Victoria

Ich hätte die Haare nicht abschneiden sollen, dachte ich, während ich in den Spiegel sah.
Sie waren ein Trauerbild ihrer selbst und hingen in Strähnen neben meinem Gesicht nach unten.
Generell hätte ich erwartet, dass ich nun als Piratin irgendwie gefährlich aussah, aber ich sah aus wie ein trauriger Abklatsch meiner selbst.
Das Brandmal machte die Sache auch nicht besser. Der Buchstabe „P" strahlte mir entgegen. Pirat.

Schritte auf dem Flur.

Ben oder Jim?
Eine blonde Gestalt huschte vorbei.

„Jim!", rief ich und wartete einen Moment. Dann erschien er in der Tür mit zerknirschtem Gesichtsausdruck.

Wahrscheinlich wollte ich gar nicht wissen, was zwischen den Brüdern vorgefallen war. Ich winkte ihn zu mir heran.

„Was ist los?", fragte ich leise und zu meinem Erstaunen mitfühlend.

Himmel! Jetzt hatte ich Mitgefühl mit diesem Kerl!
„Das ist eine Sache zwischen Ben und mir. Du hast damit nichts zu tun", sagte er, schaffte es aber nicht, diesen komischen Unterton zu unterdrücken.

„Ich bin der Auslöser", sagte ich. Es war keine Frage sondern eine Feststellung.

Jim zögerte, nickte aber dann.
„Weißt du, dass Männer, die um eine Frau kämpfen, unglaublich attraktiv sind?", flüsterte ich.
Mit einem Mal war es mir nicht mehr wichtig, ob er mir seine Liebe gestand oder ob er mich überhaupt liebte. Ich selbst liebte ihn ja nicht, aber ich wollte ihn.

„Würdest du die Tür schließen, James?"

„Lassen wir ihn doch wissen, dass wir Spaß haben...", flüsterte Jim grinsend.
Von mir aus.
Ich packte Jim am Kragen, zog ihn zu mir heran und küsste ihn. Eine Hand an meinem Rücken, die andere um meine Taille zog er mich an sich.
Er schob mich zum Bett und wir fielen darauf.
Kurz unterbrachen wir den Kuss, damit Jim sein Hemd ausziehen konnte. Ich fuhr mit der Hand von dem Brandmal an seinem Hals hinunter bis zu seinem Hosenbund. Die Muskeln spannten sich unter meiner Berührung an, was mich wieder zum Lächeln brachte.

Dieses Mal würde ich mich an alles erinnern.

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Tja, so schnell kann das gehen: zwei Typen an einem Abend...