ΙⅩ. 𝙵𝚎𝚒𝚎𝚛𝚗 𝚒𝚖 𝙵𝚊𝚗𝚐𝚘𝚛𝚗

Mittelerde Oneshot

Feine, weiße Schneeflöckchen tanzten sanft in der Luft. Sie kamen vom Himmel, der nur von wenigen Wolken bedeckt war. Zart schien die Sonne herab, ihre wärmenden Strahlen erhellten den Fangorn. Das sachte Schneegestöber war wunderschön anzusehen, stundenlang konnte man beobachten, wie die weichen Flocken herabschwebten. Schneeflocken bedeckten die ganze Umgebung, jeder einzelne Grashalm, jeder Ast, jedes Blatt und jeder Baum war von einer weißen Schicht eingehüllt. Die kalten Schneekristalle reflektierten das Sonnenlicht, überall funkelte und glitzerte es. Der Schnee deckte alles zu, wie eine riesige Bettdecke. Unter dieser Decke schien jegliches Leben zu schlafen, bis der Winter vorüber war. Die Tiere hatten sich schon lange verkrochen und ihren Winterschlaf begonnen. Das Laub der Bäume befand sich größtenteils auch bereits auf dem Waldboden, nur vereinzelt war ein Blatt im Geäst hängen geblieben.

Nur die Ents blieben wach und wachten weiterhin über die Lebewesen des Waldes. Aber auch sie waren nicht untätig. Jedes Jahr feierten sie den ersten Schneefall, der all die anderen Geschöpfe in den Schlaf geleitete. Wichtig war dieser, damit sie nicht erfroren - gegen Kälte kamen nur die Ents im Fangorn an, ihre Rinde schützte sie ausreichend. Dennoch hatten auch sie ihre Schwierigkeiten bei Kälte, so fror Flüssiges, wie ihr Ent-Trank, bei solch tiefen Temperaturen gerne mal zu Eis. Oft war dies aber kein großes Problem, da die Ents auch für einige Tage ohne ihre Nahrung auskommen konnten. Nun waren die ersten Flocken dieser Saison gefallen, der Winter hatte sich angekündigt und würde sehr bald kommen, um über das Land ziehen.

Die Ents feierten jede Jahreszeit. Schließlich gehörten sie zur Natur, zum Leben. So naturverbunden wie sie waren, erfüllte jeder Abschnitt des Jahres sie voller Freude und anderen schönen Gefühlen. Jede Jahreszeit hatte ihre eigenen Schönheiten, so brachte der Frühling wieder sanfte Farben in die Welt, alles blühte und erwachte zum Leben. Der Sommer war für alle angenehm, warm und es gab genügend Nahrung einfach zu finden. Der Wind, den der Herbst mit sich führte, wirbelte die Bequemlichkeiten der vorausgegangenen Saison auf und die Welt wurde in lebhaftes Treiben gestürzt. Die Natur färbte sich in den verschiedensten Farben, wunderschön war das farbenfrohe Laub anzusehen. Und dann der Winter, der wieder Stille und Ruhe brachte. Es war die Jahreszeit des Ausruhens, des Erholens, um wieder Kraft zu erlangen.

Bevor die Ents in das Geschehen einer Jahreszeit eintauchten, veranstalteten sie immer ein Fest. Heute war es soweit, dass sie den Winter willkommen hießen. Meist zogen sich die Vorbereitungen ziemlich in die Länge, schließlich wollte keiner der Ents auch nur annähernd hastig sein und zwischendurch machten sie auch gerne mal eine kurze Pause - da die Ents aber nichts überstürzten, wurden auch die Unterbrechungen lange.

