Neue Gefahren
Wie lange würde es wohl dauern, bis jemand hinter unser Geheimnis kommt? Damian schaute mich an, schüttelte seinen Kopf und gab mir zu verstehen, dass ich mich nicht so sträuben solle.
"Du wirst bald die ganze Wahrheit erfahren!", toll schon wieder so ein nichtssagender Satz, der mich zur Weißglut brachte, aber diese abgedroschenen Floskeln war ich ja bei ihm mittlerweile gewöhnt. Langsam wurde es langweilig, immer dasselbe zu hören.
Colin war noch immer in seiner Verwandlungsphase, konnte noch nicht wieder aufs Schiff. Er tat mir fast ein wenig leid. Was hat er wohl in seiner Vergangenheit Schlimmes angestellt, dass er jetzt so hart dafür büßen muss? Das konnte ja eigentlich nur etwas richtig Schreckliches gewesen sein, sonst würde man ihn doch nicht so leiden lassen.
Auch wenn es nicht so aussah, spürte ich dass er sehr leiden musste, nicht körperlich, wohl aber in seinem Inneren. Sicher zugeben würde er das niemals, dafür spielte er allen zu gern den Knallharten vor. Doch ich konnte ja hinter seinen Kopf schauen ebenso wie Damian.
"Schön, dass du dich um ihn sorgst. Doch wir haben eine Aufgabe zu erfüllen.", war alles, was er mir dazu zu sagen hatte. Er ließ mich einfach nicht seine Gedanken lesen. Doch es wurde mir immer klarer:
"Er hat was zu verbergen.", nicht dran denken,...sonst weiß er es schon wieder. Aber ich hatte mich einfach nicht im Griff, wenn er in der Nähe war. Sogar Pat war das inzwischen aufgefallen.
"Süße, halte dich von ihm fern!", warnte sie mich Wenn das nur mal so einfach wäre, waren ja noch immer auf der Flucht vor meinem Großvater, zusammen auf einem Schiff...Keine Flucht möglich. Wenn es nach mir gehen würde, wäre ich noch auf der Insel und würde in Sams Armen liegen. Doch nach mir geht es hier ganz und gar nicht, wie man mir gleich beweisen musste.
"Komm, wir müssen reden! Aber nicht hier.", befahl Damian mir und ich wusste schon, was das zu bedeuten hatte. Ein Lüftchen um meine Nasenspitze und schon war ich mit ihm mal wieder verschwunden, außerhalb der Reichweite meiner Schwestern. Doch wo waren wir denn jetzt schon wieder angekommen ?
Anscheinend machte es ihm großen Spaß, mich immer woanders hin zu entführen, um mir seine Macht zu zeigen. Damian...von ihm war mal wieder nichts zu sehen oder hören. Ich stand an einem Strand, fast weiß war der Sand und die Möwen kreisten über mir. Und noch immer war von ihm nichts zu sehen.
Ich überlegte, ob ich mich vielleicht einfach ins Wasser begeben sollte, doch eine Stimme in mir rief:
"Lass diesen Unfug bleiben!", toll jetzt verdirbt mir sogar mein Unterbewusstsein den Spaß, meine nicht selbst gewählte Auszeit genießen zu können. Wo war ich denn nur? Keine Menschenseele zu sehen, kein Schiff, nichts. Totenstille...
Nicht mal Damian in seiner Verwandlung...Was hatte er mit mir gemacht? War ich wirklich hier oder nur in meinen Gedanken, Träumen? Das Wasser zog mich magisch an und eigentlich wollte ich gerade mit einem Fuß erkunden, wie kalt oder warm es ist.
Doch wieder die Warnung: "Lass es sein!", von wem sie kam, keine Ahnung. Mein Unterbewusstsein war es ganz sicher nicht. war es Damian oder Colin, der sich ganz in der Nähe befand und nicht zeigen konnte?
Gefangen in meinen Gedanken, ein Film lief gerade in meinem Kopf ab, achtete ich nicht darauf, dass plötzlich jemand hinter mir stand. Ich spürte nur den Hauch eines Lüftchens und schaute mich um.
