28.
Jungkook's PoV.:
Ich schwebte auf Wolke Sieben. Jeder Schritt und jeder Atemzug brachten die Schmetterlinge in meinem Bauch zum Flattern. Die Welt wirkte so farbenfroh, wie noch nie. Ich hatte ein Dauergrinsen im Gesicht, welches mir in den Wangen weh tat, doch es störte mich nicht. Ich fühlte mich gut. Ich fühlte mich so gut, wie noch nie. Und das Gefühl wuchs jedes Mal, wenn ich in Taehyung's Richtung sah und er meine Blicke mit einem niedlichen Lächeln erwiderte. War das Liebe? Fühlte es sich so an, verliebt zu sein? Mein Herz stimmte zu, doch mein Kopf redete dagegen an. Ich war mir immer noch unsicher, obwohl die Zeichen eindeutig schienen.
„Ich fasse es nicht. Er tut es schon wieder", hörte ich Jimin sprechen. Wir hatten gerade wieder die letzten zwei Pferde auf die Weide gebracht. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich gedankenverloren und grinsend in den strahlend blauen Himmel hochgeschaut, doch nun drehte ich mich zu dem Älteren um. „Was meinst du?", wollte ich wissen. Aber Jimin antwortete mir nicht. Stattdessen stapfte er sichtlich wütend zurück in den Stall. Dorthin, wo Taehyung gerade wieder das Pferd aufsattelte, welches wir gestern auf unseren Ausritt mitgenommen hatten. Eine unbändige Vorfreude explodierte in meiner Brust. Ich rannte los, geradewegs an Jimin vorbei und auf Taehyung zu.
„Machen wir wirklich wieder einen Ausritt?", fragte ich, als ich bei ihm angekommen war. „Natürlich. Das Wetter ist gut und es gibt immer noch diesen einen Ort, den ich dir zeigen möchte", lächelte Taehyung, während er den Sattel nachgurtete. „Und was ist mit mir?!", rief Jimin hinter uns. Er hatte die Arme ineinander verschränkt und schmollte. Allerdings war es nicht die süße Art von Schmollen, sondern eine traurige und verletzte. Er meinte es ernst. „Wir bleiben bestimmt nicht den ganzen Tag weg. Dann können wir heute Abend...", versuchte ich ihn zu beschwichtigen. „Doch, wir bleiben den ganzen Tag weg", funkte Taehyung dazwischen, „Wir werden erst spät abends zurückkommen. Ich wäre dir also sehr verbunden, wenn du die Pferde alleine reinbringst".
„Was soll das? Kann ich nicht mitkommen?", flehte Jimin. „Das geht nicht. Jemand muss hier die Stellung halten, falls der Bote zurückkommt, oder ein anderer Bote losgeschickt wird", wimmelte Taehyung ihn an. „Ihr lasst mich immer zurück. Ich fühle mich wie das dritte Rad am Wagen", seine Stimme brach am Ende des Satzes und er biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu weinen. Ich bekam ein schlechtes Gewissen.
„Tae, wollen wir nicht wann anders...?", fing ich leise an, doch er ließ mich nicht zu Ende sprechen. „Nein. Wir werden keine andere Chance bekommen. Wirklich nicht, Jungkook. Das hier ist einer der letzten Tage, an dem wir ausreiten können", sagte Taehyung mit fester Stimme. Er hatte recht. Zum einen, weil das Wetter immer schlechter werden würde, und zum anderen, wegen dem Krieg, der bald ausbrechen würde. Ich schluckte trocken. Mein Blick fiel wieder auf Jimin, der nach wie vor wie ein getretener Hund dastand. „Jimin...", sprach ich. „Vergiss es. Macht doch was ihr wollt", schnaubte er und dampfte wütend an uns vorbei. Ich schaute ihm nach, bis er über die Treppe auf dem Dachboden verschwand. Ein schweres Seufzen verließ meine Kehle.
