Die Gefährten

Auch Lilly erledigte ihre Morgentoilette recht schnell. Wenn man bedenkt, was für einen riesigen Babybauch sie vor sich herschob, war sie wirklich schnell. Und sie jammerte kein bisschen. Sie war mit sich im reinen und auch mit dem Universum. Nun ging wir gemeinsam nach unten, wo Madame Desiree an einer reichlich gedeckten Tafel bereits auf uns wartete: „Ich sehe, ihr habt beide gut geschlafen!" und dann bat sie uns Platz zu nehmen an dieser langen Tafel.

„Ich wusste nicht was ihr mögt. Daher von allem etwas. Lasst es euch munden! Ihr habt nachher viel zu tun" und dann begann ein Festschmaus. Wir brauchten genug Energie, damit ich weiter die Zauberformeln und Zaubersprüche erlernen konnte. Andere hatten dafür Jahre Zeit und ich musste alles innerhalb weniger Wochen erlernen. Das war echt hart, aber ich hatte eine sehr schnelle Auffassungsgabe, viel schneller als andere.

Kurzzeitig dachte ich an Sam. Was würde er wohl jetzt machen? Ginge es ihm gut oder verzehrte er sich ebenso sehr nach mir wie ich nach ihm? Aber dafür war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Das Wohl der gesamten Menschheit stand auf dem Spiel. Und warum das alles? Nur wegen meines machtgierigen Großvaters, der allen seinen kranken Willen aufzwingen wollte. Doch ich würde ihn in die Knie zwingen.

Ich, seine Enkeltochter, die ihn mal verehrt hatte bis sie sein wahres bösartiges Wesen erkennen musste. Und ich hatte alle weißen Hexen und andere mystische Wesen auf meiner Seite und natürlich auch Mutter Erde, zu der ich jeden Morgen sprach. Das hatte mir Lilly inzwischen beigebracht. Ich begrüßte Tiere und Pflanzen, berührte Bäume und sprach mit ihnen und sie sprachen mit mir.

So erfuhr ich immer das Neueste. Und da gab es ja auch die Großmeisterinnen, die ganz andere Fähigkeiten hatten. Da war ja Madame Luna, Madame Sole und jetzt Madame Desiree und die anderen würde ich sicher auch noch kennenlernen. Zumindest ging ich davon aus, dass mein Großvater uns schon bald wieder aufspüren würde. Irgendein Spion würde sicher bald hier wieder auf der Matte stehen.

Also wollte wir die Zeit gut nutzen, eben so lange wir dies ungestört konnten.Wo waren denn unsere Gefährten? Lange haben sie sich nicht gezeigt. Aber ich musste bloß an White Wolve denken und schon erschien er vor mir und wollte entsprechend begrüßt werden. Er ließ sich eine ganze Weile von mir kraulen und dann verzog er sich wieder außerhalb meines Dunstkreises. Er wusste genau wann er störte, hielt sich aber immer in meiner Nähe auf.

Lilly und ich, wir zogen uns in die große Bibliothek von Madame Desiree zurück und begannen weiter zu lernen und zu üben. Inzwischen beherrschte ich mehr als dreitausend neue Formeln und konnte sie auch anwenden. Aber ich musste noch viel mehr lernen. Also gingen wir nach draußen, direkt in die Natur. Lilly fühlte sich dort am wohlsten. „Spürst du die Kraft die ausdieser Umgebung kommt? Kannst du sie fühlen?

"Du musst sie dir zueigen machen und kanalisieren. Ich zeige dir wie das geht!" und schon berührte sie die Bäume, Sträucher, Tiere und schloss dann ihre Augen, murmelte eine für Außenstehende unverständliche Formel und plötzlich veränderte sich das Wetter. Es lag ein Säuseln in der Luft. Sie hatte die Kraft aus ihrer Umgebung gezogen. „So und jetzt du!", rief sie mir zu und ich tat es ihr gleich.

Allerdings ging ich in die Knie und berührte die Erde. Das war ja Lilly mit ihrem dicken Babybauch nicht mehr möglich. Bei mir allerdings wurde es nichts mit einem kleinen Säuseln. Ich entfesselte ein ganz anderes Wetter: viele Blätter bildeten einen Kreis um mich herum, Vögeln schwirrten durch die Luft und vollzogen ebenso einen Kreis, Bäume sprangen aus der Erde und konnten sich plötzlich in meine Richtung bewegen.

Lilly rief nur noch: „Ich werde nach drinnen gehen!" und schon war sie verschwunden. Ich hatte Megakräfte entfesselt und als ich den Spuk beendete, dankte ich der Natur auf meine Weise. Ich ließ es regnen. Die Bäume waren wieder in der Erde und die Blätter hingen an ihnen als wäre nichts gewesen, Vögel saßen in den Baumwipfeln und zwitscherten. Es wurde wieder ruhiger. Dann ging ich zurück ins Haus.

„Siehst du, was du für Kräfte entwickeln kannst?", wurde ich von Madame Desiree gefragt. „Du hast die Gabe von deinen Eltern erhalten, von beiden Seiten nur das Beste. Das ist selten in der Natur!", rief Lilly und ich sah wohl ein wenig erschüttert aus. Bis vorhin wusste ich nicht, dass ich solche Kräfte entfesseln konnte. Nun war mir auch klar, warum mein Großvater mich unbedingt auf die dunkle Seite ziehen wollte.

Er wusste genau, dass ich ihn mit ein wenig Übung besiegen konnte. Aber das sollte nie passieren. Lieber wollte ich noch mehr Formeln und Sprüche lernen. „Jetzt musst du dich erst einmal ausruhen, damit du wieder zu Kräften kommst!" und ich legte mich in mein Bett, was irgendwie anders roch. Meine Wahrnehmung hatte sich verändert. Ich konnte kleinste Teilchen erkennen, so wenn in einer Lösung etwa nur ein Spritzer drin ist.

Ich konnte besser hören, sehen und fühlen. Das Universum meinte es anscheinend gut mit mir. Inzwischen wusste ich, dass man seinen Gefährten auch niemals verärgern sollte. Eine andere Hexe hatte das mal getan und war von ihrem eigenen Gefährten angegriffen worden. Das Ende vom Lied: es gab einen heftigen Kampf und sie musste zeigen, dass sie seiner würdig war.

Wenn ein Tier sich abwendet, dann hast du fast keine Möglichkeit mehr das ins Gute zu ändern. So etwas sollte mit mir und White Wolve nie passieren. Dafür liebte ich Tiere viel zu sehr. Ich könnte mich niemals gegen meinen eigenen Gefährten stellen. Niemals!



Als könnte er meine Gedanken hören, stand er plötzlich direkt vor mir. Ich konnte einfach nicht mehr anders, musste ihn berühren, ihm sein seidiges Fell kraulen. Und er ließ es sich gefallen, genoss es einfach. Sein Herzschlag war im Gleichklang mit meinem. Wir waren verbunden und sind es noch immer.

Sprachlos, wie so etwas möglich ist. Denn nun hatte ich nicht nur ihn um mich, sondern auch noch den schwarzen Raben von Madame Luna, der mir einfach nicht mehr von der Schulter weichen wollte. Und warum, konnte mir keiner der Schwestern erklären. Hatte es mit meiner Herkunft zu tun, mit meinen Fähigkeiten, mit meinem ganzen mystischen Wesen?

"Warum nur träumte ich immer von einem schwarz-grünen Raben? "Kopfschütteln...

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