Da war kein Damian und auch kein Colin. Nicht einmal Pat. Aber jemand, der mir sehr wohl bekannt war und mit dem ich nicht im geringsten gerechnet hatte. Nein, es war auch nicht mein Großvater oder eine seiner widerlichen Kreaturen aus der Hölle.
Es war ein mir wohl bekanntes Gesicht und trotzdem war ich sprachlos, ihn hier zu sehen. Ihn, von dem ich anscheinend doch nicht alles wusste und der mir auch nicht alles über sich verraten hatte. Aber warum war er jetzt hier und wie war er hierher gekommen?
Wer war er wirklich? Denn sein irdischer Beruf war ja wohl doch nur ein Alibi. Immer noch mit den vielen Fragen in meinem Kopf nahm er mich bei der Hand:
"Du wirst bald alles erfahren...", toll genauso schlau wie immer, war ich plötzlich wieder allein, direkt am Wasser stehend und die Sonne spiegelte sich darin. Hatte ich alles nur geträumt?
Ich wusste es nicht, konnte nicht zwischen Wahrheit und Traum unterscheiden. Eine ganz gefährliche Lage, in die mich wohl gerade hineinmanövriert hatte. Was sollte ich nun tun, was konnte ich tun?
"Hat er mit dir gesprochen?", wurde ich gefragt und ich erkannte Damian, der sich gerade mal wieder in mein Gehirn geschlichen hatte. Wütend, es nicht bemerkt zu haben, wollte ich nicht antworten.
"Schmollen nutzt hier nichts, ich erfahre es doch!", rief er triumphierend, womit er ja leider Recht behalten sollte. "Hmm", mehr gestand ich ihm nicht zu...wollte nichts mehr dazu sagen, noch immer geplättet, wen ich gerade zuvor gesprochen hatte.
Mein ganzes Leben war eine Lüge. Schmerzlich musste ich erkennen, dass sogar er, dem ich immer vertraut hatte, wohl irgendwie mit dazugehörte. Doch ich versuchte meinen Ärger runterzuschlucken. Da war noch jemand, den ich unbedingt wiedersehen musste:
Als ich in seine kleinen Kulleraugen blicken durfte, war mir wieder warm ums Herz und der Ärger verflogen. Wie lange ich fort war, wusste ich nicht. Jegliches Zeitgefühl war verflogen, verworrene Bilder...Pfeifen im Ohr, wohl als Ablenkung gedacht.
Endlich konnte ich ihn in meine Arme nehmen, seine Fläschchen geben und ihn anschließend versorgen, wie man es auch mit anderen Säuglingen machte. Nur dieser hier wuchs in rasender Geschwindigkeit und hatte wundervolle Kulleraugen, die mich anstrahlten.
Raven, der seinem Vater immer ähnlicher wurde. Was würde sich mein Bruder freuen, wenn er ihn hätte sehen können. Doch leider war es ihm nicht vergönnt. Doch ich wollte alles für die Sicherheit meines kleinen süßen Neffen tun und wenn es das letzte wäre, was ich für ihn tun könnte.
Ich legte ihn zurück in seine kleine Wiege und setzte mich direkt neben ihn, sang ihn ein Lied aus Kindertagen vor, dass mir meine Mama immer vorgesungen hatte. Er fuchtelte wie wild mit seinen kleinen Fingerchen umher und ich berührte seine kleine Hand.
Jetzt endlich wurde er ruhiger, lauschte meinem Gesang und schlief friedlich ein. Auf leisen Sohlen verließ ich den Bereich, der für Klein-Raven und Lilly war. Sie war noch immer ein wenig erschöpft.
"Ruhe dich aus, meine Schwester!", sagte ich zu ihr und sie nickte, rollte sich zusammen und ich deckte sie mit einer Wolldecke zu. So lange es möglich war, sollte sie wieder Kräfte sammeln. Und wenn ich sie entlasten konnte mit dem Kleinen dann tat ich das gern.
Ich spürte schon wieder meinen "unsichtbaren Schatten", der aber dieses Mal leise war, um den Kleinen nicht wieder aufzuwecken.
"Dein Glück!", drohte ich ihm und ging wieder an Deck. Der Mond stand schon weit oben und spiegelte sich im Wasser. Es war ruhig, zu ruhig für mich...
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top