14.

Jungkook's PoV.:

Ich sollte recht behalten. Taehyung's schlechte Laune zog sich über den ganzen Tag hinweg. Er sagte kaum ein Wort und schenkte uns nur wenig Beachtung. In Gemeinschaft mit Jimin ließ sich das noch aushalten. Doch als wir am Abend die Tür zu den Stallungen verriegelten und jeder seinen eigenen Weg ging, hing ich gezwungenermaßen bei dem schlecht gelaunten Taehyung fest. Eine unangenehme Spannung umgab uns, wie eine Seifenblase. Ich lief mit Absicht ein paar Schritte hinter ihm, um ihm den nötigen Raum zu geben, den er zu brauchen schien. Und so bahnten wir uns stillschweigend den Weg zwischen den Wohnhäusern entlang. Schließlich kamen wir beim Marktplatz raus, dessen Fläche mit einem Kreis aus Fackeln beleuchtet wurde. Die Vorbereitungen für das Totenfest waren somit abgeschlossen. Die Bühne stand, mit zwei Stühlen darauf. Überall hingen Blumen und weiße kleine Lampignons. Girlanden flatterten in der Luft. In meinen Augen ähnelte es einer mittelalterlichen Hochzeit, statt einem Totenfest. Aber das behielt ich natürlich für mich.

„Für wen sind die beiden Stühle?", fragte ich an Taehyung gewandt, in der Hoffnung die angespannte Stimmung zu lockern. Aber er antwortete nicht. Er lief einfach schnurstracks weiter und schaute nicht zurück. Ich biss mir auf die Unterlippe, um ihm keine Beleidigung an den Kopf zu werfen. Zwar konnte ich nachvollziehen, wieso er eingeschnappt war, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er sich gerade wie ein kleines Kind benahm. Er hatte genug geschmollt. Außerdem trug ich keinerlei Schuld an dieser Sache.

„Ich kann verstehen, wieso du sauer bist. Jimin hatte kein Recht über deine Familienangelegenheiten zu sprechen", sagte ich und holte mit schnellen Schritten zu ihm auf, „Er hat zu viel gesagt. Das ist scheiße und unfair. Du solltest mir davon erzählen. Zur richtigen Zeit, am richtigen Ort".
„Was du nicht sagst", brummte Taehyung. „Wenn du willst...", fing ich an, doch plötzlich bekamen meine Beine einen Knoten und ich stolperte nach vorne. Der staubige Trampelpfad kam mir mit einer rasanten Geschwindigkeit entgegen. Ich schrie und kniff die Augen zu. Doch bevor ich mit dem Boden in Berührung kommen konnte, packte Taehyung mich am Oberarm und riss mich wieder hoch. Es passierte alles so schnell, dass ich eine Weile brauchte, um mich zu fangen. „Danke", murmelte ich leise. Mein Herz raste und meine Beine zitterten. „Pass auf wo du hintrittst", sagte Taehyung und verschränkte die Arme ineinander, „Was wolltest du sagen?".

Er ging nicht weiter. Und er sah mich auch nicht an. Sein Blick galt dem Boden und den Hütten, die hier ringsherum standen. Er schaute überall hin, nur nicht in meine Richtung. Der Schein der Feuerfackeln warf dunkle Schatten über sein Gesicht. Er sah traurig und verletzt aus. Der Tod seines Vaters konnte noch nicht lange her sein, wenn er so sensibel darauf reagierte.

„Ich wollte dir sagen, dass ich Jimin's Worte einfach vergessen kann", antwortete ich. Taehyung sagte nichts. Er scharrte bloß mit den Füßen im Dreck, bis dort eine Staubwolke emporstieg. „Ich kann es einfach vergessen", wiederholte ich. „Sowas kann man nicht einfach vergessen", seufzte er. Für einen klitzekleinen Moment trafen sich unsere Blicke. Er wirkte nicht mehr wütend, sondern vielmehr müde und erschöpft. Als würde dieses Gespräch an seinen Gefühlen zerren. Es tat weh, ihn so zu sehen.

