Als ich dachte, dass alles gut werden würde

Herzlich willkommen zum letzten Kapitel. Oben habe ich euch verlinkt, was ich beim Schreiben gehört habe. Es hat, finde ich, sehr gut gepasst. Ähm, ja. Ihr lest  richtig. Es ist Game of Thrones Musik. 

----------------------------------------------------


Wie ein Haufen elend hing ich mit dem Kopf über der Toilette und übergab mich. Meine Wangen waren feucht, durch die Tränen, die sich aus meinen Augen schlichen, als ich mir die Seele aus dem Leib kotzte. Der viele Wein von gestern und die überkochenden Emotionen der Beerdigung meiner kleinen Schwester, schienen keine gute Kombination zu sein. Mit Toilettenpapier wischte ich mir den Speichel von den Lippen. Der widerliche Geschmack in meinen Mund ließ mich erneut würgen. Ruhig versuchte ich ein und auszuatmen, während ich mich auf die Füße hochdrückte. Erneut wischte ich mir über die Lippen und ließ das Papier in die Schüssel fallen, bevor ich die Spülung tätigte und zum Spülbecken trat, um mir die Zähne zu putzen.

Ich betrachtete mein Spiegelbild. Meine Haut war noch blasser als sonst, die Lippen rau und ungepflegt, meine Augen waren dunkeln. Ich wusch mir mein Gesicht mit eiskaltem Wasser. Besser fühlte ich mich dadurch nicht. Das Brennen meiner Augen hörte damit nicht auf.

Jeder ging anders mit der Trauer um. Meine Mum saß auf einem Stuhl in Annabelles Zimmer. Es war fertig eingerichtet. Jedes Detail war mit Liebe gemacht. Das Bettchen, das Niall und ich gekauft hatten, stand bezogen im Raum. Das dünne Tuch hing wie eine Wolke von der Decke. Windeln waren bereits in die Kommode neben den Wickeltisch geräumt worden, bereit benutzt zu werden. Fläschchen, Babynahrung, Kleidung ... alles war bereit für die Ankunft des Kindes.

Bobby verbrachte die meiste Zeit zurückgezogen in seinem Büro. Ich hatte ihm beim Zigarrenrauchen erwischt mit einer Flasche Jack Daniels. Er betäubte seine Gefühle und niemand nahm es ihm übel. Es war für alle hart, aber nichts konnte es mit den Verlustgefühlen der Eltern aufnehmen.

Mit einer Decke um den Körper geschlungen, ging ich nach unten ins Wohnzimmer. Im gesamten Haus war es so still wie schon lange nicht mehr.

Niemand lachte.

Niemand redete.

Kein Fernseher oder Radio lief.

Nichts. Als wäre niemand im Haus.

Ich zog den langen Vorhang zur Seite und sah in den Garten hinaus. Gestern noch war er voll mit Leuten, aber heute war er leer. Leer, bis auf eine Person, die am Grab meiner Schwester stand. Der Baum war umringt mit Blumenkränzen, Sträußen und Engelsfiguren. Dazwischen stand Niall. Er spielte mit seiner Gitarre. Ich sah, wie Valerie vom Rand des Gartens auf ihn zuging und ihn eine Hand auf den Rücken legte. Er sah sie an und senkte seine Gitarre. Valerie legte ihre Arme um ihn, um ihm Trost zu spenden. Auch wenn es irgendwie komisch war die Beiden so zu sehen, dürfte ich nicht vergessen, dass auch Valerie ihre Schwester verloren hatte und sie auch seine Stiefschwester ist. Sie lehnte ihren Kopf an seinen Arm an und sah auf das Grab hinab.

Ich ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Er war voll mit Resten von gestern. Alles hatten am Buffet zugelangt, außer meiner Familie. Außer Wein hatte ich gestern nichts zu mir genommen. Ich verspürte keinen Hunger, hatte eigentlich keine Lust etwas zu essen, aber ich wusste, dass das dumm war.

