9.

Jungkook's PoV.:

Jimin hatte nicht übertrieben, als er sagte, dass es anstrengend sein würde, die Pferdeboxen sauber zu machen. Schon nach wenigen Minuten spürte ich ein unangenehmes Ziehen in meinen Armen und im Rücken. Ob es daran lag, dass ich derartige Arbeit noch nie gemacht hatte? Oder, weil die Pferdeäpfel so schwer waren? Ich konnte es nicht zuordnen. Fakt war, dass mir nach der ganzen Arbeit die Hände zitterten und ich mich am liebsten zurück auf den Heuboden verzogen hätte, um mich dort für einen Jahrhundertschlaf hinzulegen. Doch die Arbeit ging weiter. Als wir mit den Boxen fertig waren, mussten ein paar der Pferde gesattelt werden. Insgesamt waren es sechs Stück, die gerecht zwischen Taehyung und Jimin aufgeteilt wurden. Ich hielt mich wieder an Jimin's Seite und lauschte aufmerksam seinen Erklärungen. Erst die Decke, dann der Sattel und zum Schluss das Zaumzeug. Der Sattel durfte nicht zu weit hinten liegen, aber auch nicht zu weit vorne. Und der Gurt durfte nicht zu fest sein, denn der wurde erst kurz vor dem Ritt richtig festgezogen. Beim Zaumzeug musste der Nasenriemen einen Fingerbreit Abstand zur Nase haben. Der Abstand zwischen Kehlriemen und Kehle wurde mit einer Faust berechnet.

Wie sich herausstellte, wurden die Pferde für einen Jagdausritt gesattelt. Jimin erklärte mir, dass der Prinz und sein Leibwächter mindestens einmal im Monat auf Jagd gingen. Normalerweise gingen sie alleine. Doch seit kurzem gab es Unruhen im Land und der König zog es vor seinen Sohn in Begleitschaft mehrerer Soldaten los zu schicken.

Sie kamen, als wir fertig waren. Ich hatte gerade den letzten Riemen festgezogen, da flog die Tür am anderen Ende der Stallungen auf und sechs Männer marschierten herein. Jimin packte mich am Ärmel und zog mich von dem rabenschwarzen Pferd weg, welches ich gesattelt hatte. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie er den Blick senkte. Ich wollte es ihm gleich tun, denn scheinbar tat man das hier so. Aber meine ganze Aufmerksamkeit galt den Adeligen. Zwei Soldaten marschierten voraus. Sie trugen jeweils eine dunkelblaue Tunika, mit einer Art Lederweste darüber. Um ihre Hüften hing ein Gürtel mit Schwert. Hinter ihnen lief der Prinz des Dorfes. Er sah wunderschön aus. Seine schwarzen Haare waren zu einem Zopf gebunden, wodurch man seine Stirn und damit auch seine charakteristischen Augenbrauen sehen konnte. Darunter lag ein Paar haselnussbrauner Augen. Er würdigte mich keines Blickes, als er an mir vorbei ging und sich das weiße Pferd schnappte, welches Taehyung auf der anderen Seite aufgesattelt hatte.

Die Nachhut wurde von dem Leibwächter und zwei weiteren Soldaten gebildet. Die Soldaten sahen genauso aus, wie die beiden Typen, die voran gegangen waren. Doch der Leibwächter stach aus der Masse heraus. Er war ganz in Schwarz gekleidet. Seine dicke Kluft war an den Schultern und der Brust mit einer glänzenden Rüstung gepanzert. Hinter ihm wehte ein langes Gewand und als ich in sein Gesicht sah, erkannte ich eine Augenklappe über seiner rechten Gesichtshälfte.

Ich starrte ihn an. Und überraschenderweise erwiderte der Leibwächter meinen Blick. Sein verbliebenes Auge bohrte sich nahezu in meine Seele, als er in unsere Richtung lief. Plötzlich wurde er langsamer und blieb direkt vor mir stehen. Ich beobachtete, wie er die Hand auf das mächtige Schwert an seiner Hüfte legte und mich dann von oben bis unten musterte. Jimin, der neben mir stand, wurde so steif wie eine Kerze. Auch Taehyung wirkte angespannt.

