Total schlechte Laune, Kopfschmerzen, jeden Tag das gleiche.
Grell klingelt der Wecker, wie jeden Morgen um 6:30.
Gerädert steht er auf und schaut in den Spiegel.
Erschöpfung, Verzweiflung, Mutlosigkeit, das alles blickt ihm aus diesem Gesicht entgegen.
Ein Gesicht das schon viel durchgemacht hat, unzählige Narben am ganzen Körper erzählen seine schwere Geschichte die vor 18 Jahren begann. Seitdem schlägt er sich mehr schlecht als recht durchs Leben, mal mehr mal weniger geliebt und akzeptiert.
Leise fluchend realisiert er dass sein ganzes T Shirt voller Blut ist, dunkelrote Flecken auf dem, eigentlich weißen, Oberteil zeigen dass er nachts mal wieder Nasenbluten hatte.
Sehr heftiges Nasenbluten, woher es kommt weiß er selbst nicht so genau, es fängt ab und zu plötzlich an.
Dann blutet es eine halbe bis dreiviertelstunde und hört so plötzlich auf wie es kam.
Müde schlurft er ins Bad um sich notdürftig für die Schule fertig zu machen, ein notwendiges Übel das er hasst wie die Pest.
Nach einer, mehr oder weniger gründlichen, Katzenwäsche geht er in die Küche, in ihm die leise Hoffnung der Kaffee bringt ihn auf andere Gedanken.
Mit einem müden "Guten Morgen" grüßt er den Rest seiner Familie.
Am Tisch sitzen seine Mutter Lucy, seine Schwester Amy und sein Vater Nick, der ihm grinsend eine Tasse Kaffee hinhält.
"Na, auch schon wach" fragt er grinsend und wendet sich wieder seiner Semmel zu.
Genervt setzt er sich an den Tisch, würdigt seinen Vater keines Blickes, diese Kommentare sind das letzte was er morgens braucht.
Geplagt von heftigen Kopfschmerzen versucht er sich dazu zu zwingen wenigstens eine halbe Semmel zu essen um nicht, wie letztens erst, in der Schule vollkommen dehydriert umzukippen.
Nach einem Kaffee geht er hinaus in die Garderobe um sich anzuziehen und zur Schule zu laufen.
Als er draußen steht überlegt er was er heute anziehen soll.
Was hat der Wetterbericht nochmal gesagt? Es soll kalt werden? Also Springerstiefel und Lederjacke.
Draußen angekommen schottete er sich mithilfe seiner Kopfhörer von der restlichen Welt ab, er kann morgens einfach keine Menschen brauchen.
Eine Zigarette später ist er an der Schule angekommen, die erste Stunde verheißt mit Mathe schonmal nichts gutes.
In Gedanken versunken schlendert er zu seinem Platz als ihn plötzlich von hinten eine Papierkugel trifft.
Langsam dreht er sich um und sieht direkt seinem Kumpel Alex ins Gesicht welcher ihn frech angrinst.
"Hey, alles klar, Mathe gemacht?" fragt er.
Schaudernd denkt Tommy an die nicht gemachten Hausaufgaben und den Ärger den es dadurch wieder mit seiner Mathelehrerin, einer strengen Mittvierzigerin, geben würde welche in diesen Sekunden gerade den Raum betritt und das Klassenzimmer sofort mit ihrer unheimlichen Aura erfüllt und einnimmt. Eine Mischung aus Strenge und mütterlicher Güte, die Tommy erst bei sehr wenigen Menschen bemerkt hat.
Er holte seine Mathesachen aus dem Rucksack und lehnte sich zurück, gelangweilt folgte er dem Unterricht.
Seit er vom Gymnasium auf die Realschule wechselte war Mathe für ihn ein leicht zu gewinnendes Spiel geworden.
Überhaupt schrieb er in allen Fächern überwiegend gute Noten, nicht so wie auf seiner alten Schule wo er erstens als Punk schief angeschaut wurde und zweitens ständig um seine Versetzung bangen musste.
Der Rest des Schultages war mit zwei Stunden Biologie bei seiner Lieblingslehrerin, einer Stunde Deutsch und ner Doppelstunde Englisch auch überraschend schnell erledigt.
Als der Schulgong ertönte packte Tommy entspannt seine Sachen und verlässt das Schulgebäude um nach Hause zu laufen.
Auf dem Weg nach Hause ging ihm dieses eine Mädchen aus der Schule, Lea aus der ersten Reihe, nicht mehr aus dem Kopf.
Fuck"...
Zitternd versuchte Tommy wieder auf die Beine zu kommen, er fand sich klatschnass geschwitzt auf dem Boden vor seinem Bett wieder, wie er da runter gekommen war weiß er nicht.
Wahrscheinlich wieder irgendein Albtraum welche ihn in letzter Zeit öfters quälten.
