13.

Jungkook's PoV.:

Der Morgen verlief genauso, wie am Tag davor. Nur ein bisschen langsamer, weil wir alle noch ziemlich müde waren. Jimin und ich arbeiteten wieder zusammen, während sich Taehyung um die Pferdeboxen auf der anderen Seite kümmerte. Er schenkte uns nur wenig Beachtung. Insgeheim fragte ich mich, ob ich ihm in der Nacht vielleicht wirklich auf die Pelle gerückt war. Und vielleicht war das der Grund, wieso er sich so mürrisch verhielt. Ich wäre auch angepisst, wenn ein dahergelaufener Typ erst mit mir flirtet und sich dann auch noch im Schlaf an mich ranmacht. Andererseits schien Taehyung immer so schlecht gelaunt und verschlossen zu sein. Er machte sich ja nicht einmal die Mühe, mich vernünftig kennen zu lernen. Ganz im Gegenteil zu Jimin, der einfach nicht die Klappe halten und mich über alles ausfragen musste.

„Wie findest du es eigentlich bei Wolsook?", fragte Jimin irgendwann nach. „Du meinst den Laden, in dem wir gestern waren?", wollte ich wissen. „Genau der", Jimin nickte und schippte eine weitere Ladung Pferdemist in unsere Schubkarre. „Naja, ich war noch nie in einer Kneipe und habe keinen Vergleich. Aber es war ganz gut. Ich verstehe nur immer noch nicht, wer Wolsook ist", gestand ich ehrlich. „Sie lebt auch leider nicht mehr", erwiderte Jimin. „Dann ist der Laden nach einer toten Frau benannt?", ich schippte ebenfalls eine Ladung Pferdemist in unsere Schubkarre. „So in etwa. Der Laden wurde damals, als mein Vater noch jung war, erbaut. Wolsook war die Inhaberin. Zuerst lief ihr Geschäft nicht sonderlich gut. Das lag vor allem daran, dass es zu dieser Zeit bereits drei weitere Kneipen gab. Aber dann traf Wolsook auf einen Händler, der sie umwarb und ihr nach jeder Reise wertvolle Schätze mitbrachte. Er schenkte ihr Brettspiele und Kartenspiele aus aller Welt. Darunter auch Shogi, das Spiel was Taehyung gestern Abend gespielt hat. Man konnte sich die Spiele bei ihr ausleihen und den ganzen Abend damit spielen. Sowas gab es hier noch nie! Die Leute kamen aus ihren Häusern heraus, nur um bei Wolsook zu trinken und zu spielen. Der Laden wurde bis zum letzten Stuhl besetzt. Und so ist es auch heute noch", erklärte Jimin. „Das klingt nach einer schönen Geschichte. Wie ist sie gestorben? Und wer waren die Leute, die den Laden gestern Abend geführt haben?", hakte ich nach.

„Sie ist an einer Krankheit gestorben. Keine Ahnung, was genau es war, aber man munkelt, dass der Händler sie damit angesteckt hat. Er ist drei Tage vor ihr gestorben. Jetzt wird der Laden von ihren Kindern und deren Kindern geleitet. Sie machen ihre Arbeit gut, aber mein Vater sagt, dass es damals bessere Zeiten waren", antwortete Jimin. „Zeiten ändern sich. Das lässt sich nicht vermeiden", ich zuckte mit den Schultern, ehe ich den letzten Haufen Pferdemist in die Schubkarre schippte. „Da hast du wohl recht", seufzte Jimin und sah mich dann mit einem verschmitzten Grinsen an, „Du warst gestern ziemlich betrunken, oder? Von nur einem Bier!". Er lachte. Ich verdrehte die Augen und stellte meine Hake beiseite, um die Schubkarre wegzubringen und dem unangenehmen Gespräch zu entfliehen. Doch ich kam nicht weit.

