Bis bald

Mit dem Kopf an dem Fenster lehnend beobachtete ich, wie wir an den Häusern und Passanten vorbeifuhren. Die Sonne war bereits verschwunden und die Laternen und Ampellichter spiegelten sich am nassen Beton wider. Vor knapp sechsunddreißig Stunden, musste ich mir noch nicht den Kopf darüber zerbrechen, wie wir mit einer Schwangeren im Apartment zurechtkommen sollten. Ich wäre wirklich sehr gerne mit Sophie zu Nialls Show gegangen. Zwar begleitete mich Tobi, aber trotzdem, fühlte ich mich, als würde etwas fehlen. Ich hätte gestern gerne einen Mädels-Tag mit Sophie verbracht. Ganz klischeehaft in der Mall beim Shopping und später ein Besuch im Starbucks. Früher hingen wir jeden Tag zusammen ab, wir waren eine Einheit. Mir wurde immer gesagt, dass es so nicht ewig bleiben würde, aber ich wollte es nicht glauben. Egal ob zwanzig, vierzig oder sechzig ... Amara und Sophie würden immer unzertrennlich sein. Vielleicht konnte ich mir jetzt eingestehen, warum ich Sophie dazu bringen wollte hierher zu ziehen: ich wollte nicht ohne sie sein, ich wollte den anderen zeigen, dass sie Unrecht hatten. Sie ist mein Fels in der Brandung. Ich brauchte sie um mich, um zu wachsen. Nicht körperlich, aber geistig. Außerdem wollte ich mir nicht ausmalen, dass sie sich in meiner Abwesenheit eine neue beste Freundin anschafft.

Heute war es oft genauso, wie ich es damals nicht wollte. Das Erwachsenenleben machte uns einen Strich durch die Rechnung, durch den ich verstand, warum Peter Pan nicht erwachsen werden wollte. Versteht mich nicht falsch Geld, Sex und weit weg von seinen Eltern zu sein ist toll ... aber so eine Hüpfburg oder ein Bällebad mit seiner besten Freundin unsicher zu machen hat schon etwas Tolles an sich. Nun wusste ich meistens nicht, wo Sophie überhaupt war. Durch den Model Job kam sie mehr herum als ich. Und wenn ich mir ehrlich war, ist ihr Leben vermutlich viel aufregender als meines. Meine Routine war einfach nicht so speziell wie ihre. Mein Tag bestand ausschlafen, Uni, Essen, Niall und mir um unnötige Dinge Sorgen zu machen. Genau wie jetzt. Worüber dachte ich hier überhaupt nach? War ich nun schon eifersüchtig auf Sophies Leben? Nein, das wäre komisch. Sie ist eben hübsch und scheint das Talent dafür zu haben zu strahlen. Die Menschen mochten sie, während ich eher schüchtern und verschlossen auf die Leute wirken musste. An mir strahlte nichts, außer meine Taschenlampe, wenn ich wiedermal meinen Lieblingsfüller verlegt hatte.

Etwas müde setzte ich mich wieder aufrecht hin und versteckte meine kalten Hände in den Taschen meines Mantels. "Kommt Peter auch hin?"

"Hätte ich ihn fragen sollen? Das wusste ich nicht", meinte Tobi, der mich für eine Sekunde ansah und anschließend wieder den Blick auf den Verkehr richtete.

Ich zuckte mit den Schultern. "Du hättest. Aber ich hätte es wohl erwähnen sollen. Tut mir leid."

"Ach, macht doch nicht, "Tobi drehte das Radio leiser, "Er hätte heute sowieso keine Zeit. Peter muss heute zu einem Redaktion-treffen. Der nächste Monat wird besprochen oder irgendwie so."

"Aha", erwiderte ich nur. Es waren heute also nur Tobi und ich. Nicht mal meine Schwester hatte Zeit. "Sag mal ... bei welcher Zeitschrift arbeitet Peter eigentlich?"

Tobi bremste und ließ den Wagen zur roten Ampel rollen. Dann sah er zu mir. "Daily Star."

"Bei diesem Klatsch und Tratsch Schmierwerk arbeitet er? Das ist doch diese Zeitung, die mein Foto mit Niall bei dieser Party von Cara veröffentlicht hat. Oder das eine Mal, als sie zufällig irgendwie wohl davon erfahren hatten, dass wir eine Überraschungsparty für Niall geschmissen hatten, bei der Harry zu viel getrunken hatte und auf der Couch eingeschlafen war. Wenn ich so darüber nachdenke sind das schon komische Zufälle. Findest du nicht?"

