Rattenfänger
Namjoon POV
Ich schob das rostige Tor nach oben auf, es klemmte und quietschte fürchterlich, zwei Ratten, die anscheinend neben dem Tor in einer stockdunklen Ecke gehockten hatten, wurden von diesem hässlichen Geräusch aufgeschreckt und huschten eilig davon.
Ich sah sie in der Dunkelheit verschwinden und stemmte mich weiter gegen das Tor, um es noch ein Stück weiter hoch zu schieben, doch es blieb auf halbem Wege in seiner Führung stecken und rührte sich keinen Millimeter mehr.
Fuck drauf.
Es reichte dafür, dass Jin und ich einsteigen konnten.
Ich gab Jin also ein Zeichen und wir duckten uns unter dem Tor hindurch und schlüpften in die ehemalige Lagerhalle.
Es war schon das 10. Objekt an diesem Abend, das wir durchsuchten, aber wir und besonders Jin, waren fest entschlossen. Er war immer noch sehr zerknirscht wegen dem Waffelvorfall, zum einen, weil er mich vollgekotzt hatte und noch mehr, weil er wusste, was für JK auf dem Spiel gestanden hat.
Aber letzlich spielte es keine Rolle. Wir würden sie finden. Wir waren immer erfolgreich, in allem was wir taten, manchmal dauerte es eben nur ein bisschen länger oder es brauchte einen zweiten Anlauf. Aufgeben gehörte aber definitiv nicht zu unserem Wortschatz. Never ever.
Und Jin hatte sich ins Zeug gelegt, um seinen Fehler wiedergutzumachen. Da es ihn immer noch beschäftigte, weshalb die Bullen bei HoongJoongs Vater waren, hatte er zu dessen jüngsten Aktivitäten recherchiert und dabei entdeckt, dass er in dem alten Industriegebiet östlich der Kwangwoon Universität Unternehmen und Firmen in großem Stil aufkauft, ganz so, als wären diese im Sonderangebot, nimm 3, zahl 2. Oder wenn man HongJoongs Alten kennt, eher nimm 10, zahl 1.
Das gigantische Bauprojekt mit dem Namen H1, was hier realisiert werden soll, ist aber ins Stocken geraten, da es unter den Investoren (zu denen selbstredend auch Hongjoongs Alter gehört) zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen sein soll, nachdem einer der, mit der Planung beauftragten, Architekten bei einem Unfall ums Leben gekommen war. In dieser Sache wurde auch von der Polizei ermittelt. Aber ich hatte mir nicht alles gemerkt, was Jin dazu erzählt hatte...
Wir waren also nun in diesem ehemaligen Industriegbiet zwischen der Uni und dem Jungan Fluss unterwegs und klappern eine verlassene Firma oder Industriebrache nach der anderen ab, denn mehr Hinweise als diese Pseudo-Spur hatten wir nicht. Meinen Einwand, dass schließlich HongJoong Y/n versteckt hält und nicht sein alter Herr, hatte Jin nämlich gekonnt ignoriert.
Mich interessierten die Machenschaften von Hongjoongs Altem ja nicht die Bohne, aber Jin meinte, das könnte eine Spur sein, und in solchen Dingen, widerspreche ich Jin grundsätzlich nicht. Er hat einen guten Riecher für so etwas. Ich brauche immer erstmal was handfestes, um in die Gänge zu kommen. Hier so im blauen oder eher schwarzen Dunst, rumzustochern, war nicht so meins. Und es war wirklich zappenduster, denn um Energie zu sparen, hatte man die Straßenlaternen im ganzen Bezirk abgestellt, es war ja eh mittlerweile fast alles verlassen und in den zum Abriss verkauften Firmen und Industrieanlagen brannte auch nirgends mehr das kleinste Lämpchen, noch nicht mal irgendwelche Notausgangsbeleuchtungen habe ich bisher gesehen. Zum Glück hatten wir Taschenlampen dabei und notfalls noch unsere Smartphones und der Mond lukte auch von Zeit zu Zeit hinter den Wolken hervor und tauchte alles mit seinem fahlen, weißen Licht in eine gespenstische Atmosphäre, denn im Licht des Mondes wirkte das Gebiet noch viel einsamer und trostloser als in der nachtschwarzen Dunkelheit.
