ⅩⅤΙ. 𝙳𝚎𝚊𝚛 𝚏𝚘𝚛𝚖𝚎𝚛 𝚏𝚛𝚒𝚎𝚗𝚍 𝟬𝟮

Liebe Ainur,

schon wieder habe ich dir so viel zu sagen... 

Weißt du noch, als wir im Sommer geplant hatten, zu sechst ein Picknick zu machen? Ich hatte es mir so schön vorgestellt, an einem schönen Ort bei schönem Wetter mit Essen und den richtigen Menschen. Ich hatte mich darauf gefreut. Denn schließlich machten wir selten etwas zu sechst in unserer Freizeit. Aber dann hast du unsere WhatsApp-Gruppe verlassen, die wir für die Planung erstellt hatten. Ganz ohne Grund und ohne etwas zu sagen, stand auf einmal da, du hättest die Gruppe verlassen. Da habe ich mich noch gewundert. Ich habe nicht verstanden, warum du hättest rausgehen sollen. Erst später ist mir klar geworden, warum du es getan hast. Du wolltest einfach sofort jeglichen Kontakt zu deiner damaligen besten Freundin abbrechen.

Nun, neulich musste ich wieder daran denken, was für Pläne wir hatten. Ich war nämlich bei meiner einen besten Freundin mit meiner anderen besten Freundin und deiner früheren besten Freundin. Es war zwar nicht genau der Freundeskreis, in dem wir unser Picknick haben wollten, aber ein paar waren doch die gleichen Leute. 

Und wir haben über dich geredet. Ja, du bist noch oft der Mittelpunkt unserer Gespräche. Wir denken noch oft über dich nach. Die ganze Sache lässt uns einfach nicht los und wir können sie nicht hinter uns lassen. Ich dachte für eine Weile, der Konflikt wäre vorüber. Unsere Positionen zur Auseinandersetzung und uns gegenüber waren klar. Wir waren keine Freunde mehr, redeten nicht miteinander, gingen einander aus dem Weg. Sobald es doch dazu kam, dass wir ein paar Sätze wechselten, kam ein mulmiges Gefühl in mir auf. Aber lange sprachen wir so gut wie gar nicht miteinander.

Doch irgendwann hat es sich geändert. Wir waren nicht mehr so distanziert, aber jedes Mal, wenn ich mit dir spreche, denke ich daran, dass wir keine Freunde mehr sind. Dann wird es wieder komisch, ich fange an nachzudenken und alles wirkt gestellt und unecht. Ich fühle mich einfach nicht wohl dabei. Denn ich kann nicht vergessen, was passiert ist. Es geht nicht aus meinem Kopf, so gerne ich es auch dort raus hätte. 

Naja, jedenfalls wir auch darüber geredet, wie sehr uns dein Verhalten verwundert. Wir können nicht nachvollziehen, was du tust und wir können uns nicht vorstellen, was du denkst. Aber wir finden es nun mal komisch, dass du zuerst zu deiner ehemaligen besten Freundin zurückgehst. Nur weil du nicht mit ihrer Sexualität zurecht kamst, sind wir doch erst alle auseinander gegangen. Sie war doch das Ausschlaggebende für den ganzen Streit gewesen. Und nach so etwas gehst du zuerst zu ihr. Und irgendwie behandelt ihr euch auch wieder wie Freunde und das ist verdammt nochmal seltsam. Was geht in deinen Gedanken ab? Warum handelst du so, was willst du damit bezwecken? 

Keiner von uns weiß so recht, was er tun und denken soll. Ich bin auch hin und hergerissen. Soll ich versuchen, wieder normal mit dir zu reden, sodass wir vielleicht wieder Freunde werden? Oder soll ich auf keinen Fall vergessen, was du getan hast und uns somit keine Chance mehr geben? Ich möchte dich nicht endgültig abweisen. Aber ich möchte auch zu meiner Meinung stehen, die meiner Meinung nach richtig ist. Ich möchte, dass du spürst, welche Konsequenzen es hat, wenn man homophob ist. Ich will, dass du darüber nachdenkst und dass du bereust, denn das, was du als deine Meinung bezeichnest, ist falsch und nicht so akzeptierbar. Aber ich kann eben auch nicht vergessen, welch gute Freundschaft uns einst verband.

Wenig später hat deine frühere Freundin erzählt, dass ihr vor nicht allzu langer Zeit mal über die Situation gesprochen habt. Bevor sie gesagt hat, was es war, worüber ihr spracht, hat mich meine eine beste Freundin gefragt, ob ich es überhaupt wissen will. Sie denkt genauso wie ich. Und ich wollte es hören, denn es interessierte mich. Auch wenn ich Bedenken hatte, schließlich konnte es nichts gutes sein. Aber wenn es über mich war, dann wollte ich es lieber wissen, als im Ungewissen darüber zu sein, was über mich gesagt wurde. Also erzählte sie. 