Tobi runzelte die Stirn. Er sah zur noch immer roten Ampel hoch und wieder zu mir. "An was willst du anspielen? Doch nicht, dass Peter nur mit mir zusammen ist, um an dich und Niall heranzukommen. Oder ..., dass er das alles veröffentlicht hat."

Ich presste die Lippen aufeinander. Peter bekam sicherlich mehr von allem mit, als wir dachten. Zwar hatte ich damals, als Niall und ich noch in öffentlich zusammen waren, versucht darauf zu achten, nicht aufzufallen, aber wer weiß. Peter war mit uns auf der Party ... und hatte ich nicht von Nialls Überraschungsparty erzählt, als Peter zu Besuch war? Ich könnte recht haben, aber auch komplett falsch liegen. Eigentlich kenne ich Peter überhaupt nicht. Bis jetzt hatte ich noch nie eine ordentliche Unterhaltung mit ihm gehabt. Ich konnte ihn nicht einschätzten.

Die Ampel schaltete indessen wieder auf grün um und Tobi fuhr an. "Sag mir was du denkst Amara", forderte er.

Ich kaute auf meiner Unterlippe herum, da ich mir wünschte, dass ich einmal meine Gedanken für mich behalten könnte. "Naja ... wenn man darüber nachdenkt, kann es schon sein. Er war mit, als wir bei von Valerie zu Cara geschliffen wurden. Ich möchte Peter auch überhaupt nichts unterstellen ... aber bei euch ist das doch schon ganz schön schnell gegangen und-"

"Amara sprich jetzt ja nicht weiter!", unterbrach mich Tobi scharf. Ich erschrak etwas an dem Tonfall. "Peter würde so etwas nie tun! Warum würdest du ihn so etwas unterstellen?! Es dreht sich nicht immer alles um dich und Niall!" Er schüttelte den Kopf. "Eigentlich habe ich jetzt überhaupt keine Lust mehr auf den Scheiß. Ich liebe ihn und ich weiß, dass er das nicht tun würde."

Traurig senke ich den Kopf. Ich wollte nicht das Tobi sauer auf mich werden würde, aber es waren eben meine Gedanken. Klar, konnte ich mich irren, aber es schien Sinn zu ergeben. Tobi trug die bekannte rosarote Brille und sah die Makel an Peter nicht. Niemand ist perfekt, weder Peter, ich oder Niall. Wir alle machen Fehler. Außerdem schmerzte es zu hören, dass Tobi dachte, dass ich anscheinend zu denken glaubte, dass alles immer nur um mich ging. Doch ich wusste, dass es das nicht tat. "Ich wollte dich nicht gegen mich aufbringen. Aber du wolltest hören, was ich denke. Peter scheint mir ein netter Kerl zu sein, aber ich kenne ich ihn nicht wirklich. Ich kann ihn nicht einschätzten ... aber wenn du dir so sicher bist, täusche ich mich wohl."

"Natürlich kenne ich ihn besser als du", erwiderte Tobi neben mir trocken. Die Stimmung im Auto wurde eisig und ich war froh, als wir bei der Arena ankamen. Beim Hintereingang, mussten wir unsere Namen angeben, die eine Frau in ihrem Tablett überprüfte. Wir hatten Zugang.

Stumm gingen ich und Peter den Flur entlang. Das sonst so fröhliche Gesicht hatte er gegen ein aufgebrachtes getauscht. Nun fühlte ich mich komplett alleine gelassen. Sophie wollte alleine sein, da sie alleine mit ihrem Problem klarkommen wollte und Tobi hatte die Nase voll von mir, da ich seinen Freund für etwas beschuldigte, das er für Unsinn hielt. Was kam als Nächstes? Vielleicht ist auch Niall jetzt noch sauer auf mich, weil ich ihn gestern nicht mehr zurückgerufen hatte.

Jedoch verschwand meine Sorge, als ich ihn, in der Garderobe am Sofa sitzend sah. Er grinste, kam auf mich zu und küsste mich zur Begrüßung.

"Seid ihr nur zu zweit?" Niall sah zwischen mir und Tobi hin und her.

"Ja sind wir", nickte ich nüchtern.

"Nein sind wir nicht." Überrascht sah ich zur Tobi. "Eigentlich setzte ich Amara hier nur ab. Ich werde jetzt gehen."

Niall kratzte sich am Nacken. "Oh."

