11.
Jungkook's PoV.:
Ich verstand erst was Taehyung meinte, als wir ein großes Haus am Rande des Marktplatzes betraten. Es war eine Gaststätte. Hier reihten sich lange Tische mit betrunkenen Männern und Frauen. Jimin kannte sie alle bei Namen. Er klopfte ihnen auf die Schulter, sprach ihnen aufmunternde Worte zu und lächelte sie alle mit einem engelsgleichen Lächeln an. Die Frauen starrten ihn an, als würden sie jeden Moment über ihn herfallen wollen. Und das taten sie auch, nachdem wir uns schließlich am Ende eines langen Tisches niedergelassen hatten. Wir saßen neben einer Gruppe von drei jungen Frauen, die Jimin bloß angucken musste, um sie in Verlegenheit zu bringen. Sie kicherten und gackerten hinter vorgehaltenen Händen, ehe sie sich dazu aufbringen konnten, dem überaus charmanten Jimin näher zu kommen. Ich wollte weder hinsehen, noch zuhören, als sie anfingen miteinander zu flirten.
Jimin war somit schon nach den ersten zwei Minuten abgeschrieben.
Ich blinzelte verlegen in Taehyung's Richtung. Er saß gegenüber von mir und hatte seine Aufmerksamkeit einer Bedienung zugewendet, die hinter meinem Rücken an der Bar stand und für die Getränke zuständig war. Taehyung hielt drei Finger hoch. Kurz darauf wurde uns jeweils ein Becher serviert. Ich wollte mir meine Unsicherheit nicht anmerken lassen, als ich über den Becherrand schaute, doch die Flüssigkeit darin war dunkel und leicht schaumig. Es sah widerlich aus. Und dennoch zwang ich mich zu einem Schluck, als ich sah wie Taehyung seinen Becher in fünf großen Zügen leer trank. Ich verzog angeekelt das Gesicht, als sich die bittere Flüssigkeit in meinem Mund verbreitete. Beinahe hätte ich es wieder ausgespuckt. Taehyung, der ein Auge auf mich gehabt hatte, fing an zu schmunzeln. Es war ein freches Schmunzeln, dass nicht attraktiver hätte sein können. Mein Herz machte einen Sprung. Doch plötzlich wandte auch er sich von mir ab. Sein Blick wanderte durch den Raum, bis er gefunden, wonach er gesucht hatte. Dann stellte er seinen leeren Becher zurück auf den Tisch und stand auf. Etwas verdattert sah ich dabei zu, wie er einen der runden Tische ansteuerte, die weiter abseits an der Wand standen. Es saßen bereits zwei Männer dort. Ich konnte nicht sehen, was sie machten, aber ich vermutete, dass sie ein Spiel miteinander spielten. Kurz redete Taehyung mit ihnen. Dann gab er sich einen Handschlag mit dem Jüngeren der beiden Männer und wechselte mit ihm den Platz.
Taehyung war somit auch abgeschrieben.
Ich schaute zu Jimin rüber, der nach wie vor zu meiner rechten Seite saß. Er hatte mittlerweile eine zierliche Hand auf seinem Oberschenkel und eine weitere Hand in seinem Nacken liegen. Der Anblick brachte sämtliche Gehirnzellen in meinem Kopf zum Glühen, weswegen ich schnell wieder in meinen Becher hinabschaute. Die Flüssigkeit – ganz offenbar Bier – sah immer noch ekelig aus. Aber ich wusste nichts Besseres mit mir anzufangen und so trank ich einfach in klitzekleinen Schlucken daraus. Ich entdeckte, dass das Bier mit der Zeit besser schmeckte. Und ebenfalls, dass es mich sättigte. Es machte mich auch ein bisschen betrunken, aber das war nicht schlimm. Ganz im Gegenteil, denn ich fühlte mich auf einmal sehr glücklich, obwohl ich auf mich alleine gestellt war. Ich war glücklich darüber, hier zu sein. Ich war glücklich, dass meine Beine wieder funktionierten und dass ich Dinge ausprobieren konnte, zu denen ich vorher nie in der Lage gewesen war. Wie beispielsweise Bier trinken.
Ich bekam nur beiläufig mit, wie Jimin mich irgendwann den drei liebreizenden jungen Frauen vorstellte. Eine von ihnen wechselte sogar den Platz, um mich in der Konversation einzuschließen. Doch ich redete kaum. Stattdessen genoss ich einfach nur ihre sanften Berührungen in meinem Nacken und in meinen Haaren. Jimin übernahm das Reden für mich. Er erzählte lustige Geschichten und machte anstößige Kommentare, um die Frauen zum Lachen zu bringen. Die eine Frau, die sich zu meiner linken Seite hin gequetscht hatte, warf sich jedes Mal in meinen Schoß, wenn Jimin einen Witz erzählte. Im nüchternen Zustand hätte ich sie niemals so nah an mich rangelassen.
Schließlich fiel mein Blick wieder auf Taehyung, der immer noch an diesem runden Tisch saß und mit dem älteren Mann ein Spiel spielte. Sie saßen im Dunkeln. Lediglich ein schwacher Kerzenschein drang zu ihnen durch und brachte Taehyung's goldbraune Haut zum Leuchten. Er sah unfassbar gut aus, mit der konzentrierten Miene und den strubbeligen Haaren. Ich hätte alles dafür gegeben, um sie einmal anfassen zu können.