Ich leuchtete in die verlassene Halle, die sich nun vor uns erstreckte und zog die Stirn in Falten. Es war offenkundig, dass hier schon ein paar Gammler oder sonstige Halunken unterwegs gewesen waren, es lagen leere Flaschen und Scherben verstreut auf dem Boden, dazu ne Menge Kippen, eine alte Matratze lag auf dem dreckigen Boden, zwei klapprige Stühle standen verlassen herum und an den Wänden prankten frische Graffitis in Neonfarben. Das schien der Unterschlupf von ein paar jugendlichen Rowdies zu sein. Ich sah Jin an. Und in meinem Blick lag die unausgesprochene Frage, ob wir diese Halle, nicht einfach skippen könnten, denn es war offensichtlich die pure Zeitverschwendung hier zu suchen, die falsche Zielgruppe sozusagen.
Doch Jin presste seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und schüttelte stur den Kopf. Er wollte das heute echt durchziehen.
Ich seufzte leise und trottete ihm hinterher, der nun mit langen Schritten durch die Halle schritt und alle Ecken ausleuchtete.
4 Minuten später waren wir wieder draußen. Ich verkniff mir einen Kommentar zu diesem Reinfall und zeigte auf das angrenzende mehrstöckige Gebäude. "Das auch?" fragte ich trocken.
Das Gebäude war ein großer dunkler Klotz. Die unteren Fenster, waren zum Teil schon eingeschlagen, was mit denen weiter oben war, konnte ich im Dunkeln nicht erkennen, sie wirkten, wie große brandschwarze Augen, die auf uns herabstarrten. Ich gruselte mich nicht, auch jetzt nicht, aber ich bekam das seltsame Gefühl beobachtet zu werden. Und wurde plötzlich neugierig. Ich konnte es kaum erwarten, da rein zu kommen.
Ich schritt energisch auf den Eingang zu. Bei diesem Objekt musste mich Jin nicht zweimal bitten. Ich setzte gekonnt unsere mitgebrachte Brechstange an und hebelte die Eingangstür auf.
Jin POV
Bis eben musste ich Namjoon bei jeder Halle fast betteln und nun spaziert er los, als könne er es kaum erwarten, auch in diesem dunklen Kasten die Ratten aufzuscheuchen.
Werd mal einer schlau aus ihm. Ich zuckte die Schultern und lief im also eilig hinterher, ich wollte ihn gerade auf sein Verhalten ansprechen, als er sich mit einer schnellen Bewegung zu mir umdrehte und den Zeigefinger an seine Unterlippe legte.
Hä? Hatte er tatsächlich was gehört? Oder gar was gesehen? In dieser Dunkelheit?
Ich verhielt mich ruhig, verbarg mich im Schatten der Wand und spitzte die Ohren, lauschte angestrengt in die Dunkelheit.
Namjoon gab mir das Zeichen ihm zu folgen, wir pirschten uns leise durch das Erdgeschoss hin zu einer Treppe.
Wir bewegten uns leise wie zwei schwarze Panther auf samtenen Pfoten durch die Dunkelheit, unsere Taschenlampen waren jetzt aus, da wir aber schon die letzten Stunden durch die Dunkelheit gepirscht sind, waren unsere Augen mittlerweile ganz gut daran gewöhnt.
Als wir die erste Etage erreichten, hielten wir erneut inne und lauschten.
Ich hörte mein eigenes Herz schlagen, von Namjoon hörte ich gar nichts. War er wirklich noch neben mir? Wenn ja, verhielt er sich ebenfalls mucksmäuschenstill.
Ich wusste nicht, wieso wir so leise waren, aber ich vetraute Joon, was das anging. Er hat einen Riecher für sowas. Ich verhielt mich also weiter still und versuchte mich auf meine Umgebung und Joon zu konzentrieren. Wo war er verdammt? War er schon weiter nach oben gegangen? Oder erkundete er ohne mich die erste Etage? Hier war es so dunkel, dass ich ihn in den Schatten um mich herum nicht erkennen konnte.
