--20.2--

Ich sah in das hässliche Gesicht von Siroffs Tiergestalt. Sofort loderte explosive, tierische Wut in mir auf und bemächtigte sich meiner. Ich akzeptierte die Wut und das Wilde, die damit einherziehende Kraft und lenkte alles tief ins Herz des Panthers. Nun, da ich wusste, wer Miranda solche Angst machte, dass es die Nox waren, bewegte ich mich mit noch größerer Vorsicht. Ein zweites Mal lasse ich mich nicht einsperren.

Drohend verzog ich die Lefzen zu einem stillen Fauchen und entblößte meine großen Fangzähne. Mit angelegten Ohren umkreisten wir uns in einem Tanz der Geduld, während der Wind uns abwechselnd entgegenbließ.

Von dem einen auf den anderen Moment reichte es der Hyäne. Rasch stürzte sie sich auf mich, wie ein Falke beim Sturzflug. Im letzten Moment konnte ich zur Seite ausweichen und schlitzte der Hyäne mit meiner großen Pranke die Seite auf, konnte aber nicht mehr verhindern, dass sich tödliche Fangzähne in meine Kehle gruben, so wie ich es zuvor bei Siroff getan hatte.

Wir gingen mit Zähnen und Klauen aufeinander los und wälzten uns auf dem Waldboden. Wo vorher Stille geherrscht hatte, hörte man nun das Aufeinandertreffen von Körpern, das Tropfen von Blut und animalische Knurrlaute, die auch die letzten Vögel von ihrem Beobachtungsposten wegfliegen ließen. Es war ein gefährliches Duell, welches wir uns da lieferten. Ein Duell auf Leben und Tod, woraus nur der Stärkere hervorgehen würde.

Die Hyäne und ich setzten das gesamte Gewicht unserer Körper ein, wandten uns wie ein grotesk verschlungenes Knäul, sprangen wie wild durch die Luft und gingen einander immer wieder an die Kehle. Der Kampf war kurz, aber brutal, unser Fauchen, Knurren und Brüllen wurde von den Bäumen aufgenommen und verschluckt, sie schützten uns vor möglichen Zuhörern.

Siroff wälzte sich zur Seite, um meinem Griff zu entkommen und rannte fort, sprang in großen Sätzen über Wurzeln und Körper. Ich startete noch einen letzten Versuch, ihn zu Fall zu bringen. Jedoch erreichte ich nur die Hinterpranken meines Gegners, und das Schmerzgeheul, als sich meine Krallen hineinbohrten, scheuchte abermals die Vögel auf. Der Hyänenmann grub seine Krallen in den harten Boden, riss sich von mir los und lief weiter. Während er lief, hinterließ er eine leicht zu verfolgende Spur aus Pfotenabdrücken und Blut. Ich entschied mich jedoch, ihm nicht zu folgen, Mirandas Wohlergehen hatten oberste Priorität. Mit gezielten, kleinen Sprüngen schoss ich davon, wohl wissend, dass ein verwundetes, in die Ecke gedrängtes Tier am gefährlichsten war.

***

Vor einem Haus am Rand des Parks hielt ich an. Miranda musste ganz in der Nähe sein, ihr Geruch hing mir bereits in der Nase. Die Schatten des Hauses ausnutzend schlich ich vorwärts, meinen Körper hielt ich im Verborgenen.

Nachdem ich einmal das Haus umrundet und nichts Ungewöhnliches entdeckt hatte, verwandelte ich mich zurück in einen Mann und kletterte an der Hausfassade hinauf, bis ich ein offenes Fenster erreichte. Mit einem kräftigen Zug meiner Arme hatte ich mich hineinbefördert und hockte nun auf dem Boden. Das Innere des Hauses roch entfernt nach Blut und beinahe verlor ich die Kontrolle über das Tier, das wieder in Raserei verfallen wollte. Alleine der Fakt, dass es sich nicht um Mirandas Blut handelte, ließ mich wieder Herr über das Tier werden.

Ich ging weiter, bog um die Ecke, als sich auch schon eine kleine Gestalt in meine Arme warf und ihr Gesicht an meiner Brust barg.

