9. Ein Tag ohne dich
SOPHIE:
Ich sitze mit meinem Onkel in der Küche am Tisch in unserem Haus. Wir sind gerade dabei, zu Mittag zu essen.
Heute habe ich Chef Gontier gebeten, mir frei zu geben. Für drei Tage. Denn übermorgen findet der Frühlingsball statt und ich muss noch in die Stadt fahren und mir ein Kleid kaufen. Außerdem habe ich mir den Urlaub verdient, rede ich mir ein.
Der wahre Grund, warum ich eine Auszeit haben wollte, ist aber der, dass ich Titus nicht sehen will. Zumindest nicht vor dem Ball. Ich rede mir ein, dass ich dort mit Dominik die schönste Zeit meines Lebens verbringen und mich in ihn verlieben werde. Dass ich Titus dann vergessen könnte. Und um sicher zu gehen, dass er nicht wieder anfängt, mit mir zu flirten, habe ich mir eben frei genommen.
Chef Gontier war sehr überrascht, weil ich noch nie um Extraurlaub gebeten habe. Normaler weise hat jeder Agent und Junior-Agent drei voneinander getrennte Wochen im Jahr Urlaub. Der Chef bestimmt, wann er wen entbehren kann.
Zusätzlich kann man noch sieben Extratage beantragen, die man selbst wählen kann. Aber das ist für den Notfall gedacht. Irgendwelche familiären Ereignisse wie Taufen, Beerdigungen oder Geburten sind Gründe für den Extraurlaub.
Ich habe, wie gesagt, noch nie welchen verlangt. Aber als der Chef mich gefragt hat, was denn der Grund sei, habe ich nicht antworten können. Was hätte ich denn schon sagen können? Dass ich Stress mit meinem Erzfeind habe? Lächerlich.
Deshalb habe ich vor, den Urlaub auszunutzen, um ein bisschen so zu sein wie normale Teenager: Ich werde ihn mit meiner besten Freundin in der Mall verbringen.
Also stehe ich vom Tisch auf und wasche das Geschirr ab. Dann verabschiede ich mich von meinem Onkel und Fino, die ins Hauptquartier aufbrechen.
„Pass auf Onkel Gadget auf, Fino!", sage ich zu meinem Hund. Es wird wohl diesmal an ihm liegen, die Mission auszuführen. Außer natürlich, der Chef hat einen Ersatz für mich.
Als die beiden aus dem Haus sind, aktiviere ich meinen Holo-Bildschirm und rufe Karla an.
„Hallo Sophie", meldet diese sich gleich.
„Hi Karla, na, bereit für unseren Shopping-Tag?"
„Ja, klar, ich muss nur noch die Trainingseinheit hier beenden, ich komme in einer halben Stunde zu dir!"
„Alles klar, freue mich!". Damit beende ich das Gespräch. Manchmal beneide ich meine Freundin, weil sie viel mehr Freizeit hat als ich.
Aber dafür darf sie auch noch nicht auf Missionen gehen. Das darf man erst ab Ausbildungsstufe drei. Karla hängt noch auf zwei, während ich im Sommer bereits auf vier aufsteigen werde.
Seufzend gehe ich hinauf in mein Zimmer. Ob ich noch kurz duschen soll, bevor es losgeht?
KARLA:
Ich bin mit Sophie um zwölf in der Einkaufsmall verabredet! Kaum zu glauben, dass sie sich extra freigenommen hat, deswegen. Aber ich vermute, dass das nicht der Hauptgrund war. Wahrscheinlich hat es irgendwas mit Titus zu tun.
Sie hat ja Streit mit ihm. Ich muss mir immer noch die Haare raufen bei dem Gedanken, dass sie aufhören will, sich für ihn zu interessieren. Ich meine, klar sind die beiden Erzfeinde, aber ich finde trotzdem, sie gehören zusammen.
Ob ich, wenn ich mal auf Missionen gehen werde, auch so einen süßen Erzfeind bekommen werde? Unwahrscheinlich, aber hoffen wird man ja noch können...Obwohl ich mit Moritz ja auch einen ganz schön dicken Fisch am Hacken habe. Er ist süß, beliebt und talentiert. Was will man schließlich mehr?
Es ist fünf nach zwölf als ich bei Sophies Haus ankomme. Ich klingle und sofort macht sie die Tür auf.
Im ersten Moment glaube ich mich in der Tür geirrt zu haben. Es ist so ungewohnt, Sophie in etwas anderem als dem Hauptquartier-Hoodie und der blauen Hose zu sehen. Vor allem wenn es ihr so gut steht.
Meine beste Freundin trägt ein hellgrünes T-Shirt mit kurzen Ärmeln, dazu einen breiten Gürtel auf der Hüfte und eine schwarze Röhrenjeans. Statt den roten Turnschuhen trägt sie schwarzen Ballerinas und über ihrer Schulter hängt eine braune Fransentasche. Ich glaube, sie hat sich sogar geschminkt.
Das einzige, das noch ist wie immer, sind ihre Haare, die zu zwei Pferdeschwänzen gebunden sind, diesmal allerdings mit grünen Haargummis.
