Der unsichtbare Feind

Dass es sogenannte Formwandler gibt, hatte man mir bereits gesagt, doch dass wir auch einen hier unter uns haben würden, war mir bisher nicht aufgefallen. "Wie kann ich ihn denn erkennen?", fragte ich Damian und versuchte sich um eine Antwort herumzumogeln, was ich aber nicht mehr zulassen konnte. Es stand einfach viel zuviel auf dem Spiel für uns alle.

"Ihn umgibt eine schwarze Aura und Kälte, das kannst du spüren.", was ich mir nicht wirklich vorstellen konnte. Doch ich sollte bald seine Bekanntschaft machen, unfreiwilligerweise. Dass ich ihn schon längst gesehen hatte, wollte mir nicht so recht in den Kopf. Doch als ich das letzte Mal fern meiner Schwestern war, hatte er mich schon getäuscht, was ich nicht wissen konnte. Ich spürte damals nur diese Kälte, die verschwunden war als er es auch war.

Was für ein Gewirr gerade in meinem Kopf. Es reicht doch jetzt langsam mal. Auf was muss ich denn noch alles aufpassen? Kann ich denn hier niemanden mehr trauen? Was war ich gerade wütend auf alles und jeden. Am liebsten hätte ich getobt und alles von Bord geworfen was mir in die Finger gekommen war. Doch noch konnte ich mich im Zaum halten. Nur wie lange noch?

Da ich sowieso ein recht impulsiver Mensch war und noch immer bin, dürfte das ganz schön schwer werden mich zu beherrschen. Und jetzt wo ich auch noch Kräfte haben, sollten mir nur nicht die falschen Leute über den Weg laufen. Dieser Formwandler konnte also jeder sein, der hier an Bord war und noch ist.

Ich musste also fortan sehr vorsichtig sein, wenn ich mich mit irgendjemanden telepathisch unterhalten wollte. Hoffentlich war es noch nicht zu spät, wusste ja nicht welchen Schaden er bereits angerichtet hatte. Doch da ich wusste, wie man ihn erkennen kann, sollte er nicht mehr so ein leichtes Spiel mit mir haben.

Das wäre auch viel zu komisch für mich gewesen, wenn mein bester Freund wirklich mit uns gehören würde. Obwohl unmöglich war ja bekanntlich hier gar nichts mehr, Überraschungen gab es einfach genug in letzter Zeit und mein Bedarf gedeckt. Doch wo blieb denn Damian, lange nichts von ihm gehört.

Wie auf ein Stichwort spürte ich seinen warmen Atem plötzlich hinter mir. Er konnte sich wirklich anschleichen wie das Tier in ihm. Langsam sollte ich daran gewöhnt sein, aber es war doch immer anders. So wie eben auch sein Tier sich in der Natur anders verhielt bei ihren Beutezügen. Ich wusste mal wieder alles und auch nichts.

Er spürte meine innere Zerrissenheit und versuchte mir zu helfen, so gut er eben konnte. Doch auch er war sehr vorsichtig geworden. Nachdem wir also beide wussten, dass wir nicht der Eindringling waren, konnten wir wieder zur Tagesordnung übergehen. Doch irgendwie war heute keiner von uns so richtig bei der Sache. Doch wollten wir uns schon wieder vom Schiff stehlen?

"Noch nicht mal den Gedanken zu Ende denken darf ich..." und überschüttete ihn mit meinem Redeschwall. Schon waren wir außer Reichweite von allen anderen. Nur von einem Luftzug konnte wohl dieses Mal keine Rede sein, eher ein Hauch. Wollte er sich nicht verraten oder warum nur war es so anders.

Angekommen auf einer Blumenwiese, voll mit den prächtigsten Blumen, die man sich nur vorstellen konnte, stand er hinter mir. "Warum so geheimnisvoll?", wollte ich von ihm wissen. Doch eine Antwort bekam ich vorerst nicht. "Konnte ich ihm überhaupt vertrauen?", fragte ich mich, als er mir als meine Antwort ein paar dieser wunderbar duftenden Blumen gab.

