3.

Jungkook's PoV.:

Ein heißer Schmerz pulsierte durch meinen Kopf, als ich aufwachte. Ich öffnete die Augen. In meinem Zimmer war es dunkel. Die Vorhänge waren zugezogen und das Deckenlicht ausgeschaltet. Lediglich die kleine Lampe auf meinem Nachttisch leuchtete. Ihr warmes Licht liebkoste das eingefallene Gesicht meiner Mutter. Sie saß auf einem Stuhl neben meinem Bett und hielt meine Hand fest. Als sich unsere Blicke trafen, atmete sie erleichtert aus und ihre angespannten Schultern senkten sich. Eine einzelne Träne kullerte über ihre Wange.

„Was ist passiert?", krächzte ich, als hätte ich mir die Stimme aus dem Leib geschrien. „Du hattest einen epileptischen Anfall", antwortete meine Mutter leise. Ich schluckte trocken und wich ihrem niedergeschlagenen Blick aus, indem ich gegenüber von mir auf das Ölgemälde starrte. Ich hatte schon lange nicht mehr einen epileptischen Anfall gehabt. Das letzte Mal lag bestimmt drei Jahre zurück. In den wenigen Fällen, die ich bis jetzt durchgestanden hatte, waren immer meine Medikamente oder akustische Reize der Auslöser dafür gewesen. In diesem Fall lag es wohl am Piepen des Monitors und an den lauten Stimmen um mich herum. Ich schaute wieder zu meiner Mutter, dessen Unterlippe gefährlich zitterte. Sie neigte den Kopf und fing an zu weinen. Ihre heißen Tränen tropften auf unsere Hände, die nach wie vor ineinander lagen. Ich wollte ihr den Kopf streicheln und sagen, dass bald alles wieder gut werden würde. Aber ich war zu schwach.

„Es tut mir so leid. Es tut mir so unendlich leid. Ich wollte nicht... Ich wollte das nicht", schluchzte sie undeutlich. „Das war nicht deine Schuld", antwortete ich ihr, obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach. „Jungkook, ich kann ni-... Ich kann dich nicht einfach sterben lassen", hauchte sie erschöpft, „Du bist mein Sohn. Mein Sohn. Mein einziger Sohn. Mein Fleisch und Blut. Wenn ich dich verlieren würde, würde für mich eine ganze Welt zusammenbrechen. Ich habe doch nur dich".

„Du hast noch Papa", murmelte ich und schaute träge durch den Raum, auf der Suche nach ihm. Doch mein Vater war nicht hier. Ich vermutete, dass er Essen oder Trinken holte. „Das ist nicht dasselbe", sie hob den Kopf. Ihre Augen blickten mich rot und wässrig an. Sie streckte eine Hand nach mir aus und streichelte damit sanft über meine Wange. Ich schloss die Augen und einen Moment lang vergaß ich das siedend heiße Pochen in meinem Kopf. Ich spürte bloß ihre dünnen Finger, dessen Haut so kaputt geknabbert war, dass sie sich rau anfühlten.

„Ich liebe dich, Jungkookie. Ich liebe dich so sehr", hörte ich sie sprechen. „Ich dich auch, Mama", erwiderte ich und hätte auf der Stelle wieder einschlafen können. Ihre rauen Finger zogen beruhigende Kreise auf meiner Schläfe. In meinen Gedanken stellte ich mir vor, wie sie wunderschöne Blumenranken auf mein Gesicht malte. Und wie sie erblühen würden, unter der goldenen Herbstsonne. „Es fällt mir so schwer, dich loszulassen. Kannst du mir verzeihen?", fragte sie leise. Langsam öffnete ich die Augen wieder und stellte erleichtert fest, dass sie aufgehört hatte zu weinen. Ihre Tränen waren versiegt. „Ich verzeihe dir", sagte ich. „Danke. Danke, mein Schatz", sie beugte sich vor und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.

Kurz herrschte eine angenehme Stille zwischen uns. Ich schaute meine Mutter einfach nur an und erinnerte mich an diverse Momente mir ihr. An Ausflüge zum Strand, in den Zoo und meinen ersten Schultag. An den Sommer, in dem wir selbstgemachtes Eis in unserem Garten geschleckt hatten. An den darauffolgenden Winter, in dem wir meinen Vater mit einer Schneeballschlacht überfallen hatten. Aber auch an Momente, die für jeden anderen Menschen völlig belanglos waren. Wie zum Beispiel einkaufen gehen, oder gemeinsam Fernsehen gucken. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und nun war ich derjenige, der zu weinen anfing.

