In einer Stadt wie dieser
Nialls Sicht
- vor einem Jahr -
Während ich mir meinen Schuhsenkel schnürte, bemerkte ich wie Amara die Treppen herunterkam. Sie hatte ihre kurze Shorts und das Shirt gegen eine lange Jeans, ein helles Shirt und einer leichten Jacke getäuscht. Ihr langes braunes Haar mit den hellen spitzen trug sie zusammengebunden hoch auf ihrem Kopf. "Na, bereit?"
Amara sprang die letzte Stufe hinunter und erwiderte mit einem "Jep." meine Frage. Das Taxi stand bereits vor der Tür als wir hinaustraten. Mein Dad hatte mir erzählt, dass Amara das Haus noch nicht verlassen hatte, obwohl sie mit ihrer Mutter nun schon eine Woche hier wohnte. Ich wollte sie aus dem Haus bekommen und zu dem war es eine gute Möglichkeit ihr auf den Zahn zu fühlen. Sie war eine Fremde für mich, die im Zimmer neben mir schlief. Wir verbrachten die Fahrt in Stille. Amara war viel zu sehr damit beschäftigt sich die Gegend anzuschauen. Die dunklen Feldern, an denen wir vorbeikamen und später die beleuchteten Schaufenster und Reklametafeln zu mustern. Für einen Donnerstag zweiundzwanzig Uhr war es normal ruhig, aber ich wusste, dass das nicht bedeuten würde, dass es bei Marlon im Pub ruhig sein würde. Es war sozusagen der Mittelpunkt des Nachtlebens von Mullingar.
Da ich beinahe ein halbes Jahr nicht mehr zu Hause war, freute ich mich schon auf das Treffen mit meinen Freunden. Zwar könnte ich mich auch wieder auf einen Boot mitten am Meer vorstellen, aber so würde ich bestimmt nie mit einem Album fertig werden - geschweige denn je beginnen.
Mein iPhone vibrierte in meiner Hosentasche. Es war mein alter Kumpel Matt. Er wollte wissen, wo ich abblieb.
"Wie viele Freunde von dir warten auf uns? Einer?", hörte ich Amara fragen. Zum ersten Mal wandte sie den Blick vom Fenster ab.
Ich schrieb Matt ein: "Sind gleich da", zurück, drückte auf senden und steckte mein Handy wieder weg, ehe ich mich an meine neue Stiefschwester wandte. "Eigentlich drei. Matt, Leon und Sean. Keine Sorge ich habe ihnen gesagt, dass sie die Finger von dir lassen müssen."
Prüfend legte sie den Kopf zur Seite. "Wie ist das denn gemeint?" Eine Falte bildete sich auf ihrer Stirn.
Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf. "Das war doch Spaß, Amara. Du wirst sie bestimmt mögen. Ich kenne sie schon seit einer Ewigkeit. Vertrau mir." Dass ich das zuvor wirklich zu ihnen gesagt hatte, behielt ich für mich.
Kurz darauf hielt der Wagen vor Marlons Pub an und meine Stiefschwester wollte doch tatsächlich für die Fahrt bezahlen. Es war komisch, denn sie wollte es wirklich. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wenn ein Mädchen das letzte Mal etwas für mich bezahlen wollte. Ich war immer derjenige der bezahlte.
Eine Gruppe junger Erwachsener rauchte ausgelassen vor der Eingangstür des Pubs. Amara folgte mir wie ein kleiner Welpen ins Innere des Gebäudes und sofort überschlugen sich die Gerüche. Eine widerliche Mischung aus Zigaretten und Alkohol.
"Wo sind deine Freunde?", fragte Amara mit lauter Stimme über der ländlichen Musik. Ich sah über die Köpfe der Leute hinweg und suchte nach dem schwarzen Schopf von Matt und den Hellblonden von Sean. Leon wäre mir vermutlich als kleinster der Gruppe nie ins Sichtfeld gekommen. Wie aufs Stichwort reckte Matt den Kopf und hob die Hand um mir zu deuten.