Tröstend schloss ich meine Arme um das zitternde Bündel Mensch und flüsterte meinem Engel beruhigende Worte zu.

Nach einigen Minuten der Zweisamkeit sah sie zu mir auf. Ihre braunen Rehaugen waren vor ungeweinten Tränen ganz dunkel geworden und ich hätte sie am liebsten vor allen schlechten Einflüssen bewahrt, sie in einen Kokon gehüllt und nie mehr rausgelassen.

„Alles in Ordnung, Engelchen?", fragte ich besorgt.

„Jetzt da du da bist, ja." Mein Herz machte einen Satz bei ihrem leise vorgetragenen Geständnis und ich musste von ihr ablassen, denn sonst hätte ich sie mir geschnappt und ihr all diesen Kummer, der noch immer in ihren Augen glomm, ausgetrieben.

„Ist Vincent in der Nähe?" Erst blinzelte sie verwirrt, doch dann schien sie eine Verbindung herzustellen.

„Du meinst diesen gutaussehenden Mann, der mal gerade so ein Dutzend Männer niedergeschlagen hat? Der befindet sich gerade in der Küche, er sagte was von einer ordentlichen Mahlzeit, die mir bestimmt helfen würde, mich zu entspannen." Bei den Worten 'gutaussehender Mann 'entwich ein Knurren meine Kehle, doch Miranda schien es überhört zu haben.

Im nächsten Raum hörte man das Klappern von Geschirr und ein fröhliches Pfeifen. Wir spähten hinein und sahen einen geschäftigen Vincent, der gerade einen erlesenen Rotwein in den Händen hielt.

„Ah, ihr kommt gerade rechtzeitig." Er drehte sich zu uns herum und zeigte mit der Pfanne auf den fertig gedeckten Tisch. „Setzt euch, das Essen ist fertig."

Skeptisch schaute ich auf das Essen hinab. Doch gerade als ich ablehnen wollte, ließ mich das Geräusch von Mirandas Magen meine Meinung ändern. „Eine Kleinigkeit sollte nicht schaden."

Ganz der Gentleman zog ich meinem Engel den Stuhl zurück, bis sie saß, danach setzte ich mich ebenfalls. Entgegen aller Erwartungen schmeckte das Essen vorzüglich und ich ertappte mich dabei, genießerisch die Augen zu schließen.

„Wo hast du so zu kochen gelernt?", erklang Mirandas Stimme, vor Zufriedenheit war sie ganz samtig geworden.

„Ich habe es mir beibringen lassen, um einer wundervollen Frau zu gefallen."

„Sie weiß es sicher zu schätzen, mit solch köstlichem Essen verwöhnt zu werden."

Vincent lehnte sich zurück. „Ehrlich gesagt habe ich noch nie für sie kochen dürfen. Sie scheint sich nicht wirklich für mich zu interessieren. Er zuckte mit den Schultern und lächelte traurig. Als er Mirandas schuldbewussten Blick bemerkte, fügte er noch schnell hinzu: „Das macht aber nichts, irgendwann werde ich sie davon überzeugen, wie ernst es mir mit ihr ist."

Mein Engel stand auf und berührte Vincent leicht an der Schulter. „Ich wünsche mir von Herzen, dass ihr beiden es schafft." Bei diesen Worten, die nur so vor Güte strotzten, erschien ein wehmütiger Ausdruck in den Augen des Vampirprinzen. Seine Hand legte sich über Mirandas und sofort schrillten bei mir alle Alarmglocken.

„Nicht!" Versuchten wir beide ihn noch zu warnen, doch es war zu spät. Mirandas Streifen leuchteten auf, die Luft wurde dicker, fast als wäre sie elektrisch aufgeladen. Auch Vincent schien die Veränderungen gespürt zu haben. Er versuchte aufzustehen, seine Hand zurückzuziehen. Er war zu langsam. Die Energie hatte nicht die Absicht ihn davonkommen zu lassen. Beinahe hätten die Energieblitze den Vampirprinzen geröstet, ihre Helligkeit allein hatte schon dafür gesorgt, dass seine auf der Dunkelheit basierende Kraft und Schnelligkeit deutlich abgenommen hatten, doch gerade als sich alles zuzuspitzen schien, die Blitze sich bündelten und ausrichteten, wurde Vincents Körper nach hinten gerissen.

