12. Sherriff Jackson der Henker

SOPHIE:

Der Ball dauert nun schon fast drei Stunden und ich werde das Gefühl nicht los, dass Dominik mir irgendetwas sagen will, sich aber nicht recht traut. Getanzt haben wir auch noch nicht und irgendwie ist mir ziemlich langweilig. Irgendwie hatte ich gedacht, so ein Ball sei spannender.

Schließlich zieht Karla los, um uns allen ein paar Getränke zu holen, die es an der Bar gibt.

Als sie fünf Minuten später zurückkommt, hat sie aber keine Getränke dabei.

„LEUTE ihr werdet nicht glauben, wen ich gesehen habe!", ruft sie ganz außer Atem.

„Wen?", will Moritz wissen.

„Kennst du nicht...aber DU Sophie wirst ihn sehr wohl kennen. Komm mit!", damit packt sie mich am Arm und zerrt mich mit sich. Dominik und Moritz folgen uns.

Dann bleibt meine beste Freundin schließlich stehen und deutet auf eine Gruppe kichernder Mädchen, in ihrer Mitte Jaqueline, die Tochter unseres Bürgermeisters, aufgedonnert wie immer.

„Du hast mich hergeschleppt, um mir JAQUELINE zu zeigen?", frage ich leicht genervt. „Wir wissen alle, dass sie zickig, launisch und verwöhnt ist. Also was –" Aber in diesem Moment sehe ich die Person, die offenbar der Grund für diese Versammlung ist.

Das ist unmöglich, ist mein erster Gedanke.

Dann hat MAD vor, den Ball zu sabotieren, ist mein zweiter Gedanke.

Das ist nicht fair, ist mein dritter Gedanke.

Denn dort steht tatsächlich Titus und unterhält sich offenbar über ganz besonders lustige Dinge mit dem Zickengespann von wegen Jaqueline und ihren beiden besten Freundinnen, Marliese und Fiona.

„I-ich muss ihn aufhalten!", sage ich, immer noch komplett aus der Fassung des Anblicks, der sich mir bietet wegen.

„Aufhalten?", fragt Karla.

„Ja, er hat bestimmt vor, den Ball zu sabotieren!"

„Aber warum taucht er dann im Saal auf? Ich glaube das nicht, Sophie. Ich glaube, er will sich einfach nur einen schönen Abend machen."

Das könnte durchaus sein, muss ich zugeben. Aber ich will nicht, dass es so ist. Ja, ich sehne mich praktisch nach einer MAD Verschwörung, nur um einen guten Grund für Titus' Aufenthalt hier zu haben.

Ich will nicht, dass er hier ist um Spaß zu haben, wie ganz normale Teenager. NEIN, korrigiere ich mich. Ich will nicht, dass er hier ist, um Spaß mit anderen Mädchen – insbesondere dieser verwöhnten Bonzentussi Jaqueline – zu haben.

Auch wenn ich mich selbst für dieses Gefühl hasse, das jetzt langsam meinen Hals hinaufkriecht und mir die Luft zum Atmen abschnürt, ich kann es nicht verscheuchen, sooft ich auch schlucke.

Ich stehe da, in sicherer Entfernung und sehe, wie dieses Miststück ihn an der Hand nimmt und auf die Tanzfläche zieht.

Da stößt Karla mich in die Seite. „Hey Sophie, du willst doch nicht einfach hier stehen bleiben und zusehen wie diese Tussi mit dem Typen tanzt, in den du-, äh, ich meine der...äh..."

Ich zucke mit den Schultern. „DOCH." Das ist jetzt etwas genervter rausgekommen als ich wollte.

„Doch GENAU DAS werde ich tun weil es mich ÜBERHAUPT NICHT INTERESSIERT was Titus macht und auch MIT WEM er was macht!"

Und ehe ich noch mehr Dinge sagen kann, die ich gar nicht sagen will und auch gar nicht so meine, drehe ich mich auf dem Absatz um und marschiere in Richtung der Jungs, die uns an der Bar erwarten.

TITUS:

Das lief jetzt nicht wie geplant. Dieser Bodyguard oder was auch immer er war kam wie aus dem Nichts. Ich hatte keine Möglichkeit mich zu verstecken, und auch keine Erklärung dafür, was ich im Privatbereich der Bürgermeistervilla zu suchen hatte.

Aber zum Glück bin ich dann doch mit einer Verwarnung davon gekommen. Vorbereitet hatte ich ja schon alles für meinen Plan, aber der Typ hat mich doch tatsächlich runter in den Ballsaal begleitet.

