Der Ton macht die Musik
Die zweite Woche des Semesters begann mit schrecklichen Kopfschmerzen. Es stimmte also, wenn man sagte, das zu viel denken Kopfschmerzen verursachte. Gequält stieß ich meine Decke zu Seite und stampfte ins Badezimmer. Zuerst kramte ich im Medizinschrank nach einer Schmerztablette. Mit einem Schluck Wasser schluckte ich die runde Pille hinunter. Danach wusch ich mir mein Gesicht, putze meine Haare und frisierte mein Haar. Nach dem Gang zur Toilette zog ich mich um und hoffte, dass die Wirkung der Pille bald einsetzten würde. Das Frühstück ließ ich aus, ich verspürte keinen Hunger. Nichtmal der Geruch von frischen Kaffee konnte mich überzeugen.
"Gehts dir nicht gut? Du bist so bleich wie ein Gespenst."
Ich legte meine Tasche auf dem Sofa ab und drehte mich zu Sophie. Sie nippte gerade an besagtem Kaffee.
Ich rieb mir die Schläfen. "Kopfschmerzen."
"Hast du schon eine Tablette genommen?" Sophie ließ die Tasse sinken und stellte sie am Tresen ab.
"Ja, vorhin. Es wird wohl noch ein paar Minuten dauern."
Sie legte den Kopf zu Seite. "Wenn es nicht besser wird, kannst auch zu Hause bleiben. Lass dich krankschreiben."
Widerwillig schüttelte ich den Kopf. In der zweiten Woche kam das für mich nicht infrage! "Nein, das wird schon werden."
Die Züge ihres Gesichts änderten sich in ein verschmitztes Grinsen. "Wenn du krank wärst, könntest du dich von Niall pflegen lassen." Sie zwinkerte mir zu.
"Du meinst den Freund, der sich nach seiner Überraschungsparty, die ich und sein bester Kumpel für ihn geschmissen haben, nicht mehr bei mir gemeldet hat? Der Freund, der gewusst hat, dass Amber und Holly hier in London sind?"
"Dass Holly und Amber hier sind, ist aber nicht seine Schuld. Ich meine ... es ist ja nicht so, als würde er ihre Miete bezahlen. Diese Schlampen, wollten dich einfach aus den Rennen kicken. Ein Rennen, das du schon lange gewonnen hast, Dummkopf. Er ist dir komplett verfallen und sie ist nur seine ausgelutschte Ex, die einfach nicht loslassen kann. Vermutlich sieht sie ihn ihm nur eine lebende Brieftasche."
Sophie sagte das so leicht. Aber sie schien von ihren eigenen Worten mehr als nur überzeugt zu sein. Sie griff nach ihrer Tasse und nahm einen großen Schluck davon.
"Ja, ich muss wirklich damit aufhören", seufzte ich. Ich ging an Sophie vorbei und nahm mir eine Red Bull Dose aus dem Kühlschrank. Ich packte sie in meine Tasche und schlang sie mir über den Kopf. "Na, gut. Ich muss jetzt los."
Sophie stieß sich von Tresen ab. "Wenn es nicht besser wird, melde dich ab. Wir sehen uns später."
Nickend winkte ich ihr zu und verließ die Wohnung. Eigentlich hatte ich vor das Fahrrad zu benutzen, aber in meinen Zustand fühlte ich mich gut dabei. Polternd stieg ich die Treppen hinunter und trat auf die Straße hinaus. Der Verkehr stockte wie jeden Morgen und ich war froh zu Fuß unterwegs zu sein. Ich hatte mich gestern Abend dazu durchgedrungen Connor heute zu mir nach Hause einzuladen. Als eine Art entschuldigen für mein Verhalten von letztens. Er hatte wirklich nur versucht nett zu sein und ich hatte nichts Besseres zu tun, als ihn anzumotzen. Die Mädels von gestern sind regelrecht durchgedreht, als ich ihnen die Fotos auf Twitter geschickt hatte. Ich hatte mir nicht extra einen anderen Account angelegt, sondern gleich von meinen aus geschickt. Zudem ich sowieso vorhatte eines der Bilder zu posten. Ihre Fotos schickte ich ihnen als Privatnachricht, aber eines - bei dem sie das Plakat anbeteten - hatte ich als schwarz-weiß Foto gepostet und das eine von mir als ich ihnen den Rücken gekehrt hatte, um mir ebenfalls das Plakat anzusehen. Schlag auf Schlag machte es seine Runden durch die Netzwerke. Es war mein erster Post nach den kryptischen Fotos von der Party.
