Chapter 20

Ich verbrachte mehrere Stunden bei Katherine, in denen ich ihr bei ihren Plänen half, den Mondstein zu bekommen und in denen wir über Elena sowie ihre kleinen Freunde lästerten, auch wenn ich die meisten von ihnen kaum kannte. Kat brachte mich auf den neuesten Stand was Beziehungen anging und ich erzählte ihr von meiner zweiten Begegnung mit Elena im Salvatore-Anwesen.

Irgendwann am Nachmittag, kurz nachdem wir meine Sachen in die Salvatore-Pension gebracht hatten, dann aber wieder zurück zu Kat gegangen waren, rief mich ein aufgebrachter Damon an, der wissen wollte, wo ich steckte, da er sich Sorgen machte. Ich sagte ihm, dass ich immer noch bei Kat war und er verlangte, dass ich „sofort von diesem Miststück weggehen sollte".

Genervt legte ich auf, folgte aber trotzdem seiner Bitte, die eher ein Befehl war, und verabschiedete mich von meiner besten Freundin, da sie eh noch in die nächstgelegene Stadt fahren wollte, um weitere Informationen zu dem Mondstein zu bekommen.

Ich machte mich also auf den Weg nach Hause, als ich einen Flyer an einer Straßenlampe bemerkte.

Mystic Falls Karneval

Grinsend sah ich auf das Datum. Heute. Wahrscheinlich waren meine Brüder auch da, das würde wenigstens die Musik im Hintergrund erklären, die ich gehört hatte, als Damon mich angerufen hatte. Also änderte ich meine Richtung und lief nicht zur Salvatore-Pension, sondern auf den großen Marktplatz, wo das Fest stattfinden sollte.

Als ich ankam, sah ich, wie viele Leute schon da waren, versuchte aber trotzdem, meinen Zwilling in der Menschenmenge zu entdecken. Obwohl es eh schon ziemlich laut war, schaltete ich mein Vampirgehör ein und versuchte, das Gequatsche der anderen zu verdrängen und mich nur aufs Damons Stimme zu konzentrieren. Tatsächlich konnte ich sie nach nur wenigen Augenblicken in der Nähe ausmachen und lief in ihre Richtung.

Kurze Zeit später hatte ich ihn endlich gefunden, aber so wie es aussah, war er gerade in ein Gespräch mit einer hübschen, jungen Blondine vertieft, in das ich mich nicht einmischen wollte. Suchend sah ich mich um, in der Hoffnung, noch jemand anderen zu entdecken, den ich kannte.

Plötzlich schnappte ich ein Gespräch auf von zwei Mädchen, die gerade die Turnhalle verließen.

„Oh mein Gott, er ist so heiß!"

„Und verdammt stark! Es sieht so aus, als ob niemand gegen ihn gewinnen kann."

„Ja, Tyler Lockwood, der König im Armdrücken!"

Kichernd gingen die beiden an mir vorbei, aber ich wurde abgelenkt, als ich Mason in der Nähe sah, der ein bisschen verloren in der Gegend rumstand, also ging ich zu ihm.

„Hi, Mase! Ich hab gehört, dein Neffe schlägt gerade all seine Mitschüler im Armdrücken mit seinen neu entdeckten Kräften. Nicht gut für sein Ego. Was meinst du, soll ich mal gegen ihn antreten?"

„Emily, hey! Freut mich, dich hier zu sehen. Aber ich denke, dass es für ihn doch ein bisschen zu viel wird, wenn derjenige, der ihn endlich schlägt, auch noch ein Mädchen ist. Trotzdem, du hast Recht... Ich werde jetzt gegen ihn antreten, kommst du mit?"

„Klar, das lass ich mir doch auf keinen Fall entgehen."

Ich folgte meinem Kumpel in die stickige Turnhalle und sah grinsend zu, wie er seinen Neffen besiegte. Der war darüber nicht ganz so erfreut, fing aber bald wieder an, zu lachen und fragte in die Runde: „Und? Wer will als nächstes?"

„Oh, Stefan will!", hörte ich Damons Stimme ein paar Meter neben mir.

„Ähm, ja. Ich will.", meinte dieser überrascht und sah unseren Bruder böse an.

Ich fing jetzt schon an zu grinsen, wenn ich an die Gesichter der beiden dachte. Sie wussten offenbar nicht, dass Mason ein Werwolf war, und dachten, Stefan würde ihn mit Leichtigkeit besiegen. Tatsächlich wäre das auch kein Problem für einen Vampir seines Alters gewesen. Ich hatte schon ein paar Mal gegen Mason gekämpft, um zu testen, wer der Stärkere von uns war und ich hatte eigentlich fast immer gewonnen. Stefan hingegen ernährte sich nur von Tierblut, was immer noch widerlich war, und war somit nicht einmal annähernd im Vollbesitz seiner Kräfte, sodass er eigentlich keine Chance gegen Mason hatte.

„Komm schon, Stef!", riefen ein paar der Mädchen am Rand, die zuguckten.

„Ja, genau, komm schon, Stef.", machte sich Damon über sie lustig.

Tatsächlich besiegte Mason meinen Bruder mit Leichtigkeit nach nur wenigen Sekunden und dieser ging überrascht zu Damon zurück. Mich hatten die beiden anscheinend noch nicht gesehen. Sollte mir recht sein.

