Kapitel 08 ~ Bolg
Es war, als wäre ich in einem Alptraum gefangen! Um mich herum herrschte pure Panik. Etwa zwanzig Meter von uns entfernt kamen sie aus dem Wald. Sie mussten die Zwerge gesehen haben, die Wache am Ufer gehalten hatten und sich von hinten angeschlichen haben. Clever.
Thorin bemerkte sie als erster von uns. „Orks! Alle auf die Beine!“
Alle sprangen auf. Niemand hatte noch Waffen, geschweige denn, etwas um sich zu verteidigen. Es wurde ihnen alles genommen, in den Verliesen von Thranduil.
Es trennten uns jetzt noch etwa zehn Meter von den ersten der Orktruppe. Es mussten an die fünfzehn Stück sein. Und sie sahen noch schrecklicher aus, als ich es mir jemals geträumt hatte. Noch viel schlimmer, als die Erzählungen meiner Mutter. Sie waren riesig groß und sehr kräftig. Ihre Haut war von verschiedenen, krank aussehenden Farbtönen und mit Geschwüren und Pusteln übersät.
Die Gesichter waren verzerrt und aus ihren irren Augen sprach der pure Hass und die Lust zu töten.. Ich bekam Panik.
„Lauft!!! Lauft zum Fluss!“ , schrie Thorin und alle setzten sich ruckartig in Bewegung.
Raus aus dem Wald, zum Fluss, was sollte es uns bringen, wäre es doch nur ein anderer Ort, an dem wir sterben würden. Ich konnte mich nicht bewegen. Die Zwerge rannten an mir vorbei, ich hörte die Schreie und Rufe, hörte die Orks brüllen, doch es war fern von mir. Wie in Trance sah ich Kili, der vor mir stand und mir etwas zu rief, weglaufen, ja ich sollte weglaufen …
Dann, plötzlich, fiel mein Blick auf meinen Bogen und die Pfeile. Er war nicht weit entfernt, doch die Orks waren bereits da. „Kili!“, schrie ich, doch es war zu spät, ein Ork traf ihn mit seinem Arm am Kopf. Kili taumelte hin und her. Er sah mich an. Blieb stehen. „Ich schaff das. Los! Komm jetzt!“ , schrie er. Ich hatte meinen Schock überwunden. Wollte, nein musste überleben! Ich schlug einen Haken und rannte an Kili und dem Ork vorbei. Der Ork folgte mir und lies von Kili ab. Noch einen Haken, einmal um den Baum, einem Ork ausweichen. Ich schnappte mir im Lauf meinen Bogen und den Köcher mit den Pfeilen, dann rannte ich zurück zu Kili. „Lauf, los! Zu Thorin!“ Kili setzte sich in Bewegung. Den Ork, der es nun wieder auf Kili abgesehen hatte, erschoss ich mit einem gekonnten Treffer, mitten zwischen seine abscheulichen Augen.
Er grunzte kurz und ging dann zu Boden. Im Vorbeilaufen zog ich meinen Pfeil aus seinem Schädel und legte diesen wieder an die Sehne. Es war nur noch ein kurzes Stück zum Ufer. Wir hörten die anderen Zwerge brüllen und schreien.
Als sie in Sichtweite kamen, sah ich, dass sie allesamt mit Stöcken und Steinen, die sie am Flussufer gefunden hatten, gegen ihre Widersacher kämpften.
Thorin stand in der Mitte und kämpfte gegen einen sehr großen Ork. Sein Kopf war von Eisenplatten gespickt, die aussahen, als hätte er sie sich selbst eingepflanzt. Immer wieder schlug Thorin auf ihn ein, doch es wirkte, als würden all seine Schläge an dem Ork abprallen.
„Bolg … „ , flüsterte Kili. „Bolg?“ , verwirrt sah ich Kili an. Dieses Ding hatte einen Namen?
„Er ist ein Spross von Azog, dem Schänder, Thorin's Erzfeind. Sie versuchen die Linie Durin's auszulöschen. Angefangen mit Thorin.“ Mir wurde schlecht. Das klang übel und es sah nicht so aus, als hätte Thorin viele Chancen. Auch die anderen Zwerge kämpften wacker, sogar Bilbo bewarf einige der Orks mit Steinen, doch es schien aussichtslos.
Thorin ging zu Boden. Bolg holte aus und traf ihn hart an der Schläfe. Ohne nachzudenken setzte ich meinen Pfeil an und schoss ihn ab. Genau in das Genick dieses Ungeheuers.