Mit etwas Käse, Gemüse und einer Scheibe Brot auf meinem Teller ging ich wieder hoch in mein Zimmer. Von gegenüber hörte ich, wie meine Mutter weinte. Ich setzte mich an den Schreibtisch und starrte aus dem Fenster, während ich ein Stück des trockenen Brotes in meinen Mund schob. Ich musste mich zwingen es zu schlucken.

Die Wolken zogen sich langsam zu und ich sah, wie kleinen Schneeflocken vom Himmel fielen. Mit meinen Fingern fuhr ich über meinem Shirt den Abdruck meines Verlobungsringes nach. Ich hatte ihn auf meine Kette mit den A Anhänger getan. Ich wollte ihn an mir tragen, aber nicht öffentlich zeigen. An diese Art von Neuigkeit war nun sowieso nicht zu denken.

Was würde wohl Sophie dazu sagen, wenn sie es wüsste, dass ich verlobt bin?

Was würde Tobi wohl meinen?

Wie es ihnen wohl geht?

Ob sie schon wissen, was hier passiert ist?

Ich spielte mit den Gedanken mein Telefon zu nehmen und mich bei Sophie zu melden. Nach alle den Jahren unserer Freundschaft konnten wir uns doch so nicht trennen. Oder?

Ich nahm mein Handy, wählte ihre Nummer ... und entschied mich wieder um. Natürlich wusste sie, was mit Annabelle passiert war. Schon am Tag nachdem wir zurück in Mullingar waren, stand es in der Zeitung und in sämtlichen Netzwerken. Sie wusste es bestimmt ... Sogar Lilly wusste es. Sie teilte mir ihr Beileid mit, sowie auch Lola und ihre Familie. Auch Matt hatte sich bei mir gemeldet. Scheiße, sogar Dylan rief mich an.

Seufzend lehnte ich mich an meinen Stuhl zurück. Ich biss von meinem Stück Käse ab und angelte nach der Sanduhr, die ich auf Bora Bora gekauft hatte. Der Sand im Glas war vom Strand im Urlaubsparadies. Ich drehte die Uhr um und sah zu, wie der feine Sand von einer Seite in die andere floss. Es war sehr ärgerlich, dass wir unseren Urlaub schon nach einem Tag abbrechen mussten. Zumindest konnte ich an der Erinnerung festhalten.

Jetzt wo ich hier allein war, konnte ich einen klaren Gedanken fassen. Niall hatte mich tatsächlich gefragt, ob ich seine Frau werden möchte. Und ich habe zugestimmt ... Ich kann es kaum fassen. Ob wir wohl damit keinen Fehler begangen? Sechs Monate des Zusammenseins waren nicht gerade lange, aber es fühlte sich so gut an. Im Augenblick sollte ich es wohl belassen mir den Kopf darüber zu zerbrechen. Jetzt wäre sowieso nicht der richtige Zeitpunkt und in zwei Monaten bricht Niall auf große Welttournee auf. Wenn wir diese Prüfung bestehen, dann kann uns nichts mehr voneinander trennen. Mir stellte sich nun nur die Frage, was er und Holly wohlgetan haben, dass er mir sagen muss. Bitte, lass es einfach nicht zu schlimm sein ...

Haben sie sich geküsst? Oder haben sie miteinander geschlafen? Vielleicht war er mit ihr etwas trinken und fühlte sich deswegen mies. Ich durfte nicht immer den Teufel an die Wand malen und davon ausgehen, dass es das schlimmste ist, was passieren kann. Alles wird besser werden. Es musste besser werden. Was konnte wohl schlimmer sein, als jemanden zu verlieren?

Während die Schneeflocken dicker wurden, fragte ich mich, ob Niall und Valerie wohl noch immer im Garten standen.

Ich aß die letzten drei Gurkenscheiben auf, nahm den Teller und verließ mein Zimmer. Meine Mutter wimmerte leise vor sich hin. Durch den geöffneten Spalt der Tür sah ich sie am Stuhl vor dem Kinderbett sitzen. Sie hatte einen Plüsch-Elefanten in den Händen und weinte auf ihn hinab. In der letzten Woche hatte sie deutlich abgenommen. Sie aß nichts. Ab und zu sah ich sie mit einer Tasse Kaffee in der Hand.

So konnte es nicht weitergehen.

