Entomophobie

(In letzter Zeit schreibe ich irgendwie nur OS mit Hizashi xD Dafür hinke ich bei meinen längeren FFs leider hinterher :c )

Hauptfiguren: Hizashi Yamada, Shota Aizawa, Nemuri Kayama, Toshinori Yagi, 1-A Klasse

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Entomophobie ist eine spezifische Phobie, gekennzeichnet durch eine übermäßige oder unrealistische Angst vor einer oder mehreren Klassen von Insekten. Entomophobie kann auf verschiedene Weise entwickelt werden. Eine davon ist eine beängstigende Erfahrung oder wenn die Person glaubt, dass das Insekt gefährlich ist. [Quelle: Wikipedia]

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Dumpfe Stimmen waren zu hören, als ob sie aus weiter Ferne kommen würden. Hizashi konnte nicht verstehen, was sie sagten, oder zu wem diese Stimmen gehörten. Im Augenblick wusste er nicht einmal, wo er sich befand. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, wie er hierher gelangt war.

Langsam kehrte sein Bewusstsein wieder zurück, und er konnte fühlen, dass er auf einem weichen Untergrund lag. Seine Lederjacke hatte man entfernt, ebenso wie seinen Lautsprecher, den er sonst um den Hals trug. Irgendetwas war vorgefallen. Daran konnte er sich erinnern. Doch was war es?

Irgendetwas kitzelte ihn an seinem Arm und veranlasste ihn dazu, die Augen aufzuschlagen. Sein Kopf dröhnte und seine Kehle fühlte sich trocken und rau an, so wie immer, wenn er seine Macke zu oft und zu heftig eingesetzt hatte. War er in einen Kampf verwickelt worden? Als seine grünen Augen zu seinem Oberarm glitten und er dort etwas erblickte, traf ihn jedoch sofort die Erkenntnis. Die Abschlussprüfung!

Kreischend wischte er mit der anderen Hand über seinen Arm, auf dem ein Insekt krabbelte. Sofort setzte er sich auf und rutschte zur Seite, weit weg von dem kleinen Monster. Nun konnte er sich genau daran erinnern, was zuvor passiert war. Bei der Abschlussprüfung musste er gegen Koda und Jiro kämpfen. In einem Waldgebiet. Ein Ort, den er ohnehin hasste. Mit der Natur konnte er nichts anfangen und das aus gutem Grund. Es war der Lebensraum von Käfern und anderen Insekten, die ihm seit seiner Kindheit furchtbare Angst einflößten. Obwohl die Schüler wohl kaum etwas von seiner Entomophobie wissen konnten, hatten sie diese gegen ihn genutzt und bestanden. Ein Glückstreffer, könnte man meinen.

„Yamada, du bist wach", ertönte es plötzlich und Recovery Girl tauchte in seinem Blickfeld auf. Die alte Frau musterte ihn skeptisch, ehe sie den kleinen Marienkäfer, der auf dem Bett saß, auf ihre Fingern krabbeln ließ. „Das ist kein Monster, sondern nur ein kleiner Käfer", kommentierte sie seine Reaktion, „kein Grund, um die Krankenstation in Schutt und Asche zu legen." Immerhin hatte er gerade mit seinem Schrei die Einrichtung zum Beben gebracht. Er war immerhin nicht der einzige Patient und sollte sich nicht benehmen wie ein Kleinkind. „Wenn du dich fit genug fühlst, kannst du gehen!"

Der Blondschopf starrte noch immer auf das Insekt, ehe er nickte. Auch wenn er sich nicht wirklich bereit dazu fühlte, nach draußen zu gehen, wollte er keinesfalls länger als nötig hier bleiben. Daher wartete er kurz, bis Chiyo den Marienkäfer beiseite geschafft hatte, ehe er zur Bettkante rutschte und nach seinen Sachen griff. Kurz zögerte er, ehe er seinen Lautsprecher umschnallte und seine Lederjacke anzog. Mit einem leisen „Dankeschön", verabschiedete er sich von der Alten, die wirklich alle Hände voll zu tun hatte nach der Abschlussprüfung der Heldenklasse.

