Danach

Nialls Sicht

Ihre Brust hob und senkte sich unter mir. Jede Kurve ihres Körpers passte wie angegossen an meinen und ich liebte es. Liebe jeder Millimeter von Amara. Vorsichtig um sie nicht zu erdrücken stemmte ich die Arme neben sie in die Matratze. Amaras zärtliche Hände hielten mich an der Seite meines Bauches fest. Ich gab ihr einen Kuss auf die Nase, rollte mich vom Bett ab und entledigte mich des Kondoms. Irgendwie konnte ich noch immer nicht ganz realisieren, was wir gerade getan hatten. Vorgestellt hatte ich es mir schon oft, aber dass es ausgerechnet heute passieren würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie es mit später ernst meinte. Vermutlich war es auch besser so. Kaum vorstellbar, wie gequält ich sonst den ganzen restlichen Tag gewesen wäre.

"Fühlst du dich noch fit genug, um den Whirlpool mit mir auszutesten?" Amara deutete mit den Daumen auf nebenan. Ein schiefes Grinsen umspielte ihre pinken Lippen.

"Was für eine Frage? Na sicher!" Zielstrebig ging ich auf sie zu und zog sie an der Hand hinter mir nach. Das Lachen meines Mädchens war Musik in meinen Ohren.

Wir genossen die Zeit zusammen, unterhielten uns über Gott und die Welt und kuschelten uns später gemeinsam in das Bett. Ich hielt sie eng an mir, da ich wusste, dass sich das alles schon in Kürze ändern würde. Meine Gedanken kreisten ständig darum. Wie soll ich ihr das nur sagen? Würde sie es verstehen und akzeptieren? Schließlich konnte ich nichts dafür. Auch ich wurde die ganze Zeit über nach Strich und Faden belogen. Ich wünschte, ich könnte die Zeit um ein Jahr zurückdrehen ...

Ich hätte vieles anders gemacht. Hätte mich gleich auf meine Gefühle für Amara eingelassen und nicht noch erst überlegt, ob ich Holly und mir wieder eine Chance geben sollte. Der erste Moment, in dem mir das erste Mal auffiel, wie schön Amara eigentlich war, war als sie am Heimweg von Dublin in meinen Wagen eingeschlafen war. Sie hatte Angst vor dem Gewitter, das in der Nacht über das Land zog und schlief keine Minute. Ich bin damals extra einmal auf einer Raststation stehen geblieben, um sie näher zu betrachten. Das offene lange braune Haar bedeckte ihr Gesicht. Ich kann mich noch an das Geräusch ihrer ruhigen Atmung erinnern. Aus einen mir unbekannten Grund hatte sich dieser Moment fest in mein Gedächtnis gebrannt.

Als ich danach für eine Woche die Stadt verlassen musste, erwischte ich mich immer wieder dabei an die schlafende Amara zu denken. Ich beobachtete ihr Twitter Profil und überlegte, ob ich zu Hause anrufen sollte, um sie an das Telefon zu bekommen. Der weiche Klang ihrer Stimme fehlte mir irgendwie und ich wollte wissen, ob es ihr genauso erging wie mir. Am Flug nach Hause überlegte ich, wie es wohl wäre sie auf ein Essen einzuladen. Einfach nur um zu sehen, wie sie so tickt. Stiefschwester hin oder her - ich wollte sie besser kennenlernen. Schlussendlich habe ich sie zum Golfen eingeladen. Auch jetzt noch würde ich mich am liebsten dafür Ohrfeigen. Erstens, hätte ich damals schon die Initiative ergriffen wäre unser Streit nie passiert und zweitens, wie konnte ich nur so bescheuert sein und Holly dazu mitnehmen? Sie sah so billig in ihrem knappen Outfit aus. Und beim Aufpassen von Theo übermannten mich die Schmetterlinge. Ich fühlte mich magnetisch an sie gezogen. Der Moment in der Besenkammer, war der erste Augenblick, in dem ich mich gefragt hatte, wie sich wohl ihre Lippen anfühlen würden. Und auch ob sie mich weggestoßen hätte, wenn ich es versucht hätte.

