--7.2--

Meine erste Reaktion war es, mich fallen zu lassen, sodass die Wurfmesser der Nox gefahrlos an der eisernen Fahrstuhltür abprallten. Dank meines Trainings als Nacht- oder Feuerklinge, je nachdem, was gerade gebraucht wird, hatte ich keine Probleme, dieses Manöver auszuführen.

Obwohl ich in Rekordzeit ausgewichen war, spürte ich einen brennenden Schmerz meine Seite entlanglaufen. Ich war getroffen worden. Zwar nur ein Streifschuss, jedoch in Kombination mit meinen anderen Wunden eine ernstzunehmende Gefahr.

Ich hatte keine Wahl, umzingelt und umstellt übernahmen meine Instinkte die Kontrolle über meinen Körper. Und sie hatten sich ganz eindeutig gegen den Fluchtreflex entschieden.

Ich spürte, wie Klauen aus meinen Fingerkuppen wuchsen, sich krümmten und schärften. Meine Schneidezähne verlängerten sich zu gebogenen Reißzähnen, typisch für einen Clanangehörigen meiner Rasse. Wie bei jedem Tierwandler änderte sich, wenn Adrenalin ausgestoßen wurde, die Farbe der Iren. Meine waren nun blutrot. Pulsierende Scheinwerfer oder funkensprühende Leuchten nennt Hexa sie immer.

Nur ein Gedanke beherrschte mein Sein, UBERLEBE!

Mit unmenschlicher Geschwindigkeit stieß ich mich vom Boden ab und machte einen Rückwärtssalto über die in Kampfhaltung stehenden Nox. Noch während des Fallens hatte ich einen von ihnen entwaffnet und bewusstlos geschlagen. Mit einem weiteren meterweiten Sprung katapultierte ich mich in die Nähe der nächsten Noxkrieger, welche in kleinen Gruppen agierten.

Der ersten Gruppe von Nox brach ich nacheinander die Genicke, während um mich herum wild geschossen wurde.

Die zweite schaltete sich im Großen und Ganzen selbst aus. Oft trafen die danebengegangenen Schüsse anstatt mich, die eigenen Verbündeten und verursachten herbe Verluste auf den Seiten meiner Gegner.

Der Gang, durch den weitere Nox als Unterstützung herbeieilten, war schmal und besaß hohe Decken. Perfekt für jemanden wie mich, der sich mithilfe seiner Klauen so gut wie an jeder Oberfläche festhalten konnte.

Obwohl die Nox stark in der Überzahl waren, hatten sie nichts anderes im Sinn, als mich mit ihren Schnellfeuerwaffen zu treffen, anstatt mich mit Teamplay auszuschalten. Zu meinem Glück!

Hätten sie sich besser koordiniert, wie sie es beispielsweise bei meiner Bewachung getan hatten, so hätten ich keine Chance gehabt. So jedoch war es für mich kein Problem herumwirbelnd und um mich schlagen, jeden Nox einzeln auszuschalten.

Am Ende war der Aufzug mit bewusstlosen, größtenteils toten Körpern gefüllt, welchen ich keinerlei Beachtung mehr schenkte. Ein schwerer Fehler, wie sich herausstellte.

***

Wir hatten schon die Hälfte des Weges bis zur Oberfläche zurückgelegt, als einer der Nox sein Bewusstsein wiedererlangte. Ich war nicht schnell genug um die Krallen daran zu hindern, tief in meine Bauchgegend einzudringen. Der plötzliche Schmerz ließe mich fast zusammenbrechen.

Um mich zu befreien rammte ich meinen Ellenbogen in den Brustkorb des Nox unter mir. Er versuchte noch auszuweichen, konnte sich aber kaum bewegen, da seine Krallen immer noch in meinem Bauch verankert waren und er somit festsaß. Mit voller Wucht traf mein Knochen auf seinen Körper. Der Nox schrie auf, als eine Krallen brachen und weiterhin meinen Korper besetzten. Das war auch ganz gut so, denn durch ihr Feststecken, konnte ich mich bewegen, ohne dass zu viel Blut aus den neuen Wunden lief.

