5.
Jungkook's PoV.:
Die drei Jäger führten mich geradewegs auf die Waldlichtung zu. Hier standen keine Bäume mehr. Stattdessen erstreckte sich eine hügelige Weidefläche vor mir, dessen saftig grünes Gras von braunen Blättern bespickt war. Der zertrampelte Pfad führte genau zwischen zwei Hügel hindurch. Dort, am anderen Ende, ragte das graue Gemäuer einer Burg in die Luft. An dessen höchsten Turm wehte eine weiße Fahne und diese Szene kam mir so schrecklich bekannt vor, dass ich mein Tempo drosseln musste, um darüber nachzudenken. Ich blickte zurück in den Wald, aus dem wir gekommen waren. Dann schaute ich wieder auf die Burg und mit einer Windböe, die von rechts kam und die weiße Fahne nach links riss, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das hier war die Landschaft, die Sohyun's Vater in seinem Ölgemälde gemalt hatte!
Mein Mund klappte auf und ich musste unwillkürlich lachen, denn mein Unterbewusstsein hatte sich wirklich den allerschönsten Ort ausgesucht, um zu träumen. Ich fing an schneller zu laufen. Jeder Schritt erschütterte meinen Körper. Schließlich rannte ich, sodass mir der warme Wind um die Ohren pfiff. Ich kam der Burg immer näher und weil ich das Gefühl hatte, jeden Moment die Kontrolle über diesen wunderbaren Traum zu verlieren, rannte ich noch schneller. Ich war völlig außer Atem, als ich mitten in der Kurve vom Trampelpfad stehen blieb. Er führte rechts an der riesigen Burgmauer vorbei. Kurz überlegte ich, ob ich den Weg einfach verlassen und die Gegend auf eigener Faust erkunden sollte. Es kribbelte mir in den Fußspitzen. Doch ein Blick nach oben, ließ mich den Gedanken schnell über Bord werfen. Denn auf der mächtigen Burgmauer standen Wachen. Sie trugen dunkle Gewänder und dieselben altmodischen Waffen, wie die Jäger.
„Was gaffst du so?!", brüllte einer der Wachen zu mir herunter. Ich schluckte trocken, ehe ich mich stocksteif umdrehte und den Trampelpfad einfach weiterging. Einen Moment lang spürte ich noch seinen messerscharfen Blick in meinem Rücken. Dann verließ mich das unbehagliche Gefühl und ich konnte wieder durchatmen. Die Burg lag mittlerweile ein Stück weit hinter mir. Von den drei Jägern war nichts mehr zu sehen, aber ich glaubte zu wissen, dass sie zwischen den Wohnhäusern verschwunden waren, die sich in unregelmäßigen Abständen vor der Burg tummelten.
Es waren alte Häuser. Wobei ich mir nicht sicher war, ob man diese kleinen vier Wände überhaupt Häuser nennen konnte. Sie hatten Ähnlichkeiten mit einem Schuppen. Sowohl von der Größe, als auch von der Beschaffenheit. Die meisten davon waren aus Holz gebaut. Ein paar wenige auch aus Lehm. Der Trampelpfad führte in Schlangenlinien an ihnen vorbei und je tiefer ich in das kleine Dorf ging, desto dichter und lebhafter wurde meine Umgebung. Kinder rannten kreuz und quer über den Weg, riefen sich dabei etwas zu, oder spielten Fangen. Ein Mann zog einen Karren voller Gemüse an mir vorbei. Ein anderer Mann stämmte zwei Käfige mit aufgeregten Hühnern in den Armen. Er hatte auch noch eine Ziege im Schlepptau, die ihm an einem Strick gebunden hinterher trottete. Ich blieb stehen und schaute den beiden nach. Sie verschwanden in nicht allzu weiter Entfernung in einer Hütte. Das Schild über der Tür verriet mir, dass es ein Schlachter war.
Ich spürte mein Herz gegen meinen Brustkorb hämmern und hielt mir instinktiv eine Hand davor, in der Hoffnung es mit der Wärme meiner Handfläche zu beruhigen. Doch die Aufregung blieb. Sie wurde auch nicht besser, als ich mich umdrehte und weiter ging. Die Häuser standen hier so dicht nebeneinander, dass es lediglich Platz auf den Straßen gab. Bauern und Händler trampelten sich wortwörtlich auf den Füßen herum. Ich hatte große Mühe mich in Sicherheit zu bringen. Es war eine schier unmögliche Mission, denn gerade als ich drei tobenden Kindern aus dem Weg gegangen war, marschierte ein junger Mann an mir vorbei und ich stieß ausversehen gegen seine Schulter. Die Holzscheite in dem Sack über seiner Schulter drohten herauszufallen. Der junge Mann blieb stehen und sah mich vollkommen erzürnt an.
