Der erste Schnee
Der Tag nachdem ich die Wahrheit erfahren hatte, fand ich mich in Nialls Apartment wieder. Verletzt und enttäuscht benötigte ich Abstand zu Sophie. Tobi wollte mich sowieso nicht sehen. Ich versuchte mich an die Momente zu erinnern, die Sophies Wut schürten. Die dazu veranlassten, dass sie sich dazu bereit entschloss sich in meine Beziehung einzumischen. Sie tat es, weil sie mich für sich wollte, wie auch ich es getan hatte, als ich sie dazu überredete nach London zu ziehen. Doch diese Tat fühlte sich wie Verrat an. Sie hatte genau gewusst, dass wir die Beziehung zueinander nicht öffentlich machen wollten.
Eine Woche danach fühlte es sich nicht mehr so fremd in Nialls vier Wänden an. Er wusste inzwischen, dass ich mir hier aufhielt. Es machte ihm nichts aus, denn er hatte mich an seine Worte von vor einem Jahr erinnert. Wenn es irgendwann mal nicht so laufen würde, wie ich es mir erhofft hatte, dann würde er mich immer aufnehmen. Ich hatte meine Möglichkeiten genau abgeschätzt. Entweder ich ging zurück und bereitete mich auf eine erneute Konfrontation vor, nahm mir ein Zimmer in einem Hotel, fragte Connor, ob er ein Zimmer für mich übrighätte und müsste so eventuell erzählen, wie es zum Streit kam oder ich schlief hier. Das Einzige, dass ich direkt von der Liste strich, war Lilly um Platz zu bieten, denn bei ihr müsste ich ständig in Ambers Gesicht blicken und darauf hatte ich absolut keine Lust. Das Einzige gut in dieser Woche war, dass Nialls Album Flicker direkt auf Platz Eins ging.
In der zweiten Woche brachte ich es endlich hinter mich zurück in die Wohnung zu fahren, in der ich meine restlichen Sachen packte. Erneut begab ich mich an diesen Tag wieder in einen Streit mit Sophie und Tobi. Es war genau dieser Tag, an dem ich beschlossen hatte nicht wieder zurückzukehren. Ich hatte mich in dieser Woche darum gekümmert, wie ich aus dem Mietvertrag rauskam.
In der dritten Woche befand sich mein gesamtes hab und gut in Nialls Apartment. Ich hatte nicht vor hier auf langer Dauer sein Gast zu sein, denn das würde für mich viel zu schnell gehen. Ich fand nicht, dass ich nach drei Monaten schon bei ihm einziehen sollte. Doch für den Moment ging es nicht anders. Außerdem war er noch für vier weitere Wochen nicht im Land. Diese Woche nahm ich mir auch Zeit mich zum Arzt zu schleppen und mir das erste Mal diese drei-Monatsspritze geben zu lassen. Zudem wurde ich von Connor und Davina zum Familienessen eingeladen. Hier lernte ich Connors Eltern und die von Davina kennen, sowie Connors jüngere Schwester, während Valerie in Mullingar Mum und Bobby einen Besuch abstattete.
Woche vier startete mit Fieber für mich. Hier hätte ich mir gerne meine Mutter herbeiwünscht. Ganz alleine mit glühendem Kopf und Brechreiz saß ich drei Tage in der Wohnung fest. Ich vermisste Niall immer mehr und hoffte, dass er bald wieder bei mir sein würde. Beinahe zwei Monate von ihm getrennt zu sein, war viel zu lange.
In der darauffolgenden Woche drehte sich alles nur um die Universität. Wichtige Prüfungen standen an und mein zwanzig Seitiger Aufsatz, an dem ich zehn Tage alleine schrieb. In diesen Tagen hatte ich so gut wie kein Privatleben. Valerie hatte inzwischen von Jacob und Sophie erfahren. Sie verbrachte zwei Nächte weinend bei mir. Von ihr erfuhr ich auch, dass Sophie den Abbruch wirklich durchgezogen hatte. Sie selbst hatte Valerie unter Tränen von der Affäre erzählt. Ich verstand nicht, warum sie es plötzlich getan hatte, ich hatte aber dadurch gehofft, dass sie sich so irgendwie bei mir entschuldigen wollte, aber ein Gespräch blieb aus.
