Wenn der Haussegen schief hängt

Einige Zeit lang stand ich vor der Haustür im Flur unten. Das Regenwasser tropfte von mir hinab und bildete eine Pfütze unter meinen Füßen. Mein Haar war schon nach den wenigen Metern klatsch nass geworden und klebte auf meiner Stirn, genau wie auch meine Kleidung an meinen Körper klebte. Aber es war mir egal. Alles war mir egal, außer der Tatsachen, dass Niall mich regelrecht aus seinem Auto geschmissen hatte.

Was habe ich falsches gesagt?

Es konnte nur daran gelegen haben, dass ich ihm für Donnerstag absagen musste. Ich hatte eigentlich nicht damit gerechnet, dass sich das als Problem entpuppen würde. Uni ging vor, ich dachte immer, das wäre klar. Scheinbar nicht. Am Samstag hätte ich dann Zeit und das wollte ich ihm auch sagen.

Die unterdrückte Nervosität musste ihm zu schaffen machen. Niall musste nervös sein. Egal wie oft man schon auf einer Bühne gestanden hat, es ist sicher immer mit diesem Gefühl verbunden. Dazu kommt auch noch die Tatsache, dass es sein erstes Konzert ohne seine Freunde war. Aber ganz ehrlich? Ich hatte keine Angst, dass Niall das Haus nicht rocken würde. Musiker zu sein, war ihm auf den Leib geschnitten worden.

Über mir knallte eine Tür ins Schloss. Schwere Schritte halten im Flur wider. Dieser Morgen schien nicht nur bei mir blöd gewesen zu sein. Ich zog meinen Koffer aus dem Weg, als ich sah, wie ein Kerl in schwarzer Lederjacke um die Ecke bog. Die Kapuze war tief über das Gesicht gezogen, sodass ich nicht sehen konnte, welcher unserer Nachbarn schon wieder die Beherrschung verloren hatte. Ohne zu zögern, trat er in den Regen hinaus.

Ich gähnte plötzlich und rieb mir die Augen. Anscheinend waren die vergangenen Stunden Schlaf noch immer nicht genug für meinen Körper gewesen oder ich wurde krank. Was kein Wunder sein würde, schließlich stand ich in nassen Klamotten im kalten Hausflur.

Meinen Koffer zog ich hinter mir die Treppen hoch in den dritten Stock. Ich schloss unsere Wohnungstür auf und rollte den Koffer in die Ecke, bevor ich aus meinen Schuhen schlüpfte und meine Jacke auszog. Ich hielt sie vor mich und ging damit in das Badezimmer von Tobi. Es lag näher und ich wollte die nasse Spur nicht durch das ganze Apartment ziehen.

Hinter mir begann leise Musik aus dem Radio zu dudeln. Ich ging den Flur wieder zurück in die andere Richtung und warf einen Blick in das Wohnzimmer und der Küchennische. Sophie schwang gerade ihren Hintern zu Beyoncé.

"Da ist aber jemand schon in aller Früh gut gelaunt", schmunzelte ich und Sophie viel vor Schreck das Glas aus der Hand.

"Amara!", schrie sie. "Bist du verrückt mich so zu erschrecken! Ich hätte das Glas nach dir werfen können!" Sie deutete auf die Scherben am Boden.

"Hast du ja nicht. Du hast es lieber fallen lassen, als dich zu verteidigen. Wäre ich ein Einbrecher, hätte ich die schon überwältigt."

Sophie stemmte die Fäuste in die Hüfte. "Tja, wenn du mich so erschreckst. Was machst du überhaupt schon hier? Nicht, dass ich dich nicht gerne um mich habe ... aber du wärst doch erst gegen Abend zurückgekommen. Und klatsch nass bist du auch." Sie bückte sich und begann das zerbrochene Glas aufzusammeln.

"Das ist richtig ... und das ist eben der Nebeneffekt von Regen", seufzte ich und ging auf Sophie zu um ihr bei den Scherben zu helfen. Aus der Hocke heraus, öffnete ich die untere Schranktür der Küche und nahm den Mülleimer heraus in dem wir die Scherben entsorgten.