Sein Brüllen ging mir durch Mark und Bein und als er sich zu mir drehte, gefror mir das Blut in den Adern. Es war scheußlich. Mit beinahe toten Augen sah er mich an. Etwa zwei Meter groß und mit wutverzerrtem Gesicht. Von Thorin lies er ab, doch nun kam er auf mich zu. Reagieren konnte ich nicht. Meine Glieder waren wie Blei und ich schaute nur zu dem Monster, welches sich auf mich zu bewegte und mich töten würde. „Erschieße ihn!!! Los!“ , brüllte Thorin mir zu, doch ich konnte nicht. Etwas riss an meinem Bogen. Es war Kili. Ich lies los und bereitete mich auf meinen Tod vor. Würde es weh tun? Würde es schnell gehen? Sehe ich Mutter wieder?
Neben mir legte Kili den Pfeil ein und schoss Bolg mit meinem Bogen mitten in die Brust. Er fiel. Fiel auf den Boden.
Die anderen Orks stoppten in ihren Bewegungen. Sie scharrten sich um ihren Anführer und hoben ihn hoch. Unter lauten Gebrüll liefen sie zurück in den Wald. Bolg war dennoch nicht tot. Er sah zu uns , bis sie hinter den Bäumen verschwunden waren.
Noch immer konnte ich mich nicht rühren.
Bis Thorin mir mit der Hand auf die Schulter klopfte. „Du hättest sterben können, verdammt! Das war sehr leichtsinnig von dir! Man kann einen solchen Ork nicht mit einem einfachen Elbenpfeil töten!“, beinahe schrie er so laut, dass ich fürchtete, die Orks wären zurück gekommen.
„Sie hat dir dein Leben gerettet, Onkel.“ , sagte Kili leise und umfasste noch immer meinen Bogen. „Und du das ihre.“ , erwiderte Thorin und beäugte uns beide.
„Es war wahrlich kein Fehler, dich mitzunehmen, Halbelbin, doch nächstes mal, setzte dein Leben nicht wieder so leichtfertig für uns aufs Spiel.“
Damit drehte er sich um und wandte sich an die anderen. „Jemand schwer verletzt?“
„Niemand so sehr, dass er nicht laufen könnte.“ , berichtete Fili, der selbst auf einem Bein hinkte und am Kopf blutete. „Macht euch bereit! Wir ziehen in etwa einer Stunde los! Wir müssen von hier verschwinden.“ Dann zog Thorin sich zurück zum Ufer des Flusses. Wahrscheinlich, um seine Wunden zu säubern. Die anderen Zwerge taten es ihm gleich, sie kümmerten sich um ihre Wunden. Ich war erleichtert, dass alle es überlebt hatten, wenn auch nicht unbeschadet. Sie alle hatten schwere und weniger schwere Blutungen und einige von ihnen hielten sich Körperteile fest, an denen sie einen kräftigen Schlag abbekommen hatten. Am schlimmsten hatte es wohl Fili getroffen. Er saß am Waldrand, an einen Baum gelehnt und hielt sich den linken Oberschenkel.
Er blutete stark. Kili stand noch immer neben mir und blickte nun besorgt zu seinem Bruder. Er gab mir meinen Bogen zurück. „Das nächste mal solltest du ihn nutzen und nicht bloß herum stehen, als hätte dich der Blitz getroffen.“ Er rannte zu Fili und lies mich allein. Das hatte gesessen. Diese Worte schmerzten mehr, als hätte mich der Ork erschlagen, dessen war ich mir sicher.
Immer noch wie benommen setzte ich mich an die Stelle, auf der ich gerade stand nieder und lies meinen Blick schweifen. Kili und Fili lies ich hinter mir außer Acht. Ich versuchte sie auszublenden. Die anderen Zwerge verbanden sich gegenseitig ihre Wunden und Verletzungen. Es gab den ein oder anderen schmerzerfüllten Schrei, der aber gleich wieder abebbte.
„Hey, tapferes Elbenmädchen.“ Es war Dwalin, der große, breite, Zwerg, vor dem ich etwas Angst hatte, der sich nun neben mir niederließ.
„Ich bin nicht tapfer und nicht mal ein Elbenmädchen.“ , erwiderte ich niedergeschlagen. Er musste lachen. „Glaube mir, wenn ich dir sage, dass ich in meinem ganzen Leben noch keine Frau getroffen habe, die so mir nichts dir nichts Bolg einen Pfeil in den Nacken jagt. Und unter uns, ich traf auf einige Frauen.“ Er zwinkerte und schlagartig musste ich grinsen. „Danke. Aber ich habe ihn nicht einmal umgebracht. Alle wurden verletzt und ich stand bloß da.“ „Du hattest einen Schock, Kleine! Sowas ist ganz natürlich. Sogar einige der tapfersten Zwerge erlebten so etwas, bei ihrer ersten Begegnung mit einem Ork.“ Ungläubig sah ich Dwalin an. Ich konnte mir nicht vorstellen, das jemand, der wie er, nur aus Muskeln zu bestehen schien, jemals Angst hatte.