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Da er noch die Noten der beiden Schüler eintragen musste, und anderen Papierkram zu erledigen hatte, führten Hizashis Schritte ihn zum Lehrerzimmer. Kaum einer der Kollegen war anwesend, wofür er mehr als Dankbar war. Auch wenn die Kämpfe allesamt gleichzeitig stattfanden, hatte es gewiss schnell die Runde gemacht, wie man Present Mic ausgeknockt hatte. Auf die dämlichen Kommentare der anderen konnte er also gern verzichten. Vor allem auf Kayamas blöde Bemerkungen, die sie gerne fallen ließ. So sehr er ihre Freundschaft doch schätzte, wusste sie manchmal einfach nicht, wann sie eine Sache ruhen lassen sollte.

Auch wenn er es nur ungerne zugab, oder sich eingestehen wollte, war ihm die Angriffstaktik von Koji und Kyoka doch ziemlich unter die Haut gegangen. Immer wieder tauchten vor seinem inneren Auge die Bilder auf. Käfer, die sein Hosenbein nach oben kletterten. Fliegende Insekten, die sich auf seinem Kopf und seinen Haaren niederließen. Allein der Gedanke daran reichte aus, damit er schauderte. Immer wieder fuhren seine Hände über seine Arme, über seine Frisur, oder seine Beine, nur um sicher zu gehen, dass nichts auf ihm saß.

Doch obwohl er dadurch wusste, dass da nichts war, konnte er fühlen, wie etwas über seine Haut kroch. Jeder Zentimeter seines Körpers kribbelte, als ob tausende kleine Beinchen darüber marschieren würden. Es fiel ihm zunehmend schwer sich zu konzentrieren, weswegen er seinen Computer wieder ausmachte und sich dazu entschloss, nach Hause zu fahren. Er brauchte dringend eine heiße Dusche, um dieses fürchterliche Gefühl los zu werden.

Schnell sprang er auf und eilte zur Tür. Gerade als er sie aufreißen wollte, wurde sie bereits geöffnet. Plötzlich standen Kayama und Aizawa vor ihm. „Oh, hey, Yamada!", grüßte die Dunkelhaarige, „du bist ja wieder auf den Beinen!" Breit grinsend trat sie auf ihn zu, doch er wich aus.

„Fünf Schüler haben nicht bestanden, der Rest ist durch gekommen", erklärte Shota und schritt zwischen den beiden hindurch, „ich hoffe, dass du die Ergebnisse schon eingetragen hast, damit ich diese Prüfung als Abgeschlossen eintragen kann." Müde betrachtete er den Blonden, der sich immer wieder abwechselnd am rechten und am linken Arm kratzte, wenn seine Finger nicht gerade über seine Haare huschten.

Natürlich nickte Hizashi. „Ist erledigt ... ich muss jetzt auch los ... bis dann!", verabschiedete er sich, und huschte an Nemuri vorbei, die ihren Arm nach ihm ausgestreckt hatte, um ihn zu sich zu ziehen.

„Was ist mit unsrer Kneipentour?", rief sie ihm nach. Immerhin wollte sich das Kollegium treffen, um die Abschlussprüfungen der Heldenklasse zu feiern. Doch Yamada hob nur einen Arm und winkte ihr zu. „Denkst du, dass alles in Ordnung ist mit ihm?", fragte sie schließlich an Shota gewandt, der sich längst abgewandt hatte und auf seinen Platz zuging. „Ob sein Ego geknickt ist?"

Aizawa seufzte nur genervt, während er sich niederließ, antwortete ihr jedoch nicht. Auch wenn man Yamada viel nachsagen konnte, dann war er bestimmt kein Mensch, der es so schwer nahm, nur weil ein paar Schüler ihn im Zuge einer Prüfung besiegt hatten. Immerhin müssten sie dann alle so reagieren. Da Shota sich allerdings nicht in die Angelegenheit seines Kollegen einmischen wollte, schwieg er weiterhin, was Kayama natürlich nicht gut aufnahm. „Hallo? Hörst du mir überhaupt zu?"