„Geht's noch?! Entschuldige dich gefälligst!", spuckte er mich an. „E-Entschuldigen Sie", stammelte ich perplex und versuchte nicht gleich in Panik auszubrechen. „Pass auf wo du hintrittst! Augen nach vorne!", grunzte er genervt, ehe er weiterging. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter. Meine Beine wollten sich nicht mehr bewegen. Stattdessen starrte ich überfordert in die Menschenmenge, die an mir vorbeizog. Keiner würdigte mich eines Blickes. Sie alle waren in ihrer eigenen Welt versunken und es schien, als würde ich nicht hierhergehören. Vielleicht war das hier doch kein schöner Traum, sondern ein Alptraum. Vielleicht würde gleich ein riesiger Drache auf mich herabstürzen und mir die gesunden Gliedmaßen vom Leib reißen. Ich schaute in den Himmel hinauf. Das Kreischen der Kinder und das hektische Stimmengewirr der Männer klang immer lauter in meinen Ohren. Ich hörte einen Esel blöken und Pferde wiehern. Mir wurde schlecht. Mit angestrengter Miene schaute ich wieder nach unten und sah mich nach einem Ort um, an dem ich mich beruhigen konnte. Da, ein Wirtshaus auf der anderen Straßenseite!
Ich kümmerte mich nicht um die Bauern und Händler, die ich auf meinem Weg anrempelte. Ich sah auch nicht zurück, als mir einer von ihnen etwas hinterherschrie. In Windeseile riss ich die kümmerliche Tür zu dem Wirtshaus auf und zog sie hinter mir wieder zu. Die Geräusche von draußen drangen nun nur noch gedämpft zu mir hindurch. Einen Moment lang schloss ich die Augen. Als ich sie wieder öffnete, hatte sich mein rasendes Herz ein bisschen beruhigt und vor mir breitete sich ein großer Raum aus, der dank kleiner Fenster und Kerzenlicht bloß mäßig beleuchtet war. Nichtsdestotrotz konnte ich alles sehen. Sowohl die langen Tische und Bänke, die sich an den Holzwänden entlang aufreihten, als auch die runde Bar in der Mitte des Raumes. Das Wirtshaus war zu dieser Stunde nicht viel besucht. Lediglich ein paar betrunkene Männer lungerten in den dunklen Ecken herum und nippten an ihrem Bier. Gemütlich.
Ich löste mich bloß zögerlich von der Eingangstür. Offenbar hatte ich sie ein bisschen zu kräftig zugedrückt, denn sie rutschte mit einem heftigen Ruck in ihre ursprünglich schiefe Position zurück. Das dumpfe Geräusch klang in dem dämmrigen Raum unfassbar laut. Ein paar betrunkene Männer hoben ihren Blick, um zu sehen wer da gekommen war. Doch ihre Aufmerksamkeitsspanne hielt sich in Grenzen und nach wenigen Sekunden ließen sie ihre Köpfe wieder hängen. Ganz langsam, darauf bedacht gegen keine Tische und Bänke zu stoßen und damit Aufsehen zu erregen, schlängelte ich mich durch den Raum zu der Bar hervor. Dort stand eine Frau - vermutlich die erste Frau, die ich bis jetzt gesehen hatte. Sie trug ein enges Kleid, welches ihren gewaltigen Busen nach oben schob und ihre Rundungen betonte. Die dunkelbraunen Haare hatte sie zu einem wilden Dutt zusammengebunden. Sie lächelte mich freundlich an, wenn auch ein bisschen gekünstelt.
„Bist du nicht ein bisschen zu jung, um hier her zu kommen?", begrüßte sie mich. „N-Nein, ich möchte nichts trinken", stammelte ich und spürte, wie mir die Hitze in die Wangen stieg. „Und womit kann ich dir behilflich sein?", sie hörte auf den Krug in ihrer Hand abzuwaschen und lehnte sich zu mir vor. Mein Blick fiel automatisch auf ihre Brüste. Innerlich verfluchte ich mich mehrere Male und hämmerte meinen Kopf gegen eine imaginäre Mauer. Äußerlich kniff ich die Augen zu, ehe ich mich gesammelt und ihr wieder ins Gesicht schauen konnte. „Ich weiß es nicht. Eigentlich bin ich nur hier reingekommen, weil draußen auf den Straßen so viel los ist", nuschelte ich dann. „Na, in einer Woche feiern wir das Totenfest. Das ganze Dorf steht in den Vorbereitungen dafür. Der Marktplatz muss geschmückt und die Straßen hergerichtet werden", antwortete sie mir, als wäre es das selbstverständlichste. „Es gibt hier einen Marktplatz?", fragte ich überrascht nach. Die Frau hob eine ihrer dicken Augenbrauen. Dann scannte sie mich abwertend von oben bis unten ab. „Du kommst wohl nicht von hier, was?", stellte sie fest und ihr Blick blieb an meinem Iron Man T-Shirt hängen. Sie zog eine merkwürdige Grimasse. „Nein", gestand ich leise, während ich beide Arme um meinen Bauch schlang. „Weißt du überhaupt, wo du hier gelandet bist?", hakte sie nach. Ich schüttelte den Kopf. Die Falte auf ihrer Stirn grub sich immer tiefer. Scheinbar schien sie nicht zu wissen, ob sie mich für dumm oder verrückt halten sollte.