Die Kopfschmerzen hatte, als ich das Schulgebäude erreicht hatte, etwas nachgelassen. Bei einer Ampel hatte ich probiert Niall wieder zu erreichen - ohne Erfolg. Es war noch immer aus. Vielleicht war auch nur sein Telefon kaputt und er war arbeiten.
Mit Lilly hatte ich mir ausgemacht sie in der Bibliothek zu treffen. Ich machte meinen Weg durch die Menge und suchte das Nebengebäude. Die Bibliothek befand sich in einem eigenen Haus. Wie vor dem Wohnheim war der Weg mit Kies ausgelegt. Bänke und Tische standen davor, auf denen sich schon einige Studenten versammelt hatten und Bücher verschlungen. Von außen würde man nicht erkennen, das es sich hier um eine Bibliothek handelt. Es bestand aus Holz, Stein und sehr viel Glas. Die Front des Gebäudes bestand nur aus Glas, durch das man schon von außen sah, dass es darin zwei Stockwerke gab. Das Licht der Sonne erhellte den meisten Raum. Ich stampfte an der Information vorbei und ging direkt auf die Tische zu. Lillys orange-rote Haare leuchtete bereits von weitem. Und zu meiner Verwunderung war sie nicht allein.
"Stephan, was für eine Überraschung." Direkt drehten sich beide zu mir um.
"Guten Morgen." Breit grinsend, konnte ich auf Lilly Lippen lesen, wie sie sagte: "Ist er nicht süß?" Stephan konnte es nicht sehen, weil Lilly ihm gerade den Rücken zu drehte, weil sie ihm gegenüber saß.
"Hey, Amara."
Ich setzte mich neben Lilly und legte meine Tasche neben mich auf die Bank ab. "Wir haben noch nicht mal neun und ihr seid schon am Lesen?" Unverständlich schüttelte ich den Kopf. Neugierig drehte ich Lillys aufgeschlagenes Buch in meine Sichtweite:
>"Für dich gilt dieses Angebot nicht, Verräterin!", zischte Lucian und bedachte sie mit einem Blick, der sie erbleichen ließ. Mächtige Prima hin oder her. Elektra hatte Angst vor Lucian. Ein sirrendes Geräusch lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf Thanatos. Er hatte sein Aziam gezogen.<
Ich schob es wieder zurück. "Was ist ein Aziam?"
"Ein Schwert. Es leuchtet, wenn es von einem Primus benutzt wird", erklärte Lilly, als sei es selbstverständlich zu wissen, was ein Primus ist.
"Und was ist ein Primus?"
Lilly winkte ab. "Das würde viel zu lange dauern dir das alles zu erklären. Lies es doch selbst. Stephan findest es auch nicht schlecht. Und außerdem sind Ari und Lucian so niedlich zusammen.", sie quiekte laut auf.
Ich legte den Kopf zur Seite. "Wird es verfilmt? Mir den Film anzusehen ginge doch viel schneller."
"Also da hast du schlechte Karten Amara."
"Es ist wirklich gut. Und die Verfolgungsjagd gleich zu Beginn ist auch erste Sahne", meinte Stephan. Lilly lächelte ihm schüchtern zu, dabei rutschte ihre Brille an ihre Nasenspitze.