"Ist dir das Antwort genug?", beschämt schaute ich ihn an. Perplex und sicherlich lief ich gerade rot an wie eine Tomate, versuchte meinen Fauxpas zu verstecken, was mir nicht wirklich gelang. Ihm umgab eine warme Aura, die ich farblich zwischen rot und gelb, aber keinem klaren orange einordnen konnte.

"Ja, ich war nun auch noch eine Auraseherin.", was mich nicht minder überraschte. Langsam aber genug, was mir meine Eltern vererbt hatten. Zuviel für einen allein, doch nicht zu ändern, war eben so. Ich fügte mich in das mir auferlegte Schicksal, war noch als einzige übrig von unserer Familie, zusammen mit dem kleinen Raven, der rasant heranwuchs.

Ich hoffte, dass man ihn während meiner Abwesenheit hier gut beschützen würde. Nicht auszudenken, wenn mein Großvater ihn in die Hände bekäme. "Du kannst beruhigt sein, für seinen Schutz ist gesorgt!". Wie konnte er nur so sicher sein?

Er strahlte trotz der ganzen Flucht eine für mich merkliche Ruhe aus, die ich mir nicht erklären konnte. Doch Damian war von seinem Wesen her etwas Besonderes, verstanden uns ja wortlos. Nachdem ich nun also seine Aura kannte, fragte ich natürlich auch nach meiner.

"Deine ist etwas ganz besonderes.", sagte es mit einem Ton, der mir die Nackenhaare zu Berge stiegen ließ. Was hatte er für eine Wirkung auf mich. "Nicht dran denken...", suggerierte ich mir immer wieder, was nicht so recht klappen wollte.

"Erwischt...", sagte er spöttisch. "Nun sag mir doch endlich die Farbe meiner Aura!", bettelte ich förmlich. Doch er machte sich einen Spaß daraus, dass ich sie nicht selber sehen konnte. "Dann eben nicht!", sagte ich trotzig wie ein kleines Kind, dem man gerade sein Lieblingsspielzeug weggenommen hatte.

Wie das bei ihm ankam, war mir sowieso egal, hatte er mich doch gerade auf die Palme gebracht. Warum nur sagte er mir die Farbe meiner Aura nicht? Was war so schlimm daran sie zu kennen? Was soll ich sagen, wartete und wartete...noch immer keine Antwort, wollte endlich hier wieder weg.

Aber nein der Herr ließ es nicht zu, warum auch immer. "Wenn du mich nicht...", stampfte wütend auf den Boden, der nachzugeben schien. Vorsichtig trat ich ein wenig beiseite, denn was sich jetzt zeigte, musste ich genauer unter die Lupe nehmen.

Gerade noch rechtzeitig war ich zur Seite gesprungen, wie von einer inneren Kraft getrieben, buddelte sich doch gerade etwas von unten nach oben. Beim näheren Hinsehen zeigte sich eine kleine silberfarbene Robbe mit braunen Kulleraugen. Was sollte ich denn jetzt davon halten?

Und Damian war mal wieder verschwunden. Auch nichts Neues mehr für mich, wollte hinter sein Geheimnis kommen, wenn er mich denn ließe. Aber der war schon ein Sturrkopf, würde es mir nicht so einfach machen. Ich musste selbst darauf kommen, durfte es mir nicht sagen.

Eigentlich wollte ich die niedliche Robbe berühren, meine innere Stimmung aber mahnte mich mal wieder zur Vorsicht. Ich war neugierig, aber war vorsichtiger seit ich von dem Formwandler wusste. Und auch unsere Freunde konnte uns ja eine Falle gestellt haben.

"Oh, verdammt!", fluchte ich, musste wirklich noch so viel lernen - wie man mit allem hier umgeht und auch sonst so. Eben eine Hexe, die sich noch immer in der Ausbildung befand. Klar, ich wusste nun schon mehr als vor ein paar Wochen, doch reichen...

Ob es mir im Kampf gegen meinen Großvater helfen konnte, würde ich erst bei der Konfrontation mit ihm sehen, die ja unausweichlich vor mir stand.








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