27.

Jungkook's PoV.:

Am Abend tat mir alles weh. Ganz besonders mein Hintern und meine Oberschenkel, denn ich war noch nie so lange geritten, wie an diesem Tag. Den Weg nach Hause watschelte ich eher, als dass ich lief. Und als wir angekommen waren, ließ ich mich sogleich auf der Sitzbank am Feuerplatz nieder. Ich ächzte und verzog schmerzhaft mein Gesicht. Taehyung, der mich während des ganzen Weges gestützt hatte, und sich nun neben mich setzte, fing an zu kichern.

„Was hast du mit ihm angestellt?", fragte Hyojin, die gerade das Abendessen zubereitete. Sie rührte in dem Kessel, der über dem Feuer hing. „Wir haben einen Ausritt gemacht", schmunzelte Taehyung. „Wirklich? Ihr alle drei?", hakte sie nach und holte ein paar Schüsseln vom Esstisch. „Nein, nur Jungkook und ich. Er war noch nie reiten und hat jetzt ziemlich schmerzen", antwortete er. Das doofe Schmunzeln war immer noch in seinem Gesicht. Am liebsten hätte ich ihn von seinem Hocker geschubst. „Du bist schuld. Ich glaube mir würde es besser gehen, wenn wir die letzten Meter nicht galoppiert wären", brummte ich. „Hey, ich habe dich vorher extra gefragt, ob du schneller reiten möchtest", verteidigte er sich. „Ja und ich habe so lange gezögert, bis du dich selbstständig gemacht hast. Ich konnte mich gerade noch rechtzeitig am Sattel festklammern", erwiderte ich. Ich wollte wütend sein. Ich wollte wirklich wütend sein, aber Taehyung sah in dem sanften Licht des Feuers so wunderschön aus. Und dieses Lächeln in seinem Gesicht brachte mich geradezu zum Schmelzen.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Hyojin mir eine Schüssel mit Suppe hinhielt. Ich konnte mich nur schwer von Taehyung's Antlitz losreißen. Schließlich wandte ich mich mit einem Seufzen von ihm ab und nahm die Schüssel entgegen. Die Suppe war warm und duftete herrlich.

„Das klingt, als hättet ihr Spaß gehabt", sagte Hyojin, ehe sie auch Taehyung eine dampfende Schüssel reichte. „Mir hat es Spaß gemacht. Wir haben sogar einen Hirsch gesehen", erzählte er aufgeregt. „Der war echt schön", stimmte ich zu. „Einen Hirsch? Da habt ihr aber großes Glück gehabt. Normalerweise treiben die sich nicht so nah am Dorf herum", nun schöpfte Hyojin sich auch eine Schüssel voll Suppe ein. Dann setzte sie sich gegenüber von uns auf den Hocker und ließ die Suppe in ihren Schoß sinken: „Lasst uns jetzt beten, bevor das Essen kalt wird".

Zum ersten Mal, seit ich hierhergekommen war, wollte ich auch beten. Ich wusste nicht genau, ob es an meiner guten Laune lag. Daran, dass ich heute so viele wunderbare Dinge gesehen und erlebt hatte, oder ob ich wirklich anfing meinen Glauben an Gott wiederzufinden. Da war ein kleiner Funken Hoffnung in meinem dunklen Herzen. Ein Funken, der mit jedem Herzschlag heller schien. Also betete ich mit. Ich hatte die Wörter nicht vergessen und sie kamen mir leichter über die Lippen, als gedacht. Es fühlte sich auch nicht falsch an, die Wörter nach so langer Zeit wieder aufzusagen. Ganz im Gegenteil, denn es fühlte sich gut an. Als würde ich nach sehr langer Zeit einen Freund wiedersehen, der mich mit einem Lächeln und offenen Armen empfängt.

