ⅩⅤΙΙΙ. 𝙱𝚒𝚜 𝚍𝚒𝚎 𝙻𝚒𝚌𝚑𝚝𝚎𝚛 𝚎𝚛𝚕ö𝚜𝚌𝚑𝚎𝚗
Leise prasselte das Feuer im Kamin. Die wärmenden Flammen züngelten hoch und fraßen sich in das Holz. Der kleine Raum wurde in behagliches Licht getaucht, doch die scheinbar gemütliche Atmosphäre war trügerisch.
Die dunklen Wände und die niedrige Decke ließen das Zimmer noch kleiner wirken. Außer einem hölzernen Tisch und einem gepolsterten Sessel stand einzig ein großes Bett. Neben dem Knistern des Feuers zerschnitt herzzerreißendes Schluchzen die Luft.
Auf den vielen Decken des Betts lag ein Mann, eingebettet in zahlreiche Kissen. An seiner Seite saß seine Frau, bebend vor Schluchzern. Die langen roten Haare hingen ihr ins Gesicht, das von Tränen überströmt war. Brielles Finger umklammerten verzweifelt die Hand ihres Mannes, die erschreckend heiß war. Constantins Körper glühte vom Fieber, Schweiß stand auf seiner Stirn und seine geschlossenen Augenlider zuckten unruhig. Tiefe Wunden waren seinem Körper hinzugefügt worden und hatten ihn in dieses Fieber gestürzt. Zärtlich fuhr seine Frau durch seine lockigen Haare mit der Hoffnung, dass ihre Nähe ihn ruhig schlafen ließ.
Aufgelöst strich sie sich ihre Haare hinters Ohr und erhob sich, widerwillig Constantin aus den Augen zu lassen. Schnell wechselte Brielle die Wadenwickel ihres Mannes, dennoch ging sie vorsichtig dabei vor.
Kurz darauf saß sie wieder neben ihm. Sie fühlte sich schrecklich hilflos, wusste nicht, was sie noch für ihren Liebsten tun konnte.
Minuten vergingen und wurden zu Stunden, während denen wenigstens der Schlaf ihres Mannes ruhiger wurden, was auch sie ein wenig besänftigte. Mehr konnte jetzt nicht mehr getan warten, man konnte nur noch abwarten. Diesen Kampf musste Constantin alleine gewinnen.
Dennoch fühlte sie, wie die Hand ihres Mannes, umklammert von ihren eigenen Fingern, förmlich glühte und eine unfassbare Hitze ausstrahlte und die wenige Hoffnung auf seine Heilung davon verbrannt wurde.
Ihre Fingerkuppen fuhren dabei immer wieder über den Ehering an seinem Ringfinger. Erst war es Ruhelosigkeit, die diese nervösen Bewegungen verursachte, die aber schließlich immer bedachtsamer und zärtlicher wurden. Nie hatte sie gedacht, dass sie so bald an seinem Bett sitzen und um sein Leben bangen würde. In ihren Träumen hatten sie immer ein langes erfülltes Leben gemeinsam gehabt. Bis dass der Tod uns scheidet. Ja, dieses Versprechen hatten sie einander einst gegeben und wer hätte ahnen können, dass der Tod so schnell käme. Ihre Hochzeit war einer der schönsten Tage in ihrem Leben gewesen. Aber noch besser als an ihre Eheschließung erinnerte sie sich an den Tag ihrer Verlobung. Jeder einzelne Moment dieses Abends war schlichtweg perfekt gewesen.
Vorsichtig legte Brielle sich nun neben Constantin, nachdem sie ihm einen sanften Kuss auf die brennend heißen Lippen gegeben hatte. Ohne seine Hand einen Augenblick loszulassen, kuschelte sie sich an seinen glühenden Körper, die andere Hand nun in seinem Haar vergraben. Und während das Feuer weiter vor sich hin prasselte, glitt sie allmählich in den Schlaf über und tauchte ein in Träume. Befürchtete Alpträume blieben aus, an seiner Seite schlief sie immer ruhig. Diese Nacht aber würden sie die Erinnerungen heimsuchen.
Das erste, was der Traum ihr zeigte, war endlose Schwärze.
~~~
Scheinbar niemals endende Finsternis, in der sich nun aber langsam Lichtpunkte abzeichneten. Angenehm kühler Wind strich über ihre Arme, über ihr Gesicht, ließ ihr dünnes Kleid flattern. Schließlich bemerkte sie den samtig weichen Stoff, der ihre Augen bedeckte und die vermeintliche Dunkelheit bescherte. Der edle Schal - ein Geschenk Constantins - war zwar nicht vollkommen blickdicht, erfüllte aber seinen Zweck. Constantin hatte sie mit verbundenen Augen eine gefühlte Ewigkeit durch die Natur geführt an einen bestimmten Ort und sie hatte keinen blassen Schimmer, wo sie sich befinden könnte. Unter ihren nackten Füßen spürte Brielle das saftige lange Gras, ihre Ohren nahmen das Rauschen von sich im Winde wiegenden Bäumen wahr. Der Duft sicherlich wunderschöner Wiesenblumen wurde an ihre Nase getragen. Es war Sommer.
Schließlich strichen weiche Finger über ihr Gesicht, nahmen den Schal von ihren Augen und strichen ihre Haare liebevoll hinters Ohr. Leicht lächelnd sahen sie einander an, versanken im Anblick des anderen und genossen einfach das wärmende Gefühl, das ihre Herzen durchströmte. Eine gefühlte Ewigkeit verging, dennoch trauerte Brielle dem schönen Moment ein wenig nach, als Constantin seinen Blick von ihr löste, ihre Hand ergriff und sie zu einer rotkarierten Picknickdecke führte. Erfreut umarmte Brielle Constantin und in ihren Augen konnte er die Freude sehen, die sie auch in den seinen sah.