Und ich war nicht zufrieden oder glücklich über das, was ich erfuhr. Du fühlst dich also verraten von mir. Du würdest also eher nicht mehr meine Freundin werden wollen. Ehrlich gesagt hast du mich damit verletzt. Ich begriff, dass du nicht den Verstand besaßt, mein Handeln nachvollziehen zu können. Für mich war das selbstverständlich... meine Gedankengänge sind doch nachvollziehbar oder etwa nicht? Ist es nicht selbstverständlich, dass ich erst meine Gedanken und Gefühle sortieren musste. Meine Meinung und Haltung hat sich damals auch erst entwickelt. Mir war nicht von Anfang an klar, wie ich zu dir stehen wollte und sollte. Ich wollte dich wirklich nicht verlieren und deshalb habe ich doch versucht, normal weiter zu machen? Hast du das nicht gesehen? War es so unsichtbar oder bist du blind dafür? Und schließlich konnte ich nicht mehr, denn mein Verstand sagte mir, dass es nicht okay war, was du getan hast und seitdem konnte ich nicht mehr so tun, als wäre es alles im Lot. 

Ich wollte dich nicht verraten und ich dachte, das weißt du. 

Jetzt könnte es mir eigentlich egal sein, was du über mich denkst. Wir sind ja keine Freunde mehr und ich habe auch nicht den Wunsch, wieder mit dir befreundet zu sein. Es wäre um einiges leichter, wenn du nicht mehr hier wärst. Aber ich kann das nicht einfach so stehen lassen. Ich will nicht, dass jemand so schlecht über mich denkt. Ich will nicht, dass du so denkst, weil es nicht die Wahrheit ist. Verstehst du nicht, dass es für mich auch sehr schwer war letztes Jahr? Verstehst du nicht, dass es nicht nur um dich ging und geht, sondern dass wir alle betroffen waren? Und ich kann nicht nachvollziehen, wie du so über mich denken kannst, wo wir doch so lange so gute Freunde waren. 

Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie du gesagt hast, warum du deine damalige beste Freundin ignoriert hast. Ich war ziemlich verblüfft und schockiert. Als wir dann alleine waren, hast du mir anvertraut, dass du mir zuvor nichts sagen wolltest, weil du Angst hattest, es würde etwas zwischen uns verändern. Dann hast du gefragt, ob es was ändern würde. In diesem Moment war mir nicht klar, welches Ausmaß deine Meinung hatte. Ich wusste nicht, dass es so viel verändern würde. Also habe ich dir versucht zu erklären, was ich denke und fühle. Ich habe dir gesagt, dass ich eigentlich nicht möchte, dass sich etwas in unserer Freundschaft ändert. Ich wollte wirklich nicht, dass unsere Freundschaft zerstört wurde. Ich wollte das nicht... ich will einfach nur alles, wirklich alles rückgängig machen. Anscheinend hast du mir meine Aussage wie ein Versprechen abgenommen. 

Aber über die nächsten Tage wurde mir immer klarer, wie zerrissen ich doch war. Einerseits zwischen dir und deiner früheren besten Freundin. Vielleicht war ich mit dir besser befreundet, aber deshalb war sie mir trotzdem wichtig und indem ich zu dir hielt, fühlte ich mich, als hinterginge ich sie. Andererseits wusste ich genau, dass deine Meinung falsch war und zu dir zu halten fühlte sich nicht richtig an. Und schließlich war es gar nicht so, dass ich mich für eine Seite entschieden hatte. Ich dachte die ganze Zeit nach. Wenn ich daheim war, wenn ich in der Schule war, immer und überall. Wenn ich neben dir saß und du mit mir reden wolltest, dachte ich auch darüber nach. Deshalb ging normal zwischen uns nicht mehr. Wie sollte ich mich normal mit dir unterhalten, wenn mein Kopf mir ständig sagte, dass es falsch war. 

Es tut mir leid, dass ich dir Hoffnung gemacht hatte, aber ich hatte selbst Hoffnung. Ich habe es probiert und bin gescheitert. Ich dachte, du wärest es wert. Aber wenn ich jetzt zurück schaue, dann habe ich mich damals wohl geirrt. Wie kann ich mit jemandem befreundet sein, der so etwas nicht versteht? Natürlich, ich habe es dir nie so genau gesagt, aber ich habe versucht, dir zu erklären, warum es nicht mehr ging und ich dachte, du würdest das einfach verstehen. Wenn du Verständnis hättest, dann wärst du vielleicht enttäuscht von mir, aber dann würdest du dich doch nicht verraten von mir fühlen. Warum siehst du nicht, wie sehr ich mich bemüht habe? 

Auch diesen Brief wirst du nie bekommen, auch wenn ich mir wünsche, dass du weißt, was hier drin steht. Aber wie gesagt, es könnte mir auch einfach egal sein, ob du das hier weißt oder nicht. Schließlich werden wir nie wieder Freunde, es wird nie so wie früher sein. Es geht nicht. Ich kann nicht. 

Deine Katharina

[1434 Wörter - 26. März 2022]

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