"Da drüben. Komm mit!"
Nach einer ausgiebigen Begrüßung nahm ich neben Amara und somit gegenüber von Leon Platz. Ich erzählte von meinem Monat in Australien und den Wochen in Japan und Thailand. Ich kostete die letzten Monate dieser Pause mit allen aus, wie ich es sonst noch nie gekonnt hatte. Es gab so viele wunderbare Orte auf dieser Welt, die ich mir während unseren Touren nie bestaunen konnte. Zwar versuchten die Jungs und ich es, schlichen uns mit Bodyguards aus Hotels, aber es endete fast immer in einer Katastrophe. Während ich sprach, sah ich mich immer wieder nach einem Kellner um - aber es kam keiner. Vermutlich wurden wir übersehen, was bei dem Haufen von Menschen in diesen Raum kein Wunder war. Also entschuldigte ich mich vom Tisch und schlenderte auf die Bar zu.
Marlon, der Inhaber, polierte gerade Weingläser. Ich drängte mich neben zwei besetzten Stühlen durch und legte meine Arme auf die Schank. "Hey Marlon! Schon lange nicht mehr gesehen."
Augenblicklich hob der Kahlkopf den Kopf. "Na' wen haben wir denn da? Der Sänger ist wieder zurück!" Lächelnd streckte er mir seine Faust entgegen, die ich mit meiner Faust berührte. "Hast du schon was zum Trinken?", fragte er anschließend und wischte sich die Hände an seiner befleckten Schürzte ab.
Ich lächelte. "Ein großes Bier und ... eine Cola, bitte." Vielleicht hätte ich Amara Fragen sollen, auf was sie Lust eigentlich Lust hatte. "Wie geht's der Familie?", fragte ich Marlon, derweil er die Getränke herrichtete.
"Sehr gut, sehr gut. Millie liebt diesen Louis aus deiner Band noch immer. Sie plant schon eine große Hochzeit und alle ihre Plüschtiere sind eingeladen." Marlon stellte mir die Gläser hin.
Schmunzelnd nahm ich die Gläser an mich. "Dann weiß ich wenigstens dass mein Bruder in guten Händen sein wird."
***
Ein kalter Luftzug fuhr mir über die Haut. Für Anfang September war es nicht ungewöhnlich kühle Nächte zu haben. Ich nahm einen großen Schluck von meinen Bier uns stellte das Glas anschließend wieder auf dem Bierdeckel ab. Da mir kalt war, wollte ich mich vergewissern, dass auch die Tür geschlossen war, deshalb drehte ich um, um einen Blick zu ergattern. Ja, sie war geschlossen, aber warm wurde mir noch immer nicht. Die Kälte verwandelte sich in entsetzten. Es war dumm gewesen, einfach zu denken, dass sie mir nie wieder über den Weg laufen würde. Aber ausgerechnet an meinen ersten Abend zurück in meiner Heimatstadt? Die ehemalige Liebe meines Lebens hing an einen Typen wie Kaugummi. Aber ich konnte es nicht leugnen, sie sah noch immer bildhübsch aus. Das blonde Haar sah wie Seide aus und ihr Körper hatte in den letzten Jahren genau die richtigen Kurven zu sich genommen. Ich würde lügen, wenn ich nicht sagen würde, dass sie etwas in mir auslöste und dass ich in meinen vergangenen Freundinnen nie nach einem Mädchen wie ihr Ausschau gehalten habe.
"****Holly***", hustete Matt übertrieben und riss mich somit aus meinen Gedanken.
"Was?", hackte ich gespielte unwissend nach. Aber ich wusste natürlich dass diese drei Kerle mich genauso gut kannten wie Harry, Louis, Liam und auch Zayn.
"Wer ist Holly?", fragte Amara unschuldig, während sich meinen Freunde über diese Situation sichtlich lustig machten. Ich senkte geknickt den Kopf.