Ich machte mich auf den Weg hinunter in die Küche, stellte meinen Teller in den Geschirrspüler und schmierte ein Marmeladenbrot für meine Mutter. In die Mikrowelle stellte ich eine Tasse mit Wasser. Aus dem oberen Schrank nahm ich mir einen Teebeutel. Ich lehnte mich gegen den Tresen und wartete darauf das die Mikrowelle zu piepsen begann. Im Haus sah es aus, als hätten wir gestern eine wilde Party geschmissen. Der Cetera von gestern hatte uns sein Geschirr zum Essen zu Verfügung gestellt und wieder mitgenommen, aber trotzdem viel eine Menge an. Viele Gläser, Teller und leere Flaschen standen herum. Der Boden war schmutzig und teils voll mit Erde.

Die geöffnete Flasche Rotwein vor mir lächelte mich an. Sie stand da und schrie mich beinahe an. Ich hatte bis heute nur einmal Rotwein getrunken, sonst trank ich nur Weißwein, weil ich ihn einmal gekostet hatte und er scheußlich schmeckte. Aber dieser stand so einladen da, dass ich nicht widerstehen konnte. Ich nahm mir kein Glas, sondern setzte die Flasche gleich an meinen Lippen an. Angewidert spuckte ich den Schluck in die Spüle. Der Geschmack ließ mich würgen. Ich verzog den Mund und spülte meinen Mund mit Wasser aus, da klingelte es plötzlich an der Tür. Auch die Mikrowelle piepste vor sich hin.

An der Tür traf ich auf meine Großeltern. Sie traten ein und Grandma fragte sofort nach meiner Mutter nach. Ohne den Mantel auszuziehen, stampfte sie die Treppen hoch. Mein Großvater und ich sahen uns an, dann zog er mich in eine feste Umarmung.

"Meine Kleine", hörte ich ihn sagen.

Wir ließen voneinander ab und ich ging zurück in die Küche, um die Tasse aus der Mikrowelle zu nehmen. Grandpa folgte mir still. Sein Blick lag auf dem Chaos, unter der sich unsere Küche versteckte. Er sagte nichts, zog sich seinen Mantel aus und strickte sich die Ärmel seines Hemdes hoch. Ich ließ den Teebeutel ins heiße Wasser fallen und fügte zwei Löffel Zucker hinzu. So wie ihn meine Mutter am liebsten mochte.

"Das ist ein guter Tropfen", sagte mein Großvater neben mir. Er nahm die Flasche Rotwein in die Hand, von der ich zuvor getrunken hatte. Er hatte Manieren und nahm sich ein Glas aus einem Schrank. Grandpa roch am Wein und begutachtete ihm, während er das Glas zwischen seinen Fingern drehte. Dann trank er. Er presste die Lippen zusammen. "Er wäre gut, wäre er nicht schon ausgeräuchert. Jemand hätte die Flasche schließen müssen."

Ich ließ ihn kurz alleine, um meine Mutter ihr Essen und den Tee zu bringen. Grandma umarmte sie. Ich konnte mich nicht daran erinnern meine Großmutter je so nett und gefühlsvoll erlebt zu haben. Sie war eben auch nur eine Mutter, die das Beste für ihr Kind wollte. Mir tat es nur viel mehr für meine Mutter leid, dass sie nun nicht das Familienleben bekam, das sie nie hatte. Mich und Val bekam sie zu jung, dabei wurde ihr auch Valerie entrissen. Der Kindsvater hatte eine Frau und war von einem anderen Land. Doch jetzt, wo sie endlich jemanden hat, der sie über alles liebt und vergöttert, wurde ihr Glück wieder zerstört. Ich hatte mich anfangs wirklich nicht gefreut, weil ich neidisch war. Ich hasste mich für dieses Verhalten, denn schließlich waren Nialls Eltern in seiner Kindheit auch nicht mehr verheiratet und er hatte sich nicht so kindisch verhalten wie ich. Annabelle hätte das schönste Leben gehabt. Mutter und Vater. Ein stabiles Lebensumfeld. Genauso wie es eben sein sollte. Warum ist das Leben so unfair?