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Kaum zu Hause angekommen, pfefferte Yamada seine Lederjacke in die Ecke, legte den Lautsprecher an seinem üblichen Platz ab und begann damit, die restlichen Klamotten auszuziehen. Je schneller er unter die Dusche kam, umso besser. Tatsächlich half es, das eklige Gefühl auf seiner Haut loszuwerden. Seine Muskeln begannen sich zu entspannen und die Anspannung der letzten Stunden fiel ein wenig von ihm ab.

Als er aus der Dusche stieg, und nach dem Handtuch griff, fiel sein Blick auf sein Handy, das auf dem Waschbecken lag. Eine Nachricht von Nemuri war darauf zu sehen. Anscheinend hatte sie Bedenken, dass er darauf vergaß, was der Plan für heute Abend war. Als ob er jemals einen netten Abend mit seinen Kollegen verpassen würde. Vor allem da er immer dafür verantwortlich war, Shota mitzuschleifen. Diesem Mann musste man immer zu seinem Glück verhelfen.

Da er länger unter dem heißen Wasserstrahl verbracht hatte, als angenommen, musste er sich beeilen, um sich fertig zu machen. Schließlich musste er pünktlich los, wenn er Aizawa noch abholen musste. Der Undergroundhero musste erst einmal ewig davon überzeugt werden mitzukommen und das brauchte seine Zeit. Manchmal hatte Hizashi das Gefühl, dass Shota sich immer mit Absicht so lange zierte. Irgendwie war das ihr gemeinsames Tänzchen, das Yamada genoss. Jeder andere wäre genervt davon, weil sie sich oft nur im Kreis drehten, doch für den Blondschopf gehörte es mittlerweile dazu. So griesgrämig sich Shota auch oft gab, spürte der Voicehero, dass auch dem anderen dieses Spielchen gefiel. Also tippte er schnell eine Antwort zurück an Kayama, um ihr zu versichern, dass sie sich später bei Aizawa trafen, um ihn aus seiner Höhle zu ziehen.

Mit dem Handtuch um die Hüfte gebunden, griff er nach der Bürste, um seine Haare in Form zu bringen. Auch wenn er sie später nur zu einem schlampigen Dutt hochbinden würde, musste er sie zuerst entwirren. Ein Liedchen dabei summend, legte er los. Immer mehr geriet der furchtbare Arbeitstag in Vergessenheit und er war bereits in Partylaune. Für einen kurzen Augenblick war alles beim Alten.

Doch nicht lange.

Fast fertig mit dem Frisieren seiner blonden Mähne, entdeckte er plötzlich etwas zwischen den Strähnen. Erschrocken zuckte er zusammen und ließ die Bürste fallen, ehe er damit begann, panisch in seinen Haaren herum zu zupfen, bis ein dunkler Fussel zu Boden fiel. Nur ein Faden, der sich wohl aus dem Handtuch gelöst hatte. Nichts weiter. Dennoch raste sein Herz erneut und seine Haut begann bei dem Anblick zu kribbeln. Ein ekelhaftes Gefühl, das er kaum aushielt. Überall kribbelte und juckte es, weswegen er damit begann sich zu kratzen, ehe er sich dazu entschied, erneut eine Dusche zu nehmen.

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„Wir sollten los, damit wir nicht noch mehr zu spät kommen", seufzte Nemuri, während sie immer wieder auf die Uhr sah. Auch wenn sie nie sonderlich pünktlich erschien, und wusste, dass Yamada ebenso seine Probleme damit hatte, war er der Blondschopf bisher immer vor ihr bei Aizawa, wenn sie ausgehen wollten. Weil er genau wusste, dass die Dunkelhaarige oft keine Geduld dafür hatte, Shota erst bearbeiten zu müssen, damit er das Haus verließ. Daher kam sie gerne mal eine halbe Stunde zu spät, um die beiden dann nur mehr einsammeln zu müssen.

Doch nun stand sie in der Wohnung des Undergroundheros, während von Yamada jede Spur fehlte. Ärgerlich.