Sean begann zu erzählen: "Holly war Nialls beste Freundin, sie sind so zu sagen miteinander aufgewachsen. Gingen zusammen in den Kindergarten und auch in die Schule. Später wurde aus ihnen ein Paar und als Niall dann bei X Factor mit gemacht hatte und in die Band kam, machte sie Schluss."
Seufzend hob ich den Kopf. "Wir versuchten in Kontakt zu bleiben, aber irgendwann verloren wir uns aus den Augen...." Oder besser gesagt, ich habe versucht sie nicht mehr zu sehen, weil ich wusste, dass ich ohne mit der Wimpern zu zucken zurück in ihre Arme fallen würde und das Eifersuchtsdrama wieder von vorne beginnen würde. Ich fühlte wie sich meine Handflächen mit Schweiß füllten. Das Herz pochte wie verrückt in meiner Brust.
Erneut suchten meine Augen Holly in der Menge. Mir blieb die Spucke weg, als sich unsere Blicke kreuzten und sie mit diesem Kerl im Schlepptau auf mich zukam.
Amara sah mich an und sagte: "Geh doch rüber und sag Hallo." Ich leckte mir über die Lippe. Ich konnte doch nicht nach all diesen Jahren einfach zu ihr gehen und so tun, als wäre nie etwas gewesen. "Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist Amara. Wir haben schon eine ganze Weile nicht mehr miteinander gesprochen. Wir sind auch nicht gerade im Guten auseinander gegangen und..."
"Hey Niall!" grüßte Holly laut und freundlich und winkte mit der rechten Hand. Ihre blauen Augen strahlen mich förmlich an und ich wäre beinahe darin versunken, hätte Sean mir nicht unter dem Tisch einen Tritt verpasst.
"Hallo.", ein Lächeln entwich meinen Lippen. Ich wollte es nicht, denn in mir schrillten die Alarmglocken. Meine Stimme im Kopf schrie mich an cool zu bleiben und nicht zu vergessen wie das alles vor Jahren geendet hatte.
Ich wusste überhaupt nicht wie mir geschah, als sie mich plötzlich umarmte und ich den mir allzu bekannten Duft ihres Parfums vernahm. Wir lösten uns jedoch schneller als mir lieb war wieder voneinander und ich musste mit ansehen wie sie die Hand ihres Freundes ergriff.
"Das ist Dean. Dean das sind Niall, Sean, Leon, Matt und ...", sie stoppte und sah auf Amara hinab. "Entschuldigung, aber kennen wir uns?" Holly rieb sich nachdenklich das Kinn. "Bist du seine Freun-"
Ich unterbrach sie. "Das ist Amara. Meine Stiefschwester." Warum ich das Wort Stiefschwester extra erwähnt hatte, wusste ich nicht. Holly hatte Dean auch nur als Dean vorgestellt und nicht als ihren Freund. Und warum dachte sie, dass Amara meine Freundin ist? Nur weil sie neben mir saß? Sie war definitiv nicht hässlich, aber sie fiel auch nicht in den Typ Mädchen, die mich anzogen.
Holly zog die Augenbrauen zusammen. "Stiefschwester?"
Ich winkte ab. "Lange Geschichte." Eigentlich wollte ich jetzt einfach nicht darüber reden.
Amaras räuspern hinter mir machte mich auf sie aufmerksam. "Lässt du mich kurz vorbei?" Nickend machte ich ihr Platz und sah ihr nach, wie sie zu den Toiletten verschwand.
"Sie ist hübsch. Diese lange Geschichte würde ich nur zu gerne hören.", setzte Holly nach, während auch ihr Blick auf Amaras Rücken lag.
„Glaub mir, es ist wirklich nichts Großartiges." Unbeholfen rieb ich mir den Nacken.
„Wenn du das so sagst, wird es wohl stimmen."
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Hallo.
Da ich nächste Woche Job bedingt keine Zeit haben werde, gibt es heute schon zwei Kapitel.
Es geht direkt weiter ...
LG.
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