„Amen", beendeten wir schließlich unser Gebet. Ich öffnete meine Augen und spürte ein Lächeln in meinem Gesicht, welches mich selber ein bisschen überraschte. Hyojin, die auf der anderen Seite saß, erwiderte das Lächeln. „Dann wünsche ich uns einen guten Appetit", hörte ich Taehyung sprechen. Kurz darauf war sein schlürfen und seufzen zu hören. „Schmeckt es gut?", fragte Hyojin, während ich ebenfalls kostete. Es schmeckte genauso gut, wie es roch. Die Suppe war cremig, mit Möhren und anderem Gemüse, welches ich nicht erkennen konnte, weil es so klein geschnitten war. Es wärmte mich bis in die Fußspitzen. „Mega lecker", schmatzte Taehyung. „Einfach der Wahnsinn", stimmte ich zu. Daraufhin wurde Hyojin's Lächeln so breit, dass es ihre Augen erreichte. Doch plötzlich wurden ihre Augen ganz rot und glasig und sie fing an zu schniefen, als würde sie weinen.

Taehyung und ich stoppten inmitten unserer Bewegungen.

„Mama? Ist alles gut?", fragte Taehyung vorsichtig nach. Sie schniefte wieder und wischte sich mit einer freien Hand über die Wangen. „Mama...", wiederholte Taehyung leise. Er blickte mich hilfesuchend an. Allerdings hatte ich keine Ahnung, was plötzlich mit seiner Mutter los war, weswegen ich unsicher mit den Schultern zuckte. „Mama, was ist los?", hakte Taehyung nach. „Ich... Ich...", schluchzte sie und ihre Unterlippe bebte, „Ich habe dieses Gerücht gehört...".
„Welches Gerücht?", wollte Taehyung wissen. Mittlerweile hatte er seine Schüssel mit der Suppe auf den Boden abgestellt, um sich voll und ganz auf seine Mutter zu konzentrieren.

„Im D-Dorf geht ein Gerücht rum... Ein Gerücht, dass...", sie kniff die Augen zu. Noch mehr Tränen kullerten über ihre Wangen. Sie wischte sie sich schnell weg. Schließlich legte sie den Kopf in den Nacken und atmete einmal tief Luft ein. „Es geht ein Gerücht rum, dass bald wieder Krieg ausbricht. Die Frau auf dem Markt, die mir die Pilze verkauft hat, hat es mir erzählt. Sie weiß es von ihrem Mann, dem Bäcker. Und der weiß es von seinem Kollegen. Und der wiederrum weiß es vom Schlachter, dessen Sohn auf der Jagd einen von unseren Boten gesehen hat", erklärte sie. Ich spürte, wie Taehyung in sich einsackte. Auch mir verging auf einmal der Appetit, sodass ich meine Schüssel zurück in meinen Schoß sinken ließ.

„Es war wohl ein sehr wichtiger Bote. Vielen Dorfbewohnern kam das ein bisschen komisch vor, zumal wir erst vor kurzem rausgefunden haben, dass Baekje und Goguryeo sich miteinander verbündet haben", fuhr Hyojin fort. Sie holte wieder tief Luft und wischte sich die verbliebenen Tränen aus dem Gesicht, „Ihr wisst nicht zufällig etwas darüber, oder?".

„Wir wissen gar nichts", platzte es aus Taehyung heraus. Sein Blick haftete auf seinen ineinander gefalteten Händen und er sprach weiter: „Wir haben zwar das Pferd gesattelt, auf dem der Bote ritt... Aber er hat uns nichts verraten".
Das stimmte nicht ganz, aber ich hielt den Mund. Immerhin hatte es einen offensichtlichen Grund, wieso Taehyung nichts dazu sagen wollte. Er wollte seiner Mutter keine Sorgen bereiten, geschweige denn sie verängstigen. Er wollte sie beschützen.

„Wirklich nichts? Habt ihr auch nichts gesehen? Keine Schriftrolle, oder irgendein Siegel?", plötzlich sah Hyojin mich an. Ich schüttelte den Kopf. „Nichts dergleichen", antwortete ich dann. „Du weißt doch, wie die Boten sind. Sie nehmen ihren Job sehr ernst. Und das ist auch gut so, denn ansonsten wären wir dem Untergang geweiht. Vielleicht ging es hierbei auch einfach nur um den Zehnt, oder so", fügte Taehyung hinzu. Daraufhin seufzte Hyojin und schaute betrübt in ihre Schüssel herab. Schließlich nahm sie einen zaghaften Schluck von der Suppe. „Vielleicht hast du recht", murmelte sie leise, „Vielleicht ging es auch einfach nur um den Zehnt. Ich hoffe es. Ich will dich nicht... Ich will dich nicht auch an den Krieg verlieren". Erneut trat ein Schwall Tränen in ihre Augen. Sie blinzelte sie weg und schob sich einen weiteren Löffel Suppe in den Mund. „Du wirst mich nicht verlieren, Mama. Selbst, wenn ein Krieg ausbricht und ich kämpfen muss, werde ich zurückkommen. Du weißt doch wie nervig ich sein kann. Der Feind wird mich nicht haben wollen", scherzte Taehyung und versuchte es sogar mit einem Lachen. Hyojin funkelte ihn aus roten Augen an: „Das will ich auch hoffen. Ich mach dir die Hölle heiß, wenn du auf dem Schlachtfeld stirbst".