Als sich Tobi umdrehte, um zu gehen, packte ich ihm am Arm. "Warum gehst du jetzt?"

Er zog eine Augenbraue hoch. "Als ob du das nicht wüsstest. Ich will jetzt nicht bei dir sein." Mit diesem letzten Satz riss seinen Arm aus meinen Fingern und verließ den Raum.

Niall sah mich vollkommen verwirrend an. Er hob beide Hände fragend. "Was geht bei euch ab? nicht mal Sophie ist hier und ich dachte, sie hat die Woche frei."

"Ich wollte doch nicht streiten...", flüsterte ich und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Aufmerksam wie immer umarmte mich Niall. Ich lehnte mich an ihn und ließ mich von ihm halten.

"Das wird schon wieder Amara. Jeder hat mal Zoff." Ich hörte seine sanften Worte, konnte ihnen aber gerade keinen Glauben schenken. Ich und Tobi hatten noch nie Zoff. Würde jemand so etwas über Niall sagen, wäre ich auch sauer. Aber ob ich dann auch so reagieren würde, glaubte ich nicht. Vielleicht würde ich mich fragen, ob ein Funken Wahrheit dahinterstecken könnte. Vielleicht tut Tobi das sogar und ist eigentlich nicht wütend auf mich, sondern auf ihn selbst, weil er es selbst nicht sehen konnte.

Ich stemmte mich gegen Niall und machte einen Schritt weg von ihm. "Entschuldige Niall", ich seufzte, "... heute sollte es nur um dich gehen. Ich will diesen letzten Abend mit dir genießen."

"Du musst dich bei mir wegen nichts entschuldigen. Glaub mir, du hast wirklich keinen Grund."

Hinter mir räusperte sich jemand. Ich war mehr als überrascht ihn hier zu sehen.

"Hallo." Er hob die Hand zum Gruß. "Ist Sophie auch hier?"

"Ich dachte, Valerie kommt nicht?", hörte ich Niall in mein Ohr flüstern. Und ich nickte.

"Jacob, was willst du hier? Valerie ist doch heute arbeiten. Ich hatte nicht gedacht, dass du kommen würdest. Und nein, Sophie ist nicht hier. Ihr geht es nicht gut."
Jacob fuhr sich durch sein dunkelblondes Haar und schob anschließen die Ärmel seiner schwarzen Lederjacke hoch. "Ja, Val ist arbeiten. Aber sie hat gesagt, Sophie würde kommen und wir sind ja sozusagen befreundet."

Davon hörte zum ersten Mal. Gerade Jacob hatte Sophie doch zu Beginn auf das Kreuz gelegt und den Streit zwischen meiner Schwester und meiner besten Freundin provoziert.

Die gesamte Situation war heute schon blöd genug und wurde durch seine Anwesenheit wesentlich eigenartiger. Niall nahm es locker und vertrieb Jacob nicht. Er bot ihm sogar ein Bier an.

Während Niall sein Konzert spielte, standen ich und Jacob abseits von der Bühne und sahen zu. Es waren komisch mit Valeries Freund allein zu sein. Wieder ein Freund von jemanden, der mir etwas bedeutete, aber mit dem ich noch nicht viel zu tun hatte. Wie oft habe ich diesen Typen schon gesehen? Zweimal? Vielleicht dreimal mit heute? Etwa so in der Art.

Während ich versuchte dieser Situation zu ignorieren, knipste ich mit meiner Kamera mehrere Fotos von Niall und sang ohne Scham lauthals mit. Ich fragte mich schon, warum Jacob hier ohne Valerie aufgetaucht war. Egal ob er Sophie hier anscheinend treffen wollte oder nicht. Für mich war das ein No-Go. Ob Valerie wohl wusste, dass er hier war?

Nachdenklich kaute ich an der Innenseite meiner Wange herum. Ich speicherte das Video an meiner Kamera ab und schaltete diese danach aus. Dann drehte ich mich zu Jacob. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass er nicht gut aussah. Er hatte ein definiertes Gesicht, war sportlich gebaut. Seine blau-grünen Augen waren definitiv ein Hingucker. Kein Wunder also, dass ich ihn damals im Club nicht sofort von mir gestoßen hatte, als ich das erste Mal mit Tobi tanzen war.

"Du und Sophie seid also Freunde?", ich schrie etwas gegen die laute Musik an. Jacob bückte sich etwas zu mir hinab und hielt mir sein Ohr zu. Also wiederholte ich mich. Er nickte bestätigend. "Ja, sind wir. Sie hängt oft mit mir Val herum."