Die Zeit in London hätte ich nur allzu gerne mit ihr alleine verbracht. Nur um zu sehen, wie sie sich in meiner Welt tun würde. Aber es war vollkommen okay, dass auch Sophie mit war. Sie ist Amaras beste Freundin und ich wollte auch sie kennenlernen. Schon damals war ich mir sicher, falls ich mich nicht irren würde und Amara dasselbe für mich empfand wie ich für sie, dann musste ich auch mit ihrer Freundin auskommen. Zu Beginn war Sophie alles andere als einfach. Sie hat in meinem Zimmer gewühlt und mir einen meiner Pullover geklaut. Es dauerte, bis sich ihr Fan-Gehabe legte und wir eine normale Unterhaltung führen konnten. Ich musste zugeben, dass ich sogar stolz auf Sophie war. Sie hatte wirklich großartige Leistung beim Dreh des Musikvideos gebracht, sogar so gute, dass sie nun für Davina und Co arbeitet. Sie hat ihre Chance ergriffen und sich weiterentwickelt. Die Zukunft stand ihr offen und ich war davon überzeugt, dass sie das Beste aus dieser Chance machen wird.

Unseren ersten Kuss hatte ich mir anders vorgestellt - nicht, dass ich eine spezielle Vorstellung davon hatte, aber das ich mich vorher noch an der Bar volllaufen würde, war nicht so geplant. Wären diese nervigen Frauen nie in mein Leben getreten ging es mir und Amara viel besser. Egal um was für ein Drama es ging, man konnte immer sicher sein, dass Amber oder Holly Teil davon waren. Der ganz Mist war auf ihre Köpfe gewachsen.

Ich konnte mich noch ganz genau daran erinnern, wie es sich angefühlt hatte in das Loch zu stürzen, als wir von den Hochzeitsplänen unserer Eltern erfahren hatten. Es war, wie ein Schlag ins Gesicht der mir deutlich machte, mit wem ich die Nächte verbringen wollte, wenn ich meine Zuneigung und Liebe schenken wollte ... einem Mädchen, das sich meine Stiefschwester nannte. Von einem auf den anderen Moment fühlte es sich komisch an und ich brauchte etwas Abstand zu ihr. Doch jedes Mal, wenn sie den Raum betrat, konnte ich nicht anders als sie zu mustern. Gerne hätte ich gewusst, welche Gedanken ihr durch den Kopf gingen, während sie mich nur fragend anstarrte.
Meine abwehrende Art kam dabei bestimmt mies rüber, aber ich wusste es zu diesem Zeitpunkt nicht besser.
In diesen zwei Monaten war ich ein Stammkunde an Marlons Bar. Oft hätte ich minutenlang die Pub-Tür angeglotzt und gehofft, dass Amara mir vielleicht gefolgt wäre, um mich auf meine schroffe Art anzusprechen. Aber das tat sie nicht. Nie.
Ich nahm es ihr auch nicht übel. Die Neuigkeiten unserer Eltern hatten sie sicher auch nicht kalt gelassen und dann auch noch von mir zu ignoriert zu werden tat ihr bestimmt weh.

In diesen Moment studierte ich die Karte des Zimmerservices. Mein Magen grummelte schon, seitdem ich vor etwa fünfzehn Minuten das Telefonat mit meinem Vater beendet hatte. Voller Stolz erzählte er mir, dass er und Kate bereits das Gästezimmer gestrichen hatten. Eine gelbe Wandfarbe mit aufgeklebten Wolken. Das Gitterbett von Amara und mir stand bereits bereit Ende oder Anfang des nächsten Jahres zusammengebaut zu werden. Während es bei Kate erst Anfang Februar so weit sein würde, war bei Denise der Geburtstermin noch dieses Jahr an Silvester. Sie ging aber schon davon aus, dass es wieder früher losging, weil es bei Theo genauso war.

Ich bestellte also das Essen und wartete darauf, dass Amara ihre morgendliche Dusche hinter sich brachte, um mir Gesellschaft zu leisten. Während ich am Handy war, lief der Fernseher im Hintergrund. Es war irgendein Musiksender, der alles durch die Bahn spielte. Auf Twitter kursierte das Gerücht, dass Harry sich auf meiner Geburtstagsparty komplett abgefüllt und sich auf mich übergeben hatte. Irgendwie hatten die Daily Star sogar herausgefunden, dass er bei mir am Sofa eingepennt war und Amara nach Hause fuhr. Manchmal fragte ich mich, ob eine Wanze in meinen vier Wänden angebracht war. Aber ich wusste, dass es nicht so war. Schließlich wäre mein kleines Geheimnis sonst nicht mehr geheim.

"An was denkst du?", riss mich Amara aus den Gedanken mit ihrer zuckersüßen Stimme. Ihr feuchtes Haar hatte sie sich nach hinten frisiert und ihr Körper wurde von einem einfachen weißen Handtuch bedeckt.

Ich kratzte mich an Nacken und lehnte mich nach hinten. "Mach dir keine Sorgen. Es ist nichts. Ich habe Frühstück bestellt, du solltest dich mit dem Umziehen beeilen."