Auch Baumbart hatte sich eine Auszeit genommen. Um ein wenig zur Ruhe zu kommen, war er zu seinem Felsen am Rand des Waldes im Süd-Osten gelaufen. Hier stand er schon mehrere Stunden und betrachtete seinen Wald, der beinahe gänzlich unter einer Schneedecke verschwand. Ganz in der Nähe wand sich der Onodló zwischen den Bäumen hindurch. Das Wasser, das der schmale Fluss mit sich führte, war zu Eis gefroren, welches zusätzlich von Schnee bedeckt war. Der Felsen, der sich über die Baumwipfel erhob und auf dem der Ent nun stand, war ebenfalls schneebedeckt. Darunter befand sich an manch einer Stelle auch Eis, worauf man nur zu leicht ausrutschen konnte. Doch Baumbart hatte die schiefen, holprigen und teilweise vereisten Stufen zuvor mühelos bewältigt. Seine Zehen ermöglichten ihm nahezu überall einen festen, stabilen Stand. Hier oben wehte zudem ein scharfer Wind, weshalb sich Baumbart entschloss, diesen Ort bald wieder zu verlassen. Auch ein Ent war nicht immun gegen Kälte. In seinem Bart, der einem Strauch dünner, verfilzter Zweige ziemlich ähnelte, hatte sich schon eine ansehnliche Menge an Schneeflocken verfangen, sicherlich würden sich bald Eiszapfen bilden.

Baumbart war ein wenig wehmütig, zu jedem der Feste war das so. Eigentlich war er zu den Feierlichkeiten immer überaus froh, doch schlich sich auch immer dieses winzige bisschen Wehmut in sein Herz. Früher, das war schon viele, viele Jahre her, hatten die Ents mit ihren Entfrauen und Entings gefeiert. Er trug viele, wunderschöne Erinnerungen daran mit sich, was ihn so melancholisch machte, war die Tatsache, dass die Ents die Entfrauen schon vor langer Zeit verloren hatten, und mit ihnen auch die Entings. An jedem Fest dachte Baumbart andächtig an seine Fimbrethil. Wie lieblich sie doch gewesen war. Wie bezaubernd sie im Licht der Jahreszeiten ausgesehen hatte. Liebend gerne würde er sie doch noch einmal sehen. Noch immer, seit Jahren, glaubte er fest mit seinem ganzen Herzen daran, dass die Entfrauen nur verschwunden und nicht gestorben waren. Aber so unerschütterlich seine Meinung auch war, seine Hoffnung schwand von Jahreszeit zu Jahreszeit, von Fest zu Fest. So war diese Überzeugung noch tief in ihm verankert, er war nicht jemand, der schnell aufgab. So hastig wollte er nicht sein.

Langsam machte er sich auf den Weg, bedächtig setzte er Schritt vor Schritt, zunächst die verwitterten Treppenstufen hinab. Sein Ziel war Tarntobel, jener Ort, an dem auch die Entthings stattfanden. Das war ebenfalls der Schauplatz der Feste, generell der Platz für jegliche Art von Versammlung der Ents. Die Vorbereitungen für das Fest bestanden größtenteils daraus, Tarntobel festlich zu schmücken, die Dekoration dafür zuvor herzustellen oder zu sammeln und hinreichend Ent-Trank bereit zu stellen. Dennoch war die Menge überschaubar, es kamen nicht mehr viele Ents. Der Grund dafür war schlichtweg, dass es weniger Ents gab. Viele wurden schläfrig, bewegten sich nicht mehr, wurden den Bäumen immer ähnlicher. Es war keine normale Müdigkeit, gegen die man mit Schlaf helfen konnte. Nein, wurde man einmal schläfrig, würde man wahrscheinlich nicht mehr wacher werden. Wahrscheinlicher war es, dass man auch einschlief. Und nicht mehr erwachte.

Bevor Baumbart seine Pause eingelegt hatte, hatte er beim Schmücken geholfen. Früher hatten das die Entfrauen erledigt. Wunderschöne Girlanden aus Früchten, Pflanzen und Zweigen hatten sie hergestellt, so schön, dass es Baumbart nicht hatte glauben können, dass sie echt seien. Aus biegsamen Ästen flochten sie Kugeln und andere Formen, die mit Licht gefüllt schienen. Bewundert hatten sie die Dekoration, aber nie hatten die Ents ihren Entfrauen beim Anfertigen zugesehen. Und nachdem die Entfrauen verschwunden waren, hatten die Ents diese Arbeit übernehmen müssen, auch sie hatten Freude daran, doch kannten sie die Geheimnisse und Tricks dabei nicht. Sie waren bei Weitem nicht so geschickt wie die Entfrauen es gewesen waren. Die hatten einfach ein Händchen dafür gehabt, schon immer hatten sie sich mit Kleinerem beschäftigt. Während die Ents über die großen Bäume gewacht hatten, waren sie in ihren Gärten beschäftigt gewesen und hatten sich um die kleinen Pflanzen gekümmert. Dementsprechend gut konnten sie dann auch beim Schmücken mit den feinen Zweigen und Gewächsen umgehen. Aber genau weil Baumbart wusste, wie gerne die Entfrauen - insbesondere Fimbrethil - den Festplatz dekoriert hatten, tat er es auch. Es war eine weitere schöne Erinnerung an seine Entfrau.