In der sechsten Woche ging ich das erste Mal seit langem wieder aus. Lola schlief mich praktisch mit in die nächste Diskothek. Am Morgen danach fand ich sämtliche Bilder von mir beim Tanzen im Netz wieder. Niall war nicht sonderlich begeistert von der Aktion, den bei diesen Bildern sah man mir an, dass ich zu tief ins Glas geschaut hatte. Zudem wurde der kleine Bruder von Theo vier Wochen zu früh geboren.
Die siebte und letzte Woche ließ ich ruhig angehen. Ich telefonierte viel mit meiner Mutter und meinen Großvater. In dieser Woche schaffte ich auch endlich das lang erwartete Wiedersehen mit Cheryl. Mit dem kleinen Bear im Kinderwagen gingen wir außerhalb von London spazieren und anschließend etwas essen. Außerdem beendete ich mit Stolz das erste Drittel des Trimesters. Den Autumn Term konnte ich mit Stolz abhacken. Jetzt durfte ich mich auf die Weihnachtszeit freuen, bevor Ende Januar der Spring Term und somit das zweite Drittel des Studienjahres begann.
Heute brach die achte Woche an. Ungeduldig sah ich immer wieder aus dem Fenster hinunter. Von hier aus sah alles klein und weit weg aus. Aber trotzdem hoffte ich, dass ich den Wagen von Niall erkennen würde. Die Straßen waren angezuckter, denn in der Nacht hatte es zu schneien begonnen. Die Flocken flogen wie dicke Federn durch die Luft. Aufgeregt und mit einem Schwarm Schmetterlingen im Bauch kaute ich an meinen Fingern herum. Wie wird das wohl sein, hier mit Niall zu wohnen? Ich hatte sichtlich bedenken und hatte zu Beginn daran gedacht, vor Niall Rückkehr bereits woanders zu wohnen, aber da hatte ich nicht bedacht, wie vergriffen die Wohnungen in dieser Stadt waren. Das Zimmer in Tobis Wohnung hatte ich auch erste nach Stunden gefunden.
Ich machte mir einen Kaffee und setzte mich schlürfend auf die übergroße Couch, die ich die letzten Wochen mehr als einmal für ein Nickerchen genutzt hatte. Als ich das Klingeln des Aufzuges hörte, sprang ich freudig auf und huschte die drei Treppen zum Apartmenteingang hoch. Die schweren Türen gingen auf und Niall stand mit drei Reisekoffern, einer Trainingstasche und zwei Gitarrenkoffern da. Sein Gesicht erhellte sich, als sich unsere Augen trafen. Er ließ die Tasche fallen und stürmte auf mich zu um mich mit einem dicken Kuss zu begrüßen. Die Sehnsucht nach ihm verschlang mich. Endlich wieder in seinen Armen zu sein, seine Nähe zu spüren und sein Aftershave zu riechen, war das schönste und beste überhaupt.
"Ich habe dich so vermisst", sagte ich, als sich unsere Lippen lösten und er seine Stirn an meine legte.
"Und ich dich erst", erwiderte Niall mit einer Hand an meiner Wange. Dann drückte er mir einen Kuss auf den Haaransatz und drehte sich um, um den Lift auszuräumen. Ich half ihm seine Sachen in das Wohnzimmer zu ziehen. Still sah er sich um, bis sich unsere Blicke wieder trafen. Er sah so glücklich aus und ich musste Mitlächeln. Wie ich das vermisst hatte ...
"Weißt du...", begann er. "Ich könnte mich daran gewöhnen, immer jemanden zu haben der zu Hause auf mich wartet." Ich ging auf ihn zu und lehnte meinen Kopf an seine Brust. Ich wollte einfach nur von ihm umarmt werden. Er schlang seine Arme um mich und legte sein Kinn auf meinen Kopf ab. "Du hättest mich gebraucht", flüsterte er leise. Ich drückte ihn etwas fester und er seufzte.
"Das ist jetzt egal. Hauptsache, du bist wieder da", murmelte ich gegen seine Brust.