„Vielleicht kommt er jeden Augenblick. Bestimmt ist er schon unterwegs", meinte Yagi. Es war ihm ein wenig unangenehm, herum zu stehen und zu warten, doch es blieb ihm nichts anderes über. Als Nemuri ihn danach gefragt hatte, ob er mitkommen wollte, hatte er eingewilligt, immerhin suchte er immer noch nach Anschluss. All Might fiel es stets einfach, mit anderen Leuten klar zu kommen, aber als Toshinori Yagi hatte der Blondschopf noch immer so seine Probleme, Freundschaften zu schließen. Da war es ihm nur recht, wenn Kayama versuchte ihn irgendwie einzubinden.

„Fahrt schon mal zur Party, ich bleib hier ...", murrte Shota müde klingend und wollte sich schon umdrehen, um nach seinem Schlafsack zu greifen. Seine Wohnung war winzig und bestand nur aus einem Raum und dem Badezimmer. Selbst in dem einen Raum befand sich nichts außer einem Kühlschrank und dem Schlafsack, was dazu führte, dass Yagi schwer in Frage stellte, ob sein jüngerer Kollege überhaupt gesund lebte.

Weit kam Aizawa jedoch nicht, da schnappte ihn bereits Kayamas Arm am Kragen seines dunklen T-Shirts. „Glaubst du etwa, dass ich blöd bin? Du willst dich nur drücken!" Immerhin roch sie den Trick, den ihr Freund hier abziehen wollte. „Ich schreibe ihm, dass er gleich in die Bar kommen soll und wir losgefahren sind", verkündete sie, ohne auf die Proteste des Dunkelhaarigen zu achten. Schließlich war sie nicht Hizashi. Sie würde sich auf keine Diskussion mit dem jüngeren Kollegen einlassen. Stattdessen packte sie ihn einfach am Arm, nachdem sie die Nachricht an Yamada getippt hatte, und zog Shota mit sich mit zum Auto. Yagi folgte ihnen verwundert und hielt einen Sicherheitsabstand, als Aizawa damit begann, sich gegen den Griff zu wehren.

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Zwei Stunden waren bereits vergangen. Zwei Stunden, in denen Nemuri immer wieder auf ihr Smartphone geblickt hatte, und es jedes Mal wieder seufzend weglegte, weil Yamada ihre Nachricht noch nicht einmal angesehen hatte. Da ihr Saufkumpan sich also rarmachte, musste Aizawa notgedrungen mit ihr mithalten, was schon bald dazu führte, dass vor Shota mehr volle Gläser standen, als er überhaupt leeren konnte. Für gewöhnlich trank er stets weniger als seine beiden Kollegen, war aber dafür betrunkener als sie. Er vertrug einfach kaum etwas. Aus diesem Grund wollte er im Augenblick auch nicht wirklich mitmachen. Viel eher hatte der Dunkelhaarige das Gefühl, dass Kayama ihn vergiften wollte.

Als erneut ein neues Shotglas vor ihm auftauchte, schob er sein Bierglas, an dem er genippt hatte, von sich. Da es bereits das dritte Glas war, das er begonnen hatte zu trinken, erhob er sich recht schwerfällig. „Wo willst du hin?", fragte Nemuri argwöhnisch, während sie Aizawa dabei zu sah, wie er von seinem Platz schlüpfte, „du kannst mich doch nicht sitzen lassen!"

Murrend schob Shota den Stuhl unter den Tisch. „Ich werde jetzt nachgucken, was Yamada treibt ... bevor ich an einer Alkoholvergiftung sterben muss", murmelte der Dunkelhaarige in sein Fangtuch, das um seinen Hals gewickelt war und sein Gesicht halb verdeckte. Dass seine Wangen vom Alkohol rot leuchteten, sah man jedoch trotzdem.

„Wie ... wie willst du dahin kommen?", wollte Yagi besorgt wissen, als er merkte, dass sein jüngerer Kollege ein wenig schwankte. Auch wenn der Blondschopf wusste, dass der Undergroundhero keinen Führerschein besaß, war er im Moment nicht einmal auf den Beinen sicher unterwegs. „Ich begleite dich, wenn du erlaubst", schlug er daher schnell vor, erhob sich ebenfalls und trat an Shota heran, ehe dieser seine Hilfe ausschlagen konnte. Da Toshinori noch nie ein großer Freund von Alkohol gewesen war, hatte er als einziger an diesem Tisch noch keinen Tropfen getrunken, im Gegensatz zum restlichen Kollegium, das im Moment Ectoplasmas Karaokeauftritt jubelnd beobachtete.