Auf seinem Weg hinterließ er riesige Spuren auf dem noch unberührten Schnee. Ansonsten war alles ruhig. In einer anderen Jahreszeit wäre ihm sicherlich mal ein Kaninchen vor die Füße gehoppelt oder ein Reh über den Weg gerannt. Auch wenn Baumbart es liebte, die Natur und die Lebewesen, die in ihr lebten und zu ihr gehörten, zu beobachten, so genoss er auch die durch den Winter entstandene Ruhe.

Bald erreichte er Tarntobel, wo für Ent-Verhältnisse ein reges Treiben herrschte. Es hingen schon ein paar wenige Girlanden zwischen den drei Birken, die als einzige Bäume hier standen. Außen herum um den Platz wuchsen nur Hecken und Sträucher, die bald ebenfalls ihre Zierde bekommen sollten. Einige Ents waren auch gerade damit beschäftigt. Vor ihnen standen geflochtene Körbe, gefüllt mit gesammeltem Material, das sie zum Schmücken verwenden konnten. Sie verfügten über eine große Auswahl, alles von Blättern über Früchte bis hin zu Moosen und Farnen war vorhanden. Die Girlanden der Ents bestanden meist aus langen, ineinander geflochtenen Zweigen, in die das andere zusammengesuchte Material eingearbeitet war. Anfangs wirkten die Stränge ziemlich trist, doch brachten rote Früchte und leuchtend bunte Blätter Farbe in die Dekoration. Manche der Ents beherrschten auch die Kunst des Flechtens von Kugeln aus biegsamen, aber stabilen Ästen. Diese wurden in verschiedenen Größen gebastelt und aufgehängt. Später, wenn die Nacht hereinbrach, die Sonne langsam verschwand und Dunkelheit sich über den Fangorn senkte, würde es aus ihrem Inneren leuchten. Es hieß, die Kugeln seien befüllt, aber die meisten wussten nicht, um welche Art von Substanz es sich dabei handelte. Nur diejenigen, die bei der Herstellung beteiligt waren, waren sich dessen klar. Die meisten störte das aber auch nicht, sie genossen einfach den wunderschönen Schmuck. Verschiedenste Gestecke und Sträuße würde es ebenfalls zu bewundern geben.

Gemächlich gesellte sich Baumbart zu seinen arbeitenden Genossen, um mit zu helfen. Seine großen Hände griffen nach beachtlich langen Gräsern, Farnen und Blättern, um sie mit einem weiteren Grashalm zusammen zu binden. Er steckte noch ein paar kleine Zweige hinzu, an denen dunkle, blaue, fast schwarze Früchte hingen. Sein Strauß war eine bunte Mischung, bestehend aus den grünen Pflanzen, den rot, gelb und braun gefärbten Blättern und den dunklen Früchten. Auch vom Schnee, wo Baumbart ihn platzierte, hob er sich stark ab.

Schließlich widmete er sich dem Ent-Trank. Die leichte Aufregung auf das Fest, die sich in seinem Herzen bildete, hatte natürlich keinerlei Einfluss auf sein Tempo. Gemütlich überprüfte er, ob genügend Ent-Trank herbeigeschafft worden war. Genug für alle. Ohne jegliche Hast oder Eile zählte er die Schüsseln und Gefäße, die für den "Verzehr" des Ent-Tranks nachher gedacht waren. Natürlich waren sie aus Holz, von der häufigen Benutzung schon glatt und weich geschliffen. Für jeden auf jeden Fall eine zur Verfügung.

Mit jeder langen Sekunde wuchs die Freude in ihm, von Zeit zu Zeit erreichten auch mehr Ents Tarntobel, sodass der Festplatz sich kontinuierlich füllte. Es war früher Nachmittag, lange würde es nicht mehr bis zum Beginn des Festes dauern. Doch noch war es nicht so weit. Bevor es starten würde, wollte er noch zu einem besonderen Ort gehen.