Er drehte sich um und schaute auf seine Uhr, ein rot leuchtender Digitalwecker der momentan auf 4:30 stand, was heißt dass er in zwei Stunden schon wieder aufstehn muss und der Albtraum von neuem beginnt.
Schlapp zieht er sich auf sein Bett und schreit leise auf als er mit seinem Arm an der Bettkante hängenbleibt.
Stumm schau er auf die blutende Wunde, ein Zeichen dafür dass es ihm nicht gut geht, etwas in seinem Leben gehörig schief läuft.
Zitternd vor Kälte dreht er sich um, deckt sich zu und schläft unruhig ein.
"Tommy, kommst du...!!!"
Laut rufend weckt ihn die Stimme seiner Mutter.
Verschlafen dreht er sich zur Seite und schaut auf seinen Wecker:
7:15, mal wieder hat er verschlafen.
Hastig springt er auf und rennt ins Bad.
Dort angekommen schaut er in den Spiegel während er sich fertig macht.
Ihm schaut ein müdes Gesicht entgegen, ein Antlitz das eindeutig zu viel erlebt hat, dunkle tiefe Augenringe sind Zeichen einer Nacht mit nur wenig Schlaf, die Schlaftabletten wirken längst nicht mehr.
Sein durchtrainierter Oberkörper ist übersät von dutzenden Operationsnarben welche eine eindeutige Sprache sprechen.
Sie sprechen die Sprache eines Kriegers der sein komplettes Leben gekämpft hat, für Liebe, Anerkennung, Schutz und Geborgenheit.
Tief in seinem Inneren spürt er, dass dieser Kampf noch lange nicht vorbei sein wird.
Unten im Esszimmer spielt sich die gleiche Szenerie wie jeden Morgen ab, alle sitzen am Tisch und frühstücken.
"Hey Schlafmütze" begrüßt ihn sein Vater grinsend, es weicht jedoch schlagartig aus seinem Gesicht als er Tommys genervten Blick bemerkt, welcher ihn wie tausend Nadeln zu durchbohren scheint.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen stellt ihm sein Vater eine Tasse Kaffee hin und isst weiter, macht sich jedoch Sorgen und fragt sich was er falsch gemacht hat.
Nach dem schnellen Kaffee steht Tommy auf und schlurft nach draußen.
"Tommy!!" hört er seine Mutter rufen.
"Was is?" - sichtlich genervt dreht er sich um zu ihr.
"Denkst du an den Arzttermin heute Mittag?"
Mit schaudern erinnert er sich dass heute Mittag der Kontrolltermin bei seinem Hausarzt ansteht der einmal im Halbjahr fällig ist.
"Jaja, ist ok, ich bin weg" gibt er als knappe Antwort.
Sichtlich gereizt macht er sich auf den Weg zur Schule, seine Laune bessert sich jedoch erheblich als er das neue Album von Behemoth, einer seiner Lieblingsmetalbands hört.
An der Schule angekommen lehnt er sich gelangweilt an die Schulmauer und wartet auf seinen Kumpel Alex welchen er seit der ersten Klasse kennt.
Anstatt Alex kommt aber jemand ganz anderes um ihn zu begrüßen.
Eine Person die sein Herz um ein vielfaches schneller schlagen lässt steht plötzlich vor ihm und lächelt ihn an.
"Hey, willst du nicht mit reinkommen?"
Tommy zuckt kurz zusammen, schaut hoch, direkt in die stahlblauen Augen von Lea.
"Oh h-hey, j-ja klar ich komm gleich" stammelt er mit hochrotem Kopf.
Träumend folgt er dem Mädchen mit den langen braunen Haaren in die er sich schon vor zwei Monaten verliebt hat, es ihr aber nie sagte und sie auch nie direkt ansprach.
Lea hatte seine Gedanken so durcheinandergebracht dass es ihm extrem schwerfiel sich auf den Schultag zu konzentrieren.
Auf diese Weise wurde er von mehreren Lehrern, unter anderem Mathe und Physik, des öfteren ermahnt, was ihm aber nichts auszumachen schien denn Tommy war seit langer Zeit wieder glücklich.
Verträumt kritzelt er in seinem Heft herum als ihn der Pausengong aus seinen Gedanken reißt.
Seelisch und moralisch bereitet Tommy sich auf eine Pause wie immer vor. Er würde allein irgendwo in einer Ecke stehen und - verbotenerweise - Musik hören.
Er sieht seine Jacke an und drängt sich durch die Menschenmassen nach draußen, bereits mit Kopfhörern in den Ohren aus denen harter Black Metal seine Gehörgänge flutet und ihm den nötigen Rückzugsraum gibt den er braucht.
Tommy kommt draußen an und sucht sich eine Ecke mit möglichst wenigen Menschen um seine Ruhe zu haben, wenigstens für die 20 Minuten der Pause.
