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Der Schmerz war einfach überall. Er fraß sich durch meinen Körper und durch jede Faser, bis hin in den allerletzten Winkel. Ich rang um Atem, während es sich anfühlte, als würden ich von innen heraus verglühen.
Mein Signum, das der Wild Cats, eine komplett schwarze, an den Seiten ausgefranste Katzensilhouette, brannte, während mein Körper mit eisernen Hand -und Fußschellen an einer alten, feuchten Wand befestigt war.
Das Brennen war kein gutes Zeichen. Es bedeutete Ärger. Und noch mehr davon konnte ich im Moment wirklich nicht gebrauchen, vor allem, da mein Signum das Einzige war, das sich momentan auf oder an meinem geschundenen Körper befand. Kurzum, meine Lage war beschissen. Wirklich, wirklich beschissen.
Und natürlich behielt ich Recht, wie ich immer Recht behielt – eine Art Talent. Ärger war im Anmarsch. Ärger in Form einer Person, eines Wesens, welches sich durch und durch der Dunkelheit verschrieben hatte.
Schon nach kurzer Zeit hörte ich die sich nähernden Schritte, dessen hallenden Klang mir bereits in den Ohren schmerzte. Wer auch immer mich gefangen hielt, wollte mich wohl von seiner Anwesenheit in Kenntnis setzten. Wieso sollte er sonst wie ein übergewichtiger Tourist in meine Richtung stampfen? Oder waren es nur meine Ohren, die wieder einmal verrücktspielten? In letzter Zeit misslang es mir immer wieder, die Stärke meines Gehörs zu regulieren. Mal hörte ich nichts, mal sehr schlecht, fast menschenmäßig und dann waren da noch die Zeiten wie jetzt, wo ich alles in doppelter, bis zu tausendfacher Intensität wahrnahm.
Das sieht mir nicht ähnlich. Ich lasse mir von etwas Schmerz doch nicht die Kontrolle nehmen! Komm schon Feuerklinge, reiß dich am Riemen!
Die Tür zu meinem Raum wurde geöffnet und Licht durchflutete die Zelle. Und Zelle war wirklich das richtige Wort, um meine Behausung zu beschreiben. Der komplette Raum bestand aus nichts als nackten Wänden, wo hier und da vereinzelte Kettenglieder aus dem Gestein herausragten, die nur so vor Rost und schimmeligem Moos strotzten.
Niemand hätte behaupten können, dass ich freiwillig hier war. Nein, ganz bestimmt war ich das nicht. Würden mich diese Ketten nicht so verdammt müde machen, ich hätte mit Sicherheit schon längst einen Versuch gestartet, zu entkommen.
Die Tür öffnete sich weiter, gefolgt von einem lauten Quietschen, bis mein liebenswerter Gastgeber endlich voll zu sehen war.
Ein Nox! Schoss es mir durch den Kopf. Vor mir stand doch allen Ernstes ein Nox.
Scheiße, das könnte brenzlig werden.
Die Nox galten als die Niedersten der orbis alius. Ihr Signum bildeten zwei ineinander verschlungene Totenschädel – groteske Gebilde.
Um ihre Opfer zu zerfleischen und zu jagen, nahmen sie entweder die Gestalt von Kojoten oder Hyänen an. Manche von ihnen sollen sogar in Gestalt einer Fledermaus gesehen worden sein, obwohl dies schon sehr ungewöhnlich wäre, sind das doch verhältnismäßig schwache, unauffällige Kreaturen. Gerüchten zufolge soll der Anführer der Nox sich in ein komplett anderes Individuum transferieren können, ähnlich wie einer der ausgestorbenen Skinwalker. Einen Beweis dafür wurde jedoch noch nicht erbracht. Oder es hatte nur keiner ein Zusammentreffen überlebt.
Klar war nur eines: Sie waren keine angenehmen Zeitgenossen, weder als Tiere, noch als Menschen.
Genauso wenig, wie ich einer bin.
Man ging ihnen, wenn möglich aus dem Weg oder tötete sie gleich bei Sichtung.
Dass ich mich ausgerechnet von einem der Ihrigen gefangen nehmen lassen musste, würde mir meine 100 prozentige Erfolgsrate zerstören, die mir gewisse Freiheiten zusprach, von denen ich gerne Gebrauch machte. Außerdem wäre mein Ruf unweigerlich geschädigt, was mir in keinster Weise am Arsch vorbei ging. Es war inakzeptabel!
Obwohl, wahrscheinlich war es gerade mein Ruf, der mich überhaupt in diese Lage gebracht hat. Ich war bekannt dafür, für Geld, Gesindel und vor allem Nox auszuschalten. Und es war bekannt, dass ich alleine arbeitete, immer. Ich habe eindeutig zu viele Feinde. Oder zu wenig Freunde.
Es gab also drei Möglichkeiten: Erstens, jemand wollte mich tot sehen. Sehr wahrscheinlich. Zweitens, ich war das Ziel eines Racheaktes. Ebenfalls wahrscheinlich. Zu guter Letzt drittens, jemand wollte, dass ich etwas für ihn erledigte. Nicht empfehlenswert.
So einfach würde ich mit mir nicht spielen lassen. Schließlich hatte auch ich meine Grundsätze. Einen Ehrenkodex, wenn ihr ihn so nennen wollt:
Ein Punkt, der wichtigste von allen, lautete, dass ich niemals einer Frau oder einem Kind etwas zuleide tat. Außerdem würde ich niemals einen Auftrag annehmen, dessen Ausgang mir zuwider oder dessen Auftragsgeber nicht vertrauenswürdig war.
Jedenfalls so weit vertrauenswürdig, dass ich nicht hinterrücks erstochen werde.