„Ich will doch einfach nur leben", brachte ich erstickt hervor. „Ich weiß, mein Schatz. Wir werden einen Weg finden. Es muss einen Weg geben", antwortete sie und versuchte es mit einem aufmunternden Lächeln. Doch dieses Lächeln erreichte mich schon lange nicht mehr. „Es gibt keinen Weg. Die Therapien schlagen nicht an. Ich bin verloren", weinte ich. „Vielleicht schlägt die fünfte Chemotherapie an. Wir könnten es versuchen", schlug sie vor. So hoffnungsvoll. Und so naiv. „Nein, Mama. Bitte nicht. Ich kann nicht mehr. Der Schmerz, die Medikamente, die schlaflosen Nächte... Ich habe genug davon. Ich möchte nach Hause. Bitte lass mich nach Hause. Bitte, bitte, bitte", flehte ich, ehe der Kloß in meinem Hals mir die Luft abschnitt und ich schluchzen musste. Meine Mutter verzog den Mund, um nicht wieder in Tränen auszubrechen. Sie schüttelte den Kopf und ließ ihn hängen, wurde dabei ganz still.

„Ist es wirklich das, was du möchtest? Möchtest du wirklich sterben?", hakte sie schließlich nach. „Ja", erwiderte ich, ganz knapp und ohne ein zögern. „Jungkook, das ist keine leichtfertige Entscheidung. Du musst dir das gut überlegen", ihre Stimme war jetzt nur noch ein einziges Flüstern. Ganz schwach, als hätte sie aufgegeben. „Ich habe mir das gut überlegt. Dieser Gedanke schweift mir die letzten zwei Jahre durch den Kopf. Jeden Tag. Jede Nacht. Er ist der Grund, warum ich nicht schlafen kann. Warum ich nicht einmal mehr den Ausblick aus dem Fenster genießen kann", mein verschwommener Blick fiel für einen kurzen Moment zu den gelben Vorhängen, die zugezogen waren. Meine Mutter folgte meinem Blick. Sie schloss die Augen, holte tief Luft und stieß sie dann angestrengt wieder aus. „Ich kann dich nicht zwingen. Das habe ich nie gemacht und damit werde ich jetzt auch nicht anfangen. Wenn du dir sicher bist... Wenn du dir wirklich sicher bist, dass du nach Hause kommen möchtest, dann werde ich das respektieren. Dann werde ich dein Zimmer hübsch herrichten und wir bringen dich nach Hause", sprach sie.

Es war, als würde ein riesiger Stein von meinem Herzen fallen. Als hätte der Gott, dem ich mich schon vor sehr langer Zeit abgewandt hatte, endlich meine Gebete erhören.

„Danke, Mama", nach etlichen Tagen - nein, sogar Monaten - erfüllte ein ehrliches Lächeln mein Gesicht. Ich war so froh, dass ich es nicht unterdrücken konnte. Meine Mutter wischte sich die nassen Striemen aus ihrem Gesicht und lächelte ebenfalls. „Aber es werden nicht jeden Tag Filme geguckt", mahnte sie mich. Ich musste automatisch lachen. Es tat weh, aber den Schmerz war es wert. „Okay, dann weiß ich Bescheid", grinste ich. „Ist gut. Und jetzt schlaf noch ein bisschen. Du musst dich ausruhen", sie streichelte über meine kurzen Haare. Ich nickte, schluckte den Kloß in meinem Hals herunter und schloss dann die Augen. Meine Mutter, als hätte sie meine Gedanken gelesen, fing wieder an kleine Kreise auf meine Stirn zu malen. Und wieder stellte ich mir vor, dass es Blumenranken sind, die dort auf meinem Gesicht wachsen und sich in der goldenen Herbstsonne erwärmen.

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Aus unerklärlichen Gründen wurde das letzte Kapitel nicht angezeigt. Ich hoffe Wattpad reißt sich jetzt wieder zusammen xD Wenn ich eins am Updaten nicht vermisst habe, dann sind es die Bucks von Wattpad. Naja, ich hoffe das Kapitel wird euch jetzt angezeigt. Und ich hoffe, es hat euch gefallen ^^

Genießt das Wochende!

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