"Also?" Hackte Sophie nach, nachdem ich das Thema fallen gelassen hatte. "Haben du und Niall schon wieder gestritten?"

Ich hielt in meiner Bewegung inne. "Was? Nein." Ein Seufzen entwich meinen Lippen. "Ach, keine Ahnung, aber das hat nichts damit zu tun, dass ich schon wieder zurück bin. Grandma und Niall haben sich, nachdem sie ihn die ganze Zeit über schikaniert hat, in die Haare bekommen. Sie hat ihn aus dem Haus geschmissen."

"Sie hat was?!"

"... ihn rausgeschmissen", wiederholte ich und stand von meiner Hocke auf. Das Glas war zum Glück leer gewesen, sonst hätten wir auch noch aufwischen müssen. Während Sophie noch den Besen schwang, stieg ich in die Dusche und erzählte ihr anschließend die gesamte Geschichte. Auch das Lucas und Niall aufeinandergetroffen waren. Sie war noch nie ein Fan von Lucas, weder damals, noch heute.

Wir setzten uns auf die Couch. "Und?", Sophie zog das U in die Länge, "... wie hat Niall sein Geschenk gefallen." Meine beste Freundin grinste übertrieben breit.

Ich schlug ein Bein über das andere. "Ich glaube, er hatte Spaß. Nein, wir beide hatten Spaß. Es war mal etwas anderes."

"Spaß?", wiederholte sie mich, mit hochgezogener Augenbraue. Eine Strähne ihrer rosa gefärbten Haare fiel ihr über das rechte Auge. "Ihr hattet Sex. Ich weiß es." Als ich nichts erwiderte schlug sie mir auf den Oberschenkel. "Ihr habt es getrieben! Du Luder! Ich bin stolz auf dich!"

"Aua!", quietschte ich hohe und rieb mir leicht lachend den Oberschenkel. Der Schlag hätte wirklich nicht sein müssen. Sophie viel mir regelrecht um den Hals, als wäre der erste Sex mit meinem Freund eine Medaille wert gewesen. Wieso wusste die das überhaupt? Ich war mir sicher, dass es nicht auf meiner Stirn stand und anders aussehen tat ich auch nicht. Sex ändert nichts an einem.

Ihr Augen wurden groß und glänzten. "Wie lange ist er?"

Das wollte sie doch nicht wirklich von mir wissen. Wie kommt sie immer nur darauf, dass ich ihr, das erzählen würde? Am liebsten hätte sie doch eine ausführliche Darstellung ...

"War er recht gekrümmt? Ist er-"

"Sophie!", zischte ich und schüttelte den Kopf. "Hör auf. Darüber werde ich bestimmt nicht mit dir sprechen." Es war mir peinlich, wie sie sich schon wiederaufführte.

Sie legte den Kopf zur Seite. "Jetzt hab dich mal nicht so! Ich erzähle dir im Gegenzug auch etwas über Matts bestes Stück. Korrigiere: Matts langes Stück."

Ich verzog angewidert das Gesicht: "Stopp! Ich will das nicht hören!" Wie ein kleines Kind drückte ich mir die Ohren zu. Sophie begann schallend zu lachen.

Dylan und Enrico werden begeistert sein am Sonntag, um halb sieben von uns geweckt zu werden.

"Okay. Ich bin schon still." Sie zog mit dir Hände von den Ohren. "Apropo Matt ... er hat sich gestern bei mir gemeldet."

Interessiert an dem, was sie zu sagen hatte, hörte ich ihr zu. "Was hat er gesagt?" Ich fühlte mich schlecht, mich ewig nicht mehr bei ihm gemeldet zu haben. Nachdem ich Mullingar verlassen hatte, hatte ich, glaube ich, nur ein weiteres Mal mit ihm telefoniert.