„Wer ist das?", fragte der Leibwächter, seine Stimme so kalt wie Eis. „Was meinst du?", hörte ich den Prinzen sprechen. „Bleib da wo du bist", der Leibwächter streckte warnend eine Hand nach dem Prinzen aus. „Wer ist das?", wiederholte er dann. Die Frage war nicht direkt an mich gewendet, weswegen ich es für eine gute Idee hielt, den Mund zu halten. Schließlich kam Taehyung mir zur Hilfe. „Das ist Jungkook. Ein neuer Stalljunge", antwortete er und insgeheim schickte ich ein Dankesgebet zu ihm rüber. „Ich wusste nicht, dass wir einen neuen Stallburschen haben", erwiderte der Leibwächter scharf. Sein linkes Auge ließ nicht von mir ab. Er blinzelte nicht einmal. „Wir auch nicht, Sir. Aber die Arbeit ist hart und wir sind dankbar für seine Unterstützung", sagte Taehyung. Der Leibwächter des Prinzen schwieg. Er sah mich einfach nur an. Sein Blick bohrte sich weiter in meine Seele und für einen kurzen Moment glaubte ich wirklich, er wäre von einer höheren Macht. Dass er vielleicht Gedanken lesen konnte, oder sowas. Aber schließlich entspannte er sich und nickte. Ganz so, als würde er mich für heute am Leben lassen wollen.

Es folgte ein letzter, abschätzener Blick von oben bis unten, ehe sich der Leibwächter umdrehte und zurück zu seinem Prinzen ging. Dieser hatte uns die ganze Zeit beobachtet. Er schien keineswegs eingeschüchtert von dem Verhalten seines Leibwächters, sondern vielmehr verwirrt. „Wer war das?", hörte ich ihn fragen. „Ein neuer Stallbursche. Ich werde ihn im Auge behalten, nur für den Fall", antwortete der Leibwächter und zupfte an den Sattelgurten herum, die wir dem weißen Pferd umgelegt hatten. Kurz darauf ging er in die Knie, faltete seine Hände zusammen und half dem Prinzen mit einer geschickten Bewegung auf sein Pferd. Dieser schien sich mit der Antwort seines Leibwächters zufrieden zu geben, denn er lächelte ihn liebevoll an, während er die Zügel in die Hand nahm. Sein Leibwächter erwiderte die Geste nicht. Seine Miene blieb steinhart und ich fragte mich erneut, ob dieser Kerl von einer höheren Macht war. Aber das war ein alberner Gedanke.

Letztendlich setzte sich auch der Leibwächter in den Sattel. Sein schwarzes Gewand ergoss sich dabei über den Hintern seines ebenso schwarzen Pferdes. Er nickte den Soldaten zu. Daraufhin trieben diese ihre Tiere an und ritten durch die Hintertür voraus. Der Prinz folgte ihnen und der Leibwächter bildete wieder die Nachhut. Sie sahen sich noch kurz auf der grünen Wiese um, ehe sie in einem rasenden Galopp verschwanden.

Kaum waren sie fort, stieß ich erleichtert die Luft aus, von der ich nicht wusste, dass ich sie angehalten hatte. Mit rasendem Herzen drehte ich mich zu Jimin um. Er stand immer noch stocksteif neben mir, den Mund leicht geöffnet und die Augen groß. Taehyung, der seinen Freund ebenfalls beobachtete, fing an zu prusten. Es war ein merkwürdiges Geräusch, das sich schnell in ein amüsiertes Lachen verwandelte. Erst da fing Jimin an zu blinzeln und schloss den Mund.

„Da hatte wohl jemand einen Herzstillstand", grinste Taehyung frech. Er meinte Jimin. „W-Was meinst du?", stammelte dieser perplex. „Für einen kurzen Moment dachte ich, du würdest sabbern", fuhr Taehyung fort. „Ich habe ni-...", fing Jimin an und wischte sich einmal über den Mund, „Ich habe nicht gesabbert!".