„Wen haben wir denn hier? Ist es jetzt Gewohnheit von Vampiren und Clanangehörigen, in anderer Leute Häuser einzubrechen?"

Die blonde Schönheit stand mit verschränkten Armen im Türrahmen, am Kragen hielt sie einen benommenen Vincent.

Ihre langen Beine trugen sie geschwind in den Raum, wo sie sich einen Stuhl nahm und verkehrt herum draufsetzte.

„Kennst du die Hexe?", fragte ich Miranda.

Ehe mein Engel etwas erwidern konnte, übernahm die Blondine schon das Wort. „Wenn ich mich einmal selbst vorstellen darf. Clarice Teatrix, Hexe des Silberzirkels." Sie fixierte mich mit einem kalten Blick. „Könntest du mir bitte erklären, warum mein Freund verletzt im Bett liegt, während ihr euch einen gemütlichen Abend macht."

„Silberhexe.", begann ich. „Dein Freund wurde während eines Angriffes der Nox schwer verletzt, während er versuchte, meine Gefährtin zu beschützen. Obwohl er bereits geschwächt und verwundet wurde, hat er sich ohne zu zögern vor sie geworfen. Ich stehe in seiner Schuld."

„Das klingt ganz nach Terry." Clarice nahm sich etwas von dem Essen und häufte es sich auf den letzten, leeren Teller. „Dieser Dummkopf von einem Hexer denkt doch immer erst an andere, bevor er einen Gedanken an seine eigene Sicherheit verschwendet. Dabei hatten wir doch nur einen einzigen Auftrag zu erledigen."

Mit der Gabel schaufelte sie sich das noch warme Nudelgericht in den Mund. Genießerisch schloss sie die Augen. „Hmmm, scheiße ist das gut!"

Geduldig beobachteten wir die Silberhexe dabei, wie sie das Gericht in wenigen Minuten verschlang. Mit Vincents selbstgebackenen Brot wichtige sie gerade die Reste auf, als ein Knall die Erde zum Beben brachte. Bis auf Clarice sprangen wir alle auf und begaben uns in Abwehrshaltung.

„Beruhigt euch alle mal. Wir werden nicht angegriffen, da ist nur irgendwo eine Bombe hochgegangen." Miranda war die erste auf dem Stuhl, die erste, die sich beruhigte und Clarice damit bedeutete, weiterzusprechen. „Hat diese Bombe etwas mit eurem Auftrag zu tun?", erkundigte sich mein Engel, nachdem wir ihrem Beispiel gefolgt waren.

Geschäftsmäßig verschränkte die Hexe die Hände. „Eigentlich darf ich euch ja nichts erzählen. Mein Zirkel besteht auf absolute Geheimhaltung. Außenstehenden ist es untersagt, ihre Nasen in die Angelegenheiten der Silberhexen zu stecken." Sie zwinkerte uns zu. „Natürlich gilt das nur für Zivilisten. Für einen Jäger von Nightlight und den Vampirprinzen mache ich natürlich eine Ausnahme. Laut unserem Zirkel wurden hier auf dem Gelände magische Bomben angebracht. Unsere Aufgabe bestand einzig und alleine darin, die Bomben zu entschärfen und den Schaden somit so gering wie möglich zu halten. Terry sollte den nordöstlichen Teil absuchen, ich den südwestlichen. Alles Weitere könnt ihr euch denken."

„Machst du dir eigentlich keine Sorgen?"

„Um wen? Um Terry? Nein, der ist hart im Nehmen. So schnell verlässt er uns nicht."

„Hey, das solltet ihr euch ansehen." Vincent stand am Fenster, anscheinend hatte er sich erholt, und sah in die Nacht hinaus. Sofort stand ich neben ihm und folgte seinem Finger mit den Augen. „Verdammt!"