Sophie zog die Beine auf die Couch und setzt sich im Schneidersitz aufrecht neben mich. "Er hat gesagt, dass er am Montag, also ähm morgen nach London reist. Wegen Amber. Er kommt sie besuchen."

"Schön für sie", erwiderte ich und zuckte genervt mit der Schulter. Ich war ihr einen so netten auf aufmerksamen Bruder wie Matt nicht vergönnt. Ich hasse sie ... und Holly.

Sophie legte ihre Hand auf meine Schulter. "Ist auch schön für uns. Er will vorbeischauen. Ich habe ihn unsere Adresse gegeben."

"Ich muss morgen zur Uni und vor allem muss ich jetzt endlich mal lernen. Der Midterm wird mir sonst das Genick brechen."

Sophie rollte mit den Augen. "Genau deshalb habe ich die Schule nach den ersten Gelegenheiten verlassen. Lernen hält einen einfach vom Leben ab. Aus mir ist auch so etwas geworden."

"Eher wegen Niall und Davina", murmelte ich leise. Ohne Nialls nette Geste, hätte Sophie damals nicht auf Davina treffen können. Vielleicht erst dann, als ich und Connor uns das erste Mal trafen. Was aber auch nicht hieß, dass Davina das Model an Sophie entdeckt hätte.

"Wo steckt Tobi eigentlich? Ist er schon wieder bei Peter?" Meinen britischen Freund sah ich in der letzten Zeit immer weniger. Es freute mich für ihn, dass es bei ihm und seinen Freund so gut lief, aber ich verbrachte gerne Zeit mit beiden meiner Mitbewohner.

Räuspernd ließ sich Sophie nach hinten an die Sofalehne fallen und sagte matt: "Der ist nicht da."

"Das sehe ich." Mit einer Handbewegung deutete ich ihr weiterzureden.

"Ach ... er ist bei Peter." Sie seufzte laut. Was war das Problem an der Sache? Ich wusste, dass etwas war, schließlich kannte ich sie schon lange genug, um zu wissen, wann etwas nicht stimmte.

"Sophie." Ich hob die Brauen. "Jetzt sag schon."

Frustriert warf meine beste Freundin die Arme hoch. "Wir hatten einen minimalen Streit."

"Ihr beide hattet Streit?" Ich konnte es überhaupt nicht fassen. Wir hatten noch nie Streit innerhalb unserer WG. "Wegen was? Hast du schon wieder nicht den Müll hinuntergetragen? Oder lagen deine Klamotten wieder herum. Du weißt, wir wollten das hier alles ordentlich bleibt."

"Darum ging es nicht." Ihr Blick ruhte auf der Decke. "Ich habe einen Kerl mit nach Hause genommen."

"Okay", erwiderte ich, noch immer unwissend wo das eigentliche Problem lag. Bei Tobi wusste ich, dass er nichts gegen derartige Aufrisse hatte, schließlich hatte er mich damals selbst in einen Club mitgenommen, damit ich mir einen Typen krallen sollte, einmal benutzen und danach ab in den Müll damit.

"Na ja ...", sie begann auf ihrer Unterlippe zu kauen. "Der Typ und ich gingen hier auf der Couch gerade voll ab, als-"

"Hier!", unterbrach ich sie und sprang wie von der Tarantel gestochen auf. Ich wechselte den Platz auf den gepolsterten Stuhl neben ihr.

"Probiere es doch mal selbst. Ist total gemütlich", erwähnte Sophie beiläufig und erzählte weiter: "... dann platzte er mitten ins Geschehen und wir begannen zu diskutieren."

Irgendwie konnte ich ihr das nicht zu einhundert Prozent abkaufen. Dieses Verhalten passte nicht zu Tobi. Weswegen sollte er mit ihr zu diskutieren beginnen? Lag es daran, dass sie es auf der Couch trieben? "Weil ihr auf der Couch wart oder warum?" Fragend runzelte ich die Stirn.

Sophie setzte sich auf. "Genau. Deswegen."