„Das ist eine gute Idee! Wir sollten alle nach Hizashi sehen!", pflichtete Nemuri bei und sprang auf, „ich fahre!" Dabei stieß sie gegen den Tisch und ein paar der vollen Gläser, die Shota verschmäht hatte, schwappten über. „Ups." Ein betrunkenes Kichern drang über ihre Lippen.

„Du fährst sicher nicht", brummte Shota betrunken und entriss ihr die Schlüssel, die die junge Frau gerade erst hervorgekramt hatte. Er hatte keine Lust in eine Todesfalle zu steigen und zuzulassen, dass Kayama sie in den Abgrund manövrierte. Keine Sekunde später drückte er auch schon Yagi den Schlüsselbund in die Hand. Eigentlich wusste er nicht einmal, ob All Might so etwas banales wie Autofahren konnte, aber er war immerhin All Might! Und der konnte ja bestimmt alles!

Zum Glück hatte Toshinori tatsächlich in seiner Zeit in Amerika gelernt, wie man Auto fuhr. Nach ein paar anfänglichen Schwierigkeiten, waren die drei endlich unterwegs, auf dem Weg zu Hizashis Wohnung. Die Fahrt dahin gestaltete sich als schwierig. Während Shota immer mal wegdöste, obwohl Yagi ihn nach der Wegbeschreibung fragen wollte, war Nemuri ständig dabei irgendwelche Songs laut mitzuträllern, die im Radio liefen. Obwohl der große Blondschopf sich immer grämte, weil er nie das Glück einer Familie erleben konnte, und auch keine Kinder hatte, musste er durch die beiden Kollegen doch feststellen, dass es vermutlich auch besser so war. Immerhin hatte er so zu Hause seine Ruhe und seinen Frieden und niemanden an seiner Seite, der seine Geduld so auf die Probe stellte.

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Nach schier einer Ewigkeit kamen sie schließlich bei Yamadas Wohnung an. Toshinori kannte die Gegend zum Glück bereits von seinen Erkundungstouren, die er unternommen hatte, als er für den Lehrerjob hierher gezogen war. Daher fand er auch relativ einfach einen Parkplatz und musste den beiden Betrunkenen nur mehr folgen, um endlich herauszufinden, was Hizashi so lange aufgehalten hatte. Vielleicht war es einfach sein Haarstyling, das ewig dauerte, oder er war zu einem Heldenjob gerufen worden. Es konnte so vieles zutreffen und ihn davon abhalten, auf diese Party zu gehen, dass Yagi gar nicht verstand, wieso seine beiden Kollegen sich solche Sorgen zu machen schienen. Überhaupt fand er es sehr interessant, dass Aizawa sich sorgten, da er bisher immer den Eindruck erweckt hatte, dass er Yamada gar nicht leiden konnte.

Der Dunkelhaarige war jedoch der erste an der Wohnungstür, die er einfach mit einem Schlüssel aufschloss, ohne vorher zu klopfen oder zu klingeln. Jeder der drei hatte die Schlüssel des jeweils anderen. Für Notfälle natürlich. Wobei diese immer etwas anders aussahen, so genau hatten sie nie eine Definition dafür festgelegt. „Yamada?", rief Shota laut in den Flur, in der Hoffnung schon bald eine Antwort zu erhalten. Meist war es nur ein genervtes Grunzen und die Bitte, ihn doch nur Mic zu nennen, so wie er es seit Jahren forderte. Daran hielt Aizawa sich für gewöhnlich auch eisern, außer wenn er betrunken war.

Doch es blieb still.

„Vielleicht ist er bei der Arbeit und gar nicht hier", merkte Yagi an, doch Shota legte einen Finger an seine Lippen und machte laut „Psst", um ihn zum Schweigen zu bringen.