„Mach dir keine sorgen um ihn. Er hat mich auch schon mehrere tausend Mal versetzt", meinte Taehyung und im nächsten Moment spürte ich seine Hand auf meiner Schulter. Die Berührung schickte einen elektrisierenden Schock durch meinen Körper und plötzlich schwebte ich wieder auf Wolke Sieben. „Na schön. Aber morgen bleiben wir zur Abwechslung mal hier. Das wäre sonst echt gemein", entgegnete ich. „Wenn du meinst", er zuckte mit den Schultern, als würde er klein beigeben. Dann zog er mich behutsam ans Pferd und führte meine Hand zum Sattelknauf. „Weißt du noch, wie du aufsteigen musst?", raunte seine Stimme hinter mir. „Mit dem linken Fuß in den Steigbügel und hochschwingen", erklärte ich knapp. „Du lernst schnell", lobte er mich. „Ich habe ja auch einen guten Lehrer", das dämliche Grinsen in meinem Gesicht kehrte unweigerlich zurück. Taehyung erwiderte es und so starrten wir uns einen Moment lang einfach nur an. Schließlich löste ich mich von seinem Antlitz, um auf das Pferd zu steigen. Als ich sicher im Sattel saß, machte Taehyung die Zügel los und schwang sich mit einem eleganten Sprung hinter mich.
„Wo reiten wir hin?", fragte ich, als er das Pferd Richtung Ausgang lenkte. Die Hufe klapperten laut über den Steinboden. Es war ein rhythmisches Geräusch, dass ich mittlerweile sehr gerne hören mochte. Für mich klang es nach Freiheit. „Tae?", hakte ich nach. „Das siehst du dann", antwortete er knapp. „Aber ich mag keine Überraschungen", murmelte ich kleinlaut. „Ich will es dir aber nicht verraten. Also hör auf nachzufragen, sonst galoppieren wir wieder", er neckte mich, was mich unfassbar glücklich machte. „Aber Tae...", schmollend ließ ich mich gegen seine Brust fallen. „Du hast es nicht anders gewollt", seufzte er und im nächsten Moment fuhr ein Ruck durch das Pferd. Es fing an zu traben, woraufhin ich mich erschrocken aufsetzte und am Sattelknauf festklammerte. Dann galoppierte es. Ich gab ein unterdrücktes Kreischen von mir, als das Pferd nach draußen sprang und an der Weide vorbei jagte. Die anderen Pferde, die bis zu diesem Zeitpunkt entspannt gegrast hatten, schauten neugierig auf. Einige galoppierten uns sogar hinterher.
„Tae, langsamer!", schrie ich dem pfeifenden Wind entgegen. „Versuch ein Gefühl dafür zu kriegen!", erwiderte er und lachte. Das einzige Gefühl, was ich in diesem Moment verspürte, war das schmerzhafte Quetschen meiner Hoden. „Ich verfluche dich!", kreischte ich frustriert. Der Wind war eisig kalt und prickelte in meinem Gesicht, während wir die Weide hinter uns ließen. Wir galoppierten nicht in Richtung Wald. Stattdessen blieben wir auf unserem Kurs, der einfach geradeaus führte. Ich versuchte zu sehen, was dort hinter Hügeln und Wiesen versteckt lag. Doch der Wind trieb mir die Tränen in die Augen und es war schwer etwas zu erkennen. Also konzentrierte ich mich wieder auf das Pferd. Ich versuchte einen Rhythmus zu erkennen und mich diesem anzupassen. Gar nicht mal so einfach, wie sich herausstellte. Aber nachdem ich meine Beine an den Bauch des Pferdes presste und meine Hüften etwas lockerließ, funktionierte es. Jedenfalls reichte es aus, damit ich nicht mehr wie ein Flummi auf und ab hüpfte.
