Schon waren es dreizehn
Das Wetter wurde immer schlimmer und wir hörten von weitem das Krachen von Fensterscheiben. Doch nach draußen gehen, konnten wir noch immer nicht. Das Heulen des Windes klang um ein Vielfaches stärker als beim ersten Sturm, den ich hier miterleben musste.
„Was soll das noch werden?", fragte ich mich.
„Warum habe ich es nur bis hierher geschafft?". Fragen, die ich mir momentan noch nicht beantworten konnte. „Ach, was soll's, es ist jetzt eben so und nun gut!". Ich musste mich wirklich dringend mit irgendwas beschäftigen.
Also nahm ich Susanne etwas genauer unter die Lupe, kontrollierte ihr Allgemeinbefinden und fragte sie aus, was sie für Medikamente nehmen müsste und ob sie die bei sich hätte. So erfuhren wir, dass sie immer eine Art „Überlebenspaket" mit sich führen würde. Darin waren alle Medikamente, auch ihr Insulin, was für mehrere Wochen reichen würde.
Diese packte ich natürlich sofort ins Kühle. Natürlich wollten wir morgen versuchen, auch nochmal in ihr Haus zu können und noch einiges da rausholen zu können.Vielleicht hatten wir ja Glück. Sie war froh, dass wir sie hier aufgenommen hatten, trotz dass wir schon so viele waren.
„Das macht man unter Freunden so!", rief Matthis und sie nickte. Dann hörte man ein leises „Danke" von ihr und langsam wurde sie auch müde. Also deckte ich sie zu und ließ sie in Ruhe einschlafen. Sie hatte es wohl bitter nötig. Wenigstens war sie jetzt nicht mehr so durchgefroren. Und es dauerte auch nicht lange, da war sie eingeschlafen und man hörte sie laut schnarchen.
Das war zumindest ein gutes Zeichen. Wer weiß, was sie uns noch alles erzählen würde. Doch jetzt sollte sie erst einmal ihre verdiente Ruhe haben. Die anderen zogen sich nach nebenan zurück und die Männer tranken 'nen Kurzen und die Frauen heißen Tee mit Rum. Daran waren sie gewöhnt und dass haute sie auch nicht so leicht aus den Socken.
Sam und Hope bekamen heißen Kakao und so lauschten alle andächtig dem Heulen des Windes. „Krach, bum,...war war das denn gerade?, fragte sich Thiess und wollte nachsehen. Doch Claas konnte ihn gerade noch davon abhalten. „Das bringt jetzt nichts! Warte ab, vielleicht flaut es ja noch mal ab!" und so setzten sich beide wieder in die Küche und lauschten den Erzählungen von Doris, die gerade aus ihrer Kindheit berichtete. So erfuhren wir nun alle, dass auch sie schon eine Jahrhundertflut miterlebt hatte.
Ich tat so als wüsste ich nichts und fragte neugierig nach: „Und das wird noch schlimmer?" und Doris nickte. „Das hier ist noch gar nichts. Das könnt ihr mir ruhig glauben!".
Also hatten Matthis und Phylis sowie Thiess und Doris, alle vier die Jahrhundertflut überlebt. „Ein guter Stoff für mein Buch!", falls ich es hier überleben würde.
Wahnsinn, dieses furchtbare Heulen des Windes, das Klatschen des Regens an die Fensterscheiben und dazu noch das Kreischen der herabstürzenden Vögel. Das werde ich wohl nie mehr aus meinem Gedächtnis streichen können. Inzwischen war es schon weit nach vier Uhr Nachmittags und noch immer konnte wir nicht vor die Tür.
Es schien, als hätte sich jemand da oben gegen uns verschworen. Bisher konnten wir immer nachmittags vor die Tür. Doch heute mussten wir noch ein paar Stunden länger ausharren, bis wir wieder mal nach draußen konnten. Ja, noch konnten wir ja nach draußen. Ohne Gefahr für Leib und Leben. Nur eben nicht mehr ans Meer, wenn wir nicht selbst als Fischfutter enden wollten.