Ich löste mich aus den Händen der jungen Frau, dessen Name ich schon wieder vergessen hatte. Dann manövrierte ich extrem unelegant meine Beine über die Sitzbank und stand auf. Im ersten Moment drehte sich alles. Ich spürte, wie ich das Gleichgewicht verlor und nach hinten kippte. Doch irgendjemand hielt mir stützend eine Hand an den Rücken, sodass ich mein Gleichgewicht wiedererlangte. Mit schweren Beinen schlurfte ich los. Vorbei an den Köpfen von vier langen Tischen, bis ich schließlich bei Taehyung angekommen war. Der alte Mann gegenüber sah mich genervt an. Doch das kümmerte mich herzlich wenig, denn ich hatte nur Augen für Taehyung.
„Was spielst du da?", fragte ich und war selbst ein wenig überrascht, dass ich noch so deutlich sprechen konnte. Taehyung schenkte mir einen kurzen Seitenblick, ehe er antwortete: „Es nennt sich Shogi".
„Schoki? Wie Schokolade?", kicherte ich. „Nein, SHO-GI", berichtigte er mich. Ich schaute auf das Holzbrett herab, dessen Oberfläche mit vielen Kästchen bemalt war. Ähnlich wie Schach. In einigen Kästchen lagen Holzplättchen und auf ihnen stand etwas geschrieben, allerdings konnte ich das in meinem betrunkenen Zustand nicht entziffern. Taehyung nahm eines der Plättchen und legte es zwei Felder vor. Scheinbar waren das seine Spielfiguren.
„Wie spielt man das?", hakte ich nach. „Es ist ein Spiel wo man viel nachdenken muss. Könntest du also bitte leise sein?", es folgte wieder ein Seitenblick. Erst nur kurz, doch dann sah er mich richtig an. Seine dunklen Augen wanderten von oben nach unten und wieder zurück nach oben. Ein heißer Schauer breitete sich in meinem Körper aus und ich musste unweigerlich kichern. „Was guckst du denn so? Sehe ich so umwerfend aus?", das waren Worte, die ich so niemals gesagt hätte. Und es war mir peinlich, aber aus irgendeinem Grund konnte ich mit diesem dämlichen Geschwafel nicht aufhören.
„Du bist stockbesoffen", stellte Taehyung fest. „Ein bisschen", nickte ich und hielt Daumen und Zeigefinger zusammen, um einen Maßstab zu zeigen. „Nein, ich glaube du bist komplett voll", brummte er verärgert und wandte sich an den alten Mann, „Warte kurz. Ich bin gleich wieder da". Plötzlich stand er auf, packte mich bei meinem Handgelenk und zog mich hinter sich her. Er schleppte mich bis zu Jimin an den Tisch. Dieser war mittlerweile in einen feuchten Zungenkuss verwickelt. Ich konnte mich bei bestem Willen nicht von dem Anblick losreißen, während Taehyung anfing zu reden.
„Jimin? Jimin? Hey, man", er schlug ihm gegen die Schulter und der Zungenkuss wurde mit einem obszönen Schmatzen unterbrochen. Ich schloss meinen Mund, der sich aus unerklärlichen Gründen geöffnet hatte und schluckte einmal. „Was 'n los?", fragte Jimin und blinzelte verärgert zu Taehyung hoch. „Du hast Jungkook volllaufen lassen. Bring ihn nach Hause", forderte dieser. „Nach Hause?", hakte Jimin nach. „Ich habe doch gar kein Zuhause", prustete ich, obwohl das gar nicht so lustig war. Aber Jimin stimmte mit ein und wir lachten uns dumm und dämlich. „Dann muss er zu dir nach Hause", warf Taehyung ein. „Du weißt, dass das nicht geht", Jimin's lachen wurde leiser und er sah Taehyung mit einer hochgezogenen Augenbraue an, „Ich habe vier Schwestern. Wir sind insgesamt sieben Leute im Haus. Da ist leider kein Platz mehr für Jungkook".
„Und jetzt? Soll ich ihn einfach in irgendeiner Gasse ablegen?", fauchte Taehyung und klang dabei wirklich wütend. Ich verkniff mir ein weiteres Lachen.
„Bring ihn einfach zu dir nach Hause. Du hast genug Platz auf deinem Dachboden", versuchte Jimin ihn abzuwimmeln. Und es klappte, denn er wendete sich einfach wieder der jungen Frau zu und steckte ihr die Zunge in den Hals. „Du bist so ein Arschloch", fluchte Taehyung. Dann schnappte er sich wieder mein Handgelenk und zog mich hinter sich her. Ich stolperte eher, als das ich lief. Schließlich standen wir draußen an der frischen Luft und ich nahm einen tiefen Atemzug, damit sich der Nebel in meinem Kopf lichtete. Taehyung sah mich an, als würde er mich am liebsten in den nächstgelegenen Brunnen schupsen.
„Du siehst echt gut aus, wenn du so grimmig guckst", grinste ich, weil mir nichts Besseres einfiel. Das brachte ihn sichtlich aus dem Konzept. Er blinzelte perplex und öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Doch bis auf einen merkwürdigen Ton, kam nichts heraus. Mein Grinsen wurde breiter und ich fing an zu kichern, denn nun konnte ich mich wirklich nicht mehr zusammenreißen. Taehyung starrte mich währenddessen einfach nur an. Er sah nicht mehr wütend aus, aber er schien die ganze Situation auch nicht so lustig zu finden, wie ich. Als ich mich einigermaßen beruhigt hatte, ließ er mich los und steckte seine Hände in die Hosentaschen. „Ich bring dich zu mir nach Hause. Komm", brummte er. „Wo wohnst du denn?", wollte ich wissen, doch er antwortete mir nicht. Stattdessen ging er einfach voraus und ich hüpfte ihm schließlich putzmunter hinterher.
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Ach ja, ich liebe es betrunkene Leute zu beschreiben xD
Ich habe gerade ein neues Kdrama angefangen und werde wohl den Rest des Abends suchten. Ich hoffe ihr könnt euren Abend genauso sinnvoll nutzen ^^
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