Nine

Nine:
Beerdigungen sind schmerzhaft

vier Jahre später:

„Du weißt schon, der geht nicht auf mich", zeigte ich auf mich, lachte kopfschüttelnd.

„Kein Ding, ich kann das handhaben", winkte Beck es ab, grinste und holte einen Löffel hervor – aus ihrer Jeans.

„Mag ich wissen, wie lang der darin schon sitzt?", hakte ich pikiert nach.

„Nop", schüttelte sie ihren Kopf. „Wann ist's eigentlich endlich vorbei?"

Ich sah auf meine Armbanduhr. „In einer Stunde haben die beiden Schluss und dann können wir ab zur Bar."

„Yey, saufen", summte sie, stopfte sich Eis in ihren Mund. „Auch mal?", mampfte sie, deutete darauf.

Ich schüttelte den Kopf, lehnte mich zurück und hob beide Hände an. „Ich möchte mich nicht mit dem Süßkram vollfressen."

Sie schaute resigniert. „Du frisst seit ich dich kenne mindestens drei Packungen Chips pro Woche."

„Chips sind aber kein Eis", legte ich den Kopf schief.

„Einmal die Haselnusscrispies zum Mitnehmen." Ich sah stirnrunzelnd zur Seite. „Danke, Chad."

„Für dich alles, Nat."

Ich legte den Kopf schief. „Wer ist das?", hakte ich nach, sah wieder zu Becka, deutete aber mit dem Daumen leicht auf die Person am Tresen. Für gewöhnlich waren wir am Abend die einzigen, die hier noch saßen und was bestellten.

„Romanoff", mampfte sie. „Ist eine der Eliteagenten."

Ich rollte prompt mit meinen Augen als sie wieder das Wort „Elite" in Verbindung mit „Agenten" brachte. Das sagte sie immer, wenn sie von Agenten über Stufe sechs redete. Das waren für sie die Snobs bei Shield.

„Du bist mir auch so ein Eliteage-"

„Abend, Wesfield."

Becka sah zur Seite, schluckte dann aber. „Romanoff", nickte sie, ehe sie sich wieder ihrem Eisbecher Deluxe zuwandte.

„Abend...?" Sie zog eine Augenbraue hoch als uns die Glocke mitteilte, dass noch jemand den Laden betrat.

„Cullen", sagte ich ihr. „Ginny Cullen."

Ihre Mundwinkel zuckten. „Ah, Furys Favoritagentin bei den Neuen", wackelte sie leicht mit ihren Augenbrauen. Ich sah Becka fragend an, die allerdings nur hochsah – und weiterfraß, wobei sie sich mit Eis am Kinn beschmierte.

„Miss Romanoff, könnten Sie nicht einfach sagen, Sie hätten mir nun alles gezeigt und ich kann nach Hause?"

Die Augenbrauen zusammenziehend drehte ich mich auf der Bank um, hob aber beide Augenbrauen als ich nach oben starrte. Ein großer Mann. Groß, blond, stahlblaue Augen und einen perfekt geformten Mund, als hätte Gott ihm diesen persönlich geformt. So einen Mund hätte ich auch gern besessen. Leider hatte ich kleine Minischlitze als Öffnung für meine Nahrung.

„Rogers, ich wäre nicht ich, wenn ich Ihnen nicht mindestens die besten Crispies der Stadt zeigen würde."

„Was sind Crispies?"

„Kommen Sie vom Mond?", entfuhr es Becka und sie wischte sich mit einer Serviette über ihren unteren Gesichtsbereich. „Das Beste, was man gegen einen Kater tun kann."

„Sie schmeißen mit Essen nach einem Tier?", hob er fragend eine Augenbraue und sah mich an, legte dann allerdings den Kopf schief – und wurde einige Sekunden später etwas rot um die Wangen.

„Einen Kater hat man auch, wenn man zu viel Alkohol getrunken hat, Rogers", schmunzelte Romanoff.

„Alles in Ordnung, Sir?", hakte ich nach.

Er nickte leicht. „Eh, ja." Er blinzelte und sah dann wieder die rothaarige Agentin vor uns an.

„Nat, dein Essen!" Agent Romanoff drehte sich um und lief zum Tresen.

„Ich wünsch Ihnen beiden noch einen schönen Abend, Ladies." Ich lächelte leicht, legte den Kopf schief.

„Wie heißen Sie?", hakte ich nach. Er zeigte auf sich. Ich sah mich kurz im Lokal um. „Ehm, ja, Sie, Sir", lächelte ich.