Ich spielte mit der Schnur meiner Kamera. "Und Valerie hat nichts dagegen, dass du hier bist? Also ... ohne sie?"

Jacob runzelte die Stirn. Bestimmt dachte er das ich nicht mehr alle am Zaun hatte. "Was geht dich das an? Ich wurde doch auch hierher eingeladen. Nur weil meine Freundin keine Zeit hat, muss ich nicht zu Hause hocken bleiben."

Ich zog scharf die Luft ein und drehte mich wieder weg von ihm. Er war mir nicht sonderlich freundlich gestimmt. Man kann sagen, was man will, aber ich war mir sicher, dass er nicht wegen Nialls Musik hier war.

Der nächste Song war Fools Gold, den Niall erneut an mich widmete. Egal wie oft ich ihn schon gehört habe, in Nialls Version konnte ich einfach nie genug davon bekommen.

Später, nach einer zweiten Zugabe beendete Niall die Show und kam verschwitzt nach hinten. Er nahm sich ein Handtuch und rieb sich damit das feuchte Gesicht ab, während ich ihm eine Flasche Wasser bereithielt. Dankend nahm Niall mir diese ab. "Wo ist Valeries Typ?"

Ich zuckte mit den Schultern. "Der ist vor etwa fünf Minuten gegangen. Ich weiß nicht mal, warum der überhaupt da war. Aber eines weiß ich, scharf darauf mit Valerie und ihn mal auf ein Doppeldate zu gehen, bin ich nicht."

Niall trank die Flasche aus und schraubte den Verschluss wieder zu. Sein Handtuch warf er sich um die Schulter. "Klasse. Ich auch nicht, so muss ich mir wenigstens keine Ausrede einfallen lassen."

Spielerisch schlug ich ihm gehen die Schulter. Er lachte leicht, wurde aber schnell wieder ernst. Er leckte sich über die Unterlippe und raufte sich mit seiner freien Hand durch seine Haare. Mir gefiel der Schlafzimmerlook. "Ich ähm muss mich jetzt umziehen. Wir müssen den Flieger bekommen."

Da war er also der Abschied. Ich hatte gehofft doch noch nach der Show etwas Zeit mit ihm verbringen zu können. Niall legte eine Hand auf meine Wange und ich machte einen großen Schritt auf ihn zu, um ihn zu umarmen. Mein Kopf passte perfekt an seine Brust. Ich spürte, wie er mir einen Kuss auf den Haaransatz drückte und schmolz sofort dahin. Warum musste er mich für so lange verlassen? Warum kann er nicht einfach bei mir bleiben? Gerade jetzt, wo Sophie schwanger und Tobi sauer war. Ich sah hoch in sein Gesicht und versuchte mir den Augenblick gut einzuprägen, versuchte das Gefühl abzuspeichern, dass er in mir auslöste. Ich wollte mich genau daran erinnern können.

"Ich liebe dich, Niall", bekomme ich gerade noch so raus, bevor meine Stimme versagen konnte. Mit seiner Hand an meiner Wange küsste er mich. Zuerst ganz langsam, bis uns die Gefühle übermannten. Die Leidenschaft riss und beide förmlich mit. Die Luft war das einzige, dass uns jetzt noch voneinander trennen konnte. Jedoch blieben wir trotzdem wie aneinander angeklebt stehen. Unsere Lippen nur Millimeter voneinander getrennt.

Ich spürte Nialls warmen Atmen an meiner Haut. "Verdammt, ich weiß überhaupt nicht wie ich das ohne dich aushalten soll."

"Mir geht es da nicht anders." Ich biss mir auf die Unterlippe.

Niall zog die Luft scharf ein, legte seinen Daumen auf meiner Unterlippe und zog die von meinen Zähnen. "Mach das nicht. Das macht mich heiß."

Kichernd machte ich es gleich nochmals mit Absicht und spürte Nialls gierigen Blick auf mir. Er lehnte sich noch ein letztes Mal zu mir herab und mir einen Kuss auf den Mundwinkel zu drücken, bevor er sagte: "Ich liebe dich so sehr Amara. Wenn ich zurück bin, muss ich etwas mit dir besprechen."

"Du ... du musst etwas mit mir besprechen?"

Er nickt leicht. "Mach dir jetzt keinen Kopf darum. Du musst dir absolut keine Sorgen machen. Versprochen."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top