Mit meinem Fuß drückte ich die Tür auf. Grandma sah mich kurz an, während sie beruhigend den Rücken meiner Mutter streichelte, da diese wieder in Tränen ausgebrochen war. Ich stellte die Tasse und den Teller auf den Boden vor ihren Füßen. Ich nahm ihre Hand und drückte sie. "Mum, ich habe dir etwas zum Essen hochgebracht."

Sie blinzelte mich an und tupfte sich die Tränen mit einem Taschentuch von den Augen. "Danke", hörte ich sie nur leise antworten. Grandma zog sich den zweiten Stuhl von der Ecke des Raumes zu meiner Mutter, um sich neben sie zu setzten. Mit einem Blick deutete sie mir, dass sie darauf aufpassend würde, das Mum aß.

Ich drückte meiner Mutter einen Kuss auf die Wange und machte mich wieder auf den Weg nach unten zu meinem Großvater. In der Zwischenzeit hatte der unten angefangen zusammenzuräumen. "Grandpa du bist doch unser Gast, das solltest du nicht tun."

Seine Hände waren im Wasser der Spüle, während er abwusch. Das Lämpchen des Geschirrspülers leuchtete ebenfalls, was bedeutete, dass er auch diesen voll beladen hatte. "Was sollte ich nicht tun?", fragte er sich und drehte sich zu mir um. "Ich sehe doch, wie schlecht es euch geht. Mir macht es nichts aus mit anzupacken. Zu Hause darf ich das sowieso nicht."

Zu Hause hatte er auch personal dafür.

Um nicht dumm in der Gegend herumzustehen, schnappte ich mir ein Geschirrtuch und begann das bereits gewaschene Geschirr abzutrocknen. Grandpa lächelte mir zu, als ich neben ich stand.

"Wie geht es dir, Amara?", fragte er ernst, während sein Blick auf seinen Fingern lag, als er ein Messer säuberte.

"Gut."

Er zog die Augenbrauen zusammen. "Das kann ich mir nicht vorstellen."

Ich seufzte, legte die Pfanne ab und nahm mir ein Teller. "Ich weiß es nicht. Ich fühle mich ... schlecht, schuldig und ... keine Ahnung."

"Warum schuldig?"

Ich biss auf meiner Unterlippe herum. Schuldig wollte ich eigentlich überhaupt nicht sagen. "Keine Ahnung warum ich das gesagt habe. Vielleicht weil ... ich damals richtig ausgetickt bin, als Mum mir von dem Baby erzählt hatte. Ich war richtig aufgebracht darüber. Das war scheiße von mir."

Im Gegensatz zu seiner Frau belehrte mein Großvater mich nicht über das Wort Scheiße. Ich wünschte, sie wäre, genauso ausgelassen wie er. "Ich kann verstehen, warum du es zu Beginn nicht gutheißen konntest. Das kann ich wirklich." Nun sah er mich direkt an. "Aber denke nicht, dass du daran Schuld hast, was passiert ist. Manchmal kommt ein Baby ohne zu atmen auf die Welt. So etwas passiert leider sicher öfter, als wir annehmen."

Nickend presste ich die Lippen aufeinander. Ich hatte Annabelle in ihrem Körbchen vor Augen, auf einer dicken weichen Decke, die aussah, als würde sie auf einer Wolke liegen. Diesen Augenblick werde ich niemals vergessen. Denn Gesichtsausdruck, den Mum und Bobby machten, als wir durch die Tür gestürmt kamen und sie ihr totes Baby vor sich liegen hatten. Unsere Schwester ...

"Was ist das?"

Seine Frage riss mich aus meinen Erinnerungen. Mein Shirt wurde nass, als er mit dem feuchten Finger meine Kette anfasste.

Verdammt, sie musste wohl aus meinem Shirt gerutscht sein.

Für den Buchstaben interessierte er sich nicht. Die Aufmerksamkeit lag nur auf meinen Ring, den er skeptisch begutachtete. Mit der freien Hand nahm er mir das Geschirrtuch ab, um sich abzutrocknen und seine Brille, die an einer Kette um seinem Hals hing, aufzusetzen.

"Das ist ... feinste Arbeit. Hochkarätig. Schick."