„Eh, Steve. Steve Rogers."

Ich öffnete leicht meinen Mund. „Wie der Captain America?", hakte Becka stirnrunzelnd nach. „Ist der denn nicht vor einigen Wochen aufgetaut worden? Wie so mein schmelzendes Eis?", deutete sie auf ihren großen Eisbecher.

„Becka", mahnte ich sie schockiert. Denn wenn dies Steve Rogers aka Captain America war, von dem uns allen im Geschichtsunterricht erzählt wurde, dann sollte man nicht so taktlos sein. Vor allem nicht, wenn er erst seit einigen Wochen wieder, naja, „am Leben" war.

„Und wie heißen Sie?"

„Kommen Sie, Romeo?" Rogers zuckte zusammen, lächelte leicht.

„Schönen Abend, Miss."

Ich drehte mich auf der Bank um als er davonlief, legte den Kopf schief. „Ich habe Ihnen meinen Namen gar nicht verraten, Captain."

Allerdings erhielt ich keine Antwort mehr.

Nur die von Becka als ich mich umdrehte und ihr ins Gesicht sah, während sie mit den Augenbrauen wackelte. „Ich rieche endlich, dass eine Cullen hier flachgelegt werden wird."

Ich seufzte resigniert. „Du bist scheiße, Wesfield."

„Genau aus diesem Grund bin ich deine beste Freundin."

----------

ein Jahr später:

„Hey, Cullen." Ich zuckte zusammen, sah von meinen Händen auf. „Alles okay mit dir?", fragte Perry.

„Klar", verdrehte ich meine Augen. „Wie soll's mir auch gehen?", meinte ich sarkastisch, vergrub mein Gesicht dann doch in meinen Händen und fuhr mir damit darüber.

„Naja", sagte er. „Du hast es ja grad drin in Furys Büro gehört." Er seufzte, setzte sich neben mich. „Was passiert ist", nuschelte er, rieb mir bemitleidend kurz über den Rücken.

„Ja, aber mir geht's gut", stellte ich klar. „Wenn du mich jetzt entschuldigst", sagte ich, stand auf. „Ich fahr nach Hause." Um endlich in Tränen ausbrechen zu können, wollte ich einfach nur alleine sein.

„Kannst du fahren?"

Ich rollte mit den Augen, zog die Augenbrauen zusammen als ich mich zu ihm umdrehte. „Für wen hältst du mich?!", hakte ich nach. „Lorelai?! Ich bin zurechnungsfähig", schnaubte ich, ehe ich mich umdrehte und zu meinem geparkten Wagen lief.

-----------

Ich wurde heute früh in das Büro von Fury zitiert, weil es Nachrichten von Becka gab. Also machte ich mich schnell fertig, aß in schnelle mein Frühstück auf, trank den Kaffee aus, zog mich an und fuhr zum Triskelion.

Dort ging ich schnell durch die Schleusen, traf schon auf halbem Wege auf Lorelai und Perry.

„Hey, Cullen."

„Hey, ihr zwei", antwortete ich zwinkernd – und nichts ahnend.

„Wie war das freie Wochenende bei deiner Familie?", fragte mich Lorelai.

„Gut", nickte ich auf dem Weg zum Fahrstuhl und schnallte mir meine Kabel um die Hüfte, ehe ich mir mein Funkgerät ins rechte Ohr steckte. „Die Schwester meines besten Freundes hat ihr Kind bekommen, ein zuckersüßer Junge", erzählte ich ihnen. „Ihr solltet ihn mal sehen", schwärmte ich und Perry schnaubte. „Warts nur ab, bis deine Freundin schwanger wird, Freundchen", drohte ich grinsend.

„Der Tag, an dem dies geschieht, da geht die Welt unter", schmunzelte Lorelai. „Perry hasst Kinder, das weißt du."

„Die sabbern, liegen doof in der Gegend rum, scheißen einem alles voll und man muss sie auch noch füttern", wehrte er sich.

„Also wie du?", neckte ich als ich auf den Fahrstuhlknopf drückte.

Wir fuhren also hoch zu Fury ins Büro – und ich dachte mir nichts Übles. Es kam öfters mal vor, das Becka ein paar Tage allein auf Missionen ging, weil ich Urlaub hatte. Es kam auch schon zweimal vor, dass ich alleine auf Mission ging, weil sie Urlaub für sich alleine in Thailand gebucht hatte.

Immerhin brauchten auch Agenten mal eine Pause.