Nun wäre es die Chance gewesen, dem Leben des Noxes ein Ende zu setzten, doch mir blieb keine Zeit mehr. Mein Gehör konnte bereits weitere Nox wahrnehmen, die sich außerhalb des Fahrstuhls bewegten.

Ich wusste, dass eine Verwandlung in meinem Zustand alles andere als ungefährlich war und meinem bereits geschwächten Körper den Rest geben könnte, doch obwohl ich dies wusste, spürte ich schon die Verwandlung beginnen.

Als sich die Fahrstuhltür öffnete, sprang ich aus dem Aufzug und sprintete unter den Beinen der wartenden Nox hindurch. Mein geschmeidiger Körper verschwamm regelrecht, so schnell bewegte ich mich vorwärts und ich war mir sicher, dass die Nox nicht so recht verstanden, was hier gerade vor sich ging.

Meine kleinen Pfoten rasten nur so über den Grund. Ich lief, bis ich mir sicher sein konnte, die Nox abgehengt zu haben. Erst dann blieb ich stehen und versuchte die Orientierung wiederzufinden, während sich das Blut zu meinen Füßen sammelte.

Unglücklicherweise befand ich mich in einer dieser Gegenden, in der niemand auch nur einen zweiten Blick auf einen blutüberströmten Mann werfen würde. Es hatte somit keinen Sinn, die Strapazen einer weiteren Verwandlung auf sich zu nehmen, ohne einen sicheren Platz erreicht zu haben.

Doch mein Körper war da wohl anderer Ansicht. An eine Steinwand angelehnt, wurde ich wieder zum Mann und verspürte sogleich ein Taubes Kribbeln in den Gliedern – eine Nachwirkung der erzwungenen Verwandlung.

Die Steinwand, an der ich angelehnt war, fühlte sich angenehm kühl auf meiner allzu überhitzten Haut an und obwohl ich mich nicht ausruhen durfte – nicht jetzt – wurde mein Atem immer kürzer. Mein Herzschlag verlangsamte sich. Das Blut! Ich muss das Blut verwichen, sonst bin ich wie auf dem Präsentierteller.

Meine Gedanken drifteten ab, mein Blick verklärte sich. Das war es wohl.

Mir wurde schwarz vor Augen...

Blut. Überall war Blut. An der Wand, auf dem Boden und an seinem Körper. Nie hatte ich so viel Blut gesehen. Nicht mal an diesem Tag, vor so langer Zeit.

Ich lief zu dem Mann hinüber - konnte ich doch nicht anders - und tastete nach seinem Puls. Meine Handschuhe waren im Weg, deshalb zog ich sie aus. Mir war es in dem Moment egal, dass sie sich mit dem bereits vergossenen Blut vollsogen.

Nackte Haut traf auf meine entblößten Hände, bleich und totenkalt. Ich hatte nicht mit einer Reaktion gerechnet, deshalb sprang ich verschreckt zurück, als die Augen des Verletzten plötzlich aufsprangen. Sein Blick zeugte von Verwirrung, richtete sich aber schnell auf mich. Er versuchte zu sprechen, wurde aber von einem Schwall Blut, welches aus seinem Mund lief, daran gehindert.

„Schschsch, ganz ruhig. Ich will dir nur helfen.", versuchte ich ihn zu beruhigen.

Meine Hand tastete nach dem Hady, mit dem ich bereits die SMS an Terry geschrieben hatte. Ich wählte die Notrufnummer des Ortskrankenhauses. Die Frauenstimme auf der anderen Seite der Leitung klang ruhig und beherrscht, so als würde sie jede Nacht einen dieser Anrufe erwarten. „Guten Abend, St. Joseph Hospital hier, wie kann ich helfen?"