„Du bist hier in einem östlichen Dorf von Gyeongju gelandet. Wir sind so klein und unbedeutend, dass unsere Ländereien keinen Namen haben. Aber wir werden von König Kim Seonho regiert. Und dieser steht unter dem direkten Befehl von König Gyeongsun, der über ganz Silla herrscht", erklärte sie mir. „Gyeongju", wiederholte ich nachdenklich und überlegte fieberhaft nach einer Stadt, welche diesen Namen trug. Ich hasste Geschichte und der Fakt, dass ich kaum zur Schule gegangen bin, trug nicht gerade positiv dazu bei. Mir fiel selbst unter größter Anstrengung keine Stadt namens Gyeongju ein. Auch kein Land namens Silla. Das Einzige, was ich mittlerweile realisierte, war die Tatsache, dass ich im Mittelalter gelandet war. Es musste so um das dritte oder vierte Jahrhundert sein. Das war die logischste Erklärung für all die krummen Hütten, die große graue Burg, den König und die Vielzahl an Menschen, mit ihren zerlumpten Klamotten und dreckigen Händen.
Ich überlegte auf ein Neues, ob dies hier wirklich ein Traum, oder nicht vielleicht doch das Leben nach dem Tod darstellen sollte, denn für einen Traum fühlte sich meine Umgebung viel zu echt an. Ich konnte den Schweiß der betrunkenen Männer und flüssigen Kerzenwachs riechen. Ja, sogar den beißenden Gestank von Alkohol. Mit meinen nackten Füßen nahm ich jede Kerbe und jedes Loch in den ramponierten Holzdielen wahr. Ganz zu schweigen von der runde Frau gegenüber von mir, die so rosige Wangen hatte, dass sie vollkommen real schien. Ich musste mich an das Totenfest erinnern, welches sie vor ein paar Minuten erwähnt hatte. Der Gedanke, dass das Fest wohlmöglich für mich sein könnte, keimte in mir auf.
„Was genau feiert ihr? Bei dem Totenfest, meine ich", fragte ich nach, denn ich brauchte dringend Antworten. Die Frau fing wieder an den Krug abzuwaschen. Mit einem fast schon traurigen und sehnsüchtigen Blick antwortete sie: „Wir ehren die Toten. Die Liebhaber, die Väter und die Söhne, die im Kampf gegen Baekje gefallen sind". Ihre Worte beruhigten mich ein bisschen. So stand zumindest fest, dass das Totenfest nicht für mich abgehalten wurde. Jedenfalls nicht direkt. Mein Blick fiel zurück auf die Frau, die nun gedankenverloren den Krug anstarrte und immer weiter über dieselbe saubere Stelle schrubbte. Sie schien in Erinnerungen zu schwelgen. Vielleicht hatte auch sie einen Menschen an den Krieg verloren. Kurz überlegte ich, ob ich nachhaken sollte. Eigentlich ging es mich nichts an und ich hatte wirklich Besseres zu tun, als mich mit den depressiven Gedanken einer Wirtsfrau rumzuschlagen. Zum Beispiel brauchte ich neue Klamotten. Ich konnte nicht ewig in einem Merchandise T-Shirt von Iron Man rumlaufen. Nicht im Mittelalter, wo es derartige Helden noch nicht gab. Und ich brauchte Schuhe, wenn ich nicht irgendwann auf Wunden Füßen spazieren wollte.
„Vielen Dank für Ihre Auskunft", sagte ich an die rundliche Frau gewandt. Erst dann schaute sie von ihrem Krug auf und stellte ihn weg, um sich einen Neuen zu nehmen. „Gern geschehen. Kommst du zurecht?", lächelte sie schwach. Eine Frage, auf die ich keine Antwort wusste. Immerhin konnte ich nicht genau sagen, wie lange dieser Traum andauern würde. Was passieren würde. Ob ich Freunde oder Arbeit finden würde. Ob ich überhaupt einen Platz in dieser Welt finden würde. Oder ob sich dieser Traum nicht in einen Alptraum verwandeln würde. Ich schaute auf meine Füße herab und wackelte mit den dreckigen Zehen. Ihr Anblick stärkte mich. Mit ihnen hatte ich das Gefühl alles zu überwältigen. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen: „Ich komme zurecht, danke".
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So, die ersten zwei Tage zurück im Arbeitsleben sind überstanden! Und obwohl es nur zwei Tage waren, war es echt anstrengend und ich bin mega müde. Mein einziger Lichtblick ist ein Konzert, auf das ich nächste Woche gehe und durch das ich nur eine drei Tage Woche habe xD
Ich hoffe ihr seid auch gut in die Woche gestartet ^^
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