Ich war gerade auf dem Flur, da lief uns Rumlow entgegen, während noch ein paar Agents auf dem Flur standen.

„Hier ist ja heute viel los", sah sich Lorelai um.

„Da gebe ich dir ausnahmsweise mal recht", murmelte Perry als Captain Rogers aus Furys Büro trat.

Es kam ab und an immer mal wieder vor, dass man ihn hier antraf. Aber er verschwand immer wieder. Viele munkelten, er lehne das Jobangebot Furys immer wieder ab, aber dieser wollte nicht lockerlassen.

Bis heute hatte mich Rogers nicht nach meinem Namen gefragt – und ich zweifelte dran, dass er mich überhaupt noch im Gedächtnis hatte.

„Agents", begrüßte er uns als er an uns vorbeilief. Nur das Perry mich in dem Moment einfach anrempelte und ich stolperte, war nicht geplant.

„Entschuldigung", sagte ich erschrocken als Rogers mich wieder auf die Beine stellte, Perry weiterlief und Lorelai einfach mit böser Miene stehenblieb und auf mich wartete.

„Keine Ursache, Ma'am", nickte er, ließ mich los. Ich schluckte, sah zu ihm hoch. „Kenne ich Sie nicht irgendwoher?"

Ich lächelte leicht, setzte mich dann aber in Bewegung. „Vielleicht", antwortete ich ihm als ich zurücksah.

„Was sollte der Scheiß, Perry?", hakte Lorelai nach als wir nun alle endlich vor Furys Büro hielten.

Er verdrehte die Augen und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Noch nie bemerkt, wie sehr Ginny ihn anschmachtet? Ich hab ihr nur einen Gefallen getan."

„Ich schmachte hier niemanden an", stellte ich klar. „Ich bin als Single ganz zufrieden."

„Du magst also niemanden haben, in dessen Armen du abends einschlafen kannst?", zog er belustigt eine Augenbraue hoch, beugte sich mit seinem Gesicht zu mir herunter. „Niemanden, der dich voller Erwartung auszieht, sich in dir vergräbt und dich so hart-"

„Ich unterbreche das hier mal an dieser Stelle", wedelte Lorelai mit ihren Händen und brachte einen Sicherheitsabstand zwischen uns. „Perry, hör auf, so ein Arsch zu sein. Wenn sie sagt, sie ist zufrieden mit ihrem Leben, ist sie das."

Ich hob meine Hand und klopfte einfach. Auf weiteres Getrödel der beiden hatte ich keine Lust. Auch wenn ich selbst mit dran schuld war.

Ich hörte ein gedämpftes „Herein".

Nur sobald ich das Büro betrat, wusste ich, das was schlimmes passiert war. Denn Fury sah so ernst aus... Okay, er sah immer ernst aus – doch noch ernster als sonst. Ernster als ernst.

„Hier sind wir, Director", sagte ich. „Sie wollten uns sprechen?"

„Schließen Sie die Tür, Wesley."

Perry schloss die Tür. „Sir?", hakte Lorelai nach als sie auf die drei Stühle blickte.

„Setzen Sie sich", wies er uns an. Ich sah Perry an als wir uns setzten.

„Sir?", hakte ich nach ein paar stillen Minuten nach, in denen er uns betrachte.

„Ich hab schlechte Nachrichten." Das fing nicht gut an. „Wie Sie alle sicherlich wissen, war Agent Wesfield dieses Wochenende alleine zur Mission nach Bulgarien unterwegs." Wir nickten. Nur ich irritiert. Wo waren Lorelai und Perry dieses Wochenende gewesen? „Agent Wesfield wurde schwer verletzt." Ich hob beide Augenbrauen, während ich ein Knirschen vernahm, zu Perry sah.

„Wie schwer, Sir?"

Er seufzte. „Heute Morgen wurde uns bescheid gegeben, dass sie ihren Wunden im Krankenhaus doch erlag."

„Und wieso wurde von uns keiner benachrichtigt?", zog ich eine Augenbraue hoch und er sah zu mir. „Ich weiß, dass ich ihre Notfallperson bin." So war sie seit drei Jahren auch meine.

„Gestern Abend hatte Wesfield noch verlauten lassen, dass sie nicht mochte, dass einer von Ihnen benachrichtigt wird." Ich zog eine Augenbraue hoch als er uns eine Akte hinlegte. Perry und ich sah darauf. „Ihre Unterschrift ziert das Papier. Sehen Sie's sich an, Cullen." Ich zog eine Augenbraue hoch. „Mein aufrichtiges Beileid, Agent Cullen", sagte er. „Mehr kann ich Ihnen nicht ausrichten. Es tut mir leid."