Mir rutschte das Herz in die Hose.

Er ließ den Ring los und schob die Brille von der Nase. Mit hochgezogener Augenbraue fragte er: "Ist es das, was ich denke, dass es ist?"

Ihm konnte ich nicht irren. Außerdem konnte ich es ihm doch erzählen. Ich wollte nur nicht, dass er ein zu großes Fass daraus machte. Mum und Bobby hatten gerade ganz andere Sorgen, als meine und Nialls Verlobung.

"Wovon redet ihr?", mischte sich jemand ein. "Hey Grandpa John."

Valerie und Niall kamen frösteln vom Garten herein. Niall sah zwischen mir und meinem Großvater hin und her.

"Die zwei sind verlobt", platze mein Großvater freudig heraus. Valeries Mund klappte auf, dann drehte sie sich zu Niall und gab ihm einen Klaps auf den Oberarm.

"Ich bin mit dir zwei Stunden im Garten gestanden! Und da konntest du mir das nicht erzählen?! Warum habt ihr nichts erzählt?" Die letzte Frage war auch an mich gerichtet. Instinktiv klammerte sich meine Hand an meinen Ring.

Niall rieb sich den Nacken. "An welchem Zeitpunkt, hätten wir es euch erzählen sollen?"

Das Lächeln von Valeries Gesicht, und auch das von Grandpa, erloschen langsam. Sie wussten, wovon er sprach.

Großvater nahm mich fest in seine Arme. "Ich freue mich sehr für euch, auch unter diesen Umständen."

"Danke", brachte ich gerade noch mit heiserer Stimme heraus. Mein Hals brannte, da ich kurz davor war zu weinen. Auch meine Schwester fiel mir in die Arme und sprach ihre Glückwünsche aus. Über Valeries Schulter hinweg sah ich, dass Großvater Niall auch umarmte. Er klopfte ihm auf den Rücken und tadelte, dass er es gerne früher von Nialls Absichten erfahren hätte.

Mit warmen Getränken setzten wir uns zusammen an den Tisch. Ich saß neben Niall. Valerie und Großvater saßen uns gegenüber. Eine seiner kalten Hände hatte Niall auf mein Knie gelegt. Die Kälte konnte ich durch die Jeans spüren.

"Wir wären euch sehr dankbar, wenn ihr das für jetzt für euch behalten könntet. Im Moment wollen weder Amara noch ich unser Glück mit der Welt teilen. Vorher müssen die Wunden heilen."

Ich nickte Niall bestätigend zu. Es war das Richtige, so zu handeln.

"Natürlich, alles was ihr wollt", sagte mein Großvater. Valerie stimmte ebenfalls zu.

Von oben waren Stimmen zu hören, dann polterte es auf den Treppen und keine zehn Sekunden später stand Grandma mit meiner Mutter und Bobby in der Küche.

"Jetzt setzt euch zu eurer Familie. Ich verstehe zwar, dass ihr euch nicht gut fühlt, aber nur schmollend herumzugammeln, ist nicht das Richtige!" Der harsche Ton meiner Grandma funktionierte. Bobby mit seiner Whiskey Fahne setzte sich an einen freien Stuhl und Mum setzte sich neben mich auf die Bank. Was mich daran erinnerte, meine Kette wieder zu verstecken. Zum Glück schenkte mir niemand der beiden Beachtung.

Ich nahm einen Schluck von meinem Kaffee und sah Grandma nach, die den Kühlschrank öffnete und die Nase rümpfte. "Habt ihr denn keine frischen Lebensmittel? Das ist doch ... von gestern. Vom Buffet. Meine Tochter braucht Vitamine." Sie drehte sich und ihr Blick blieb am Fenster liegen. Das Fenster, an den man in den Garten hinaussah. Sie atmete tief durch und setzte wieder ihren emotionslosen Ausdruck auf. "Niall? Während Sie so freundlich und könnten in den nächsten Supermarkt fahren? Gemüse und Obst wäre spitze. Ach, ich schreibe Ihnen eine Liste." Ihr Absatz klackerte am Boden, als sie zu ihrer Tasche hinüberging und Stift und Notizbuch herausnahm.