„Jaja, das kannst du den Pferden erzählen. Und nicht mal die würden dir glauben", prustete Taehyung. „Ach fick dich doch! Und hör auf so blöd zu lachen! Ich habe nicht... Ich war nur ein bisschen überrascht. Immerhin bekommt man ihn nicht alle Tage so nah zu sehen", zum Ende hin wurde Jimin immer leiser. „Und ist er so, wie du ihn dir erträumt hast?", schmunzelte Taehyung und biss sich hart auf die Unterlippe, um nicht wieder in brüllendes Gelächter auszubrechen. Genau in diesem Moment machte Jimin einen Sprung nach vorne. Doch Taehyung reagierte schnell und fing an zu rennen. Die beiden jagten sich durch den ganzen Stall. Ab und zu warf Jimin sogar Bürste und Hufkratzer nach ihm.

„Ich verstehe nicht so ganz...", sprach ich, mehr zu mir selbst, als an die beiden gewandt. „Jimin ist in ihn verliebt!", trällerte Taehyung schadenfroh, der mich wohl unter den Beleidigungen von Jimin gehört hatte. „In den Leibwächter?", hakte ich entsetzt nach. „Jap, schon eine Ewigkeit", antwortete Taehyung und wich erneut einer Bürste aus. „Glaub ihm kein Wort!", kreischte Jimin wütend. Ich achtete nicht auf ihn. „Aber der Kerl ist so... Er ist so...", ich konnte es nicht beschreiben. „Sein Name ist Namjoon", keuchte Taehyung, der mittlerweile stehen geblieben war und sich Jimin mit angriffslustiger Miene gegenübergestellt hatte. „Namjoon? Das passt zu ihm", sagte ich nachdenklich. Jimin gab ein frustriertes Schnauben von sich. Ein Schnauben, das dem Kreischen eines Dinosauriers ähnelte. Dann warf er die Bürste in seiner Hand zu Boden.

„Ich bin nicht in ihn verliebt. Ich finde ihn nur gutaussehend, okay?", murrte er verärgert. „Und damit bist du wahrscheinlich der Einzige hier", grinste Taehyung. „Echt? Wieso das?", wollte ich wissen. „Hast du dir mal sein Gesicht angesehen? Die Augenklappe trägt er nicht umsonst. Darunter ist eine hässliche Narbe versteckt", erklärte er. Mir fiel wieder ein, dass man damals die Menschen mit Narben verabscheut hatte. Vor allem, wenn sie aus adeligen Hause kamen. Zwar kannte ich die Lebensbedingungen des Leibwächters nicht, aber er war in der Burg als des Prinzen Leibwächters angestellt. Damit stand er automatisch in naher Verbindung zum König.

„Wie ist das passiert? Die Narbe, meine ich?", fragte ich nach, während ich die Bürste vom Boden aufhob und zurück in den Eimer warf, wo sie das ganze Putzzeug sammelten. Taehyung schien mittlerweile von seinem hohen Ross heruntergekommen zu sein, denn er zuckte bloß gelangweilt mit den Schultern. „Keine Ahnung. Die einen sagen, dass er mit einem Bären gekämpft hat. Die anderen reden von einem heftigen Schwertkampf. Es gibt auch Gerüchte, dass es die Überbleibsel einer Strafe des Königs sind. Vielleicht hat er einen Befehl missachtet, oder so", wieder ein schulterzucken von Taehyung. „Ach quatsch. Das ist Blödsinn. Du weißt ganz genau, dass es ein Bär war", sagte Jimin. „Ein Bär", wiederholte ich ungläubig. „Namjoon wurde bereits in jungen Jahren zur Unterhaltung des Prinzen in die Burg geholt. Man erzählt sich, dass die beiden eines Tages in den Wald gelaufen und dort auf einen Bären getroffen sind. Namjoon wollte den Prinzen beschützen und hat sich vor ihn gestellt. Somit hat er die Pranken des Tieres abgekriegt. Erst danach wurde er zum Leibwächter ernannt", erklärte Jimin mir. Ich sah zu Taehyung rüber, der dieser Geschichte wohl überhaupt nichts abkaufen konnte. Zugegeben konnte ich das auch nicht. Es klang wie die Geschichte aus einem spannenden Kinderbuches. Aber ich wollte Jimin nicht weiter kränken, weswegen ich seine Erklärung einfach unkommentiert ließ.

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Soo, nächste Woche werde ich mal zwei Kapitel hochladen, damit wir ein bisschen voran kommen. Wahrscheinlich kommt dann Dienstag und Freitag ein Kapitel ^^

Ich hoffe es hat euch gefallen und ich wünsche euch ein schönes Wochenende~

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