"Na gut, ich finde es auch nicht gerade prickelnd, dass ihr es auf unserer Couch getrieben habt. Entschuldige dich bei ihm und damit wäre die Sache gegessen."

Wie auf das Stichwort, hörten wir, als sich jemand an der Wohnungstür zu schaffen machte. Schuhe wurden zur Seite gekickt und kurz darauf stand Tobi im Türrahmen. In seiner Hand hielt er eine Schachtel von Dunkin Donuts.

"Amara. Schon zurück?" Er würdigte Sophie keines Blickes.

"Ja, hey." Ich hob die Hand zum Gruß, kam mir danach aber blöd vor. Warum winkte ich ihm? Er stand direkt vor uns.

Als er an uns vorbeiging, sah ich, wie kleine Tropfen Wasser von seiner schwarzen Jacke perlten. Den Karton Donuts stellte er auf der Arbeitsfläche der Küchennische ab, mit den Worten: "Wenn du welche willst Amara, darfst du gerne zulangen. Nur lass mir einen mit der blauen Glasur übrig. Peter mag die gerne." Danach verschwand er in seinem Zimmer.

"Das nenne ich mal eiskalt ignoriert", dachte ich laut, stand auf und nahm mir einen Donut mit einer weißen Glasur und bunten Streusel.

Sophie stand von der Couch auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr Blick fiel auf ihre Füße. "Glaubst du, dass er noch sauer ist? Schon, oder?"

Ich biss einen Bissen ab und fuhr mir mit einem Finger über die Lippen, da Glasur kleben blieb. "Ich lehne mich einfach mal ein Stückchen aus dem Fenster und behaupte Ja."

"Kannst du vielleicht mit ihm reden?"

Ich verschluckte mich beinahe an meinem Donut. "Ich? Ich war nicht mal dabei. Es wird schon halb so schlimm werden. Entschuldige dich einfach bei ihm. Ich bin mir sicher, er nimmt die Entschuldigung an."

Dann tat Sophie etwas, dass sie eigentlich nie tat. Sie begann an ihren Fingernagel zu kauen. Was war nur los ihr? Vorher benimmt sich Niall schlagartig merkwürdig und nun meine beste Freundin. War das abgesprochen? Testen beide meine Nerven? Oder wozu das alles? So früh morgens sollte man eigentlich noch sorgenfrei sein.

Ich legte meinen angebissenen Donut auf einem kleinen Teller ab. Ihr Verhalten machte mich neugierig darauf zu erfahren, was Tobi zu dem Sachverhalt zu sagen hatte. Ich wollte mich nicht einmischen, wollte aber wissen, was abging. "Ich werde mit Tobi sprechen."

"Zum Glück", murmelt Sophie leise und legte dabei erleichtert eine Hand aufs Herz. Wieder so eine komische Bemerkung.

Bevor ich in Tobis Zimmer eintrat, klopfte ich. Ich wollte es ihm nicht gleichtun und einfach so in sein Zimmer platzen. Er öffnete mir die Tür, schielte kurz hinter mich und zog mich am Unterarm in seine vier Wände. 


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Hallo. 

Ich weiß, ich melde mich am Schluss der Kapitel nur noch sehr selten. Das liegt aber nicht daran, dass ich euch nie etwas zu sagen habe. Ich will euch nur nicht mit meinem Gelaber langweilen. 

Hat schon, wer eine Idee was Niall von Amara verbirgt (nein, ich suche nicht bei euch nach dem Grund, der steht schon lange fest) ?

Was haben Sophie und Tobi plötzlich? 

Matt kommt! Ihr kennt ihn doch noch, oder?

Danke für die vielen Votes! Ich freue mich immer riesig darüber, sowie auch über eure Kommentare. Ihr dürft euch auch gerne mal melden, wenn ihr noch nie ein Kommentar hinterlassen habt. Ich beiße nicht und ab und zu verrate ich sogar winzig kleine Detail, wie es weitergeht ;)

Bis zum nächsten Mal. 

Grüße, Sabrina. 

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