„Ich frage mich was du machst, wenn du zwei Bier getrunken hast. Tanzt du dann auf den Tischen? Oder singst du uns ein Lied?", prustete er. „Ich will es lieber nicht herausfinden", brummte ich. „Das verstehe ich gar nicht. Es würde mich brennend interessieren! Und Taehyung bestimmt auch. Du hast gestern mit ihm geflirtet, oder?", Jimin hielt sich eine Hand vor den Mund, um seinen Lachanfall zu unterdrücken. „Halt bloß den Mund!", zischte ich und warf schnell einen Blick zu Taehyung rüber. Er arbeitete unbekümmert weiter. Entweder hatte er uns nicht gehört, oder er tat nur so. Ich hoffte auf das Erste.

„Du stehst auf ihn. Du bist voll verknallt", kicherte Jimin leise. „Bin ich nicht", versuchte ich ihn abzuwimmeln. Doch Jimin ließ nicht locker: „Du schaust ihn an, als würde er dir die Sterne und den Mond vom Himmel holen. Das sehe ich. Das sehen sogar die Pferde und der liebe Gott dort oben auch".
„Vergiss es", ich griff nach der Schubkarre und lenkte sie aus der Pferdebox, in der wir gearbeitet hatten. Es war die letzte Box in unserer Reihe gewesen. Ich war heilfroh, dass wir es gleich geschafft hatten.

„Ich sehe alles, Jungkook! Und ich werde dich mit Leib und Seele unterstützen!", rief Jimin mir hinterher. Spätestens jetzt hatten wir Taehyung's Aufmerksamkeit bekommen. Ich konnte es sehen und spüren, als ich an seiner Box vorbei lief, um den Pferdemist wegzubringen. Er sah mich an. Seine dunklen Augen fixierten mich und ließen mich nicht los. Ein heißer Schauer stieg in mir auf. Ich senkte den Kopf und ging einfach weiter, ohne ein Wort zu sagen. Die Blicke verließen mich, als ich durch die Stalltüren nach draußen trat. Ein frischer Wind fegte mir um die Ohren. Ich legte den Kopf in den Nacken und schaute nach oben in den Himmel. Er war immer noch blau. Doch hier und dort hatten sich ein paar bauschige Wolken gebildet. Die einen weiß, die anderen grau. Der friedliche Anblick beruhigte mich etwas, sodass ich das wilde Durcheinander in meinem Kopf sortieren konnte.

Ich dachte über Jimin's Worte nach. Vielleicht hatte er recht. Vielleicht war ich wirklich in Taehyung verknallt und geierte ihn an, als würde er mir die Sterne und den Mond vom Himmel holen. Er sah halt ziemlich gut aus. Er sah aus wie das Buffet in einem Paradies. Wie eine griechische Gottheit, oder wie ein gefallener Engel. Genau mein Typ. Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er den Charakter von einem biestigen Hamster hatte. Nach meiner ersten Chemotherapie hatte ich solch ein Nagetier geschenkt bekommen. Ein freches kleines Ding, dass mir ständig in den Finger gebissen und mein Bett vollgepisst hatte. Ich fand, dass Taehyung vieles mit ihm gemeinsam hatte. Abgesehen von dem Fell natürlich...

Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir und im nächsten Moment stapfte der biestige Hamster an mir vorbei. Er hatte Stroh in den Haaren und Pferdescheiße am Schuh. Nichtsdestotrotz sah er zum Anbeißen aus. Ich schüttelte den Kopf, um diese Gedanken loszuwerden. Dann lief ich ihm hinterher, bis wir schließlich beim Misthaufen angekommen waren. Hier türmte sich der Mist so hoch wie ein Wohnhaus. Taehyung kippte seine Schubkarre aus. Ich mochte ihm gar nicht ins Gesicht sehen, als er an mir vorbei und zurück zum Stall lief. Stattdessen schaute er mich an. Ich konnte wieder seinen Blick auf mir spüren – kein Zweifel. Er scannte mich einmal von oben bis unten ab, als würde er sich etwas vergewissern wollen. Kurz überlegte ich, ob ich ihn darauf ansprechen sollte. Doch er war weg, bevor ich den Mund aufmachen konnte.