Der Undergroundhero hatte zuvor ein Geräusch gehört und spitzte nun die Ohren. Laufendes Wasser. „Badezimmer", stellte er mit etwas schwerfälliger Zunge fest, ehe er auf die entsprechende Tür zeigte und losmarschierte. Wäre er im Augenblick nüchtern, hätte er gewiss noch genug Zurückhaltung, um Nemuri den Vortritt zu lassen und wäre gar nicht erst in die Nähe des Badezimmers gekommen. Nun allerdings war er es, der die Tür aufriss und einfach eintrat. „Wir wollten uns vor zwei Stunden treffen und du bist noch nicht einmal fertig?", beschwerte er sich sogleich, doch noch ehe er etwas Weiteres anfügen konnte, hielt er inne. Seine dunklen Augen hafteten auf der Duschkabine, die offen stand.

In der Ecke der Kabine kauerte Yamada auf dem Boden, bibberte, während Wasser auf ihn hinabprasselte. Als auch Kayama diese Szene erblickte, drängelte sie sich prompt an Shota vorbei, um zu Hizashi zu gelangen. Das Wasser war längst kalt, obwohl es auf der höchsten Stufe eingeschalten war. Um selbst nicht nass zu werden, machte sie es aus. Dabei entdeckte sie rote Tropfen, die hier und da zu sehen waren. „Ach du scheiße", flüsterte sie und wandte sich kurz den anderen beiden Männern zu.

Sofort begann Toshinori damit, nach einem Handtuch zu suchen als er den gequälten Blick seiner Kollegin bemerkte. Es war jedoch gar nicht so einfach, eines zu entdecken, das noch trocken war. Auf dem Boden lagen einige verstreut, ebenso wie andere Dinge, die Yamada wohl blindlings aus dem Schrank gerissen hatte. Fast könnte man meinen, es hätte hier drin einen Kampf gegeben. Nachdem er endlich eines gefunden hatte, reichte er es an Aizawa, ehe er das Bad verließ, um dem jüngeren Blonden etwas Privatsphäre zu gönnen. Schließlich kannten sie sich noch nicht lange genug.

Vorsichtig trat Nemuri näher an Hizashi heran, der seinen Kopf auf seine verschränkten Arme gelegt hatte. Als er allerdings fühlte, dass das Wasser plötzlich aufhörte, auf ihn herabzuregnen, hob er langsam den Kopf und sah auf. Seine Augen schienen gerötet, als ob er geweint hätte und sein Gesicht war zerkratzt. „Hizashi, was ist passiert?", wollte die Dunkelhaarige besorgt wissen, ehe sie sich neben ihm nieder ließ, vollkommen ignorierend, dass sie dabei ebenso nass wurde.

„Sie waren überall ... ich ... ich fühle sie noch immer ...", murmelte er vor sich hin und begann damit über seine Haut zu kratzen, die bereits gerötet und an manchen Stellen aufgekratzt war. Daher kamen auch die roten Tropfen, die Kayama zuvor entdeckt hatte. „Ich ...muss ..."

Besorgt griff sie nach seinen Händen, um ihn davon abzuhalten, sich weiter zu verletzen. Sie verstand jedoch nicht, was er meinte, weswegen sie sich hilfesuchend nach Shota umsah, der am Eingang der Kabine stand und das Handtuch hielt. Natürlich wusste der Dunkelhaarige, wovon der Voicehero sprach. Langsam ging er in die Hocke, um auf Augenhöhe mit dem Blondschopf zu sein. Es war ganz klar, dass Yamada im Augenblick neben sich stand und er erst zu ihm durchdringen musste. „Du bist sauber. Hier sind keine Insekten, Hizashi, du bist in Sicherheit", versicherte er ihm.