„Glaub mir, in dir steckt mehr, als du ahnst, mehr als wir alle ahnen.“ Mit diesen Worten erhob er sich und ging hinüber zu Bilbo, der gerade dabei war, seinen Daumen zu verbinden.
Es war schön, diese Worte aus seinem Mund zu hören, auch wenn ich es noch immer nicht ganz glauben konnte.
Plötzlich hörte ich einen lauten Aufschrei hinter mir. Es war Fili. Rasch drehte ich mich um und in einer flüssigen Bewegungen war ich aufgestanden und eilte in seine Richtung. Kili hockte vor ihm und versuchte anscheinend eine Wunde zu verarzten. Stöhnend und keuchend lehnte Fili am Baum. Der Schweiß rann ihm das schmerzverzerrte Gesicht hinunter. „Fili, Kili, was ist los!?“ Ich ging neben Kili in die Hocke. „Er hat ein verdammtes Schwert in sein Bein bekommen. Der Ork hatte es noch nicht raus gezogen, als er sich umdrehte und die Spitze brach am Knochen ab. Beide Brüder waren bleich im Gesicht und Fili sah aus, als würde er gleich ohnmächtig werden.
„Was kann ich tun?“ , fragte ich hilfesuchend. „Hol Oin, er hat vielleicht noch etwas in seiner Tasche.“ , sagte Kili und drückte ein Tuch auf Fili's Wunde. Ich sprang auf und lief los. Eben hatte ich den Zwerg doch noch gesehen … „Oin!!?“
Unten am Fluss traf ich ihn bei Thorin an. Er half ihm gerade dabei, eine üble Schnittwunde an der Wade zu versorgen. „Oin!“ Er und Thorin drehte sich zu mir um. „Es ist Fili! Er hat diese Wunde … mit der Spitze drin! Wir brauchen Hilfe!“ Ich brachte kaum ein Wort heraus, ohne hektisch zu atmen, doch Oin und Thorin schienen den Ernst der Lage zu begreifen. Wir liefen zu dritt zurück zu Fili und Kili.
Immer noch keuchte er vor Schmerzen und Kili kniete verzweifelt vor ihm. „Ich weiß nicht was ich noch tun kann, es hört nicht auf zu bluten. Es ist so viel Blut.“ Und es stimmte. Das Blut war schon lange durch das Tuch gesickert und tropfte jetzt von Kili's Händen herab.
Oin und Thorin gingen ebenfalls auf die Knie und Kili erzählte für Fili was passiert war. Ich sah Entsetzten in ihren Gesichtern. „Die Schwertspitze muss sofort raus aus dem Bein! Wir müssen ihn still halten, damit ich es tun kann.“ , sagte Oin beinahe flüsternd und mit einem schaurigen Unterton. Kili und Thorin nickten. „Leg dich hin, Bruder, wir halten dich, es ist bald vorbei. Ich verspreche es dir, Wir kriegen das schon wieder hin.“ Kili versuchte ihn aufzumuntern, klang aber selbst schmerzerfüllt.
„Elennya, leg seinen Kopf in deinen Schoß und halte seine Schultern fest. Kili, nimm die Arme und ich fixiere das Bein.“ Wir taten was Thorin sagte und ich krabbelte zu Fili's Kopf. „Du schaffst das.“ Versuchte ich aufmunternd zu sagen, doch es gelang in keiner Weise. Fili's Kopf lag schwer und heiß auf meinem Bein, Schmerz durchzuckte ihn und er verdrehte die Augen. Kili schaute mich an. „Tut mir leid, was ich gesagt habe. Es war nicht so gemeint.“ „Ich weiß … ist schon in Ordnung. Ich habe keine Geschwister, aber ich denke ich verstehe eure innige Beziehung. Er ist dein Bruder.“
Oin zückte ein kleines Messer aus seinem Medizinbeutel. Es war sehr dünn und extrem scharf. Schnell verstärkte ich den Druck auf Fili's Schultern und versuchte nicht auf das Messer oder das Bein zu achten.
Es war furchterregend, wie viel Kraft Fili aufnahm und sich vor Schmerzen wandte, ich musste mich aufrichten um seine Schultern auf dem Boden zu halten. Die Schreie waren ohrenbetäubend und ich bekam eine Gänsehaut.
