Der Schwur des Betas

Die massiven Tore des Parkschen Schlosses öffneten sich knarzend, als San an der Hand seines Vaters hineingeführt wurde. Der neunjährige Junge blickte mit großen Augen auf die hohen Decken, die verzierten Säulen und die goldenen Ornamente, die den Eingangsbereich schmückten. Alles wirkte so majestätisch, so groß, dass er sich klein und unbedeutend fühlte.

„Bleib an meiner Seite, San," sagte sein Vater mit fester Stimme, ohne den Blick von dem Alpha Hyunjin zu nehmen, der sie erwartungsvoll am Ende des Eingangsbereichs begrüßte. Choi Inseong, Sans Vater, war der Beta von Hyunjin, ein loyaler Mann, dessen Leben dem Schutz des Alphas gewidmet war.

San nickte ernst, seine Hand hielt die seines Vaters fest, während sie näher traten. Hyunjin lächelte warm und streckte die Arme aus, um Inseong zu umarmen. „Inseong, mein alter Freund. Es ist gut, dich zu sehen," sagte er mit einer Stimme, die gleichzeitig Autorität und Herzlichkeit ausstrahlte.

„Ich bin immer an eurer Seite, Alpha," antwortete Inseong respektvoll und verneigte sich leicht.

San sah zu seinem Vater auf, bewunderte dessen Stärke und die Art, wie er mit Hyunjin sprach, als wären sie mehr als nur Alpha und Beta. Sie waren Freunde. Und das war etwas, was San zutiefst beeindruckte.

Hyunjin's Blick fiel auf den jungen San, der neugierig und ein wenig schüchtern hinter seinem Vater hervorlugte. „Und wer ist dieser junge Mann?" fragte Hyunjin mit einem Schmunzeln.

„Das ist mein Sohn, San," antwortete Inseong stolz.

Hyunjin hockte sich hin, um mit dem Jungen auf Augenhöhe zu sein. „Freut mich, dich kennenzulernen, San. Mein Sohn Seonghwa ist in deinem Alter. Ich bin sicher, ihr werdet euch gut verstehen."

San nickte und verbeugte sich leicht, wie er es von seinem Vater gelernt hatte. „Danke, Alpha," sagte er höflich.

„Nun, warum bringst du ihn nicht zu Seonghwa?" schlug Hyunjin vor und wandte sich an Inseong.

Inseong nickte zustimmend und legte San eine Hand auf die Schulter. „Geh, mein Junge. Spiel mit dem jungen Alpha."

San nickte erneut und folgte einer Dienerin, die ihn durch die langen Flure führte. Schließlich erreichten sie einen Raum, aus dem fröhliches Lachen drang. Die Dienerin öffnete die Tür, und San sah zum ersten Mal Seonghwa.

Der kleine Alpha saß auf einem großen Teppich, umgeben von Spielzeug. Seine dunklen Augen funkelten vor Freude, als er aufblickte und San entdeckte. „Hallo!" rief er fröhlich und winkte.

San trat zögernd ein, doch Seonghwa sprang auf und zog ihn direkt zu sich. „Ich bin Seonghwa. Du musst San sein, oder?"

San nickte schüchtern. „Ja. Freut mich, dich kennenzulernen."

Seonghwa grinste. „Du musst nicht so förmlich sein. Komm, wir spielen!"

Die anfängliche Zurückhaltung verflog schnell, und die beiden Jungen verbrachten den Nachmittag damit, zu lachen, zu rennen und Pläne für imaginäre Abenteuer zu schmieden.

Am Ende des Tages, als sie erschöpft auf dem Teppich lagen, drehte sich Seonghwa zu San. „Weißt du, eines Tages werde ich Alpha sein. Und dann werde ich jemanden brauchen, der immer an meiner Seite ist. So wie dein Papa bei meinem Papa ist."

San dachte einen Moment nach, bevor er mit fester Stimme sagte: „Dann werde ich das sein. Ich verspreche dir, ich werde dir immer treu zur Seite stehen. Egal was passiert."

Seonghwa lächelte, nahm Sans Hand und schüttelte sie, als wäre es ein feierlicher Vertrag. „Abgemacht."

Doch die Unbeschwertheit ihrer Kindheit hielt nicht lange an.

Sieben Jahre später war das Schloss von Chaos erfüllt. Rauch stieg auf, Schreie hallten durch die Flure, und der Geruch von Blut lag schwer in der Luft. San, inzwischen fünfzehn, rannte durch die Korridore, suchte nach seinem Vater und Seonghwa. Sein Herz raste, während er an zerstörten Möbeln und umgestürzten Waffen vorbeilief.

Er fand Seonghwa in der großen Halle, umgeben von Wachen, die ihn beschützten. Der sechzehnjährige Alpha hatte sich nicht hinter den Wachen versteckt, sondern kämpfte Seite an Seite mit ihnen, seine Augen brannten vor Entschlossenheit.

„Seonghwa!" rief San und eilte zu ihm.

Seonghwa drehte sich zu ihm um, sein Gesicht von Schweiß und Ruß gezeichnet. „San, bist du verletzt?"

San schüttelte den Kopf, sein Blick wanderte zu den Wachen. „Wo ist mein Vater? Wo ist Hyunjin?"

Seonghwa's Gesicht verdunkelte sich, und er sah für einen Moment weg. „San... sie sind gefallen."

Die Worte trafen San wie ein Schlag. Sein Atem stockte, und seine Beine fühlten sich an, als könnten sie ihn nicht mehr tragen. Doch Seonghwa packte ihn an den Schultern und zog ihn nahe.

„San, hör mir zu," sagte Seonghwa, seine Stimme fest. „Wir können jetzt nicht zusammenbrechen. Wir müssen das Schloss verteidigen. Ich brauche dich an meiner Seite."

San schluckte den Schmerz hinunter, blinzelte die aufkommenden Tränen weg und nickte. „Ich bin hier, Seonghwa. Ich werde dich nicht im Stich lassen."

Nach Stunden des Kampfes kehrte Stille ein. Die Angreifer waren besiegt, doch das Schloss war verwüstet, und ihre Eltern... waren fort.

In der Dunkelheit des Thronsaals, der von den ersten Sonnenstrahlen des Morgens erhellt wurde, kniete San vor Seonghwa nieder. „Ich habe dir vor Jahren etwas versprochen. Und ich erneuere es heute. Ich werde dir immer treu zur Seite stehen. Als dein Beta und als dein Bruder."

Seonghwa sah ihn lange an, bevor er San auf die Beine zog und ihn umarmte. „Und ich werde dafür sorgen, dass unser Rudel wieder stark wird. Mit dir an meiner Seite werde ich es schaffen."

So begannen sie, die beiden Jungen, nun Alpha und Beta, auf sich allein gestellt, den Wiederaufbau ihrer Welt.

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