„Ich kann es vergessen. Schau her", ich hob mit dramatischen Handbewegungen beide Zeigefinger hoch und drückte sie fest an meine Schläfen. Dann schloss ich die Augen. „Beep, Beep, Beep", machte ich und öffnete sie wieder. Taehyung sah mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Ich grinste und zuckte mit den Schultern: „Alles vergessen. Kein Plan, wieso du schlechte Laune hast".
„Das soll wohl ein Witz sein", erwiderte er unbeeindruckt. „Nein, es stimmt. Ich habe alles vergessen, was Jimin zu mir gesagt hat", versicherte ich ihm, „Du solltest es mal ausprobieren, wenn du etwas vergessen möchtest. Einfach den Zeigefinger an den Kopf drücken und den Zauberspruch sagen".

„Bescheuert", schnaubte Taehyung, ehe er weiterging. Ich rannte ihm nach und versuchte mir einen Blick auf sein Gesicht zu erhaschen, doch er drehte immer wieder den Kopf weg. Schnell, aber nicht schnell genug. Ich konnte das amüsierte Schmunzeln in seinem Gesicht sehen. „Du lachst!", platzte es aus mir heraus. „Was laberst du? Ich lache nicht", er drehte den Kopf noch weiter weg. „Jawohl!", ich hüpfte fröhlich um ihn herum, „Du lachst! Ich habe es genau gesehen!".
„Halt die Klappe", er wimmelte mich ab, indem er mich an meiner Schulter beiseite schubste. „Schon gut", grinste ich und beließ es einfach dabei, um ihn nicht wieder zu verärgern. Nicht, wenn ich ihn gerade zum ersten Mal zum Lachen gebracht hatte. Denn er hatte wirklich gelacht. Vielleicht auch nur gelächelt, oder gegrinst. Aber das reichte aus, um mich zufrieden zu stimmen.

Den Rest des Weges schwiegen wir. Dieses Mal umgab uns eine deutlich angenehmere Stimmung und Taehyung lief etwas langsamer, sodass ich mit ihm mithalten konnte. Als wir bei ihm Zuhause angekommen waren, stieg uns sogleich ein köstlicher Geruch in die Nase. Ich konnte es nicht genau zuordnen, aber mein Magen gab bereits lauthals seine Zustimmung, als wir die Hütte betraten.

„Ich bin wieder da!", rief Taehyung laut, ehe er sich die schmutzigen Schuhe von den Füßen zog. „Ich... Ich bin auch da", stammelte ich unsicher, denn ich hatte keine Ahnung, ob Hyojin auch eine derartige Begrüßung von mir erwartete. „Ihr kommt gerade richtig!", lächelte sie. Sie stand an der Feuerstell und rührte in einem Kessel herum, der darüber aufgehangen war. „Was gibt es heute Abend zum Abendessen?", fragte Taehyung und tapste auf nackten Füßen zu seiner Mutter rüber. Er drückte ihr einen Kuss auf die Wange, bevor er in den Kessel blickte. „Sieht aus wie Hühnersuppe", stellte er fest. Mein Magen drehte sich. Ich musste an die Hühnersuppe aus dem Krankenhaus denken und verzog unweigerlich das Gesicht.

„Da liegst du richtig. Ich habe extra etwas mehr gekocht, da Jungkook mitisst", sagte sie und lächelte mich engelsgleich an. „Danke. Das ist sehr nett. Ich habe auch echt großen Hunger", entgegnete ich, während ich versuchte mir mein Unwohlsein nicht anmerken zu lassen. „Dann komm her. Setz dich", sie deutete auf die kleine Bank, die an der Feuerstelle stand, „Taehyung, holst du die Schüsseln und Besteck?".

„Mach ich", er klang nicht gerade begeistert, kam der Bitte aber nach. Ich ließ mich derweil auf der Bank nieder. Sie wackelte und knarzte etwas, als ich mich setzte. „Keine Sorge, die bricht nicht zusammen", beschwichtigte Hyojin mich. Sie schien meinen panischen Blick gesehen zu haben. „Die hält sogar Zwei aus", stimmte Taehyung zu und ließ sich kurz darauf neben mir nieder. Er drückte mir eine kümmerliche Schüssel in die Hand. Sie war aus Ton gefertigt und hatte schon einen Sprung am oberen Rand, sowie ein paar Dellen. Die Löffel waren aus Holz geschnitzt.