„Ja, verdammt trifft es ganz gut.", stimmte er mir zu.

„Was ist los?", erklang die Stimme meines Engels. Ich drehte dem Schauspiel hinter mir den Rücken zu und zog Miranda in eine feste Umarmung. Sie wehrte sich nicht, hatte sie doch bereits alle nötigen Informationen aus meinen Gedanken gelesen. „Es tut mir leid." Meine nächsten Worte waren an alle gerichtet: „Es ist zu gefährlich zu bleiben, der Wind bläst das Feuer in unsere Richtung. Gehen wir."

Mit meinem Engel auf den Armen - ihr Gesicht an meinem Hals vergraben - verließen wir das Haus. Um Terry sollten sich Vincent und Clarice kümmern.

Vor der Haustür wartete bereits ein brummender Wagen auf den Verletzten und seine Begleiter. Ich ging jedoch, mit meinem Engel zusammen darum herum und blieb einige Meter weiter in der Dunkelheit stehen.
„Ihr wollt zum Dagger." Aus dem Mund der Silberhexe klang es nicht wie eine Frage. Sie griff nach der Autotür und fügte noch hinzu: „Wenn es euch nichts ausmacht, trennen sich hier unsere Wege. Euer kleiner Vampirfreund hat bereits zugestimmt, den Krankenwagen zu spielen und Terry bei meinem Zirkel abzuliefern. Ich soll dir nur schnell sagen, dass er dann später zu euch, Henna und Viper stoßen wird. Die beiden haben ihn eben kontaktiert und sind nun wieder auf dem Weg ins Dagger. Bye!" Sie winkte uns noch zum Abschied. „Pass gut auf dein neues Wollknäul auf, Kater!"

Miranda gab ein ersticktes Giggeln von sich und insgeheim dankte ich der Hexe für ihr freches Mundwerk. „Halt dich gut fest!", warnte ich Miranda noch, bevor der Panther zum Vorschein kam. Meine Arme wurden von einem langen, von Fell bedeckten Körper abgelöst, dessen lange Strähnen ihr als Halt dienten. Somit wurde sie gezwungen, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, auf uns.

Übermütig warf ich den Kopf nach hinten und tänzelte verspielt auf der Stelle. Miranda schien ihre Position zu gefallen, denn sie packte mein Fell noch festre und beugte sich über meinen Rücken, um so wenig Windfläche wie möglich zu bieten. „Jetzt lauf schon!", knurrte sie ungeduldig. Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen. Schnell schlüpfte ich in den Schatten einer kleinen Gasse und verschmolz mit der Dunkelheit. Der Wind peitschte uns entgegen und sorgte für ein atemberaubendes Gefühl des Losgelöstseins. Ein Seufzen erklang von meinem Rücken, im Moment lebten wir nur für diesen Augenblick, für die Geschwindigkeit und das Gefühl zu fliegen.

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Hey Leute,
gestern habe ich es nicht mehr geschafft, etwas hochzuladen, da ich ein wenig überfordert mit meinem Teilzeitjob war und mir, um mich selbst mal zu verwöhnen, ein neues Buch gekauf habe. Es heißt "Khalos" und wurde von einem Wattpaduser verfasst. Supergeil, ich weiß!
Okay ich bin bereits auf Seite 274, aber ich war einfach gefesselt von der Welt der jungen Daya und diesen starken, aus dem Kyrosschlaf erweckten Männern und Frauen.
Zurück zu meiner Geschichte. Wie findet ihr sie bis jetzt, dem 20. Kapitel? Würde mich würklich über folgende Kommentare freuen^^
Ab jetzt gibt es nur ein Kapitel pro Woche, aber auf zwei Tage aufgespalten, damit mir etwas mehr Zeit bleibt. Fehlt noch etwas? Ah ja, vielen Dank für das Verfolgen der letzten zwei Wochen, ihr Leser seit das, was einen Hobbyautor wie mich antreibt! Wir lesen uns ;)

Eure GiulyanaBlue

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