Die ganze Sache war nicht lustig. Trotzdem fingen die beiden plötzlich an zu schmunzeln und zu lachen. Die erdrückende Stimmung lockerte sich etwas und ich erlaubte mir auch ein Lächeln, obwohl mit in diesem Moment eher zum Heulen zumute war.

Die beiden erinnerten mich an meine Mutter und mich selbst. Es war dasselbe Szenario. Wir hatten auch unsere Augen vor der Wahrheit verschlossen und weitergelebt, als hätten wir nie von meiner tödlichen Krankheit gehört. Es gab nur einen kleinen Unterschied. Damals war ich erst drei Jahre alt gewesen. Ich hatte es nicht besser gewusst. Genaugenommen hatte ich zu dem Zeitpunkt nicht einmal verstanden, was sich für eine Krankheit in meinem Körper ausbreitet. Hätte ich es gewusst, hätte ich meine Mutter vielleicht schon vorher ein Stück weit in die Realität zurückgeholt. Einfach, um sie wachzurütteln. Aber ich verstand auch, wieso Taehyung es nicht tat. Alles zum Schutze seiner Mutter.

Den Rest des Abends wurde der Krieg nicht mehr thematisiert. Stattdessen erzählte Taehyung von unserem Ausritt und der Hirsch-Familie, die wir gesehen hatte. An einigen Stellen übertrieb er ein bisschen, sodass seine Mutter unweigerlich lachen musste. Als er aufstand, um die Szenen mithilfe von dramatischer Gestik und Mimik darzustellen, musste auch ich lachen. Er ahmte sogar das Gebrüll des Hirsches nach, was nicht nur wir, sondern auch die halbe Nachbarschaft mitbekam. Es klang urkomisch.

Noch auf dem Weg nach oben zum Dachboden, hatte ich deswegen ein fettes Grinsen im Gesicht.

„Nächstes Mal hältst du dir einfach zwei Äste an den Kopf und läufst den Hirschen hinterher. Das fällt bestimmt nicht auf", kicherte ich. „Es freut mich zu hören, dass dir mein kleines Theaterstück gefallen hat", schmunzelte Taehyung und hielt mir eine Hand entgegen. Ich griff nach ihr und ließ mich die letzten Treppenstufen von ihm hochziehen. „Du solltest vielleicht nochmal deinen Job wechseln. Vom Stalljungen zum Schauspieler", ich machte eine dramatische Handgeste. „Vergiss es. Dann müsste ich ständig umherwandern", sagte er und ließ mich los. Ich schaute ihm nach, bis er in absoluter Dunkelheit verschwand. Hier oben gab es kein Licht. Lediglich das kleine Feuer, welches unten knisterte, spendete uns etwas Helligkeit. Es schien durch die Luke und durch die Ritzen der Dielen. Allerdings erreichte es nicht die Ecke, in der Taehyung stand. Das war vielleicht auch besser so, denn ich konnte hören, wie er sich seiner Klamotten entledigte. Der Stoff raschelte und landete dann mit einem sanften Flop auf dem Boden. Dann passierte es noch einmal. Und noch einmal.

„Kommst du? Oder willst du im Stehen schlafen?", hörte ich den Älteren sprechen. Die Dielen knarzten, während er sich den Weg zu seinem Schlafplatz suchte. Für einen klitzekleinen Moment wurde sein Körper von einem orangegelben Streifen erleuchtet. Der Moment reichte aus, um zu erkennen, dass er mal wieder splitterfasernackt war. Aber es reichte nicht aus, um seine engelsgleichen Proportionen zu bewundern.