Die Hand des Mannes schoss hoch, umschloss mein Handy und warf es in hohem Bogen von uns weg. „Kein Krankenhaus.", röchelte er. Nur schwach kamen die Worte aus seinem Mund, das Blut hinderte ihn auch weiterhin am Sprechen.

Ich konnte ihn nur hilflos anblicken und sah den Ausdruck von Entschlossenheit in seinen Augen, der Beweis für einen eisernen Willen.

„Was soll ich denn sonst tun? Ich kann dich doch schlecht hier liegen lassen." Doch es war bereits zu spät, er konnte mir nicht mehr antworten.

Da das Blut immer noch aus seinem Körper lief und mir bereits an den Klamotten haftete, konzentrierte ich mich auf seine äußeren Wunden und suchte fieberhaft nach etwas Nützlichem. Dabei ließ ich meine Hände tastend über seinen Körper gleiten, auf der Suche nach den tiefsten Wunden. Moment mal, er ist nackt! Und ziemlich gut gebaut, wenn ich mich nicht irre.

Mir wurde heiß. Eine völlig fehlplatzierte Reaktion, doch ich konnte nichts gegen die Hitze machen, die sich in meinem Schoß zusammenballte. Ich stand buchstäblich in Flammen, während meine Hände sich unweigerlich auf seiner Haut vor und zurück bewegten, so als hätten sie ein Eigenleben.

„Das ist doch unmöglich.", stieß ich entsetzt hervor. Was hier gerade geschah war unmöglich, trotzdem konnte ich nicht aufhören. Die Energie, die ich mein ganzes Leben lang gefürchtet hatte, hatte sich meinem Körper bemächtigt und bewegte ihn nun gegen meinen Willen.

Wie gebannt starrte ich auf meine Hände, von denen kleine, blaue Lichtblitze auf den Mann hinübergingen. Mit jeder Bewegung wurden sie stärker und heller. Bald schon hatten sie den Mann komplett umhüllt, ihn mit einem sanften blauen Schein ummantelt. Nach einiger Zeit verschwanden die Lichtblitze und auch die Hitze verging. Schweißüberströmt kniete ich neben dem Verletzten, der schon um einiges lebendiger aussah. Sein Herz schlug wieder kräftig, wohingegen meines zu versagen drohte, da es vor Anstrengung wie wild herumhüpfte. Ich, ich... habe geheilt. Ich habe tatsächlich geheilt!

Ich konnte es nicht glauben.

Oh nein, was soll ich nur tun? Onkel Ben wird mich umbringen! Aber ich kann ihn auch nicht so einfach hier liegen lassen, immerhin ist er verletzt. Er braucht mich jetzt.

Mit neuer Entschlossenheit umfasste ich die Taille des Bewusstlosen und hievte ihn mir den über die Schultern. Obwohl ich nur 1,60m maß, war ich verdammt stark und konnte mit Leichtigkeit das Doppelte meines eigenen Körpergewichts tragen. Trotzdem wog der Mann nicht gerade wenig. Das sind locker 150 Kilo. Welcher Mann, der so aussieht, wiegt bitte 150 Kilo? Was habe ich mir nur wieder eingebrockt?

Doch mein Entschluss stand fest. Egal, was mein Onkel auch sagen würde, ich konnte ihn nicht so einfach hier liegen lassen. Neues Ziel, Onkel Bens Herrenhaus.

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Hey Leute,
das hier ist bis das bisherig längste Kapitel und ich hoffe, dass ihr alle mit dem Perspektivenwechsel zurechtkommt.
Eines hatte ich auch noch vergessen zu erwähnen. Wenn ihr Rechtschreibfehler oder Logikfehler findet, seid bitte so lieb und weist mich auf diese hin. Ich versuche so wenig Fehler wie möglich zu machen, doch ich bin auch nur ein Mensch. *Luftküsschen*
Wir lesen uns ;)

Eure GiulyanaBlue

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