Amara presste die Lippen aufeinander und es schien, als würde sie von meinem Gesicht ablesen wollen, ob ich ihr die Wahrheit erzählt habe. "Du würdest mir sagen, wenn etwas nicht stimmt, oder?"

"Ja. Es ist wirklich nichts Babe." Ich stand auf und ging auf sie zu. Meine Handflächen umfassten ihre warmen Wangen. "Ich liebe dich und gestern Nacht war einfach nur perfekt." Unsere Nasenspitzen berührten sich. Das Grün in ihren Augen schillerte. Ich liebte es, wenn sich das Licht in ihren Augen brach und sie mich in genau diesen Moment ansah. Ich stellte mir dann immer vor, dass sie nur meinetwegen so strahlten. Jede einzelne Zelle meines Körpers verspürte den Drang sie für immer festzuhalten. Niemals hätte ich damit gerechnet so von meinen Gefühlen überrannt zu werden. Ich dachte immer so etwas passiert nur Filmen. Oft muss ich mich schon selbst dabei ermahnen nicht zu kitschig zu sein, schließlich sollte Amara meine Männlichkeit nicht anzweifeln. Ich war durch und durch ein Mann mit Willensstärke, der wusste, was er wollte.

"Niall", wisperte Amara.

"Hm." Ihre Haare rochen so gut nach Vanille.

"Es klopft.", erklärte sie. Seufzend ließ ich von ihr ab und ging zur Tür um das Essen in Empfang zu nehmen. Als ich mich umdrehte und das Essen in das Zimmer gefahren wurde, sah ich, dass Amara sich in Zimmer zurückgezogen hatte. Gut so, denn ich wollte nicht, dass jemand anders sie nur im Handtuch bekleidet sah.

Nachdem wir gegessen hatten, packten wir unsere Taschen und machten uns auf nach unten zur Rezeption. Amara bestand darauf, dass ich schon mal zum Wagen ging. Sie hatte mir den Autoschlüsseln noch mitgegeben, so konnte ich die Taschen gleich in den Kofferraum legen und mich auf meinen Platz am Beifahrersitz setzten. Es dauerte geschlagene fünfzehn Minuten, bis ich ihren braunen Schopf am Eingang herausspazieren sah. Ihr langes Haar wehte im Wind und blieb auf ihren Lippen kleben. Mit einer Handbewegung strich sie sich ihr Haar aus dem Gesicht, das Sekunden später wieder an Ort und Stelle klebte. Mit schnellen Schritten erreichte Amara das Fahrzeug und stieg schnaufend ein. Der Schlüssel steckte bereits und die Standheizung blies warme Luft aus. Sie rieb ihr kleinen Hände aneinander. "Der Wind macht es ganz schön kalt", bibberte sie.

Der Verkehr auf der Autobahn war heute nicht sonderlich stark. Für die Mittagszeit hätte ich mit schlimmeren gerechnet. Amara wollte noch in der nächsten größeren Stadt abfahren und einen kleinen Einkaufbummel machen. Mir war es recht, so kamen wir erst später und ich musste Elisabeth nicht noch länger ertragen. Heute Abend fand ihre Geburtstagsfeier statt. Dazu hatte ich mit extra meinen besten Anzug mitgenommen. Zumal ich wusste, wie viel wärt diese Frau auf das Erscheinungsbild legte. Amara wollte beinhart in Jeans und Pullover erscheinen, um ihrer Großmutter klarzumachen, dass sie selber entscheiden wollte, was sie trug. Ich hingegen wollte keinen Ärger. Für dieses eine Wochenende wollte ich mich ihren Willen beugen und so tun, als würde ich nicht spüren, dass mich absolut nicht ausstehen konnte. Elisabeth Marie Julien sollte mich für diese drei Tagen von meiner besten Seite kennenlernen.

Amara parkte den Wagen ab. Da ich eigentlich nicht davon ausgegangen bin, dass ich mich verkleiden müsste, hatte ich auch dementsprechend keinen Hut, Mütze, Schal oder irgendetwas anderes mit. „Ich glaube, es ist besser, wenn ich hier auf dich warte."

„Was?" Amara legte den Kopf zur Seite. „Ach, komm schon mit. Ich möchte dich hier nicht warten lassen Niall. Wir werden gar nicht auffallen."

Davon war ich weniger überzeugt. „Ich möchte doch auch nicht hier warten, aber..."

Sie unterbrach mich. „Ich will kein aber hören. Dieses eine Wochenende lang, wollte ich, dass wir uns wie ein normales Paar verhalten. Ein Paar, das auch gemeinsam einkaufen geht." Amara schob schmollend die Unterlippe vor.

Seufzend gab ich schließlich nach. „Na gut."


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