„Du hättest dir wenigstens Mühe geben können.", meinte dieser enttäuscht.

„Genau genommen habe ich das auch."

Mein Zwilling zog eine Augenbraue hoch und sie verließen die Halle, um über den kleinen Kampf gerade zu reden. Ich hatte aber jetzt gerade keine Lust, mich da einzumischen, also lehnte ich mich wieder zurück an die Wand und sah zu, wie Mason einen Highschool-Schüler nach dem anderen besiegte und wie Tyler dabei jedes Mal in Lachen ausbrach und danach jedes Mal spöttisch fragte: „Und? Wer traut es sich noch, gegen ihn anzutreten?"

Irgendwann wurde mir das jedoch zu blöd, und ich beschloss, Mason von seinem Thron zu holen. Elegant stieß ich mich von der Wand ab, als Tyler das nächste Mal fragte, und sagte laut: „Ich."

Ein paar der Jungs, die zusahen, lachten spöttisch, aber ich ignorierte sie. Sie würden schon gleich eines besseren belehrt werden. Auch Tyler lachte laut, als ich mich gegenüber von Mason an den Tisch stellte und zu ihm aufsehen musste, weil ich selbst mit High-Heels nicht gerade die größte war. „Wer bist du denn? Glaubst du wirklich, dass DU es mit ihm aufnehmen könntest?"

„Oh, ich bin mir sogar sicher, dass sie eine reelle Chance hat, Tyler.", verteidigte Mason mich. „Du solltest die Leute nicht nach ihrem Aussehen beurteilen."

Ungläubig schnaubte er.

„Komm schon, Mase, du warst damals, als wir uns kennen gelernt haben, nicht besser.", sagte ich und machte mich bereit.

„Ja, aber da wusste ich auch noch nicht, dass du Karate machst."

'Karate machen' war unsere Umschreibung für 'ein Vampir sein', die wir benutzten, wenn wir in der Öffentlichkeit waren. Ja, wenn man sich die meiste Zeit nur unter anderen Menschen sah, wurde man kreativ darin, solche Dinge zu umschreiben.

„Jetzt weißt du es ja besser.", grinste ich.

Wir fingen an und die Leute um uns herum grölten. Meistens Sachen wie „Komm schon, Mason, du schaffst das!" oder „Die Kleine ist doch wohl kein Problem für dich.". Mich feuerte niemand an, aber mich kannte ja auch fast noch niemand. Das würde sich nach heute aber definitiv ändern.

„Niemand schlägt einfach so meinen kleinen Bruder.", sagte ich leise, als ich etwa zehn Sekunden nach Beginn des Kampfes Masons Arm runterdrückte.

„Ich werde es mir merken.", grinste er und beglückwünschte mich zu meinem Sieg.

Tyler sah ihn fassungslos an und fragte: „Warum hast du sie gewinnen lassen?"

„Das habe ich nicht, Tyler. Aber Emily und ich kennen uns schon länger. Ich habe ihr das Armdrücken gewissermaßen beigebracht, nur ist sie mittlerweile viel stärker als ich. Ich sagte dir doch, du solltest sie nicht unterschätzen."

Mit hochgezogener Augenbraue sah ich meinen Kumpel an. Genau genommen hatte ich ihm das Kämpfen beigebracht, als er anfing, mit Kat auszugehen, und eine unserer Aufwärmübungen war immer Armdrücken gewesen. Ich lachte nur, als die ersten Jungs ankamen und mich herausfordern wollten.

Am Anfang bekam ich noch oft solche Sprüche wie „Gib lieber auf, Kleines", „Ich will dir ja eigentlich nicht wehtun" oder „Geh lieber, ich werde dich nicht verschonen, nur weil du ein Mädchen bist", doch schon bald bemerkten sie, dass ich das auch keineswegs nötig hatte. Von da an traten die meisten schweigend gegen mich an oder fragten mich nach Name und Handynummer. Ich antwortete keinem und besiegte einen Jungen nach dem anderen, Mädchen versuchten gar nicht erst, gegen mich anzutreten. Irgendwann wurde mir jedoch langweilig und ich war kurz davor, den nächsten einfach gewinnen zu lassen, als plötzlich ein mir relativ bekanntes Gesicht entgegentrat.

„Bonnie Bennett, was für eine Ehre.", begrüßte ich sie.

„Emily Salvatore, ich wünschte, ich könnte das Kompliment zurückgeben."

„Weißt du, Bonnie, du bist eine Gegnerin, gegen die ich gerne verliere.", sagte ich und meinte es vollkommen ernst. Ich mochte ihre Vorfahrin Emily schließlich sehr gerne und wusste, dass es keine Schande war, gegen eine Bennett zu verlieren.

Mit diesen Worten drückte ich meinen Arm in die entgegengesetzte Richtung, sodass es aussah, als hätte sie mich geschlagen.

„Vielleicht sehen wir uns ja noch Mal.", rief ich ihr beim Weggehen über die Schulter zu und ignorierte die enttäuschten Rufe der Zuschauer, dass ich sie habe gewinnen lassen. Das war der beste Anfang, um mir in meiner alten Heimatstadt wieder einen guten Ruf zuzulegen, den ich schamlos würde ausnützen können.


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