---------

In meiner Wohnung angekommen legte ich mich ins Bett – und ließ letztendlich meinen Gefühlen doch noch freien Lauf.

Ich weinte, schrie, fluchte laut und warf etwas gegen die Wand. Nun gut. Nicht etwas, sondern mein Haustelefon.

Und dieses warf ich gegen die Wand als es klingelte. Nur danach klingelte auch noch mein Handy. Doch ich wusste, wenn ich dieses jetzt auch noch kaputtbekam, dann konnte man mich nicht mehr erreichen und mein GPS viel aus. Ich hatte nicht unbedingt jetzt schon Lust auf Besuch von Agents, weil ein Notruf automatisch losgeschickt wurde, sobald mein Telefon zu Bruch ging.

Ich sah auf das Display, las Rosalie und wischte mich über mein Gesicht, um meine Tränen etwas weniger werden zu lassen. Nur ich wischte mir meine alten Tränen aus dem Gesicht. Es kamen immer wieder neue.

„Hallo?", schniefte ich, setzte mich auf.

„Hey, eh-"

Ich seufzte. „Rosalie, ist es gerade dringend?", fragte ich nach, biss mir auf meine Unterlippe.

„Du klingst nicht gut", sagte sie. „Ist irgendetwas passiert? Möchtest du über etwas sprechen?", fragte sie mich.

„Nein, alles bestens", verdrehte ich meine Augen. Wir hatten uns doch erst am Wochenende gesehen. Wie konnten die glauben, nach nur vierundzwanzig Stunden würde die Welt immer gleich untergehen, wenn ich zurück nach Washington ging? Gut, diesmal war meine Welt am Bröckeln, doch das konnten sie ja nicht ahnen. „Ich habe mich gerade nur über etwas aufgeregt", wich ich ihr aus. „Könnten wir vielleicht später telefonieren?", meinte ich, merkte wie mir die Tränen erneut die Wangen hinunterliefen.

„Okay", erwiderte Rose nur verwirrt. „Aber wirklich später tele-", ich legte auf.

------

Ich fragte mich, warum ich – nachdem ich drei Tage durchgeweint hatte – bisher den ganzen Tag keine einzige Träne ausgespuckt hatte.

Die Beerdigung ging wie ein Schleier an mir vorbei. Gut, ich war nicht einmal dagewesen. Ich hatte mich davor gedrückt. Becka hatte mal gesagt, sollte ich je ins Gras beißen, würde sie aus Prinzip nicht zu meiner Beerdigung gehen, weil dies das Ende eines Weges bedeutete. Und diesen, hatte sie gesagt, war sie nicht bereit, mit mir zu gehen. Und ich war ihn heute nicht bereit, mit ihr zu gehen.

Also blieb ich Zuhause in all meinen schrecklichen Pyjamaklamotten, fraß Camembert und Eis und Chips und guckte mir meinen Lieblingsteil von Men in Black an. Immer und immer wieder. Bis mich das Bedürfnis überkam, gleich kotzen zu müssen, weil ich schon auswendig mitsprechen konnte.

Doch als mein Handy klingelte – ich hatte mir auch kein neues Haustelefon besorgt – seufzte ich. Vor allem seufzte ich nochmal, sobald ich eine Nummer auf dem Display aufleuchten sah, die mich mit Sicherheit gleich unter die Dusche befördern würde.

„Ja?", ich legte meine Füße auf meinen Couchtisch.

„Agent Cullen, schön, von Ihnen zu hören, dass Sie noch leben."

Ich sah gegen die Decke. „Ich hab mich krankgemeldet, das wissen Sie, Sir", versuchte ich mich voreilig rauszureden, meine Couch verlassen zu müssen. Sie war gerade so gemütlich.

„Bewegen Sie Ihren Arsch von Ihrer Couch und machen Sie sich auf den Weg." Ich seufzte. Wieso wollte ich nochmal so einen anspruchsvollen Job? Ich sah mich in meiner Wohnung um, wo jedes Teil von mir hart erarbeitetet worden war. Stimmt, deswegen. „Ich möchte Sie in einer Stunde in meinem Büro antreffen."

Ich hätte kotzen können.

-----------

Datum der Veröffentlichung: 17.06.2019 17:42 Uhr

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top