"Vom Kofferschlepper zum Einkäufer ... tolle Beförderung", jammerte Niall neben mir leise und ich musste zum ersten Mal seit Tagen wieder grinsen. "Kommst du mit?"

Eigentlich wollte ich nicht das Haus verlassen, aber wenn er mich mit diesem Dackelblick ansah, konnte ich nicht Nein sagen. Vielleicht würde mir die frische Luft auch guttun. Und Zeit alleine mit Niall zu verbringen war doch sowieso immer das beste am Tag.

"Ich komme mit."

Wir rutschten von der Eckbank und ich schlüpfte in meine Schuhe und eine dicke Jacke. Meine Großmutter las derweil Niall die Liste vor, als könnte er es selbst nicht.

"Gala Äpfel, das sind die schönen roten. Eine Mango, das sind grüne Faustgröße exotische Früchte. Falls Sie sie nicht kennen wir Ihnen sicher eine Verkäuferin helfen, Niall."

Niall zwang sich ein Lächeln auf. "Natürlich Mrs Julien. Da ich so dumm bin und nicht-" Ich stieß ihn mit meinen Ellbogen an. Zu streiten, wäre jetzt nicht passend. Ich hatte noch nicht vergessen, dass sie Niall damals aus dem Hause geworfen hatte, aber jetzt hier eine Diskussion zu starten war nicht in meinen Sinn. Dazu fehlte uns die Kraft.

Er räusperte sich und nahm ihr den Einkaufszettel widerwillig ab. Er brummte etwas leise neben mir, aber ich konnte ihn nicht verstehen. Auch er zog sich seine Jacke wieder an und ich wartete derweil bei der Haustür, als es plötzlich klingelte.

Ich öffnete die Tür und hätte sie am liebsten sofort wieder zugeschlagen. Doch meinen Blick glitt von einen großen Mann im Anzug, einer schlanken Frau mit blonden Haaren und strengen Zopf zu einem Baby das in den Armen von Holly zu weinen begann. Sie legte den Kopf zur Seite, blinzelte mich gewollt an und fragte: "Ist Niall da?"

Mein Mund wurde trocken. Ich hätte gerne gesagt, dass sie sich verpissen sollte, aber ich fühlte mich wie erstarrt.

"Amara ..." Neben mir tauchte genau dieser auf, dessen Mund gerade versuchte etwas zu sagen. Er formte Wörter, aber ihm verklang die Stimme.

"Wollt ich uns nicht endlich reinlassen? Die Kleine wird noch krank." Holly schaukelte das Baby in ihrem Armen hin und her um es zu beruhigen. Aber es half nicht, es schrie wie am Spieß.

Ich spürte eine Hand an meiner Schulter die mich nach hinten drängte.

"Was zum Teufel ist hier los?", fragte meine Großmutter aufgebracht, die sich vor mich gestellt hatte. "Verschwinden Sie! Hier ist schon genug los! Beileidswünsche sind hier nicht mehr willkommen!"

Holly schenkte Großmutters Worte keine Beachtung. Sie übergab Niall das schreiende Kind, der sich Hilfesuchend umsah. Seine Augen streiften mich und ich wusste überhaupt nicht, wie mir geschah. Mir wurde schwindelig, übel und mein Kopf drohte zu platzen.

"Niall! Sagen Sie mir sofort wer diese Leute sind! Ich rufe sonst die Polizei, wenn Sie nicht verschwinden!", drohte mein Großmutter mit erhobenem Finger.

"Aber, aber!", sagte der Mann hinter Holly. Er war sicher ihr Vater, der Anwalt. "Wir haben jedes Recht hier zu sein. Der Vater des Kindes, muss sich ebenso sehr um das Kind kümmern, wie die Mutter."

Ich sah auf den Säugling in Nialls Armen, der sich langsam beruhigte. Mein Gesicht verzog keine Miene, verriets nicht von meinen überforderten Emotionen.

Aber meine Tränen sagten alles. Der Druck in meiner Kehle und die unbedingte Wut die in mir hochkroch, wurde immer größer.

Das wollte er mir sagen. 











Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top