Kapitel 26

Henry POV:

Ich verstehe es einfach nicht. Emma soll mich beinahe umgebracht haben? Warum hat sie das getan? Und was war mit Alex? Wollte sie ihn auch unter Drogen setzen?

Ich muss mich beruhigen und zwar dringend, bevor ich noch verrückt werde. Diesen Louis hatte ich nur kurz auf der Party gesehen. Wie sollte ich ihn also zusammenschlagen können, wobei mir das gerade lieber wäre, als besoffen vom Hocker zu fallen.

Was soll ich jetzt tun, alleine auf einer Straße in München? Wahrscheinlich gehe ich mich jetzt in dem nähesten Club besaufen.

Warte, was ist eigentlich mit dieser Charlene? Immerhin ist Louis ja ihr Freund. Vielleicht kann sie mir ja erklären, was sie sich dabei gedacht hat.

Emma POV:

Mein Dad findet mich zusammengerollt und schluchzend auf dem Teppich im Wohnzimmer.

"Liebling, was ist passiert?! Bist du verletzt?", frägt er erschrocken und kniet sich neben mich, um mir aufzuhelfen.

Alex und Julia stehen mit Einkaufstüten in der Tür und starren mich entsetzt an.

Mit Tränen in den Augen mustere ich sie kurz, nehme aber nicht mehr viel war.

"Mir geht's gut. Ich muss kurz-"
"Du gehst nirgendwohin, Fräulein! Setz dich erstmal auf die Coach.", befiehlt er streng.

Das geht nicht. Ich muss es Henry erklären, bevor er noch eine Dummheit begeht. Cherry wird mich nicht gehen lassen, das wäre auch absurd.

Alex schaut mich fragend an und ich nicke. Er hat bestimmt schon gewusst, dass es so kommen wird.

Eindringlich sieht er mich an und formt mit den Lippen: Was ist passiert?

Schnell sehe ich weg. Ungeduldig warte ich auf dem Sofa, bis Dad in der Küche verschwindet und mir einen Tee kocht.

Es ist das letze von mir einfach abzuhauen, ich weiß. Aber was soll ich sonst tun?

Also gehe ich heimlich zum Kleiderschrank, hole mir meine Lederjacke und schließe leise die Tür.

Dann renne ich ohne Nachzudenken los. Das letze was ich höre sind Alex Rufe, dass ich sofort zurückkommen soll, aber ich denk nicht einmal dran. Ich muss mit Henry reden.

Hilflos sehe ich mich um. Die Clubs abzusuchen wäre reinste Zeitverschwendung. Da wäre ich Monate beschäftigt ohne ihn zu finden.

Ahnungslos renne ich zu Charlie, die zum Glück nicht weit entfernt wohnt.
Ein Auto steht vor der Tür und leider ist es nicht ihres.

Ne, oder? Scheiße. Wenn das jetzt das ist, was ich denke...

Ich laufe zur Haustür und will gerade klingeln, als ich Stimmen im Garten höre. Zwei Menschen streiten lauthals miteinander und schreihen sich gegenseitig an. Eine davon ist Chantal.

Vorsichtig gehe ich um das Haus herum und höre hinter der Ecke dem Gespräch zu.

"Babe, wie oft denn noch!? Ich werde nicht die Stadt verlassen und mit dir ein neues Leben beginnen. Wann kapierst du es endlich, verfickte Scheiße?!", brüllt eine laute Jungenstimme.

Unwillkürlich zucke ich zusammen.

Das ist eindeutig Louis. Wieso die Stadt verlassen? Ich dachte die beiden sind getrennt.

Ich luge um die Ecke und sehe Chantal hinter ihm stehen, während ich von Louis nur den Rücken sehen kann. Seine Pistole schimmert in seiner Jackentasche im Mondlicht.

Oh verdammt, Charlie! Ich muss sie irgendwie warnen.

"Der Typ hat es verdient. Ich hätte dieser Bitch härtere Drogen geben sollen. Was kann ich denn dafür, dass sie nur dem einen Wichser was gibt? Alex hätte verrecken müssen, dieser Bastard! Glaubst du ernsthaft, ich habe nicht gesehen, wie du ihn ansiehst? Du bist verknallt in diese Missgeburt. Gib es doch zu!", schreit er noch lauter.

Charlie verknallt in Alex? Niemals in tausend Jahren. Mal ehrlich... Alex? Pff.

Louis tritt mit voller Wucht gegen eine Mülltonne, die scheppernd über die Straße rollt.

Das nächste was zu hören ist, ist ein lauter Knall. Die Ohrfeige hat gesessen!

"Wag es nicht so über meine Freunde zu reden!", faucht Charlies hohe Stimme.

So wütend habe ich sie noch nie erlebt. Aber ich muss jetzt was unternehmen, sonst gibt es noch Verletze. Wenn ich einfach auf sie zukomme wird Louis sicherlich nicht lange zögern. Anscheinend hält er ja nicht viel von mir. Immerhin hat er mich gerade Bitch genannt.