Später, als es langsam begann zu dämmern und der Kuchen und die anderen leckeren Speisen gegessen waren, lagen Brielle und Constantin dicht aneinander gekuschelt auf der Decke, umgeben von Gras, Blumen und erfrischender Luft, und blickten hinauf. Keine Wolken waren zu sehen, makellos war der Himmel, an dem sich nun ein farbenfrohes Spektakel abspielte. Lila, rosa, rot, orange, blau, unzählige Farben begleiteten die Sonne, während sie unterging und hinter den Wäldern verschwand.
"Es ist einfach wunderschön", flüsterte Brielle und rückte noch ein Stück näher an Constantin.
"Da hast du recht." Constantin legte einen Arm und sie und gab ihr einen sanften Kuss aufs Haar.
"Danke für diesen schönen Abend, Tag um Tag schaffst du es, mich aufzuheitern, selbst nach langen, harten und schweren Arbeitstagen wie heute", sagte sie und drehte ihren Kopf, um ihn anzusehen.
"Wenn du glücklich bist, bin ich es auch. Sei unbesorgt, bessere Zeiten werden kommen", versprach er.
"Solange ich dich habe, brauche ich keine besseren Zeiten. Ich liebe dich, Constantin. Versprich mir, dass du für immer bei mir bleibst. Versprich mir, dass ich niemals ohne dich sein muss."
"Ich liebe dich auch Brielle, ich könnte dich niemals alleine lassen", wisperte er. "Niemals."
Mit diesen Worten setzte er sich langsam auf und blickte nachdenklich in die Ferne. "Brielle, ich hoffe, du hältst mich nicht für verrückt, aber ich habe eine waghalsige Idee", teilte er mit, als Brielle sich ebenfalls aufgesetzt hatte und ihn fragend ansah.
"Was ist denn?", fragte sie abermals, aber Constantin gab keine Antwort. In seinem Kopf schienen die Gedanken zu rasen. Er war sich vollkommen unsicher, ob er seinen Einfall aussprechen oder doch lieber verwerfen sollte. Aber die Idee hatte ein Feuer in ihm entzündet, früher oder später würde er sie fragen. Und ob er es jetzt tat oder später, machte keinen großen Unterschied. Der jetzige Augenblick war einfach zu perfekt, um ihn ungenutzt verstreichen zu lassen.
Und so sammelte er all seinen Mut und fing an zu sprechen. "Brielle, du weißt, dass ich dich liebe. Ich liebe dich mehr als alles auf der Welt und auch ich möchte niemals ohne dich sein."
"Das weiß ich doch", sagte Brielle und wollte weiter reden, doch Constantin legte rasch einen Finger auf ihre Lippen, der sie verstummen ließ.
"Ich liebe dich und ich möchte dir ein Versprechen geben und ich hoffe, dass du mir das Versprechen ebenfalls geben kannst." Während er sprach, hielt er ihre Hand in seiner linken, seine rechte Hand lag an Brielles Gesicht und strich zärtlich über ihre Wangen und ihre Lippen. Seine Worte wärmten ihr Herz und ließen es förmlich glühen vor Zuneigung.
"Bis all die Lichter der Welt erlöschen, möchte ich bei dir bleiben. Bis das letzte Licht dunkel wird, werde ich für dich und für uns kämpfen. So wie wir jetzt das Licht der Sonne verlöschen, untergehen sehen, so wird auch einmal das Licht unseres Lebens verlöschen. Aber bis dahin werden wir noch oft gemeinsam Lichter erlöschen sehen, bis dahin werden noch oft Flammen ausgehen und bis dahin wird auch die Sonne noch oft untergehen. Aber die Sonne wird auch wieder aufgehen, unermüdlich steht sie immer wieder auf, es wird immer irgendwo ein neues Licht auftauchen. Unsere Liebe wird vielleicht mal an ihre Grenzen stoßen, so wie jedes Licht irgendwann ausgeht. Aber man kann es jederzeit wieder entzünden. Erinnere dich dessen in schweren Zeiten. Erst wenn das Licht unseres Lebens erlischt, haben wir gegen den Tod verloren, aber unsere Liebe wird fortbestehen. Unsere Liebe ist stark, meine Liebe zu dir ist stark. Ich liebe dich, Brielle, gibst du mir das Versprechen, unsere Liebe am Leuchten zu halten und wirst meine Frau?"
~~~
Sie hatte natürlich ja gesagt. Bis die Lichter erlöschen.
Als Brielle wieder erwachte, war es kalt. Zu kalt. Sie brauchte nicht Constantins Puls zu fühlen, um zu wissen, dass er tot war. Vor wenigen Stunden noch hatte das Fieber wie Feuer in ihm gebrannt, nun war sein Körper alles andere als warm. Mit leerem Blick und leerem Herzen starrte sie geradeaus. Das Feuer, das Feuer im Kamin brannte nicht mehr. Die Lichter waren erloschen. Die Flammen loderten nicht mehr vor sich hin, die Sonne schien nicht, keine Kerze brannte und Constantins Lebenslicht war erloschen. Die Lichter waren erloschen und er hatte den Kampf verloren.
[1406 Wörter - 19. Okt 2022]
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top