Stephan warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Er schlug das Buch zu und seufzte. "Ladys, ich muss ich nun leider verlassen. Geht ihr heute in die Cafeteria Mittagessen?"
"Ja, heute gibt es Tortellini in Rahmsauce. Das kann ich mir nicht entgehen lassen!", erwiderte meine Freundin. "Kommst du mit Amara?"
"Klar, warum nicht."
Er stopfte das Buch in seinen Rucksack und stand auf. "Wir sehen uns."
Ich wartete, bis Stephan aus unserer Hörweite war, bevor ich mich mit hochgezogener Augenbraue zu Lilly drehte. "Was läuft denn da?"
Augenblicklich verfärbte sich ihr Gesicht in die Farbe einer Tomate. "Nichts." Ihr Stimme war nicht lauter als ein Wispern.
"Nichts?", wiederholte ich mit wissenden Unterton. Das glaubt doch niemand.
Lilly sah auf ihre Schoss hinab und richtete ihre Brille. "Es könnte möglich sein, dass wir am Samstag am Abend in einem kleinen Café waren, in dem Junge Autoren ihre Werke und Gedichte vorgestellt haben."
"Wirklich? Wow." Warum überraschte mich das Ganze so. Man sah ihnen beim ersten Treffen an, das da irgendetwas zwischen ihnen war. Liebe auf den ersten Blick vielleicht? Gibt es sowas überhaupt?
"Aber wir sind uns nicht näher gekommen. Wir haben geredet und viel gelacht." Lilly sah auf. Bei dem Anblick ihrer roten Backen musste ich schmunzeln. Ob ich auch immer so aussehe, wenn ich über Niall sprechen?
***
Die Kopfschmerzen waren endlich abgeklungen. So konnte ich mich komplett auf meine Lesung konzentrieren und auch auf die darauffolgende. Als es endlich Zeit wurde, packte ich mein Buch in meine Tasche und ging, wie die meisten um dieser Zeit, zur Cafeteria. Ich hatte gehofft Tobi vielleicht über den Weg zu laufen, weil ich wusste, dass er schon eine Vorlesung hatte. Am Morgen hatten wir uns nicht gesehen, weil er bei Martin Frühdienst hatte - wie ich morgen. Ich konnte es kaum erwarten, um vier aufzustehen, damit ich um fünf dort bin um die Vitrine einzuräumen. Wie vereinbart traf ich auf Lilly und Stephan. Beim Eingang mussten wir unsere Studentenausweise herzeigen und den Preis für das Essen im Voraus bezahlen. Es war immer ein Menü mit Suppe, Hauptspeise und Nachspeise. Man konnte immer zwischen zwei Speisen entscheiden. Ich suchte mir die Gemüsesuppe aus, als Hauptspeise die Tortellini und als Nachspeise einen Karottenkuchen. Lilly entschied wie ich, nur Stephan nahm sich, anstellte der Tortellini, gebackenen Leberkäse mit Kartoffeln. Das Essen sah gut aus und nicht so, wie ich es von meiner alten Schule gewohnt war.
Einen Platz hatten wir schnell gefunden. Wir kamen ziemlich früh, deshalb waren einige Tische noch unbesetzt.
Während wir aßen, erzählte Stephan von seiner Vorlesung. Irgend so ein Typ hatte sich mit den Dozenten angelegt, weil er dachte, dass er alles besser wüsste. Der Hacken an der Sache war aber, das der Student im Unrecht war. Er wurde schlussendlich aus der Vorlesung geworfen.
"Was legt er sich auch mit den Dozenten an. Die werden ja wohl wissen, wovon sie sprechen", schmatzte Lilly. Sie wischte sich den Mund mit der Serviette ab und trank von ihrem Fanta.
"Ich will den Kerl nicht beschützen, aber unsere Dozenten könnten mal Mist erzählen", japste ich und schaufelte mir einen neuen Bissen in den Mund.