Irgendwie trifft mich das mal gar nicht.

Verzweifelt hole ich mein Handy raus und wähle gerade mit zitternder Hand die Polizeinummer, als ich eine andere Stimme höre. Dann ein schriller Schrei von Charlie.

Erschrocken löse ich mich aus dem Schatten und springe nach vorne.

Henry steht vor Louis, der seine Knarre auf Henrys Gesicht zielt, während meine Pistole ein paar Meter hinter Louis am Boden liegt.

Er muss sie ihm weggeschlagen haben.

"Du hättest schon tot sein sollen. Was das Mädchen nicht geschafft hat muss ich erledigen. Das arme Ding. Wird dich aber nicht vermissen. Ein Jammer...", sagt er grinsend und ist kurz davor abzudrücken.

Scheiße, scheiße, scheiße! Was ist das denn für ein durchgeknallter Psychopath?!

Henry kann sich nicht bewegen, also muss ich das übernehmen. Ohne wirklich zu wissen, was ich tue, renne ich nach vorne, hebe die Pistole auf und schieße Louis zweimal in den Rücken.

Der Knall schallt nach und tönt in meinen Ohren.

Ein paar Sekunden und er fällt auf die Knie.

Charlies Schreie zerreißen die Stille.
Sie sind so schmerzerfüllt, dass ich mich nicht von der Stelle rühre.

Was habe ich getan?

Henry bewegt sich als erster aus der Starre und geht ruhig auf Louis zu.
Er kniet neben ihn, dreht ihn ein wenig zu sich, schaut mir mitleidig in die Augen und schüttelt den Kopf.

Gott, ich hab ihn getötet. Louis ist tot! Ich bin eine Mörderin.

Meine Pistole rutscht aus meiner Hand.
"Was hast du getan?!" Charlie schubst Henry kreischend von seinem leblosen Körper weg und rüttelt an ihm.

Henry kommt auf mich zu und sagt sanft: "Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Polizei da ist."

Natürlich, den Schuss hat jeder gehört.

Ich nicke wie betäubt und schaue ihn an, dann Charlie.

Ich setze mich zu meiner Freundin. Ihre Haare kleben an ihrer Wange und ihr Gesicht ist von der Mascara verschmiert.

"Geh.", flüstert sie, sieht mich aber nicht an.

Es ist nur ein Wort, aber es rührt mich.

"Bitte, geh. Du kannst nicht hierbleiben. Nimm Henry und verschwinde aus München. Mir fällt schon was ein. Das bin ich dir schuldig, Em'."

Das meint sie nicht ernst.

Ungläubig starre ich sie an. "Ich lasse dich nicht alleine."

Eine Hand legt sich auf meine Schulter. Henry.
"Emma... Er ist tot. Er wird nicht mehr aufstehen. Du kannst es nicht ändern."

Ich nicke und wende mich wieder Charlie zu. "Ich kann doch nicht einfach gehen.", protestiere ich mit gebrochener Stimme.

"Das kannst du! Vertrau mir, ich regel das. Bitte... Tu's für mich.", fleht sie und drückt mir einen Kuss auf die Wange.

Sirenen sind schon in der Ferne zu hören.

"Geh jetzt. Ich bekomme das hin." Tapfer lächelt sie mir zu und bleibt neben Louis sitzen, bis Henry mich am Arm fortzieht und mir über einen Zaun hilft.

Charlie war und ist meine beste Freundin und das wird sich niemals ändern, egal was für einen Fehler sie begangen hat.

Das ist doch das, was uns Menschen ausmacht, oder? Fehler. Ist einen Jungen zu erschießen auch ein Fehler? Den Spruch gerade nehme ich zurück.

"Was mache ich denn jetzt?", frage ich  Henry.
"Mir vertrauen. Mehr musst du im Moment nicht tun."
"Vertraust du mir denn?" Diese Frage kam unerwartet.
Ernst sieht er mich an und wendet den Blick ab. Das ist nicht fair. Wie konntest du? Du hast mich beinahe umgebracht!"

O Gott, ich bin so ein schlechter Mensch. Erst Henry, dann Louis. Bin ich jetzt ein Serienmörder?

"Ich kann es nicht rückgängig machen.", nuschle ich beschämt.
Henry nickt stumm.

Was hat er? Ich sehe, dass er etwas sagen will.

"Emma, du... ich..." Deprimiert fährt er sich durchs Haar. "Ich kann es dir im Moment nicht sagen. Du hast mich verletzt und ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich dir zrauen kann. Du verschweigst mir etwas, habe ich recht?"

Ich nicke.

"Und Alex weiß es?"
Wieder nicke ich. Ein merkwürdiger Ausdruck huscht über sein Gesicht.
"Du willst es mir also nicht sagen."
Ich schüttle den Kopf.
"Irgendwann musst du das, das weißt du."
Ich schaue ihn das erste Mal richtig an.
"Ich weiß."

...dass ich es dir nicht sagen werde

"Wahrscheinlich hasse ich mich morgen dafür, aber ich werde dir jetzt was zeigen."



Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top