Seine Beine trugen ihn mit großen Schritten schnell - im Sinne von in kurzer Zeit - zu seinem Ziel. Große Bäume, die in praktischer Formation beieinander standen, bildeten das Enthaus, ihre ausladenden Kronen das Dach. Tauspring hieß es. Auch unbewohnt war es wunderschön dort. Genügend Platz, um zwei Ents zu beherbergen. Vor vielen, vielen Jahren hatte Baumbart hier gewohnt mit seiner Entfrau Fimbrethil. Doch weil er sich ohne sie nicht wohl gefühlt hatte in diesem großen Enthaus, war er in sein jetziges Haus Quellhall gezogen. Schweren Herzens betrachtete er das Haus, überall war es von Schnee bedeckt. Noch hielt das Dach aus Baumkronen eine Menge Schnee, die sicherlich nicht mehr lange dort oben liegen würde. Alles war so sauber, rein und schneeweiß. Eiszapfen hingen von oben herab, glänzend und glatt. Vorsichtig brach Baumbart einige ab und sammelte sie in seiner Hand. Vor seinem inneren Auge rauschten die Erinnerungen nur so vorbei. Er sah sich selbst und Fimbrethil, wie sie in ihrem Enthaus standen und bei Eiseskälte versuchten gefrorenen Ent-Trank aufzutauen. Seufzend wandte der Ent sich von Tauspring ab und machte sich auf den Rückweg.

Inzwischen hatten sich alle Ents in Tarntobel eingefunden. Die zuvor gesammelten Eiszapfen platzierte Baumbart auf flachen, ebenen Ästen, die ebenfalls von Schnee bedeckt waren, in den man die Zapfen gut hineinstecken konnte. Wenige Minuten später versammelten sich die Ents in einem Kreis, es waren etwa zwei Dutzend gekommen. Stille kehrte ein. Einige Sekunden verstrichen, ehe Baumbart begann zu sprechen. Lang waren seine Worte und lang seine Sätze. Mit Bedacht wählte er die Ausdrücke, die er verwendete. Schon seine Begrüßung zog sich über viele Minuten - für die Ents war das aber normal, alles andere wäre bei Weitem zu hastig. Er sprach von den Jahreszeiten, insbesondere vom jetzt einbrechenden Winter, außerdem über den Schnee, die Bäume und die Natur. Und natürlich begrüßte er die Anwesenden herzlich, dankte ihnen ausgiebig für ihr Kommen und wünschte letztendlich ein frohes Fest. Währenddessen erfüllte Baumbarts Stimme den ganzen Festplatz. Tief und beruhigend stießen seine Worte auf die Ohren der Ents. Mal lauter, mal leiser, immer schön melodiös klingend - zart und gleichzeitig durchdringend.

Dann begannen sie ihr Fest mit einem Schluck Ent-Trank. Sobald jeder eine gefüllte Schüssel oder ein anderweitiges Gefäß in der Hand hielt, sprach Baumbart ein paar kurze Worte - er brauchte zwei Minuten dafür -, woraufhin die Ents gleichzeitig die Schalen leerten. Er hatte den Valar gedankt, insbesondere Yavanna, für die Existenz der Ents, die Natur und den Winter.

Als nächstes würden die Ents singen, das war Tradition. Ein leises Brummen ertönte, der tiefe Ton wurde lange gehalten. Immer mehr stiegen in den Gesang ein. Es waren keine richtigen Worte, die Bedeutung ihrer Lieder lag in den Gefühlen, die die Töne auslösten. Ganz unterschiedliche Klänge konnten die Ents gemeinsam erzeugen, wie ein riesiges Orchester. Sie konnten entweder alle einheitlich einen Ton gleichzeitig summen oder jeder einen in einer anderen Tonlage, dadurch entstanden immer ganz besondere Mischungen. Auch Baumbarts Kehle verließ ein Brummen, tief - tiefer als das aller anderen - und es erfüllte seinen ganzen Körper. Wie sanfte Wärme fühlte es sich an, als es seinen Leib durchströmte. Angenehm vibrierte es in seiner Brust. Mal schwoll der Gesang der Ents an, schien dann durch den ganzen Fangorn zu klingen, mal war es, als ob nur die Ents mit den besten Ohren, die Töne der anderen wahrnehmen konnten, so leise war der Klang. Voller Leidenschaft waren die Ents auf ihre besondere Musik konzentriert. Und ihre Augen leuchteten dabei, funkelten vor Freude und Erfülltheit. Die hellgrünen Sprenkel in Baumbarts braunen Augen strahlten heller als sonst, verströmten seine innere Lebensfreude, die er in diesem Moment verspürte.