"Mit Mist erzählen kennt sich wohl jemand hier aus." Ich hielt inne und schlucke das Essen runter. Natürlich musste sie mir hier über den Weg laufen. Ich drehte mich auf meinen Stuhl um und sah in Ambers vor Make-up prozentes Gesicht. Wie konnte Matt, ein so netter aufmerksamer Mann, nur so eine Zwillingsschwester haben? All seine Nettigkeiten gingen bei ihr verloren. Vermutlich bekam er alle diese Gene ab und sie konnte nichts dafür, dass sie so eine Bitch war.
"Sprichst da zufällig wer über sich selbst?", ich hob eine Braue. Auch ich konnte mich zu wehr setzten.
Amber verengte die Augen. "Wo hast du denn diesen Kerl von neulich? Ich nehme an, dieses Mal kannst du dich nicht hinter jemanden verstecken." Ein Mädchen neben Amber begann zu kichern. Sie musste wohl, als Holly Ersatz her hallten.
Ich stand auf und verschränkte die Arme vor der Brust. "Vor dir verstecke ich mich bestimmt nicht. Ich brauche niemanden um dir fertig zu werden." Zugegeben fühlte ich mich gerade nicht so selbstbewusst, wie ich es gerade zum Besten gab.
"Ach ja?", Amber grinste finster. "Lass mich dir mal etwas zeigen, Amara." Sie drückte ihr Tablette mit dem Essen dem Mädchen neben ihr in die Hand und zog ein Handy aus ihrer Hosentasche. Es war in einer glitzernden Hülle. Amber begann darauf herumzutippen. Das belustigte Gesicht hätte ich ihr zu gerne zermalmt.
Sie sah auf und machte einen Schritt auf mich zu. Amber stand nun direkt an mir, ihr Kopf näherte sich meinem Ohr. "Woher denkst du, habe ich das?" Sie hielt mir den Bildschirm entgegen.
Ich sah das Foto, das ich an meinen ersten Unitag Niall geschickt hatte. Mit ihrem Zeigefinger, auf den ein falscher Fingernagel klebte, wischte sie nach rechts. Ein neues Bild leuchtet am Display. Ein Screenshot mit einem Nachrichtenverlauf. Nachrichten die ich und Niall ausgetauscht hatten.
"Woher hast du das?", presste ich durch die zusammengebissenen Zähne. Ich wollte keine Szene starten, aber uns starrten bereits alle an.
Amber steckte das Handy wieder ein und lächelte mich falsch an. Sie lehnte sich an mein Ohr. "Wenn du mir das nächste Mal im Weg stehen solltest ... oute ich euch und mache dir das Leben zur Hölle. Du hast ihn und sein Geld nicht verdient und ich werde dafür sogen, dass er dich unter den Teppich kehrt."
Mein Mund war trocken und ich hätte sie gerne geschlagen, aber sie hatte ein Druckmittel gegen mich. Fiese Fotze!
"Und nun setzt dich Amara."
Mit starren Blick sah ich sie an. In meinen Kopf ratterte es.
"Setzt. Dich. Endlich."
Ohne etwas darauf zu sagen, setzte ich mich. Ich konnte es nicht gebrauchen, dass sie vor versammelter Mannschaft auspackte. Stephan, der mir gegenüber saß, lächelte mich aufmuntern an. Hauptsache sie verschwindet endlich.
Ihr scheußliches Lachen war hinter mir zu hören und bevor ich mich umdrehen konnte, spürte ich, wie etwas über meinen Kopf geleert wurde. Rahmsauce und Tortellini klebten in meinen Haaren. Ich sprang von meinem Stuhl auf. "Hast du sie nicht mehr alle!"
Die Sauce lief mir über die Stirn. Zuschauer hatten ihre Handys auf mich gerichtet. Überfordert packte ich meine Tasche und lief schluchzend aus dem Speisesaal.
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Buchtipp: "Izara - Das ewige Feuer" von Julia Dippel.
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