Ich spitzte weiter meine Ohren, aber ich hörte nicht das leiseste Geräusch. Unmut stieg in mir auf, und ich wollte mich dann doch schon lautstark bei Joon beschweren, als ich von weiter über mir ein gedämpftes Poltern hörte, wie als wäre jemand im Dunkeln gegen etwas gestoßen.
Im selben Augenblick nahm ich eine Bewegung in der Dunkelheit neben mir war, ah, Joon war also doch die ganze Zeit da gewesen.
Nun wusste ich, was zu tun war.
Wir pirschten die Treppe weiter nach oben, dem Geräusch nach zu urteilen, kam es von mindestens 3 Etagen über uns.
Hoseok POV
Oh mann, ich hatte nur noch zwei Stunden, dann musste ich zurück zum Hauptbahnhof um dort den ersten Zug am zeitigen Morgen nach Busan zu erwischen.
Ich kam mit Mingi und San zwar mittlerweile ganz gut zu Recht, trotzdem wollte ich nicht, dass sie mitbekamen, wie ich meine Nächte verbrachte, denn ihre oberste Loyalität galt immer noch Hongjoong, daran hatte ich keinen Zweifel. Sie würden es ihm sofort berichten, wenn sie herausbekämen, dass ich mir die Nächte damit um die Uhren schlug, Y/N zu suchen.
Ich konzentriere mich bei meiner Suche auf das ehemalige Industriegebiet im Nordwesten, in dem Hongjoongs Vater so viel Aktivität gezeigt hatte. Da ich gegen ihn ermittelt hatte, war das ein Anhaltspunkt, an dem ich ansetzen konnte. Das Gebiet war weitläufig und so gut wie verlassen, die meisten Objekte hier gehörten Hong Joongs Dad, also für Hong Joong ideale Bedingungen um Y/N hier zu verstecken.
Nur wo? Das Viertel war rießig.
Würde ich sie diese Nacht finden? Oder nächste?
Wieviele Nächte würde ich das noch durchhalten können bis Mingi oder San oder gar Hong Joong davon Wind bekommen würden?
Ach, ich wollte gar nicht daran denken, was dann passieren würde...vielleicht war es doch zu riskant? Aber was blieb mir anderes übrig? Ich musste sie retten.
Ich durchsuchte eben das mehrstöckige Gebäude einer ehemaligen Druckerei, als ich von draußen, gedämpfte Geräusche hörte. Ich starrte aus einem der Fenster nach draußen in die Dunkelheit, konnte aber nichts sehen. Oder war da eben noch der Schein einer Taschenlampe gewesen? Ich war mir nicht sicher. Jetzt war draußen wieder alles dunkel und still.
Bildete ich mir nun schon Dinge ein? War das die Müdigkeit?
Ich suchte weiter, war mir nun aber schon fast sicher, dass ich in diesem Gebäude auch kein Glück haben würde. Ich lief trotzdem bis ganz nach oben. Hong Joong hatte einen Faible für die oberen Etagen, das wusste ich sicher.
Auf dem Weg nach oben stolperte ich über ein paar lose Bretter, die auf der Treppe lagen. Zum Glück konnte ich mich noch abfangen. Wenn ich mir hier in diesem verlassenen Gebäude mitten im Abrissgebiet das Genick brechen würde, wäre das nicht nur mein Todesurteil, dann wäre Y/N verloren.
Oben angekommen, erkundete ich das oberste Stockwerk, doch außer ein paar dunklen verlassenen Räumen, die teilweise Büroräume, teilweise Lagerräume gewesen waren, konnte ich nichts ausmachen.
Als ich mich daran machen wollte, die Treppe wieder nach unten zu steigen, legte sich plötzlich ein starker Arm von hinten um meinen Hals und im gleichen Moment hörte ich das unsägliche Klicken einer Schusswaffe, die entsichert wird, direkt an meinem Kopf.
Ich zog scharf die Luft ein.
Doch im selben Moment schlug etwas so hart gegen meine Schläfe, dass mir schwarz vor Augen wurde und ich nach vorn übersackte.
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