So traurig es war, aber es war besser hier zu bleiben. Ich wusste, für alle Fälle konnten wir noch in diese freie Werkstatt, falls uns das Unwetter überraschen würde, wenn wir nochmals einkaufen fahren müssten. Und das müssten wir, bei nun mehrzwölf Menschen. Was wir noch nicht wussten, es würde noch jemand zu uns kommen. Jemand mit dem ich schon seit längerem reden wollte.
Im größten Sturm hatte ich plötzlich das Gefühl, dass jemand an der Tür klopft. Und nicht nur ich, also half nur nachsehen. Tatsächlich stand der knochige alte Mann in zerfetzten Klamotten vor der Tür. Ich hatte ihn schon seit Tagen nicht mehr gesehen. Wo kam er so plötzlich her? Und vor allem wie alt ist er wirklich? Aber ich hatte hoffentlich noch genug Zeit ihn das alles fragen zu können.
Man wusste ja nie, ob er hier lange bleiben würde oder nur mal eine kurze Pause von dem Wetter da draußen brauchte. Noch immer wusste ich seinen Namen und sollte ihn auch noch nicht sogleich erfahren.Viel zu sehr überschlugen sich die Ereignisse. Wir waren nun also bereits dreizehn Personen in dem kleinen Häuschen und wollten sofern es das Wetter zuließ morgen nochmal einiges besorgen. Unsere Vorräte mussten ja nun für mehr als doppelt so viel Menschen reichen.
Matthis, Phyllis, Thiess und Doris fühlten sich sogleich an die Jahrhundertflut erinnert, bei der viele einen oder mehrere Angehörige verloren hatten. Noch Jahrzehnte später mussten sie mit den Folgen kämpfen. Die Natur erholte sich halt doch nicht so schnell. Wenn erst mal der Höllenschlund des Meeres in seiner ganzen widerlichen Pracht nach oben gestiegen und kein Leben mehr im Meer zu verzeichnen war, konnte wohl auch kaum neues Leben entstehen. Doch selbst nach solchen Katastrophen hatte es das Universum so eingerichtet, dass sich irgendwie ganz weit abseits vom Geschehen neue Arten herausgebildet hatten, angepasst an die widrigen Umstände, mit denen fortan zu rechnen.
Esgab wirklich jede Menge neue Arten von Fischen, Krabben, Muscheln,Mutationen, die gerade neu am Leben waren. Ob sie für den Menschengenießbar sein würden, musste sich in Zukunft zeigen.Meeresbiologen hatten schon Jahre vor seiner Jahrhundertflut gewarnt,dass das Ökosystem kurz vor einem Riesenzusammenbruch stand. Immer wieder verschwindende Arten waren da wohl das kleinste Übel.
Es entstanden neue Inseln, wobei andere hingegen für immer in die Tiefe gerissen worden waren. Unterseeische Vulkanaktivitäten waren mehr und mehr zu verzeichnen und jedes dieser Beben wurde von Jahr zu Jahr stärker. Genau zu diesem Zeitpunkt war der alte Mann, der wirklich schon sehr steinalt musste, das erste Mal gesehen worden.
Anfangs sprach er überhaupt nicht mit den Einheimischen. Doch irgendwann musste er sich mitteilen. Es kam einen so vor, als musste er erst über Nacht die Sprache erlernen, war immer nur allein unterwegs und sehr spärrlich gekleidet.
Doch klagen hörte man ihn nie. Meist saß er nur in den Dünen und beobachtete, wie sich das Meer verändert in Farbe, Aussehen,Wellenstärke und die Höhe der Wellen. Dieser alte Mann war immer dann zur Stelle, wenn ein Tsunami oder eine Jahrhundertkatastophe vor dem unmittelbaren Ausbruch stand.
Er war und ist wohl ein Gesandter des kommenden Unheils. Wie sollte man ihn auch sonst beschreiben. Und nun hatte dieser alte Mann direkt an ihre Tür geklopft. Was sollten wir tun?
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