Dann war es vorbei. Ganz plötzlich sackte der kräftige Zwerg in sich zusammen und blieb regungslos auf dem Boden liegen. Seinen Kopf noch immer auf meinem Bein.
„Es ist raus. Er wird es schaffen, es war eine einfache Klinge, ohne Zusatz von Giften.“ , berichtete Oin und besah sich die Schwertspitze, die so groß war wie sein Daumen. Alles war durchtränkt mit Blut und eilig verband er das Bein. Wir atmeten alle auf. Thorin sah zu Kili herüber. „Mach dir keine Sorgen. Wenn Oin sagt er schafft es, dann schafft er es auch.“ Kili nickte, sah jedoch noch immer schwer erschüttert aus.
„So können wir nicht weiterreisen. Wir müssen ihn ein Stück weit tragen und uns einige Tage lang versteckt halten. Nur so haben wir eine Chance, denn ich bin mir sicher, Bolg wird zurückkehren.“ Thorin sprach mit erschöpfter Stimme. Es nahm auch ihn sehr mit, was mit Fili passiert war.
Er rief nach Dwalin und bat ihn, nach einer Höhle, oder einem guten Versteck im Wald zu suchen und lies uns dann allein. Oin erhob sich und auch er ging.
Zurück blieben Kili und ich, mit einem nahezu bewusstlosen Fili. „Er packt das.“ , ich versuchte ebenfalls aufmunternd zu klingen doch meine Worte schienen leer.
Kili's Gesicht war beinahe so bleich, wie das, seines Bruders und immer wieder besah er sich die Messerspitze, die Oin auf dem Boden liegen gelassen hatte. „Wir haben Glück, dass es nicht vergiften war, sonst hätte er keine Chance gehabt.“ Er sprach sehr leise und mehr zu sich selbst, als mit mir. Noch immer hielt ich die Schultern von Fili fest und zeichnete geistesabwesend Kreise mit meinen Daumen. „Danke das du da bist.“ Kili sah mich von unten herab an und durchdrang mich mit seinen dunkelbraunen Augen. Darauf wusste ich nichts zu erwidern und ich brachte gerade noch so ein zaghaftes Nicken zustande.
Es verging eine ganze Zeit, bis Fili wieder begann sich zu bewegen. Er stöhnte auf, als er versuchte das Bein zu regen und lies es gleich wieder bleiben. Er öffnete die Augen, sah zu erst mich und dann seinen Bruder an. „Was ist passiert?“ , fragte er und Kili berichtete ihm von den Orks, dem Kampf und zeigte ihm die Messerspitze. Er erzählte alles sehr detailliert, nur lies er aus, dass ich zögerte zu schießen, worüber ich sehr dankbar war.
„Da hab ich ja nochmal Glück gehabt, aber sagt mal, hab ihr mir die Messerspitze oder gleich das halbe Bein entfernt?“ , fragte Fili laut ausatmend. Er richtete den Oberkörper auf und ich rutschte hinter ihm weg, sodass er sich wieder an den Baum lehnen konnte.
Thorin eilte zu uns. „Fili, Junge, ist alles in Ordnung?“ , wahrhaftige Besorgnis war in Thorin's Augen zu lesen und er schien froh, Fili wieder bei Bewusstsein zu wissen.
„Ich denke, ich werde es schon überleben.“ , antwortete Fili gequält und Thorin lächelte eines seiner seltenen Lächeln. „Sehr gut, wusste ich es doch, dass die Durin's Söhne nicht so leicht unterzukriegen sind. In wenigen Momenten brechen wir auf. Dwalin hat eine Trage gebaut. Wir tragen dich ein Stück flussabwärts, dort ist eine kleine Höhle, in der wir alle Platz haben und wir uns die nächsten Tage verstecken werden, bis du laufen kannst. Fili nickte und es loderte schon wieder der Kampfgeist in ihm. Er war ein bewundernswerter, äußerst robuster Zwerg.
Thorin ging zu Dwalin zurück, um ihm zu berichten und alle startklar zu machen.
Mit Fili, der von vier Zwergen auf seiner Trage getragen werden musste, kamen wir nur langsam vorwärts und das 'Stück flussabwärts' , wie Thorin es nannte, entpuppte sich als ein halber Tagesmarsch. Doch wir schafften es und bauten ein kleines Nachtlager auf.
Alle waren erschöpft und verletzt. Kili wollte die erste Nachtwache übernehmen und ich beschloss ihm dabei Gesellschaft zu leisten. Thorin war einverstanden und so gingen die restlichen Zwerge und der Hobbit schlafen.
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