Der Kampf über den Flammen

Holly Claint, die blauäugige Hexe aus Mullingar, stand mir direkt gegenüber. Nur das Feuer trennte uns. Unsere Blicke trugen einen Kampf über den Flammen aus und ich war nicht diejenige die verlor. Holly wendete den Blick zuerst ab und ich beobachtete sie, wie sie doch wirklich den Mut hatte an mich und meine Freunde heranzutreten. Unbewusst ballte ich die Hand, mit dem fast vollen Becher Bier von Lilly, zur Faust. Es quoll über und tropfte von meinem Pullover und meiner Hand hinab auf die Erde.
In einem roten Pullover mit der Aufschrift meiner Universität und dem Minirock, den sie trug, hätte ich sie vielleicht überhaupt nicht erkannt, wenn sie mich passiert hätte. Nur war es ihr Fehler sich genau gegenüber von mir zu stellen und mir in die Augen zu blicken. Ich hatte nicht vergessen, was das letzte Mal geschah, als ich ihr und Amber über den Weg gelaufen bin. Ihnen schien es Spaß zu machen mich zu demütigen und mein Freund war zu blind um es zu sehen.

"Darf man erfahren, wen du gerade mit deinen Blicken getötet hast?", scherzte Tobi und lachte dabei. Er warf das letzte Stück seiner Zigarette neben mir ins Feuer.

Ohne auf seine Frage einzugehen, drehte ich den Kopf, um Holly mit dem Blick zu folgen. Aus dem Augenwinkel merkte ich, wie Lilly mit dem neuen Getränk von Stephan in der Hand mit den Augen rollte und genervt seufzte. Bei meinen Glück konnte es doch nur bedeuten, dass...

"Hat der Stubenhocker doch noch das Zimmer verlassen?", hörte ich eine andere mir bekannte Stimme sagen. Ich drehte mich zur Seite und da stand sie. Das schwarzhaarige Monster Amber Willow. Das Schicksal bestrafte mich jeden Tag aufs' neue. Was tun die beiden hier?

"Räum nächstes Mal endlich dein Zeug weg! Ich bin nicht deine Mutter. Du darfst dir auch mal die falschen Fingernägel dreckig machen", konterte Lilly auf Ambers Aussage. Wenn ich hier eins und eins zusammenzählte, war ich mir sicher, dass Amber wohl die verhasste Mitbewohnerin sein musste.

Ich biss mir auf die Zunge, um mich zu zügeln. Diese Frauen lösten einfach eine derart geballte Wut in mir aus, die ich selbst nicht von mir kannte. Schon seit dem ersten Tag, an dem ich Holly und Amber gesehen hatte, wusste ich, dass wir nie Freunde werden könnten. Beide war einfach nur falsch und das von vorne bis hinten. Sie zögern nicht damit jemanden das Messer in den Rücken zu rammen. Würden wir in der Welt von Game of Thrones Leben, hätte ich beide schon lange an die Drachen verfüttern lassen. Hätte wie eine verrückte gelacht, wenn Drogon eine der beiden in fetzten gerissen hätte.

Der strahlende Gesichtsausdruck verschwand als Holly sich zu mir drehte. Ihre Lippen bildeten eine gerade Linie und ihre Augen sahen so dunkel wie nie aus. Das Blau verschwand aus ihren Augen.

"Was macht ihr hier?", fragte ich barsch und schmiss den Becher in die Flammen.

Amber verlagerte das Körpergewicht auf ihren rechten Fuß und überkreuzte die Arme vor der Brust. "Ich genieße hier das Lagerfeuer mit meinen Mit-Studenten. Was sonst?"

"Das habe ich nicht gemeint!", drückte ich durch die zusammengebissenen Zähne heraus.

Sie leckte sich über die Lippen und löste die Arme von ihrer Brust. "Ich gehe hier auf die Universität und Holly hat sie ebenfalls hier in der Stadt angesiedelt. Er hat uns erzählt, dass auch du hier studierst, aber ich habe einfach gehofft, dass wir uns nie über den Weg laufen würden. Scheint, als ob meine Gebete nicht erhört worden wären." Ihre Augen suchten neben mir die Gegend ab. "Wo ist er? Ich habe gehört, dass er schon wieder zurück in London sein müsste. Oder hat er dich nach diesen peinlichen Fotos endlich in den Sand gesetzt?" Sie presste ihre Lippen zusammen und formte anschließend ein Grinsen. "Amara ich muss dir sagen, dass es ziemlich erbärmlich aussah, wie du versucht hat ... Na ja du weißt schon... ihn zu küssen."

