Ⅱ
Dunkle Erinnerungen, helle Gegenwart
Jeongin stand in Seonghwa's Zimmer und sah lächelnd auf seinen Sohn herab, der tief und friedlich in seinem Bett schlief. Die warmen Strahlen des Mondes fielen durch das Fenster und tauchten den Raum in ein sanftes silbriges Licht. Seonghwa's dunkle Wimpern ruhten wie kleine Schatten auf seinen Wangen, und sein Atem ging gleichmäßig. Jeongin zog die weiche Decke bis zu den Schultern seines Sohnes hoch und strich ihm eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht.
„Schlaf gut, mein kleiner Stern," flüsterte Jeongin leise und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn.
Er verweilte einen Moment am Bettrand und beobachtete seinen Sohn. Seonghwa war ein Wunder für ihn – ein kleiner Wirbelwind, voller Leben und Lachen. Er war das Herzstück ihrer kleinen Familie, ein Licht, das die Dunkelheit erhellte, die Jeongin einst umgeben hatte.
Als er sicher war, dass Seonghwa tief schlief, verließ Jeongin das Zimmer und zog die Tür leise hinter sich zu. Die langen Korridore des Schlosses waren still, nur das leise Knistern des Kamins aus dem Wohnzimmer war zu hören. Sein Ziel war das Büro seines Mannes.
Er öffnete die Tür und fand Hyunjin, wie erwartet, hinter dem massiven Schreibtisch sitzen. Der König war in Papiere vertieft, doch als Jeongin eintrat, hob er den Kopf und lächelte. Es war ein Lächeln, das Jeongin immer wieder beruhigte, egal wie schwer die Welt manchmal auf seinen Schultern lastete.
„Ist er eingeschlafen?" fragte Hyunjin, seine Stimme sanft, obwohl sie immer einen Hauch von Autorität trug.
Jeongin nickte, ging um den Schreibtisch herum und ließ sich ohne Zögern auf den Schoß seines Mannes sinken. Hyunjin's Arme schlossen sich sofort um ihn, und Jeongin lehnte sich an seine breite Brust, ein leises Seufzen der Zufriedenheit entkam ihm.
Sein Blick fiel auf den Monitor auf dem Schreibtisch, wo die Nachrichten liefen. Sein Herz zog sich zusammen, als er die Schlagzeile las: „Sechs Omegas für den Sklavenmarkt entführt – Behörden machtlos."
Ein vertrauter Schmerz durchzog sein Inneres, und seine Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten. Jeongin wandte den Blick ab, doch die Worte brannten sich in seinen Geist.
„Schon wieder..." flüsterte er, seine Stimme zitterte leicht.
Hyunjin zog ihn fester an sich, seine Wärme umhüllte Jeongin wie eine schützende Decke. „Ich weiß, Liebling. Es tut mir leid."
„Warum können wir nichts tun?" Jeongin's Stimme war ein leises Klagen, und er spürte die vertraute Ohnmacht, die in solchen Momenten immer wieder in ihm aufstieg. „Wie viele Jahre müssen vergehen, bevor diese Grausamkeiten aufhören?"
Hyunjin schwieg einen Moment, bevor er sanft sagte: „Die Welt ändert sich nicht über Nacht, Jeongin. Aber wir tun, was wir können, um unsere Werte zu verbreiten. Wir haben Seonghwa mit Liebe und Mitgefühl großgezogen, und er wird eines Tages ein Anführer sein, der solche Dinge nicht duldet."
Jeongin schloss die Augen. Hyunjin's Worte trösteten ihn, doch der Schmerz in seiner Brust ließ sich nicht so leicht vertreiben. Er erinnerte sich noch zu gut an die Jahre, die er selbst in der Sklaverei verbracht hatte. Wie oft hatte er sich gewünscht, dass jemand kommen und ihn retten würde. Und dann war Hyunjin gekommen.
Es hatte Jahre gedauert, bis Jeongin gelernt hatte, Hyunjin vollständig zu vertrauen. Alphas waren in seiner Welt nur selten freundlich oder fürsorglich gewesen. Doch Hyunjin war anders. Er hatte Geduld gezeigt, Jeongin Raum gegeben und niemals Druck ausgeübt. Stück für Stück hatte Hyunjin die Mauern durchbrochen, die Jeongin um sich herum errichtet hatte.
„Ich bin froh, dass ich nicht mehr dort bin," flüsterte Jeongin schließlich, seine Stimme kaum mehr als ein Hauch.
Hyunjin küsste ihn sanft auf die Schläfe. „Du wirst nie wieder dorthin zurückkehren müssen. Ich werde dich immer beschützen, Jeongin. Dich und Seonghwa."
Jeongin öffnete die Augen und blickte Hyunjin an. In seinen bernsteinfarbenen Augen lag ein Versprechen, das Jeongin glaubte.
„Wir haben Seonghwa von all dem erzählt," murmelte Jeongin. „Von der Dunkelheit dieser Welt. Und weißt du, was er gesagt hat?"
Hyunjin schüttelte den Kopf, ein leises Lächeln auf den Lippen. „Was hat er gesagt?"
„Er hat uns umarmt und gesagt, dass er uns liebt. So, wie wir sind."
Hyunjin lächelte breiter, und für einen Moment schien die Welt ein wenig heller zu sein.
„Das liegt daran, dass er unser Sohn ist," sagte Hyunjin mit Stolz in der Stimme. „Wir haben ihn mit Liebe großgezogen, Jeongin. Und Liebe wird immer stärker sein als Hass."
Jeongin lehnte sich zurück in die Umarmung seines Mannes, ließ die Worte in sich nachhallen und spürte, wie der Schmerz in seiner Brust langsam nachließ. Es gab noch viel zu tun, doch in diesem Moment, in den Armen des Mannes, der ihn gerettet hatte, fühlte er sich sicher.
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