Da stand ich nun und wusste nicht, was ich tun sollte. Passend angezogen war ich ja, ich habe mir einen Anzug entworfen. Schließlich muss man ja immer passend gekleidet sein.

Da kam dieses aufgedonnerte Mädchen, das sich später als Jaqueline Johnson, die Tochter des Bürgermeisters, vorstellte und quatschte mir die Ohren voll.

Ihre Freundinnen kamen dazu und schon bald war ich der Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit. Nicht, dass es mir etwas ausmachen würde.

SOPHIE:

Ich erreiche die Jungs und denke nicht darüber nach, was ich tue. Ich nehme Dominik an der Hand und ziehe ihn mit.

„Komm, wir tanzen."

Er widerspricht nicht und so gesellen wir uns zu den tanzenden Paaren auf dem Parkett. Der DJ legt irgendeine schmalzige Nummer auf und Dominik zieht mich näher zu sich. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass auch Titus und Jaqueline jetzt enger tanzen.

Das Gefühl, das ich mittlerweile als glühende Eifersucht identifiziert habe, verstärkt sich bis ins Unerträgliche. Ich merke, wie ich schneller atme und mir grundlos heiß wird.

Das darf doch nicht wahr sein? Was fällt diesem Typen eigentlich ein? Mischt sich einfach so in mein Leben ein und wirbelt es komplett durcheinander. Von meinen Gefühlen ganz zu schweigen. Das ist nicht fair!

Dann bemerke ich, dass Dominik noch ein Stück näher gekommen ist. Seine Augen sind auf meine fixiert und er sieht mich unsicher an.

Warte mal – er will mich doch nicht etwa küssen oder?

Und warum nicht? Frage ich mich plötzlich? Warum lasse ich ihn nicht einfach? Vielleicht kann ich Titus dann endlich vergessen?

Als er noch ein Stück näher kommt, bin ich immer noch nicht sicher, was ich will.

Mein Kopf sagt, küss ihn!

Mein Herz sagt, lauf so schnell du kannst und bring dich in Sicherheit!

Sein Gesicht ist nur noch Zentimeter von meinem entfernt, als plötzlich das Licht ausgeht. Wir zucken auseinander und ich versuche krampfhaft, in der Dunkelheit etwas zu erkennen.

Um uns herum bricht Gemurmel und leichte Panik aus, da geht das Licht auf einmal wieder an.

„Man, können die nicht jemanden schicken, der die Sicherungen überprüft?" Dominik ist ganz offensichtlich sauer, dass dieser kleine Stromausfall ihm seinen Kussversuch vermasselt hat. Ich bin eigentlich ganz froh darüber.

Doch dann erlischt das Licht erneut – für den Bruchteil einer Sekunde. Es flackert und geht dann schließlich ganz aus.

Die Menschen um uns herum werden immer unruhiger. Bis plötzlich eine Stimme ertönt. Doch diese Stimme gehört keinem Menschen. Dafür ist sie viel zu laut – nach Mikrofon klingt es auch nicht.

Wer – oder was – auch immer da spricht, es hat eine tiefe, grollende Stimme und nichts Menschliches liegt darin. Nur Hass.

„Herzlich willkommen auf der Party meines Todestags."

Die Menge ist jetzt still. Man hätte eine Stecknadel fallen hören, als sie weiterspricht.

„Ich bin hier, um mich an denen zu rächen, die mich heute vor exakt zweihundert Jahren hinterlistig ermorden ließen und ich werde meine Rache bekommen und wenn ich dafür jeden einzelnen von euch umbringen muss."

Jetzt bricht die totale Panik aus. Alle schreien, nur mit Mühe verstehe ich die Worte der Stimme.

„Ich werde euch holen, einen nach dem anderen. Und wenn ich nicht bekomme was ich will, werde ich zurückkehren."

Als die Stimme verklingt, geht das Licht wieder an. Die Menschen wollen zum Ausgang laufen, aber eine laute Stimme – es ist diesmal nicht die, die unser aller Tod angekündigt hat – alle zu Ruhe bittet.

Es ist unser Bürgermeister.

Er hat sich ein Mikrofon gegriffen und spricht jetzt.

„Liebe Ballgäste. Ich weiß nicht, was das eben war oder was das sollte aber ich kann Ihnen versichern, dass es keinen Grund zur Panik gibt. Bestimmt hat sich nur jemand einen dummen Scherz erlaubt. Ich entschuldige mich für die Unterbrechung und möchte verkünden, dass es eine Runde Gratisgetränke für alle gibt!"

Die Panik ist nach dieser Ansprache gewichen, die Leute eilen zu Bar. Unser kleines Grüppchen bleibt zurück.

