteres Lachen entwischt meinem Mund, aber meine Lippen bilden auch ein ehrliches, schwaches Lächeln.
Langsam und wehmütig löst du deine Finger aus meinen Strähnen und stehst auf. Dann gehst du noch einmal in die Knie, fasst unter meinen Rücken und unter meine Beine, um meinen Körper hochzuheben. Ich merke, wie sehr du darauf achtest, dass mein Kopf nicht nach hinten kippt. Schließlich beugst du dich zu meinem Gesicht herunter, deines kommt meinem immer näher, und betrachtest mich. Nach ein paar Sekunden verändert sich dein Blick, wird leer und scheint durch mich hindurch zu starren.
Du senkst deine Lippen mit geschlossenen Augen hinab, sodass sie die meinen ganz sachte berühren. Und ich fühle rein gar nichts. Ich hasse diesen Zustand, nichts zu spüren ist der Horror für mich. Jeder noch so leichte Kuss von dir hätte mein Herz in Flammen gesetzt. Er hätte so viele Gefühle bei mir auslösen müssen. Hastig löst du dich wieder, meine kalten Lippen müssen sich furchtbar für dich anfühlen. Ich begreife, dass das der Abschied ist. Meine Leiche liegt in deinen Armen, doch du siehst nur noch geradeaus. Du läufst unter dem Ast hindurch, auf dem ich sitze und ich strecke schwermütig meine Hand nach dir aus, nur um wieder nichts zu spüren.
Die Landschaft vor meinen Augen verliert an Farbe, an Struktur und Ordnung. Alles verschwimmt vor meinen Augen zu einer grauen Suppe, die sich nach und nach auch aufzulösen scheint. Die Kraft, um gegen den Drang, alles loszulassen, anzukämpfen, habe ich schon lange nicht mehr.
Ich fühle mich ganz leicht und auf einmal ist alles weg.
Ich liebe dich.
[1315 Wörter - 15. Aug 2021]
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Suilad meine lieben Hobbitse ♡
wie geht es euch so?
Habt ihr auch gerade Ferien?
Well, die Idee zu diesem Oneshot hatte ich ungefähr gegen 0 Uhr, während ich gelesen habe und das Lied "See Me Fight" gehört habe. Ich habe den Inhalt eigentlich so ein bisschen aus den Lyrics genommen, es ist also nicht alles meine Idee. Ich hoffe, der OS hat euch gefallen, die Perspektive ist ja ein bisschen anders.
Ich wünsche euch noch einen wunderschönen Tag <3
~LinaewenFinduilas
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