Kapitel 6
„Bitteschön, Nienná, ich überlasse Euch Eurer Studie", sprach der Wächter. Ich neigte den Kopf. „Vielen Dank", hauchte ich und schritt über die Schwelle. Die Bibliothek war gewaltig. Sie war deutlich größer als Elronds. Es dauerte eine Weile, bis ich herausgefunden hatte, wie die Bücher hier sortiert worden waren. Meine Schritte wurden langsamer, als ich die Reihe erreichte, in der etwas über die Geschichten Berens verzeichnet worden war. Davon konnte ich einfach nicht genug bekommen. Vorsichtig holte ich ein Buch heraus und setzte mich auf eine der kleinen Bänke im Lesesaal der Bücherei. Gandalf saß eine Bank von mir entfernt und las ebenfalls in einem Buch. Gerade, als ich eine Seite gelesen hatte und umblättern wollte, räusperte der Zauberer sich. Sofort sah ich auf. „Hättest du Lust mich auf meiner nächsten Reise zu begleiten?", wollte er von mir wissen. „Welche Reise denn?", forschte ich nach und klappte das Buch leicht zu. „Meine Hochzeitsreise", erwiderte Gandalf und lächelte leicht. Hochzeitsreise? Jetzt war ich komplett verwirrt. „Was für eine Hochzeitsreise denn?" Der Zauberer stand auf und kniete sich vor mir zu Boden. „Nienná, ich weiß, dass ich schon sehr alt bin, aber du gibst mir das Gefühl wieder jung zu sein. Ich liebe dich und möchte dich heiraten", verkündete er. Für eine Sekunde konnte ich ihn nur ungläubig anstarren. „Es ... tut mir leid, aber ... ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken", stammelte ich und spürte wie die Röte in mein Gesicht schoss. „Schon gut, lass dir Zeit", sprach Gandalf und stand auf. Anschließend verließ er die Bibliothek. Meine Gedanken rasten so schnell, dass ich mich nicht mehr aufs Lesen konzentrieren konnte. Gandalf. Wollte. Mich. Heiraten. Also konnten Istari doch Ehen eingehen. Da hatte mein Vater mir immer etwas anderes erzählt. „Lenk dich nicht ab", sagte ich mir. „Was machst du denn jetzt?" Gute Frage. Mein Herz schlug etwas schneller und ich schloss die Augen. Erinnerungen der Reise kamen wieder an die Oberfläche. Schöne Erinnerungen und sie alle beinhalteten den weißen Zauberer. Als er in Moria gefallen war, hatte ich viele Tränen vergossen, doch das war meinen Gefährten ebenso gegangen. Bei seiner Rückkehr ... Ja, da hatte ich ihn umarmen wollen, aber ich hatte mich zurückgehalten. Aber ich hatte ihm schon meine Liebe gestanden. War ich dazu bereit ihn zu heiraten? Mit einem Kopfschütteln fokussierte ich mich wieder auf meine Lektüre. Am Abend trat in an den Balkon meines Zimmers und blickte hinaus in die sternenklare Nacht. Alles wirkte so ruhig. Kaum zu glauben, dass wir noch vor weniger als einer Woche Krieg geführt hatten. Schritte, die sich näherten. Pfeilschnell fuhr ich herum und lächelte. „Mae govannen, Legolas", begrüßte ich meinen Freund. Der Elb verneigte sich vor mir. „Mae govannen, Nienná", erwiderte dieser. „Warum bist du nicht unten bei der Feier?" „Ach, ich habe etwas Ruhe und Zeit für mich gebraucht. Hier draußen kann ich am Besten nachdenken", entgegnete ich. Legolas trat neben mich. „Vielleicht kann ich dir dabei helfen", schlug er vor. „Sicher? Die Elben werden sowohl Ja als auch Nein sagen, wenn man sie um Rat fragt", erklärte ich, woraufhin die Lippen des Elben sich zu einem Lächeln verzogen. „Das kann ich in dieser Angelegenheit nicht gebrauchen." „Es geht also um die Liebe", erkannte Legolas. Wie hatte er denn das herausgefunden? „Ja", nickte ich. „Weißt du ... ich bin mir nicht sicher, wie man herausfindet, ob man jemanden liebt und das so sehr, dass man die Person heiraten möchte oder nicht. Gibt es da einen Weg?" Mein Freund schwieg eine Weile. „Das ist in der Tat eine schwierige Frage, Nienná. Man sagt, dass wenn man bereit wäre für die andere Person die schlimmste Folter auf sich zu nehmen, diese von ganzem Herzen liebt und für den Rest seines Lebens bei ihr sein will", teilte er mir schließlich mit. Von seinen Worten bekam ich eine Gänsehaut. „Hannon le, Legolas", bedankte ich mich. „Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich jetzt gerne allein sein und darüber nachdenken." Der Elb verbeugte sich vor mir. „Wie du wünscht, Nienná. Wenn du mich brauchst, ich bin unten beim Fest." Damit drehte er sich um und ließ mich alleine. Die schlimmste Folter. Würde ich dies auf mich nehmen, um Gandalf zu beschützen? Doch. Ja. Zweifelsohne würde er dies auch für mich tun. Damit war der Fall klar.
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