Ich erwiderte nichts, denn es war genau das was sie damit bezwecken wollte. Während Tobi, Lilly und Stephan das Geschehen still beobachteten, trat sie weitere Schritte näher an mich heran, sodass sich unsere Nasenspitzen beinahe berührten. Ambers Stimme war leise, aber mit solcher härte dass ich es aus Drohung aufnahm. "Du bist noch nie sein Typ gewesen. Lass die Finger von ihm."

Meine Augen verengten sich automatisch und mein Ausdruck wurde blank. Ich fühlte ein Kribbeln in meiner Hand und wusste, dass sie gerne ausgeschlafen hätte, genau wie es Niall bei Dylan gemacht hatte. Vielleicht würde ich mich befriedigt fühlen, wenn ich ihr ihre Nase brechen könnte und anschließend in Schuldgefühlen zusammenfallen, weil das eigentlich nicht meine Art war so auf Menschen einzugehen. Ich bin kein Freund von Gewalt, aber dieses Gefühl in mir schrie danach ihr Gesicht zu verunstalten.

"Hey Barbie, bleib ja ruhig und lass meine Freundin in Ruhe", mischte sich Tobi ein und drückte Amber einen Meter von mir weg. Er stellte sich schützend vor mich.

"Pass lieber auf wie du mit mir sprichst!", zischte Amber und zog die Augen zu schlitzen.

Tobi gluckste. "Warum? Verstehst du die englische Sprache nicht? Wie soll ich denn mit dir sprechen? Verzieh euch!"

Holly stand direkt hinter Amber. Sie war so still, dass es mir schon komisch vorkam. Warum sagte sie nichts? Warum tat sie es ihrer Freundin nicht gleich? Es war kein Geheimnis, das wir uns alle nicht ausstehen konnten und sonst schwieg sie auch nicht. Lag es daran dass Niall nicht da war? Denn bei ihm war sie nie so Wortkarg.

Amber räusperte sich und ich konnte ihren eingebildeten Gesichtsausdruck überhaupt nicht leiden als sie erneut das Wort ergriff. "Holly hat schon dafür gesorgt dass er dir nicht bleiben wird. Genieße die Ruhe vor dem Sturm."

"Halt endlich die Schnauze. Verpisst euch!" Nach den Worten meines Mitbewohners murrte sie noch leise etwas, ging mit Holly an uns vorbei und warf mir noch einen bösen Blick zu. Warum? Warum muss sie ausgerechnet hier auf die Uni gehen? Und warum wusste ich nichts davon? Ob sie mit Absicht hier waren um mich zu ärgern und mir den Freund auszuspannen? Wusste Niall davon und verschwieg er es mir mit Absicht, weil er etwas mit Holly am Laufen hatte? Oder spielte meine Fantasie schon wieder verrückt? Ich wollte nur noch nach Hause und Niall darauf ansprechen. Und was zum Teufel meinte sie? Holly hat schon dafür gesorgt dass er nicht bei mir bleiben wird? Was?

"Alles klar bei dir? Wer war das überhaupt?", fragte Tobi mich besorgt und auch Stephan und Lilly näherten sich uns an.

"So ne blöde Kuh aus Mullingar und die Ex von ...", ich wollte schon Niall - meinen Freund - sagen, aber schluckte seinen Namen in der Öffentlichkeit hinunter. "Sie ist die Ex von meinen Stiefbruder und steht noch immer auf ihn. Sie und ihre Freundin Amber haben mir letztes Jahr schon die Hölle heiß gemacht."

Tobi tätschelte mir die Schulter. "Ich glaube ich verstehe schon." Er nickte mir bekräftigend zu, somit gab er mir zu verstehen dass er verstand dass ein großes Eifersuchtsdrama schuld an unserer Auseinandersetzung war. Wenn er nur wüsste...

Ich war sauer und brauchte sofort Antworten. Doch zuvor lächelte mich der letzte Rest des Biers in den fast leeren Becher noch an. Ich trank es aus und ließ es mir erneut auffüllen.

"Ich nehme an du kennst meine Mitbewohnerin bereits", stellte Lilly schließlich fest und nippte dabei an ihrer Flasche Sprite.
Ich seufzte genervt und sah auf meinen Becher hinab. "Ich wünschte es wäre anders." Das nicht kennenlernen von Holly und ihrer Freundin hätte mir eine Menge Ärger erspart.
Tobi neben mir zündete sich erneut eine Zigarette an und blies den Qualm in die Luft. "Ich weiß ja, warum ich mich nicht für Frauen interessiere. Immer dieses Drama." Er ließ die Schultern nach hinten fallen und strich sich mit der Hand durch seine Haare. Der Stiehl seiner Zigarette glühte auf als er daran zog.
"Also ich liebe Frauen." Wir warfen alle einen Blick zu Stephan, den ich schon fast vergessen hatte. Stephan zerknüllte den roten Becher und warf ihn in das Feuer. Er richtete seinen Blick auf mich und danach auf Lilly.
Lilly gluckste kichernd. "Wir Frauen sind auch liebenswert. Ich meine, ohne uns würde es euch überhaupt nicht geben."