Die Ents sangen lange - so lange, dass es bereits anfing zu dämmern. Die Sonne, deren Licht sich so schön in den Eiszapfen gespiegelt und den Schnee zum Glitzern gebracht hatte, senkte sich vom Himmel hinab und verschwand im Westen. Erst als es dunkler wurde, sodass man auch den Mond richtig am Firmament leuchten sehen konnte, wurde der Gesang leiser. Nach und nach stieg jeder Ent aus dem Lied aus, bis sie schließlich vollends verstummten. Einige Minuten der Stille legten sich über Tarntobel.

Mit der Zeit fingen die Ents an, gemächlich herumzulaufen. Sie begannen Gespräche, erzählten sich Dinge, vor allem sprachen sie über vor langer Zeit geschehene Ereignisse und ihre Erinnerungen daran. Daraus konnte sich schon manch lange Konversation bilden. Nur Baumbart suchte sich vorerst keinen Gesprächspartner. Er liebte und genoss es, die Geschehnisse zu beobachten, zu betrachten, wie seine Artgenossen miteinander agierten. Er mochte es, zu sehen seinesgleichen sich bewegte, sprach und handelte. Es war schön anzusehen, welch Wunderwerk in den Ents geschaffen worden war. Leise seufzte Baumbart, was wie ein leises Brummen klang. Insgeheim wartete er wieder darauf, dass ein Wunder geschehen und Fimbrethil ihm Gesellschaft leisten würde. Aber das war nur ein Traum, Wunschdenken seinerseits. Er sehnte sich einfach nach ihr, vermisste sie doch immer noch so sehr, dass es ihn schmerzte. Lediglich ihre Anwesenheit würde sein schmerzendes Herz heilen und seine innere, verdrängte Trauer wegblasen.

Je dunkler es wurde, desto schöner sah die Dekoration in Baumbarts Augen aus. Auf wundersame Weise leuchteten die Kugeln aus geflochtenen Ästen, auch die Eiszapfen schienen warmes Licht zu verströmen. Erst in der Finsternis erkannte man, wie stark und kraftvoll ein Licht strahlen konnte. Langsam hob Baumbart den Kopf und blickte in den Himmel. Zahlreiche Sterne, angeordnet in den verschiedensten Sternbildern, erhellten die Nacht. Tagsüber waren sie nicht sichtbar, doch sobald die Dunkelheit über die Welt kam, erstrahlten sie am Nachthimmel und zeigten ihre Leuchtkraft. Nicht früher konnte man ihre Schönheit bewundern. Fahles Licht sandte der Mond aus, obwohl er nur als schmale Sichel am Firmament stand. Die Wolken, die es zuvor schneien hatten lassen, waren schon lange weitergezogen.

In Erinnerungen versunken sah er wieder zu den anderen Ents. Früher war es auf den Festen um einiges lebhafter zugegangen - keinesfalls hastig natürlich. Vor allem die Entings waren es, die Leben und Freude unter die anderen Ents gebracht hatten. Im Winter hatten sie immer im Schnee gespielt. Auf so etwas wie Schneeballschlachten waren sie nie gekommen, dafür musste man viel zu schnell und eilig handeln. Aber ein Schneeball war trotzdem gelegentlich mal geflogen, einfach nur um jemanden zu ärgern oder auf sich aufmerksam zu machen. Viel Spaß hatten die Entings außerdem beim Bauen von Figuren aus Schnee gehabt. Immer wieder hatten sie versucht, sich selbst oder andere Ents mit Schnee darzustellen, was zu ihrem Bedauern selten geklappt hatte. Der Schnee hatte nicht gut genug gehalten, oft waren die Arme der Schnee-Ents abgefallen, sodass die Kinder enttäuscht auf stinknormale Schneemänner umgestiegen waren, womit sie aber auch schnell wieder zufrieden gewesen waren. Wären jetzt noch Entings und Entfrauen hier, würde erheblich mehr gelacht werden, jeder wäre fröhlicher. Insgeheim schwelgte doch jeder in seinen Gedanken und Erinnerungen an frühere, bessere Zeiten.

