147: Misstrauen
Am nächsten Morgen wurde ich jedoch durch etwas geweckt, was ganz und gar nicht nach "Du bist in SIcherheit" klang. Ein unterdrückter Schrei von Aubrey und die darauf folgende Stille ließen fast mein Herz stehen bleiben und es dauerte keine zwei Sekunden, da war ich schon aufgestanden und in ihr Zimmer gerannt. Ich konnte nur erkennen, dass Aubrey von irgendjemandem festgehalten und gegen die Wand gedrückt wurde, und ohne weiter darüber nachdenken zu müssen, sprach ich einen Zauber, der diese Person von ihr fortriss. Sofort rannte ich zu ihr und stellte mich beschützend vor sie, während der Angreifer schon wieder aufstand und wieder auf sie zurannte. Nur ein paar Zentimeter vor mir blieb er stehen und ich konnte endlich auch sein Gesicht erkennen.
"Nik? Was zur Hölle tust du hier?", fragte ich ihn überrascht, wich aber kein bisschen zur Seite. Auch sein Vampirgesicht konnte mich nicht einschüchtern, das sah ich schließlich nicht zum ersten Mal.
"Was ich hier tue, ist ja wohl offensichtlich. Viel eher sollte ich dich fragen, was dieses Mädchen hier in meinem Haus macht.", antwortete er wütend und schielte an mir vorbei zu Aubrey, was mich sofort dazu veranlasste, sie noch weiter hinter mich zu ziehen.
"Zunächst einmal, ist das hier nicht nur dein Haus, sondern unseres. Es gehört unser Familie. Und dieses Mädchen hier ist Aubrey. Du erinnerst dich? Die Aubrey, die ihre Menschlichkeit aufgegeben hat, um uns zu helfen, und die auch dabei geholfen hat, dass Hope wieder reden kann? Sie hat gerade einige Schwierigkeiten und ich habe sie hierher eingeladen. Sie hat das Recht, hier zu sein und sie hat unsere Hilfe mehr als verdient. Also lass sie in Ruhe."
"Und du bist nicht auf die Idee gekommen, das vielleicht vorher mal mit mir abzusprechen? Du kannst hier doch nicht einfach jeden aufnehmen, der zufällig Hilfe gebrauchen könnte. Sie gehört hier nicht hin.", antwortete Nik wütend. Wenigstens verschwanden die Adern unter seinen Augen und sein Gesicht wurde wieder normal.
"Natürlich kann ich das. Aubrey ist meine Freundin und wann immer sie meine Hilfe braucht, werde ich ihr auch helfen. Und dafür brauche ich ganz sicher nicht deine Erlaubnis. Aubrey ist mein Gast und sie bleibt auch hier, das wirst du akzeptieren müssen.", antwortete ich so ruhig wie möglich, auch wenn mir das äußerst schwer fiel. Konnte mein Onkel sich denn nicht ein einziges Mal benehmen? Man konnte doch auch erst miteinander reden, bevor man jeden angriff, oder nicht?
"Vielleicht sollte ich lieber gehen...", flüsterte Aubrey hinter mir leise und ich drehte mich ein wenig zu ihr um. Sie sah unsicher aus. Und ein wenig verängstigt. Und das nur wegen Nik.
"Nein, das solltest du nicht. Es spricht nichts dagegen, hier zu sein. Ich habe es dir schließlich selbst angeboten.", antwortete ich leise.
"Wenn ich rausfinde, dass du irgendetwas planst, wirst du das nicht überleben.", drohte mein Onkel ihr noch einmal und verschwand dann innerhalb eines Wimpernschlags. Na super, das war jetzt wirklich nicht nötig gewesen. Als ich wieder zu Aubrey sah, sah sie noch ängstlicher aus. Kein Wunder, Nik konnte ganz schön furchteinflößend sein.
"Keine Sorge, er wird dir nichts tun.", beruhigte ich Aubrey und sie sah mich zweifelnd an.
"Wieso bist du dir da so sicher? Er sah gerade nicht wirklich so aus, als hätte er vor, mir nichts zu tun. Eher im Gegenteil."
"Er war nur überrascht, dich hier zu sehen. Er hatte nicht damit gerechnet. Du warst eine fremde Person in seinem Haus und er ist eh von Natur aus sehr misstrauisch. Aber er weiß jetzt, wer du bist, und dass du hier bist, weil ich es so will. Er wird vielleicht weiterhin ein Auge auf dich haben, aber das hat er genau genommen auf jeden von uns. Dir wird nichts passieren, darauf passe ich auf. Vertrau mir."
"Ich vertraue dir ja auch. Aber vielleicht hatte dein Onkel ja auch recht. Ich gehöre hier nicht hin. Ich habe mein Leben lang schon immer bei meiner Mutter gewohnt. Wir waren nie getrennt. Nur weil ich meine Stimme jetzt wiederhabe, muss das doch noch lange nicht heißen, dass ich nicht mehr bei ihr sein kann."
Fassungslos sah ich Aubrey an. Das konnte sie doch nicht wirklich ernst meinen. "Was? Aubrey, hast du etwa schon wieder vergessen, wie es dir gestern Abend noch ging? Du hattest Angst vor deiner Mutter. Berechtigte Angst. Sie wollte dich angreifen. Du hast selbst gesagt, dass du nicht wusstest, was sie getan hätte, wäre ich nicht gekommen."
"Ganz genau. Ich weiß es nicht. Vielleicht wollte sie mir ja auch gar nichts Böses."
"Ich kann verstehen, dass du dir wünschst, es wäre so. Ich wünsche es mir ja auch für dich. Aber denk nur an ihre Augen an diesem Abend. An ihren wahnsinnigen Blick. Und wieso hätte sie mich anlügen sollen, als ich zu dir wollte? Sie wollte nicht, dass ich dir helfe."
"Es gibt sicher eine ganz logische Erklärung...", flüsterte Aubrey leise und sah auf den Boden.
"Es wäre schön, wenn es eine gäbe. Aber alles, was Christine gesagt und getan hat, spricht dafür, dass sie verrückt ist. Man kann es nicht anders sagen, sie hat den Verstand verloren. Sie glaubt, du hättest sie hintergangen, dabei ist das Gegenteil der Fall. Solange sie das nicht eingesehen hat, ist es einfach viel zu gefährlich bei ihr."
"Du hast ja recht.", seufzte Aubrey leise. "Ich will es wohl nur einfach nicht wahrhaben. Es ist alles so kompliziert gerade."
"Ja, ich weiß. Aber wenn es jetzt am schlimmsten ist, dann kann es nur noch besser werden. Und das wird es auch. Du wirst sehen, in ein paar Wochen wird alles wieder gut sein."
"Es ist unglaublich, wie optimistisch du nach allem noch sein kannst.", lächelte sie leicht. "Also gut, du hast mich überzeugt. Ich bleibe hier, bis Mom klar geworden ist, dass sie mich so nicht behandeln kann. Danke, Phil."
"Kein Problem, dafür bin ich ja da.", antwortete ich grinsend und sah sie zuversichtlich an. Es würde schon alles wieder gut werden. Das hoffte ich zumindest. Denn auch wenn ich vor Aubrey so tat, als hätte ich keine Zweifel daran, fragte ich mich doch, ob Christine ihren Fehler jemals einsehen würde oder ob sie irgendwann versuchen würde, ihre Tochter auch hier anzugreifen.
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