Hier startet Kapitel 1

Der zerbrochene Morgen

Wooyoung's Augen öffneten sich langsam, als das erste schwache Licht der Morgendämmerung durch die zerschlissenen Vorhänge seines Zimmers fiel. Der vertraute Geruch von abgestandener Luft und Holz vermischte sich mit der ständigen Erinnerung an ihre Situation – einem Leben, das weit von Freiheit und Sicherheit entfernt war.

Er wälzte sich aus dem schmalen Bett, dessen Matratze so dünn war, dass man die Federn spüren konnte, und richtete sich auf. Seine Glieder fühlten sich schwer an, als hätte die Nacht nicht die ersehnte Erholung gebracht, sondern nur mehr Lasten. Es war ein Morgen wie jeder andere, und doch wusste Wooyoung, dass er für seine Schwester stark sein musste.

Er zog sich hastig seine abgenutzte Schuluniform an, deren Ränder bereits ausfransten, und schlich sich leise durch den Flur. Das Haus war still, bis auf das leise Ticken der großen Standuhr im Wohnzimmer. Er wusste, dass seine Eltern noch schliefen – Alphas, die sich über ihre Omega-Kinder nur schämten.

Wooyoung öffnete die Tür zu Hwayoung's Zimmer und trat ein. Seine Schwester lag noch im Bett, ihre dunklen Haare über das Kissen verstreut. Sie sah friedlich aus, ein seltener Moment in einem Leben, das so oft von Angst und Unterdrückung geprägt war.

„Hwayoung", flüsterte er und rüttelte leicht an ihrer Schulter. „Aufwachen. Wir müssen uns fertig machen."

Sie murmelte etwas Unverständliches und zog die Decke über ihren Kopf. Wooyoung konnte nicht anders, als sanft zu lächeln. Hwayoung war vielleicht die jüngere, aber sie war auch die einzige Person, die ihn dazu brachte, die Hoffnung nicht ganz aufzugeben.

„Wenn du nicht aufstehst, kommst du zu spät, und dann haben wir ein Problem", sagte er, diesmal etwas lauter.

Hwayoung stöhnte und warf ihm einen verschlafenen Blick zu. „Warum so früh? Es ist nicht so, als würde sich heute etwas ändern."

„Vielleicht nicht", antwortete Wooyoung, „aber das heißt nicht, dass wir aufgeben dürfen."

Hwayoung richtete sich widerwillig auf, und Wooyoung half ihr, die zerknitterte Uniform zu glätten, die sie am Abend zuvor auf einem Stuhl abgelegt hatte. Während sie sich anzogen, sprachen sie nicht viel, doch die Stille war beredt. Beide wussten, was der Tag bringen würde.

In der Schule waren sie ständige Zielscheiben. Omegas waren in der Hierarchie der Werwolf Gesellschaft die Schwächsten, und für Alphas oft nicht mehr als Objekte. Besonders Wooyoung hatte es schwer. Seine schlanke Gestalt, die feinen Gesichtszüge und seine natürliche Anmut machten ihn zu einem bevorzugten Ziel für spöttische Bemerkungen und unangemessene Annäherungsversuche.

„Bist du bereit?" fragte er, als Hwayoung endlich ihre Schuhe anzog.

Sie nickte und griff nach ihrer Tasche, die genauso abgenutzt war wie ihre Kleidung. Zusammen schlichen sie die Treppe hinunter, bemüht, keinen Laut zu machen. Ihre Eltern hassten es, sie am Morgen zu sehen, und machten das auch unmissverständlich klar.

In der Küche fanden sie die üblichen Reste – ein paar Scheiben trockenes Brot und einen Krug Wasser. Es war alles, was sie bekommen würden, bis sie am Abend wieder nach Hause kamen. Während Wooyoung sich eine Scheibe schnappte, beobachtete er seine Schwester, die gedankenverloren aus dem kleinen Fenster blickte.

„Hwayoung", sagte er leise. „Eines Tages wird das hier vorbei sein. Wir werden frei sein."

Sie schnaubte bitter. „Das sagst du immer. Aber wie? Wo sollen wir hin? Die Welt da draußen ist nicht besser. Wir sind Omegas, Wooyoung. Niemand wird uns helfen."