Von der einen auf die nächste Sekunde veränderte sich etwas. Die Luft schien wärmer und trug den Duft von Obst und Blumen. So hatte es in den Gärten der Entfrauen gerochen, den Geruch hatten sie oft mit sich gebracht. Trübselig schloss Baumbart die Augen, genoss den Duft in seiner Nase. Wie viele Gefühle allein dies doch auslösen konnte... Traurigkeit durchfuhr ihn, aber dennoch erfüllte Wärme sein Herz - sein Herz, in dem ein großer Riss klaffte, seit Fimbrethil verschwunden war.

Er hörte, wie jemand von hinten auf ihn zukam. Die schweren Fußstapfen waren deutlich zu hören, und das Knarzen des Schnees, wenn ein Fuß in ihn einsank. Schließlich blieb die Person neben ihm stehen. Wohlgefühl überkam ihn, sein Herz - sein ganzer Körper schien leichter, als ob ihm eine bleischwere Last, von den Schultern genommen wurde, von der er gar nicht gewusst hatte, dass sie da gewesen war. Es gab nur eine einzige Person, deren Anwesenheit dies jemals bei Baumbart erreicht hatte. Er wusste nun, wer da neben ihm stand, und das zauberte ihm ein Lächeln aufs Gesicht. Die zuvor verspürte Nostalgie und Sehnsucht war wie weggeblasen. Das Einzige, was Baumbart jetzt fühlte, war endlose Liebe, Glück und Freude. Er öffnete die Augen wieder und sah mit Wohlwollen auf das Festgeschehen. Zufriedenheit empfand er nun bei diesem Anblick, er war froh, dass immer noch so viele Ents zu jedem Fest kamen und fleißig bei den Vorbereitungen im Hintergrund mithalfen. Er schöpfte neue Hoffnung, warum sollte er verzagen? Das Vergangene, sowie das Bevorstehende lag nicht in seiner Hand, jemand anderes bestimmte, was geschah. Er begriff, dass er einfach unbeschwert sein Leben genießen und es so hinnehmen sollte, wie es kam. Und gerade wurde ihm ein wunderbarer Moment geschenkt. Er durfte in Fimbrethils Gesellschaft dort stehen. Auch wenn er nicht wusste, ob er sich dies nur einbildete, ob es ein Traum oder gar Realität war, entspannte er sich einfach und versuchte sich keine Sorgen darum zu machen, was in ein paar Stunden sein könnte. Fimrethil war bei ihm, hier und jetzt. Dennoch sah er sie nicht an, sagte nichts - zu groß war seine Angst, dass sie erneut verschwand.

Es reichte ihm, ihre Präsenz zu spüren. Es genügte ihm, so wieder Liebe und Freude zu empfinden.

In aller Ruhe schritt er fort von diesem Platz und mischte sich mit einer Schale Ent-Trank in der Hand unter die Feiernden. Laute und leise Unterhaltungen hallten über den Festplatz, Tarntobel wurde wieder von Lachen und den fröhlichen Stimmen und Klängen der Ents durchströmt.

Endlich konnte er seit jahrelangem Sehnen nach Vergangenem wieder ohne jegliche Sorge von Zufriedenheit erfüllt mit den anderen Ents feiern.

[3210 Wörter - 3. Nov 2021]

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Hey meine lieben Hobbitse 💙,
hoffentlich hatte ihr alle ein schönes Weihnachtsfest, besinnliche Feiertage und einen guten Start ins neue Jahr! Mal wieder eine Kurzgeschichte von mir ^^ ich hoffe, sie hat euch gefallen. So viele Wörter hab ich tatsächlich noch nie in eine Kurzgeschichte bzw. in ein Kapitel gepackt. Dieser Oneshot ist im Rahmen des diesjährigen Mittelerde Adventskalenders von heartthinker entstanden. Dort findet ihr auch noch ganz viele andere tolle Geschichten, also schaut gerne noch nachträglich vorbei.
~LinaewenFinduilas

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