In den darauffolgenden vier Tagen bereiteten wir und auf den Abflug nach Mullingar vor. Das Zusammenleben mit ihm war harmonisch und voll mit kleinen romantischen Gesten. Er hatte an allen Tagen gekocht, sah sich mit mir romantische Komödien an, ließ mir das Badewasser ein und massierte mich vor dem Schlafen gehen. Also wenn ich jetzt noch nicht im siebenten Himmel war, dann wusste ich auch nicht. Da es nicht anders ging, musste er mir schon mein Weihnachtsgeschenk verraten. Ein Traumurlaub irgendwo am Meer. Ich wusste nicht wo, wusste nur, dass ich mir einen zweiten Koffer packen musste, in dem ich leichte Kleidung einpacken musste. Für diesen Anlass ließ ich es mir nicht nehmen noch einkaufen zu gehen und Niall durfte dabei meine Taschen tragen. Mein Geschenk für ihn hatte ich auch bereits. Es war nichts Großartiges, so wie sein Geschenk an mich. Es war doch eh immer dasselbe, was konnte man ihm den schon schenken? Ich hatte mich für ein einfaches Fotobuch entschieden. Es waren vierzig Seiten voll mit Erinnerung an uns Beide. Das Coverbild, was unser Kuss im Heißluftballon, nachdem er mir diese wunderschöne Kette, die ich jeden Tag trug, geschenkt hatte. Gleich auf der ersten Seite, wenn man das Buch aufschlug, war das Bild, das geschossen wurde, als wir das Pub verließen, an dem Tag, an dem ich Niall kennengelernt hatte. So arbeitete ich mich hoch, bis zum letzten gemeinsamen Foto das wir voneinander gemacht hatte. Ich hoffte wirklich, dass er sich darüber freuen wird.
Am Flughafen in Dublin wurden wir von Bobby abgeholt, der die ganze Fahrt nach Mullingar über von meiner Mutter, ihren wunderschönen Babybauch und seinen neuen Enkelsohn Jake erzählte. Niall und ich freuten uns schon darauf den Kleinen zu sehen. In Irland lag viel mehr Schnee als in London. Die gesamte Gegend war in Weiß getaucht. Vor dem Haus unserer Eltern stand ein Schneemann in der Auffahrt. Er war nicht sonderlich groß, es war eher ein Kinderschneemann. "Den hat Theo mit mir gebaut, während er letztes Wochenende hier geschlafen hat", teilte uns Bobby mit.
Bobby fuhr mit seinem Wagen nicht in die Garage, da dort drinnen kein Platz war. Denn mein und Nialls Wagen standen darin. Ich zog mir die Kapuze meiner Winterjacke über den Kopf, als wir, mit den Koffern, durch den Schnee zur Haustür stampften. Der Wind peitschte mit dicken Schneeflocken gegen uns. Im Haus war es warm. Die Wärme prickelte an meinen kalten Wangen und die Duftkerze neben der Tür roch noch Bratapfel. Meine Mutter begrüßte uns voller Freude mit einer Umarmung. Ihr Bauch war schon sehr groß und sie hatte etwas zugenommen. Ihr Gesicht war nicht mehr so schmal und glatt, wie es sonst immer war. Einen Monat hatte sie noch vor sich.
"Mum, wie geht es dir?"
"Den Umstanden entsprechen." Sie rieb sich strahlend den Bauch. "Aber jetzt zieht euch doch mal aus und lasst uns etwas Warmes trinken."
Zwei Stunden lang, saßen wir anschließend mit warmen Getränken und Keks im Wohnzimmer auf dem Sofa und redeten. Als das Thema mit meiner Wohnsituation aufkam, rümpften Mum und Bobby beide leicht die Nase.
"Das ist nur vorübergehend. Ich suche mir etwas Neues", meinte ich verteidigend und wusste, dass ich sie mit dieser Antwort eher für mich gewinnen konnte.
Meine Mum runzelte die Stirn. "Warum gehst du nicht wieder zurück zu Sophie und diesen Tobi? Findest du nicht, dass das ein bisschen schnell mit euch beiden geht? Ihr seid jung, ihr solltet noch nicht so zusammenwohnen."
"So jung sind wir auch wieder nicht Kate", murrte Niall neben mir. "Außerdem sind wir zusammen. Ich habe nichts dagegen, dass Amara bei mir wohnt. Von mir aus will ich auch überhaupt nicht, dass sie mich verlässt. Wir lieben uns, die Chemie stimmt, wenn man den Menschen fürs Leben findet, warum sollte man länger warten und ihn gehen lassen?"
Ich drückte Nialls Hand sanft. Ich hatte nicht erzählt worum es in den Streits mit Tobi und Sophie ging, denn ich fand nicht, dass ich ihr das erzählen musste. Niall hatte mir bei einem Gespräch zu Hause schon mitgeteilt, dass er nicht wollte, dass ich wieder auszog, aber ich war mir noch nicht sicher.
Meine Mum seufzte und rieb sich die Stirn. "Na ja, ich kann ja eh nichts dagegen tun. Ihr macht doch sowieso immer, was ihr wollt."
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