Wooyoung spürte, wie ein scharfer Schmerz durch ihn ging. Sie hatte recht, zumindest teilweise. Aber er konnte und wollte nicht akzeptieren, dass dies ihr Leben bleiben würde. „Wir werden einen Weg finden", flüsterte er, mehr zu sich selbst als zu ihr.

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zur Schule, ihre Schritte schwer auf dem staubigen Pfad. Die Straßen waren belebt mit anderen Schülern, doch keiner von ihnen schenkte den beiden Beachtung – oder wenn doch, dann nur, um sie abschätzig anzusehen.

Die Schule war ein trostloser Ort, ein weiterer Schauplatz ihrer täglichen Qualen. Die Alpha-Schüler dominierten die Gänge, während die wenigen Omegas sich an den Rand drängten, versuchten, unsichtbar zu bleiben. Doch Wooyoung und Hwayoung waren leicht zu bemerken.

Kaum hatten sie die Klasse betreten, spürte Wooyoung die ersten Blicke. Ein Alpha namens Minjoon, groß und muskulös, warf ihm ein lüsternes Grinsen zu. Wooyoung ignorierte ihn und setzte sich an seinen Platz, doch Minjoon ließ nicht locker.

„Wooyoung", rief er durch den Raum. „Warum so schweigsam? Komm schon, lass uns ein bisschen Spaß haben."

Die Klasse brach in Gelächter aus, und Wooyoung ballte die Fäuste unter dem Tisch. Er wusste, dass jede Reaktion die Situation nur verschlimmern würde. Hwayoung saß neben ihm, ihre Hände zitterten leicht.

Die Stunden zogen sich endlos hin, und die Pausen waren noch schlimmer. Alphas versammelten sich oft in Gruppen, ihre Blicke auf die Omegas gerichtet, als wären sie Beute. Wooyoung versuchte, sich zu beherrschen, doch er konnte den Hass nicht unterdrücken, der in ihm aufstieg.

„Wooyoung", flüsterte Hwayoung während der Mittagspause. „Ich kann das nicht mehr. Ich halte das nicht aus."

Er legte einen Arm um sie. „Ich weiß. Aber wir müssen stark bleiben. Für uns beide."

Sie nickte, doch ihre Augen waren voller Tränen. Wooyoung wusste, dass sie an ihrer Grenze war, doch er hatte keine Lösung. Ihre Fluchtpläne waren nie mehr als ein Traum gewesen – ein schwacher Versuch, dem Elend zu entkommen.

Am Nachmittag, als sie nach Hause zurückkehrten, wurden sie von ihren Eltern empfangen, deren Mienen wie immer kühl und unnachgiebig waren.

„Ihr seid spät", sagte ihr Vater. „Ihr wisst, dass wir euch nicht durchfüttern, damit ihr herumtrödelt."

Wooyoung biss sich auf die Lippe, um nichts zu sagen, und Hwayoung senkte den Blick. Ihre Mutter legte ihnen eine kleine Schale mit Reis hin, die kaum genug für einen von ihnen war.

„Iss nicht zu viel", warnte sie. „Ihr müsst schlank bleiben. Niemand will einen fetten Omega."

Die Worte brannten sich in Wooyoung's Herz, doch er sagte nichts. Er wusste, dass Widerworte nur noch mehr Strafen nach sich ziehen würden. Stattdessen wartete er, bis seine Eltern den Raum verließen, und teilte die spärliche Mahlzeit mit seiner Schwester.

Später, in der Dunkelheit ihres Zimmers, dachte Wooyoung über ihre Flucht nach. Sie mussten gehen, bevor es zu spät war. Doch tief in seinem Inneren wusste er, dass die Zeit gegen sie arbeitete.

Und er hatte recht.

Noch ahnte er nicht, dass ihr Schicksal bereits besiegelt war. Die Alphas, die sie in der Schule verspotteten, hatten ihre Eltern kontaktiert. Für Wooyoung und Hwayoung gab es keinen Ausweg mehr. Sie waren nichts weiter als Waren, bereitgestellt für diejenigen, die Macht über sie hatten.

In jener Nacht schlief Wooyoung kaum. Die Last der Verantwortung und die ständige Angst um seine Schwester hielten ihn wach. Er wusste, dass er sie beschützen musste – um jeden Preis. Doch wie konnte er das tun, wenn die Welt selbst gegen sie war?

Eure Youna

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