Ⅲ
Flucht durch die Schatten
Die Nacht war dunkel, und die Stille des Waldes drückte schwer auf Hongjoongs geschundene Seele. Sein Atem ging flach, und der Schmerz in seiner gebrochenen rechten Hand machte jeden Schritt zur Qual. Doch er konnte nicht aufhören, nicht jetzt, nicht nach allem, was er durchgemacht hatte.
Sein Herz hämmerte in seiner Brust, als er den schmalen, gewundenen Pfad entlangrannte, der vom Herrenhaus wegführte. Die Stiefel, die er hastig übergestreift hatte, waren zu groß und scheuerten an seinen Fersen, doch das war ihm egal. Jeder Meter, den er zwischen sich und Seonghwa brachte, war ein Sieg – ein weiterer Moment der Freiheit, die er sich so sehr wünschte.
„Du wirst nie wieder frei sein, Hongjoong. Du gehörst mir."
Die Worte des Alphas hallten in seinem Kopf wider, ein schneidendes Echo, das ihn trotz der Kälte der Nacht schwitzen ließ. Er wollte nicht daran denken, an die Ketten, die ihn hielten, an das Markenzeichen, das auf seinem Nacken prangte – ein Symbol für den unausweichlichen Pakt, der ihn an Seonghwa band. Der Alpha hatte ihn nicht nur als Besitz gesehen, sondern auch dafür gesorgt, dass er nie entkommen konnte.
Doch Hongjoong hatte keine Wahl.
Seonghwa hatte ihn gekauft, wie ein Objekt, und seitdem war sein Leben ein Albtraum. Das Herrenhaus, das von außen wie ein majestätisches Anwesen aussah, war für ihn ein Gefängnis. Zusammen mit Yeosang und Mingi, zwei weiteren Omegas, lebte er dort unter den ständigen Blicken und Befehlen der Alphas, die ihre Macht gnadenlos ausspielten.
„Es ist nicht mehr weit", flüsterte Hongjoong zu sich selbst und hielt sich an einem Baumstamm fest, um nicht umzukippen. Sein ganzer Körper zitterte vor Anstrengung und Angst. Die Wunde an seiner Hand pochte schmerzhaft, und die unversorgte Verletzung ließ ihn fast das Bewusstsein verlieren.
Er erinnerte sich an den Moment, als Seonghwa ihm die Hand gebrochen hatte. Es war eine Warnung gewesen – eine Botschaft, dass jeder Fluchtversuch nur zu mehr Leiden führen würde. Aber Hongjoong hatte es trotzdem versucht, und er wusste, dass er es immer wieder versuchen würde, bis er es schaffte oder starb.
Die Erinnerungen an sein früheres Leben brannten heiß in seinem Inneren. Er hatte Eltern gehabt, die ihn verkauft hatten, als wäre er eine Ware, nicht ihr Sohn. Sie hatten ihn nie geliebt, das war ihm klar. Für sie war er nichts weiter als ein Omega, eine Bürde, die sie loswerden wollten.
Und jetzt war er hier, mitten im Wald, ohne Plan, ohne Hoffnung – aber mit dem brennenden Wunsch, frei zu sein.
Plötzlich hörte er ein Geräusch hinter sich. Zweige knackten, und das leise Rascheln von Blättern ließ ihn erstarren. Sein Herz setzte einen Schlag aus, und er hielt den Atem an.
„Hongjoong!"
Die tiefe Stimme drang durch die Dunkelheit, und er fühlte, wie sich Panik in seiner Brust ausbreitete. Seonghwa.
Hongjoong begann wieder zu rennen, ignorierte den Schmerz in seiner Hand und die Schwäche in seinen Beinen. Er wusste, dass er keine Chance hatte. Seonghwa war schneller, stärker – ein Alpha, der im vollen Besitz seiner Kräfte war. Und er hatte sich nie die Mühe gemacht, Hongjoong auch nur ein bisschen zu schonen.
Die Schritte hinter ihm wurden lauter, und er konnte das Knurren des Alphas hören. Es war ein tiefes, bedrohliches Geräusch, das durch Mark und Bein ging.
„Bleib stehen!" Seonghwas Stimme war voller Wut, und Hongjoong wusste, dass er ihn niemals ungestraft entkommen lassen würde.
Er stolperte über eine Wurzel und fiel hart zu Boden. Der Aufprall raubte ihm den Atem, und er versuchte verzweifelt, wieder aufzustehen, doch seine Beine gehorchten ihm nicht mehr.
„Bitte..." flüsterte er, als er die schweren Schritte hinter sich hörte.
Seonghwa war da. Der Alpha packte ihn grob am Kragen und zog ihn hoch, als wäre er nichts weiter als eine Puppe. Hongjoong spürte den kalten Blick auf sich, bevor er den Zorn in den goldenen Augen seines Peinigers sah.
„Du bist so dumm, Hongjoong", knurrte Seonghwa und schüttelte ihn, bis sein Kopf zurückschnellte. „Hast du wirklich gedacht, du könntest entkommen?"
Hongjoong biss sich auf die Lippe, um nicht zu schreien. Der Schmerz in seiner Hand war nichts im Vergleich zu der Furcht, die ihn nun durchflutete.
„Ich... ich wollte nur..." begann er, doch Seonghwa ließ ihn nicht ausreden.
„Du hast keine Rechte, keinen Willen, keine Träume", sagte der Alpha mit eisiger Stimme. „Du bist mein Mate, und du wirst tun, was ich sage."
Hongjoong fühlte, wie die Tränen in seinen Augen brannten, doch er weigerte sich, sie zuzulassen. Er wollte stark sein, auch wenn er wusste, dass es keinen Unterschied machen würde.
Seonghwa ließ ihn schließlich los, und Hongjoong fiel erneut zu Boden. Der Alpha stand über ihm, seine Präsenz überwältigend und furchteinflößend.
„Du wirst zurückkommen, ob du willst oder nicht", sagte Seonghwa und packte ihn am Arm. „Und wenn du noch einmal so etwas versuchst, werde ich dich daran erinnern, was es bedeutet, mir zu gehören."
Hongjoong spürte, wie ihm der Boden unter den Füßen entglitt, als Seonghwa ihn zurück zum Herrenhaus schleifte. Der Wald, der eben noch sein Zufluchtsort gewesen war, verschwamm vor seinen Augen.
Er hatte verloren. Wieder.
Doch tief in seinem Inneren brannte noch ein Funke Widerstand. Hongjoong wusste, dass er nicht aufgeben konnte. Nicht jetzt, nicht jemals. Eines Tages würde er frei sein. Egal, wie oft er scheiterte, egal, wie viel er ertragen musste.
Seonghwa mochte ihn in Ketten gelegt haben, aber sein Geist war ungebrochen. Und das war alles, was ihm blieb.
Youna
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