Das führte dazu, dass die Anzahl an Klienten, die für mich infrage kamen, nur aus einem sehr kleinen Kreis bestanden, perfekt abgestimmt auf meine Bedürfnisse und Anforderungen.
Natürlich machte mich das noch lange nicht zu einem der Guten, das ganz bestimmt nicht. Jedoch hielt ich mich noch nicht für komplett verloren.
Ich hatte mir heimlich ein Bankkonto angelegt, unter falschem Namen versteht sich und hatte dieses beständig gefüllt, sodass ich mich jederzeit, für einen längeren Zeitraum, in den Untergrund verziehen konnte, sollte mir alles einmal zu Kopf steigen. Doch im Moment hatte ich weit größere Probleme.
Der Nox war eingetreten und fixierte mich mit einem verächtlichen Blick.
„Wen haben wir denn da? Den großen Seth Domane! Ich hätte mir nie träumen lassen, der Feuerklinge einmal selbst zu begegnen, geschweige denn, ihn hier bei mir bewirten zu dürfen." Mit einem Lachen auf den Lippen, das seine Augen nicht einmal annähernd erreichte und voller Ironie, fügte er noch hinzu: „Ich hoffe du hattest einen angenehmen Aufenthalt."
Als ob du das nicht bereits wüsstest!
„Ich hatte schon Bessere. Aber es freut mich, dass sie mich hier unten noch nicht vergessen haben." In meinen Worten schwang eine Belustigung mit, die ich nicht wirklich empfand, eine Ruhe, die mir über die Jahre antrainiert wurde. Na also, geht doch.
Er hatte wohl nicht erwartet, mich nach all der Folter noch sprechen zu hören, denn er kniff die Augen zusammen, so als hätte er etwas überaus Widerwärtiges erblickt. Gleichzeitig ballte er seine Hand so stark zur Faust, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten.
„Es ist schön zu hören, dass du deinen Aufenthalt so sehr genießt, Seth. Aber mach es dir nicht zu gemütlich. Immerhin steht uns noch eine großartige, wahrhaft nervenaufreibende Zeit bevor."
Sein Blick, während er dies sagte, versprach Qualen. Qualen, die ich mir nicht einmal im schlimmsten Albtraum auszumalen gedachte. Qualen, die mein Innerstes nach außen stülpen und damit mein Ende einleiten würden.
Er gab mir keine Chance zu zweifeln, nicht eine Sekunde lang, denn er würde seine unterschwellige Drohung wahrmachen, so viel war mir klar.
„Du kennst zwar meinen Namen, ich kann mich aber nicht erinnern, dass du deinen genannt hast."
Meine ausgetrockneten Lippen hatten Mühe, alle Worte auf einmal hervorzubringen, wodurch sie sich angestrengt und verzerrt anhörten.
„Mein Name ist Siroff der Schreckliche. Ein Liebhaber der Folterkunst, wie es dich hoffentlich interessiert zu erfahren.", antwortete er mir mit einer Gehässigkeit, die ihm aus allen Poren zu tropfen schien. Als ob! Mach mir die Fesseln ab, dann reiß ich dich in Stücke!
„Mich würde es eher interessieren, wo ich pissen kann, Mr Schrecklich. Auch die großen Jungs müssen mal aufs Klo, wenn du weißt, was ich meine."
Anscheinend hatte ich einen Nerv getroffen, als ich auf seine Statur hinwies, denn sein Gesicht lief nach meiner Aussage dunkelrot an, sodass es eher einer Tomate ähnelte und ihm einen Großteil seiner bedrohlichen Aura nahm.
„Ich werde dafür sorgen, dass du dir wünschst, tot zu sein", sagte er mir noch mit so viel Würde, wie er aufbringen konnte, bevor er die Tür zu meiner Zelle hinter sich zuknallte und mich somit wieder in eine alles durchdringende Dunkelheit hüllte.
Ich fand jedoch nicht, dass ich falsch lag. Der Mann, Siroff, besaß alles andere als eine imposante Statur. Er sah aus, als wäre er im Alter von 14 Jahren stehen geblieben und nicht mehr gewachsen. Sein Brustkorb war schmal und kein einziges Barthaar wuchs auf seinem Kinn, dessen spitze Form dem eingefallenen Gesicht, mit den viel zu großen Augen, etwas Surreales verlieh. Auch seine Stimme besaß noch etwas von dem weichen Klang, der sonst nur Kinderstimmen anhaftete, was mir aber erst im Nachhinein klar wurde. Die Haare waren von einem tiefen braun, während meines schwarz glänzte und im Sonnenschein rot aufleuchtete. Auch wenn meine Zelle keinen einzigen Lichtstrahl erreichte.
Alles in allem konnte man uns wirklich nicht vergleichen. Wir waren so verschieden, wie man nur sein konnte und dies bezog sich nicht nur auf unser Äußeres. Unser Inneres konnte sich auf keinen Fall ähneln. Jedenfalls hoffte ich das aus tiefstem Herzen oder was davon noch übrig war.
Als die Nacht Einzug gewann - was ich durch meine Verbindung zur Finsternis spürte - wurde mir eines bewusst: Ich würde hier lebend herauskommen, völlig egal, was ich dafür tun musste. Ich hatte schließlich keine andere Wahl. Um zu überleben, würde ich bis zum Äußersten gehen. Und wie ich leben werde!
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Hey Leute,
ab heute startet die zweiwöchige Aktualisierung meiner überarbeiteten Texte.
Innerhalb der nächsten Stunde gibt es gleich drei neue Kapitel, fangt also feißig an zu lesen!
Ich wünsche viel Spaß und Spannung, fröhlichen Juli euch allen!
Eure GiulyanaBlue
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