So viele verschiedene Gedanken machten sich in meinen Kopf breit und der Alkohol dazu war keine gute Mischung. Ich atmete tief durch um das Gefühl von Schwindel zu übergehen. Mir war die Lust vergangen hier auch nur eine weite Minute zu bleiben. Schon alleine dass mir beide wieder vor die Nase laufen könnten, ließ mir die Idee des schnellen Abgangs nur noch besser erscheinen.

****

Bis auf einige leise Töne, die wohl aus Kopfhörern stammten, war es still im Zimmer. Das Licht der Straßenlaterne schien durch die Fenster hindurch und erhellte den Raum für mich. Mein neues Fahrrad lehnte an der Wand neben der Tür, während ich Niall auf meinem Bett liegen sah. Ich tapste über den kalten Boden hinüber zu ihm. Er trug Kabellose Kopfhörer, die blau blinkten. Der Bass eines mir unbekannten Songs presste heraus. Sein iPhone lag auf seiner geöffneten Handfläche, während seine andere Hand um meinen Poster geschlungen war. Ich sah ihm gerne zu wie er ruhig schlief, wie sich sein Brustkorb hob uns senkte und ich mich fragte, ob er gerade von mir träumte.

Vorsichtig mit der Absicht ihn nicht zu wecken nahm ich ihm seine Kopfhörer ab und griff nach seinem Handy. Ich beendete den Song mit einem Knopfdruck und legte anschließend seine Kopfhörer am Nachttisch ab. Sein Handy hielt ich noch für weitere Minuten in der Hand, während ich ihn musterte. Ich nahm an Rand der Matratze Platz und dachte nach. Was würde ich wohl finden, wenn ich erneut so dreist wäre und in seinem Handy schnüffeln würde? Würde ich Hollys Namen bei den letzten Anrufen lesen? Würde ich einen Nachrichten verlauf der beiden vorfinden, in dem er ihr von meiner Uni erzählt hatte? Und warum dachte ich überhaupt darüber nach? Rede ich mir selbst nur ein dass ich ihm komplett verziehen hatte, weil ich es möchte, es aber einfach nicht über mich bringen kann? Er hatte schon damals kein Problem damit mir die Sache mit Holly zu verschweigen, kaum zu fassen dass es dabei um eine Schwangerschaft ging. Ja, wir waren kein Paar, aber dennoch standen wir uns nahe. Niall hatte auch keine Gewissensbisse im betrunkenen Zustand an ihrem Hals zu lecken. Eines war klar, wenn er Alkohol in sich hatte und beduselt war, wollte er seine Ex. Bei ihr wäre es auch kein Problem sich einfach in der Öffentlichkeit zu zeigen. Seine Fans kannten sie, mochten Holly oder hassten sie, aber sie hatte immer noch einen Vorteil. Sie war nicht seine Stiefschwester.

Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte wirklich gehofft dieses Thema hinter mir lassen zu können. Es sollte endlich nur um ihn und ich gehen. Ich wollte mich nicht wieder mit jemanden feixen. Vermutlich zerbreche ich mir hier stundenlang den Kopf obwohl es nichts ist. Er liebt mich und nicht sie.

Ohne darüber nachzudenken, drückte ich auf den Homebutton des iPhones. Hinter den Musikplayer, den Twittericon und dem Facebookicon sah ich mich selbst. Ich schmunzelte, denn auf dem Foto schlief ich tief und fest. Mein Haar war zerzaust und mein Mund war leicht geöffnet. Weswegen würde er dieses Bild als Hintergrundbild verwenden und warum ist sein Telefon noch immer nicht durch ein Passwort, ein Zeichen oder einen Fingerabdruck geschützt? Sein fertiges Album befand sich darauf. Ich will mir nicht mal ausmalen, was passieren würde, wenn er es verliert!

Ich schob den Gedanken zur Seite in seinem Handy nach etwas zu suchen, um mich damit nur selbst zu verletzten. Ich musste endlich lernen Niall vollends zu vertrauen, ansonsten ist diese Beziehung zum Scheitern verurteilt. Außerdem habe ich nie ein Geheimnis daraus gemacht, das ich hier studieren werde, weder habe ich jemals nachgefragt was Holly eigentlich macht. Ich wusste nur dass sie bei ihrem Vater in der Kanzlei im Sommer ausgeholfen hatte - zumindest letztes Jahr. Mir wäre es bei weitem lieber gewesen wenn ich Matt zufällig am Campus getroffen hätte und nicht die beste Freundin seiner Schwester. Wie es ihm wohl geht? 

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