„W-was glaubt ihr, war das ein echter Geist?", will Dominik wissen. Er kann das Zittern in seiner Stimme kaum verbergen. Man, ist der mutig!

„Nein", erwidere ich und versuche, überzeugend zu klingen. Ganz so sicher bin ich mir nicht. Aber das würde ich niemals zugeben.

„Die Stimme hat doch was von Todestag gesagt, oder? Sophie, recherchier mal, wer heute vor zweihundert Jahren hier in der Gegend gestorben ist.

Ich öffne gehorsam meinen Holo-Bildschirm. Tatsächlich stoße ich nach kurzer Suche auf einen interessanten Eintrag.

Er berichtet von einem gewissen Sherriff Jackson, der vor mehr als zweihundert Jahren hier in diesem Haus seine Wache gehabt haben soll. Aber das war nicht nur irgendein Sherriff. Er soll keine Gnade gekannt haben und jeden umgebracht haben, der ihm widersprochen hat. Deswegen bekam er auch den Beinamen „der Henker" weil er vorzugsweise die Todesstrafe verhängt haben soll.

Doch genau heute vor zweihundert Jahren soll sich ein Grüppchen Rebellen zusammengeschlossen haben, die genug von blutigen Treiben des Henkers hatten. Sie haben ihn ermordet. Und der Anführer der Bande, der der Sherriff Jackson wirklich getötet hat hieß Frederick Gadget.

Ich lese die Worte und kann nicht glauben, was da steht. Einer MEINER Vorfahren soll diesen Sherriff getötet haben, der jetzt offenbar zurück ist, um sich – an seinen Mördern zu rächen. Und sein Mörder war mein Vorfahre!

Obwohl ich nicht an Geister glaube läuft es mir eiskalt den Rücken runter. Was, wenn es doch einen Geist hier gibt? Und wenn er gekommen ist, um mich zu holen?

Ich versuche, nicht daran zu denken und erzähle meinen Freunden, was in dem Artikel stand. Das mit meinem Vorfahren lasse ich aus.

„E-ein verbrecherischer Sherriff? Der jetzt hier ist, um uns alle zu töten?", Dominiks Stimme klingt beinahe panisch. „W-wir müssen hier weg!"

„Quatsch! Es gibt keine Geister!", redet Karla dazwischen. Der Bürgermeister hat sicher Recht, das war ein blöder Scherz, nichts weiter."

Tatsächlich verläuft die nächste Stunde recht ruhig, dann schlägt es elf Uhr. Ich habe vergeblich nach irgendwelchen Hinweisen zu der seltsamen Stimme gesucht. Es ist nichts zu finden und ich bekomme langsam aber sicher ein merkwürdiges Gefühl. Und das liegt diesmal nicht an Titus, der immer noch mit Jaqueline flirtet.

Dann, als wir den Vorfall schon fast wieder vergessen haben, beginnt das Licht erneut zu flackern. Ich spüre wie meine Knie weich werden und mein Herz zu rasen beginnt.

Das Licht erlischt und dann ist diese schreckliche Stimme wieder zu hören.

„Jetzt ist genug mit den Spielchen! Ich habe euch genug Zeit gegeben, darüber nachzudenken.", donnert der Geist.

Im Dunkeln bemerke ich, wie eine Gestalt schreiend auf die Tür zu läuft, doch diese schlägt wie von selbst vor ihrer Nase zu.

„NIEMAND verlässt dieses Haus, ehe ich nicht meine Rache bekommen habe!", schreit der Sherriff.

Mit einem Mal werden alle Fenster und Türen des Hauses verriegelt.

Die unheimliche Stimme lacht. „Ihr denkt, ich meine es nicht ernst, na gut. Ich werde euch beweisen, dass ich real bin."

In der Mitte des Raumes beginnt es plötzlich zu leuchten. Es ist ein weißes, grelles Licht, dass die Form eines Mannes annimmt. Der Umriss bleibt verschwommen, aber es genügt um erneut eine Panik auszulösen.

Ich stehe wie versteinert da, unfähig, mich zu rühren. Karla hat sich in meinen Arm gekrallt. Mein Atem geht schneller. In diesem Moment habe ich nicht den geringsten Zweifel daran, dass der Geist real ist. Und zum ersten Mal in meinem Leben wünschte ich, mein Name wäre nicht Sophie Gadget.

„Nun gut, wenn ihr jetzt überzeugt seid stelle ich euch meine Bedingung.", spricht die Gestalt. „Wenn ihr nicht alle für immer hier in diesem Haus, das einst mir gehörte, eingesperrt bleiben wollt, dann liefert mir bis Mitternacht den Nachfahren desjenigen aus, der mich ermorden ließ. Ich will Sophie Gadget."

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