Aufbruch

Es war also wohl doch kein Zufall, dass er bei ihnen gelandet war. Irgendjemand hatte wohl doch einen Plan und der hieß Überleben, um jeden Preis. Und wenn das eben bedeutet, das kleine Häuschen umgehend zu verlassen. Dann war das eben jetzt so. Was man sonst in mehreren Tagen an Umzug fahren mussten, wurde in rasender Geschwindigkeit in mehreren Stunden erledigt, so lange das Wetter noch anhielt, es nicht schlimmer wurde.

Man glaubt gar nicht, zu was man alles fähig ist, wenn man unter solch einem Druck steht und es um Überleben, um das Leben von Menschen geht.
Da werden selbst die größten Feiglinge zu Lebensrettern, die Unmögliches vollbringen können.

Der Lebenswille war wieder erwacht, der Überlebenswille jedes einzelnen von uns war nur verschüttet, in einem kleinen Häuschen mit zu vielen Menschen.
Endlich war es geschafft und wir hatten sogar noch unseren Proviant und alles Wichtige mit hierher bringen können.

Doris und Phylis und auch die anderen waren sprachlos, was sie jetzt sahen. Riesige Zimmer, liebevoll eingerichtet, warm gemütlich, trocken und wirklich genug Platz für sie alle.

James, der nichts von seinen Fähigkeiten gewusst hatte, konnte es kaum fassen. Alles stimmte, was er vorhergesagt hatte. Niemand aus seiner Familie hatte ihm gesagt, dass er zu so etwas fähig war. Er erinnerte sich nur an eine alte Tante, die ihm immer Geschichten erzählte hatte. Und er musste nun feststellen, sie waren alle wahr...

Sichtlich ergriffen, musste er sich erst einmal setzen und das Ganze verdauen.
Er hatte Fähigkeiten, von denen er nie zuvor etwas geahnt hatte, war nie zuvor in Erscheinung getreten. Doch warum jetzt, eine Frage, die ihm vorerst keiner beantworten konnte. Doch wir verdankten ihm, dass wir nicht in eine Art Lethargie gefallen waren, die so eine schwierige Situation mit sich gebracht hatte.

Wir waren einfach zu viele auf viel zu engem Raum. Und nur durch James konnten wir das noch rechtzeitig ändern, bevor vielleicht der eine oder andere von uns durchgedreht wäre. Das war echt eine große Leistung von ihm und er tat das, was er immer tat, wenn er mit etwas überfordert war, er musste schlafen. Doch heute hatte er sich den redlich verdient und wir ließen ihn gewähren.

Was hatten wir doch für ein Glück mit ihm, James...ein Kerl wie ein Baumstamm mit einer Seele so rein wie ein Baby. Und dann noch seine Fähigkeiten, die aus den Tiefen seines Seins jetzt noch oben kamen, warum auch immer jetzt und nicht schon früher.

Er war unser Retter...Retter vor tödlicher Langeweile und sich immer mehr breitmachender Unzufriedenheit und Lethargie.
Endlich wieder hellwach, frei im Kopf und zufrieden mit dem, was wir gemeinsam in den letzten Stunden alles geschafft hatten. Die Kleinsten schliefen schon längst und das sollten sie ruhig auch.

Nach einen kleinen Snack, den sich alle redlich verdient hatten, gingen nun auch die Letzten von uns schlafen. Wir waren wirklich mal müde und konnten beruhigt einschlafen. Ich hatte wie immer nur einen leichten Schlaf, aber auch er übermannte mich letztendlich. Endlich fühlte ich mich wieder wohl in meiner Haut, genug Platz für alle, zum durchatmen, zum durchhalten.

Draußen tobte das Unwetter und wir aber waren in Sicherheit, alles in dieser Villa hier war vom feinsten. Wem sie gehörte, keine Ahnung, war ja jetzt sowieso egal. Sie war jetzt erst einmal unser Zuhause, auch wenn es wieder nur auf Zeit war. Doch hier konnte man es aushalten. Dass sich das Blatt so zu unseren Gunsten wenden würde, damit hatten wir schon nicht mehr gerechnet. Auch die alten Seebären waren vollends zufrieden mit dem was sie hier vorgefunden hatten, Genug Platz, Ruhe und Rückzugsmöglichkeit auch für sie.

Und sie brauchten diese Ruhe auch wirklich, waren ja nun nicht mehr die Jüngsten. Daran gab es nichts zu feilschen. Es war nun mal so, den größten Teil ihres Lebens hatten sie bereits hinter sich gebracht. Doch was noch kommen würde, wussten auch sie nicht, konnten es auch nur vermuten.

Einzig James konnte vielleicht einige Vorhersagen treffen, doch man wollte ihn noch nicht zu sehr damit belasten. Er wusste es selbst erst seit wenigen Stunden. Und wenn sich etwas gravierend ändern würde, dann würde er uns schon rechtzeitig Bescheid geben. Wir glaubten an ihn und hofften, dass er auch genug Vertrauen in sich selbst hatte.

Es war einfach wie ein Märchen für Erwachsene, bei dem ein junger Mann von Fähigkeiten erfährt, die lange zuvor schon in ihm geschlummert hatten. Der Stoff aus dem Träume sind oder Albträume. Keine Ahnung, wie es jetzt in James wirklich aussah, denn er schlief noch immer, was er ruhig auch sollte.

Draußen tobte noch immer ein Sturm, aber es machte uns nicht mehr so viel aus. Wir hatten uns einfach an diesen Zustand gewöhnt, es war ja eine Art Dauerzustand geworden, in welchem sich das Wetter befand. Trotzdem war mal wieder Umbruchstimmung angesagt, zu viel hatte sich draußen in der Natur verändert beziehungsweise dort, wo früher einmal Natur war.

Endzeitstimmung ganz groß im Kommen, und zum Aufgeben keine Zeit, kämpften eisern um unser aller Überleben. Unser Überlebenswille war größer und stärker denn je. Wir freuten uns, dass es allen gutging. Die alten Seebären erzählten von ihren vielen Reisen auf See und was sie dort alles erlebt hatten. Es war alles nicht mehr so schlimm, so lang es uns gutging.

Wir hatten genug zu essen und auch zu trinken. Frische Kleidung war auch hier noch vorhanden. Alles bestens. Es war warm und trocken und trotzdem sehnten wir uns danach, etwas von unseren Lieben zu erfahren. Man wusste ja nicht, wie weit sich inzwischen dieses ganze Drama gezogen hatte. Waren sie noch alle am Leben oder kämpften sie gerade ums Überleben?

Keine wusste etwas vom anderen und dass war das einzig Schlimme daran. Ich hatte Mühe, Doris zu beruhigen, was mir letztendlich aber doch noch gelang. Wir waren in der gleichen Lage und mussten da jetzt eben durch, ob wir wollten oder nicht. Wir hatten inzwischen Demut gelernt, Hilfe erfahren, Kampfgeist am Überleben wiedergefunden, und zwar alle, sogar unsere Kleinsten.

Kinder konnten sich das nicht verstellen. Sie waren einfach noch nicht versaut von ihrer Umwelt, waren ursprünglich wie sie auf die Welt gekommen waren. Niedlich und naiv, aber keinesfalls dumm.

Das sollte man nicht denken, denn sie würden dich sofort eines Besseren belehren. Und unsere beiden waren da keine Ausnahme davon. Sie wussten viel mehr als sie sagten, begriffen mehr als sie uns erlaubten zu verstehen und handelten viel schneller als wir erwarteten. Sie waren einfach sie, eigene kleine Persönlichkeiten.

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