Ich meine, ich habe mich natürlich auch umgezogen. Ich trage jetzt ein blaues T-Shirt mit Dreiviertelärmeln, eine weiße Röhrenjeans und Schuhe mit niedrigen Absätzen. Dazu eine ärmellose graue Weste.
Wenn man uns so betrachtet, könnte man glatt meinen, wir seinen zwei ganz normale Teenager.
SOPHIE:
Ich mache Karla die Tür auf. Wie umarmen uns zur Begrüßung und sie strahlt mich an.
„Du siehst ja gut aus! Ich hätte dich beinahe nicht wiedererkannt!"
„Danke, du aber auch!"
Wir machen uns auf den Weg und es gibt kaum Momente in meinem Leben in denen ich mich so normal gefühlt habe. Andere Mädchen in meinem Alter machen so etwas jeden Tag, denke ich.
Aber ich würde trotzdem niemals mein Leben gegen das eines normalen Teenagers eintauschen. Dafür macht es mir einfach zu viel Spaß, Verbrecher zu jagen.
Als wir in der Mall angekommen sind, gehen wir erstmal in eine Pizzeria und bestellen uns eine große Pizza Salami mit doppeltem Käse.
Da sitzen wir also und warten auf unsere Pizza, als uns plötzlich zwei Jungs ansprechen.
„Sophie? Karla? Seid ihr das?"
DOMINIK:
Ich kann nicht glauben, dass unsere beiden Dates für den Ball da direkt vor uns sitzen. Mein Freund Moritz und ich wollten uns eigentlich Outfits für den Ball kaufen, aber zuerst etwas essen. Da betreten wir also die Pizzeria „Giovanni's" und vor uns sitzen die beiden Mädchen.
„Hallo Moritz!", begrüßt Karla ihren Begleiter. „Was macht IHR denn hier?"
„Wir wollten uns was für den Ball kaufen.", erwidert mein Kumpel. „Und ihr?"
„Wir hatten dasselbe vor.", meint Karla.
„Was haltet ihr davon, wenn wir uns euch anschließen?", frage ich Sophie. Die schaut hoch und nickt. „Warum nicht?"
Sophie ist ja schon etwas Besonderes. So talentiert, wie die ist. Ich meine, sie kämpft jeden Tag gegen MAD-Agenten und rettet die Welt. Aber irgendwie scheint sie kein Interesse an uns Jungs zu haben. Es gibt, soweit ich weiß, keinen, den sie gut findet. Zumindest nicht im Hauptquartier.
Aber hübsch ist sie auf jeden Fall, auch wenn sie natürlich noch hübscher sein könnte, mit Make-Up und so 'nem Zeug, dass sich alle Mädchen ins Gesicht schmieren.
Ich bin eigentlich schon eine ganze Weile hinter ihr her, aber sie hat mich nie sonderlich beachtet. Freundlich war sie schon, aber immer so kurz angebunden.
Meine Fragen hat sie alle beantwortet, immer gelächelt, aber danach hat sie sich umgedreht und ist davon gegangen.
Ich meine, ich hab genug Erfahrung mit Mädchen, um zu wissen, wann eine einen gut findet und wann nicht. Und Sophie hat sich bis jetzt immer so verhalten wie eine, die nichts von einem will, aber zu freundlich ist, um es einem direkt ins Gesicht zu sagen. Kommt ja auch häufig vor.
Bis sie eingewilligt hat, mit mir auf den Ball zu gehen. Das war das erste Mal, als ich mir ernsthaft begonnen habe, Hoffnungen zu machen. Denn so ein Ball ist schon was Besonderes. Mal sehen, wie die Dinge dort laufen. Wenn ich Glück habe, sind Sophie und ich nach diesem Abend ein Paar.
SOPHIE:
Ich liege erschöpft von der Einkaufstour im Bett und höre Musik. Ich habe das schönste aller Kleider gekauft. Es ist rot mit breiten Schulterträgern und ausgestelltem Rock. Dazu ein Armband und eine Kette, beide aus rosa gefärbten Kunstperlen.
Karla hat auch ein schönes Kleid bekommen. Blau mit engem Rock und Beinschlitz und auch noch Schulterfrei. Dazu hellblaue Handschuhe bis über den Ellenbogen.
Die Jungs haben beide Smokings gekauft. Moritz' seiner ist weiß, Dominiks schwarz.
Ich freue mich wirklich auf diesen Ball. Obwohl ich immer noch nicht weiß, ob ich etwas von Dominik will. Ich meine, klar, er ist nett aber manchmal habe ich bei unseren Gesprächen das Gefühl, er hat keine Ahnung wovon er spricht.
Das wäre ja an sich nicht schlimm, aber er sollte es wenigstens zugeben.
Ich seufze. Wieso muss der einzige Junge, bei dem ich wirklich das Gefühl habe, er sei mit mir auf einer Wellenlänge, mit dem ich über Astrophysik und Nanotechnologie diskutieren kann und der mich in einem Mathe-Quiz besiegen könnte, mein Erzfeind sein? Ist das etwa fair?
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