„Na siehst du!", vernahm ich Taehyung's Stimme an meinem Ohr. Er hatte sich wie ein schützender Mantel um meinen Körper geschlungen. Ich spürte, dass wir uns im Einklang bewegten. „Ich nehme alles zurück! Du bist ein furchtbarer Lehrer!", jammerte ich. „Manchmal muss man einfach ins kalte Wasser geworfen werden!", rief er schadenfroh. Kurz darauf fuhr wieder ein Ruck durch das Pferd und es wurde langsamer, bis es in einem gemütlichen Schritttempo ging. Das Pferd schnaubte und ich seufzte. „Du hast meine Eier eingequetscht", merkte ich an, während ich hin und her rutschte, um meinen Kronjuwelen den nötigen Platz zu lassen. „Daran gewöhnt man sich, glaub mir", grinste er. „Und es war kalt", fügte ich hinzu. „Okay, ist ja gut. Es tut mir leid", entschuldigte Taehyung sich. Er nahm die Zügel in seine rechte Hand und fasste mit der freien Hand um meinen Bauch, um mich näher an ihn zu drücken. Im nächsten Moment lag sein Kinn auf meiner Schulter. So nah, dass sich seine Wange gegen meine presste.
„Jetzt besser?", hakte er nach. „Ein bisschen", murmelte ich leise. Tatsächlich wurde mir wärmer. Taehyung's Körperwärme wanderte durch unsere Klamotten hindurch und versetzte mich in Flammen. Vielleicht war es auch der Gedanke, dass wir so nahe beieinandersaßen. Was es auch war, es sorgte dafür, dass ich mich ihm entgegenlehnte.
„Wir reiten nicht in den Wald", stellte ich fest, als das orangebraune Meer in weiter Entfernung an uns vorbeizog. „Nein, wir reiten nicht in den Wald", stimmte Taehyung zu. Beinahe hätte ich wieder nachgefragt, wo er mich hinführte. Doch ich konnte mich noch gerade so bändigen. „Glaubst du Hyojin kommt zurecht, wenn du weg bist?", fragte ich stattdessen nach. Das war nicht unbedingt das beste Gesprächsthema, aber die Antwort interessierte mich ehrlicherweise. Schließlich wäre Hyojin ganz auf sich allein gestellt, wenn Taehyung fortgehen würde. Sie hatte keinen Mann an ihrer Seite und auch keine Freunde, von denen ich wusste.
„Meine Mutter sieht vielleicht nicht danach aus, aber sie ist ein starker Mensch. Den Tod meines Vaters hat sie auch verkraftet. Und es ist ja nicht so, dass ich nie wiederkommen werde", antwortete Taehyung gelassen. „Glaubst du daran? Ich meine, dass du zurückkommen wirst?", hakte ich nach. „Natürlich. Der Glaube daran ist das Einzige, was mir bleibt", er seufzte und drückte seine Wange fester gegen meine, „Und ich hoffe doch sehr, dass du dasselbe glaubst".
„Eigentlich habe ich mich dem Ganzen schon lange abgeschworen", ein trockenes Lachen verließ meine Kehle. Ich legte den Kopf in den Nacken und blinzelte der strahlenden Sonne entgegen. „Es hat mich nie weitergebracht. Aber jetzt... Jetzt fange ich wieder an zu glauben. Ich glaube daran, dass wir dem Tod entgegenstrotzen können. Ich glaube daran, dass wir den Krieg überleben und glücklich sein können", fuhr ich fort. „Das gefällt mir", sagte Taehyung und ich spürte, wie seine Wange sich anspannte. Vermutlich lächelte er wieder dieses wunderschöne Lächeln, was mein Herz höherschlagen und meine Beine weich werden ließ. Daraufhin musste auch ich lächeln.
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Entschuldigt die lange Pause hier bei My Time. Mir ging es die letzten Wochen nicht so gut und ich hatte nicht den Kopf, um etwas hochzuladen oder überhaupt zu schreiben. Ehrlich gesagt bin ich auch immer noch nicht ganz fit, aber ich werde versuchen hier wieder weiterzuschreiben ^^
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