Doch daraus sollte nichts werden denn ihm werden plötzlich die Kopfhörer aus den Ohren gerissen.
"Hey, welches Ar..." gerade noch kann er abbrechen als er merkt dass die Rektorin, Frau Schneider, eine sehr strenge Frau, vor ihm steht.
"Ähm, ich m-meine, Guten Morgen Frau Schneider"
"Tom, wie oft soll ich es dir noch sagen, auf dem Schulgelände keine Handys" mit hochrotem Kopf stand die kleine dicke Rektorin vor ihm und bot ein Bild für die Götter.
Tommy musste sich beherrschen um nicht laut loszulachen, die ganze Szenerie kam ihm extrem surreal vor.
Frau Schneider schickte ihn, wie jedes Mal wenn sie ihn erwischte, ins Schulhaus, was Tommy dieses Mal jedoch nicht störte da er etwas ganz bestimmtes vorhatte.
Er sah sie nur kurz, doch das reichte um den Ärger mit seiner Rektorin verfliegen zu lassen.
Sie stand, mit ihren Freundinnen redend, in einer Ecke, den Rücken zu ihm gedreht als es zum Pausenende klingelte.
Die nächste Stunde, Geografie bei Frau Fischer, verging quälend langsam, wer zur Hölle interessiert sich denn bitte schon für die Verschiebung der Erdplatten.
Anstatt aufzupassen war Tommy in Gedanken versunken am Songs schreiben, dieses Mal kein depressiver Inhalt, wie sonst üblich, sondern ein glücklicher Text in dem sich die heftigen Gefühle des 18 jährigen spiegelten.
Gefühle die er niemand erzählte.
Gefühle für ein Mädchen das zwei Reihen vor ihm saß und sich auf einmal umdrehte da er, abwesend wie er zur Zeit häufiger war, etwas zu laut ihren Namen gemurmelt hatte.
"Ja, was gibts" flüsterte Lea ihm zu, während sie sich umdrehte.
Mit hochrotem Kopf flüsterte er, peinlich berührt, ein "Hey, alles gut" zurück.
"Hast du nachher Zeit mit mir heimzulaufen?" fragte er, in der stillen Hoffnung ein wenig Zeit mit ihr verbringen zu können.
"Nee, sorry ich muss direkt heim" antwortete Lea mit einem Lächeln das Tommy vor Bewunderung erstarren ließ.
Immer noch knallrot im Gesicht versuchte er sich wieder auf den Rest der Stunde zu konzentrieren, was ihm aber nicht gelang.
Endlich ertönte das erlösende Geräusch das den Schultag beendete,
Tommy packte hastig seine Sachen und verließ die Schule um sich auf den Heimweg zu machen.
"Hey, bin wieder da" rief er gut gelaunt, als er zur Haustür hereinkam.
"Na, warum denn so gut gelaunt im Gegensatz zu heute morgen? Ist was passiert?" fragte ihn seine Mutter neugierig während sie sich an den Tisch setzten
Tommy wurde knallrot, man sah ihm an dass es unangenehm war.
"ehm, nein...nicht wirklich", er beschloss seiner Mutter das mit Lea und seine Gefühle zu ihr noch zu verheimlichen wenn er sich der Sache wirklich sicher war.
Sie saßen eine halbe Stunde lang noch beim Mittagessen als Lucy plötzlich zu ihm sagte: "Tommy, wir müssen los, du musst heute ja zum Arzt".
Gemeinsam räumten sie das benutzte Geschirr in die Spülmaschine und machten sich bereit zum gehen.
Sie fuhren mit dem Auto und redeten während der ganzen Fahrt über kein Wort. Die Anspannung und Nervosität die von Tommy ausging, war förmlich mit Händen zu greifen.
Mit wackligen Knien ging er ins Wartezimmer und wartete bis er aufgerufen wurde.
Unruhig saß er beim Arzt und wartete bis dieser anfing zu sprechen:
"Also Tom, das was wir bei dir herausgefunden haben, ist folgendes: du hast eine Opticusathrophie.
Das bedeutet dass der Sehnerv durch zu hohen Hirndruck zerstört wurde.
Deswegen kommst du auf eine insgesamte Sehkraft von links 7% und rechts 20%.
Das heißt allerdings auch dass du nie einen Führerschein machen darfst."
Mit Tränen der Enttäuschung in den Augen schaute Tommy den Arzt an, welcher ihn mitleidig ansah.
"Ich weiß es ist hart, aber du wirst lernen damit klarzukommen, du schaffst das"
Mit diesen Worten verabschiedete sich Tommys Arzt, er und seine Mutter fuhren wieder heim.
Nach dem Abendessen verzog sich Tommy sofort in sein Zimmer und hörte weinend so lange Musik bis er einschlief.
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