2. Kapitel

"Am Ende bereut man nur das, was man nicht getan hat." ~ unbekannt

Vier Wochen später kam er von der Tagesklinik zurück nach Hause. Er war bereits seit 12 Tagen dort angemeldet und ging auch fleißig hin, damit Mrs Hudson nicht noch mehr Sorgen hatte. Aber eigentlich war er noch kein Stück vorangekommen.

Gedankenverloren lief er die Straße entlang. Er fühlte sich alt, so unendlich alt. Er achtete nicht auf den Weg, bis er merkte, dass er in der Northumberlandstreet gelandet war. Schräg gegenüber, auf der anderen Straßenseite, war Angelos Restaurant. Die Tür war mit einem Eisengitter versperrt, von dem bereits der Lack abblätterte. An den kaputten Fenstern liefen die Regentropfen herab und innen war alles dunkel und leer. Es war nur noch eine leere, traurige Hülle, die sich nach außen hin mit einem Eisengitter versperrt hatte. Angelo hatte kurz nach Sherlocks Tod geschlossen.

John merkte, wie ihm erneut Tränen die Wangen hinunterliefen und sich mit dem kalten Regen vermischten. Süß vermischte sich mit salzig.

Hier hatten sie ihren ersten Abend verbracht. Als Sherlock dachte, John hätte Interesse an ihm, war John aufrichtig, als er dies verneinte. Damals war er sich noch nicht über seine Gefühle im Klaren. Er hatte so viel versäumt, so viel Zeit verschwendet. Wer weiß, ob Sherlock noch leben würde, wenn er sich selbst nicht so belogen hätte?

Er schluckte den Kloß im Hals herunter und machte sich auf den Weg in die Baker Street. Mrs Hudson würde sicher schon auf ihn mit dem Essen warten. Sie kochte jeden Abend für ihn, obwohl er fast nie etwas aß. Mit zitternden, regennassen Händen schloss John die Tür auf.

Ohne Sherlock wirkte alles kalt und leer. Sowohl sein Inneres als auch seine Umgebung.

Mrs Hudson kam aus ihrer Wohnung und versuchte, ihn anzulächeln. Aber John sah genau, dass ihre Augen rot und verquollen waren. „John, da sind Sie ja. Ich habe wieder für Sie Essen gemacht“, sagte die ältere Dame mit sanfter Stimme.

„Danke, Mrs Hudson, aber ich habe keinen Hunger.“, John stieg die Stufen hinauf zu ihrer Wohnung. Wenn er abends von der Arbeit nach Hause gekommen war, hatte er auf der Treppe schon Sherlocks Geigenspiel vernommen. Einmal hatte der Detektiv ein Stück für John komponiert, als eine Frau ihn wieder versetzt hatte. Es war ruhig, melancholisch und das schönste Stück, dass John je gehört hatte. Und es hieß „Für John“.

John ließ sich erschöpft in seinem Sessel nieder. Er hatte alles so gelassen, wie es war: Das Mikroskop auf dem Tisch, die Kartons mit den Versuchsobjekten, die Einmachgläser mit Augen, die aufgespießten Schmetterlinge auf dem Kaminsims und vor allem: seinen Sessel. Wenn es ganz still war, konnte John seine Stimme hören.

Genervt, weil Anderson ihn nicht an die Leiche lassen wollte.

Der leicht aristokratische Tonfall, wenn er fragte, ob John ihm sein Handy reichen würde.

Wütend, wenn Mycroft sich wieder in sein Leben einmischte.

Mit einem Anflug von Zuneigung in der Stimme, wenn er über Mrs Hudson redete.

Voller Energie und mit leuchtenden Augen, wenn es einen neuen, interessanten Fall gab.

Jedes Mal, wenn er sagte, es sei Weihnachten, hatte John sich insgeheim für ihn mit gefreut. Er liebte den leicht kindlichen, fröhlichen Sherlock, der sich mit Feuereifer auf einen neuen Fall stürzte.

John wünschte sich, Sherlocks Augen würden so leuchten, wenn er über ihn sprach. Aber er wusste, dass es utopisch war. Und selbst wenn: Er würde es nie herausfinden. 

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Dieses Lied habe ich in Dauerschleife während des Schreibens gehört: 

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