„Gib mir deine Schüssel", forderte Hyojin und ich kam ihrer Aufforderung nach. Sie schenkte mir etwas von der Brühe ein. Es sah besser aus, als das Essen im Krankenhaus. Hier gab es weitaus mehr Gemüse. Es war grob geschnitten und reichte von Karotten, bis hin zu Erbsen, Zwiebeln und Kräutern, deren Namen ich nicht kannte. Natürlich gab es auch Fleisch. Ein ganzer Hühnchen Schenkel schwamm in meiner Suppe. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Am liebsten hätte ich mich sofort über das Essen hergemacht, aber ich fand noch den nötigen Anstand um mich zusammenreißen und zu warten, bis auch Taehyung und seine Mutter etwas in ihren Schüsseln hatten. Schließlich saßen wir alle beisammen. Taehyung nach wie vor neben mir und Hyojin gegenüber von uns auf einem einzelnen Stuhl. „Lasst uns beten", sagte sie und verschränkte ihre Finger ineinander. „Huh?", ich blinzelte sie perplex an. „Beten. Jetzt", flüsterte Taehyung und stieß mich auffordernd an. Er hatte die Augen bereits zu. Es war zu spät, um ihnen zu sagen, dass ich meinen Glauben an Gott schon lange verloren hatte. Also tat ich es ihnen gleich. Ich schloss die Augen und verschränkte die Finger ineinander. Mein Kopf blieb leer, als Hyojin anfing, ein Gebet zu sprechen. Es fühlte sich merkwürdig an die Worte zu hören, die meine Eltern jeden Abend in meinem Namen gesprochen hatten. Erst hatten sie für meine Genesung gebetet. Dann dafür, dass die Schmerzen aufhören. Und letztendlich dafür, dass ich in Frieden gehen kann. Nichts davon war geschehen.

„Amen", sprachen Taehyung und seine Mutter gleichzeitig. Ich murmelte es bloß, ehe ich die Augen öffnete und auf meine Schüssel herab starrte. „Guten Appetit. Ich hoffe es schmeckt", lächelte Hyojin zu uns rüber. „Gewiss tut es das. Dein Essen hat mich noch nie enttäuscht", antwortete Taehyung. Ich hatte keine Zeit mich über seine sanfte Art zu wundern. Stattdessen tauchte ich den Löffel in die Suppe und stopfte mir kurz darauf den Mund damit voll. Es schmeckte köstlich. Viel besser, als ich es aus dem Krankenhaus kannte. Vor allem das Fleisch brachte sämtliche Geschmacksknospen in meinem Mund zum Explodieren.

„Das ist der Wahnsinn", schmatzte ich mit dem halben Hähnchen Schenkel im Mund. „Iss langsamer. Das kann sich ja keiner ansehen", brummte Taehyung und schüttelte angeekelt den Kopf. „'Tschuldige", ich versuchte mein Tempo zu drosseln, „Ich habe nur echt lange nicht mehr so etwas leckeres gegessen".
„Es freut mich, dass es dir schmeckt", lächelte Hyojin. „Es ist wirklich mega gut geworden. Das wird mein neues Lieblingsessen", schwärmte ich. „Nun übertreibst du aber. Hör auf zu schleimen", funkte Taehyung dazwischen. Seine Mutter fing währenddessen an zu lachen. Sie lachte herzhaft und wunderschön. Genauso stellte ich mir Taehyung's Lachen vor. Vielleicht nur eine Oktave tiefer und nicht mit so viel Körpereinsatz. Aber wunderschön.

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Uff, die Nachrichten darüber, dass Bts jetzt bald zum Militär geht, hat mich sowohl erleichtert, als auch ein bisschen traurig gemacht. Zwar verfolge ich die Jungs nicht mehr so krass wie vor zwei Jahren noch, aber es hinterlässt trotzdem einen bittersüßen Geschmack. Bin echt froh, dass sie sich dafür entschieden haben. Ich finde das gehört bei denen einfach dazu. Es hätte vermutlich auch für ein paar Kontroverse gesorgt, wenn sie nicht gegangen wären. Andererseits macht es mich traurig, weil ich vorher noch irgendwie mit einer Abschluss World Tour gerechnet habe, um die Jungs noch einmal zu sehen :( Naja, wenigstens kommen jetzt die ganzen Solo Alben raus. Da bin ich auf jeden Fall auch gespannt drauf.

Trotzdem ist die Vorstellung gruselig, dass ich schon 25 Jahre alt bin, wenn sie zurück kehren. Da ist meine Ausbildung schon beendet. Eventuell lebe ich auch schon alleine :O

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