Als ich zurück in den Stall kam, waren Jimin und Taehyung bereits dabei die sauberen Pferdeboxen mit frischem Stroh zu füllen. Jimin klaute sich dabei immer wieder etwas aus Taehyung's Schubkarre. Er bekam dafür böse Blicke, aber sonst nichts weiter.

„Da bist du ja endlich. Hast du den Misthaufen etwa nicht gefunden?", grinste Jimin. „Der ist ja wohl kaum zu übersehen", antwortete ich. „Ich hatte ein bisschen Sorge um dich und habe Taehyung hinterhergeschickt", er zwinkerte einmal. „Was absolut unnötig war, weil ich sowieso nach draußen musste", kommentierte Taehyung. „Danke, aber mir geht es gut", ich setzte ein falsches Lächeln auf und als Taehyung nicht hinsah, bedeutete ich Jimin mit mehreren Handgesten die Klappe zu halten. Er kicherte bloß. Dann nahm er mir die Schubkarre ab und schob sie zu der Treppe, die auf den Dachboden führte. „Ich kümmere mich um das Stroh. Sorge du dafür, dass auch alles in der Schubkarre landet", ordnete er mich an, ehe er die Sprossen hochkletterte. „Mach ich", sagte ich und blieb unten stehen. Im nächsten Moment flog auch schon der erste Strohhaufen nach unten. Es landete mit einem rascheln und knistern in der Schubkarre. Einzelne Teilchen stoben auf. Dann kam die nächste Ladung.

„Wann findet eigentlich das Totenfest statt?", fragte ich, in der Hoffnung Jimin's Gedanken auf ein anderes Thema zu bringen. „Ich glaube morgen, wenn die Sonne untergeht!", rief Jimin. Kurz darauf flog eine weitere Ladung zu mir herunter. „Und geht ihr hin?", hakte ich neugierig nach. „Meistens müssen wir dann noch arbeiten! Du weißt schon, die Pferde reinholen und so. Aber das kriege ich auch allein hin!", antwortete er laut. „Was ist mit dir, Taehyung?", ich drehte mich zu dem biestigen Hamster um. Ihm rollte der Schweiß von der Stirn und er hatte die Ärmel hochgekrempelt, während er das frische Stroh in der ersten Box verteilte. „Taehyung geht jedes Jahr hin! Sein Vater ist im Krieg gestorben und das ist...", fing Jimin an zu erklären. „Halt die Klappe!", fiel Taehyung ihm ins Wort. Er hielt mitten in seiner Bewegung inne und funkelte wütend hoch, als könne er Jimin durch die Holzdielen hindurch mit seinen Blicken erdolchen. „Tut mir leid! Ich habe schon wieder zu viel gesagt", Jimin lachte trocken. „Dann halt lieber den Mund und plaudere nicht einfach so die Familienangelegenheiten von anderen Menschen aus", fauchte Taehyung. Ich schluckte trocken. Klar, er verhielt sich die meiste Zeit wie ein biestiger Hamster. Aber das er so wütend werden konnte, machte mir ein bisschen Angst.

„Ist ja gut. Beruhige dich. Das passiert nicht nochmal", versuchte Jimin ihn zu beschwichtigen, als er die Treppenstufen nach unten kletterte. Das er sich überhaupt traute zu uns zurückzukommen, nachdem er Taehyung so wütend gemacht hatte, erstaunte mich. Entweder kannte er Taehyung gut genug um zu wissen, dass dieser ihm kein Haar krümmen würde, oder er war einfach nur dumm. „Das sagst du immer", knurrte Taehyung, bevor er seine Arbeit fortsetzte. „Ich lerne daraus, versprochen", schmollte Jimin. Daraufhin kam keine Reaktion und ich hatte das ungute Gefühl, dass Taehyung's Laune nun wirklich an einem Tiefpunkt angelangt war.

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Endlich Herbstferien! Bin so froh, obwohl die Sommerferien nicht lange her sind. Ich hoffe ein paar von euch haben auch Ferien und können sie genießen ^^

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