„Das dir nicht kalt ist...", murmelte ich, vielmehr zu mir selbst, als an ihn gewandt. Mit glühenden Wangen tapste ich zu ihm. Ich setzte mich in das Stroh und rutschte ein bisschen herum, bis es mich nicht mehr in den Hintern pikste. Dann zog ich mein Shirt aus und legte es ordentlich neben mich. „Ich schwitze ziemlich viel im Schlaf", antwortete Taehyung, der sich bereits unter ein Kuhfell gekuschelt hatte, „Und wenn mir mal doch kalt wird, habe ich ja dich".
„Davon träumst du wohl", nuschelte ich, denn allein die Vorstellung brachte mich beinahe um den Verstand. „Nein, ich träume von ganz anderen Dingen", ich hörte ein Lächeln in seiner Stimme. Daraufhin wusste ich nichts mehr zu sagen. Also legte ich mich schweigend neben ihn, eingekuschelt unter zwei Kuhfellen und einem dicken Ziegenfell. Die Wärme sickerte nur langsam zu mir hindurch.

„Hat es dir heute wirklich Spaß gemacht?", fragte Taehyung in die Stille. Ich konnte seine groben Umrisse in der Dunkelheit erkennen. „Ja, der Tag war schön", erwiderte ich ehrlich. „Wollen wir morgen wieder ausreiten? Es gibt noch einen anderen Ort, den ich dir zeigen möchte", sagte er. „Welchen denn?", fragte ich nach. „Das siehst du dann. Also?", das Stroh raschelte, als er noch ein Stückchen näher rutschte. Nun war er mir so nahe, dass ich seine Augen sehen konnte. Sein Blick huschte über mein ganzes Gesicht. Plötzlich streckte er seine Hand aus und streichelte mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Die Schmetterlinge, die schon seit unserem Ausritt durch meinen Bauch tanzten, verwandelten sich zu einem mit Druck geladenen Ball. Und dieser Ball explodierte wie ein Feuerwerk, als Taehyung mit dem Zeigefinger über meine Wange herab wanderte. Ein zittriges Seufzen verließ meine Kehle, noch bevor ich es unterdrücken konnte.

„Tut mir leid", murmelte Taehyung und plötzlich war sein Finger weg. Dort, wo er gewesen war, kribbelte es. Ich rieb mir grob über die Haut, um bei Vernunft zu bleiben. „Das hat gekitzelt", flüsterte ich, während meine Wangen so heiß glühten, dass man ein Spiegelei darauf hätte braten können. Aber es waren nicht nur meine Wangen, die in Flammen standen. Genaugenommen war es mein ganzer Körper. Da war auch wieder dieses Gefühl. Ein Gefühl der Sehnsucht. Ich mochte es nicht zugeben, aber ich sehnte mich nach dieser Art von Berührung, obwohl ich dahingehend so unerfahren wie ein pubertierender Teenager war. Aber ich wollte es. Ich wollte das alles und noch viel mehr.

„Lass uns jetzt schlafen gehen", raunte Taehyung und fast hätte ich bei seiner tiefen Stimmlage wieder geseufzt. „O-Okay", antwortete ich leise. Dabei wollte ich gerade alles andere tun, als das. Ich wollte ihn auch anfassen. Ich wollte durch seine fluffigen Haare streicheln, seine warmen Wangen berühren. Ich wollte seinen Hals liebkosen und meine Hand gegen seine nackte Brust drücken, um seinen Herzschlag zu spüren. Um zu schauen, ob es genauso schnell schlug, wie meines. Aber die Stimme der Vernunft siegte. Ich zwang mich die Augen zu schließen und mich umzudrehen. Ich versuchte das Ein- und Ausatmen von Taehyung zu ignorieren. Stattdessen konzentrierte ich mich auf das Knistern des Feuers, welches sich unten langsam aber allmählich ausbrannte. Erst funktionierte es nicht, weil Taehyung's Berührungen mich zu sehr aufgewühlt hatten. Doch irgendwann, als der Ältere bereits ein beständiges Schnarchen von sich gab, driftete auch ich in einen traumlosen Schlaf.

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Morgen ist endlich Weihnachten! Ich freue mich so, vor allem, weil ich meiner Mutter Karten für König der Löwen schenke und sie bestimmt durchdrehen wird xD

Was habt ihr euch so zu Weihnachten gewünscht? ^^

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