Der klang seines Vornamens aus dem Mund des Undergroundhero ließ Yamada in seine Richtung sehen. Seit ihrer Schulzeit war es äußerst selten vorgekommen, dass dies passierte, vermutlich hatte es daher auch die gewünschte Wirkung. „Du bist in Sicherheit. Kein Käfer ist in deiner Nähe. Nach der Prüfung sind sie alle wieder im Wald verschwunden!" Da Todoroki und Yaoyorozu bei der Abschlussprüfung ziemlich schnell einen Plan geschmiedet hatte, um Shota einzufangen, hatte er zusehen können, wie die anderen Schüler abschnitten. Dabei hatte er Kojis und Kyokas Sieg mitbekommen. Es war ein guter Einfall gewesen, keine Frage, allerdings nicht sonderlich fair. Doch sie konnten nicht wissen, dass Hizashi an Entomophobie litt. Obwohl Aizawa zunächst dachte, dass der Blondschopf es erstaunlich gut weggesteckt hatte, hätte er doch ahnen müssen, dass der Schein trügt. Schon einmal hatte er es miterlebt, wie mies es Yamada ergehen konnte, wenn er sich plötzlich von Insekten umzingelt sah. Damals hatte ein ehemaliger Schulkamerad ihn in ein Ameisennest geschubst. Es war eine harte Nacht gewesen, Hizashi davon zu überzeugen, dass er nach der dritten Dusche komplett Insektenfrei war. Am Ende mussten Aizawa und ein gemeinsamer Freund der beiden den jungen Voicehero davon abhalten, seine Haare abzurasieren und sich die Haut vom Leib zu schrubben.

Aufmerksam hörte Nemuri zu, ehe ihre Augen groß wurden. Shota konnte ihr ansehen, dass ihr ein blöder Spruch auf den Lippen lag, weswegen er ihr einen strengen Blick zu warf. Es wäre nun nicht sonderlich hilfreich, irgendeine blöde Bemerkung darüber zu machen, dass Hizashi Angst vor Insekten hatte. Glücklicherweise verstand sie den Wink und hielt die Klappe.

„Komm schon, wir ziehen dir was über und vergessen den heutigen Tag einfach", fuhr Shota fort und versuchte nicht allzu unsicher zu klingen. Er war schon immer schlecht darin gewesen, andere aufzumuntern oder ihnen Mut zuzureden. Normalerweise übernahmen das stets Nemuri oder Hizashi. Doch im Augenblick war es letzterer, der Hilfe brauchte.

„Sho hat recht. Du bist eiskalt! Du willst dich doch nicht erkälten oder?" Ohne auf Antwort zu warten, schnappte Kayama nach dem Handtuch, und begann damit, Yamada einzuwickeln, ehe sie ihm auf die Beine half. Wackelig schaffte er es zu stehen. Als Nemuri einen Blick auf seinen Oberkörper warf, sog sie scharf die Luft ein. Seine Haut war übersät mit aufgekratzten und blutenden Stellen. Es wirkte so, als ob er sich nicht nur mit den Fingernägeln aufgekratzt hätte, sondern als ob er seine Haut mit einem Küchenschwamm säubern wollte. Tatsächlich lag ein solcher in der Ecke der Duschwanne. Die Dunkelhaarige unterdrückte ein Seufzen. „Komm, wir gehen ins Wohnzimmer", schlug sie vor, ehe sie sich an Shota wandte, „such bitte nach dem Verbandskasten!"

Aizawa nickte. Auch ohne ihre Bitte, hätte er nach dem kleinen Kasten Ausschau gehalten, den Yamada in seinem Medizinschrank aufbewahrte. Nachdem Kayama mit dem zitternden Mann aus dem Bad verschwunden war, trat Toshinori wieder näher heran, nicht ohne den beiden kurz nachzusehen. „Entomophobie, oder?", fragte er Shota, der angestrengt einen Schrank durchsuchte, „ich habe zugehört, wie du mit ihm gesprochen hast." Verlegen kratzte er sich im Nacken. Es war ihm unangenehm zu lauschen, aber was hätte er sonst tun sollen, alleine im Flur.

„Als Kind wurde er von einem Schurken mit Insektenmacke angegriffen, das hat ihn traumatisiert", erklärte Aizawa beiläufig und kramte im Schrank herum. Hätte er nicht so viel Bier getrunken, hätte er dieses Detail aus der Vergangenheit seines Kollegen – und Freundes – wohl nicht preisgegeben. Noch immer wusste er nicht, ob man All Might vertrauen konnte, obwohl Nemuri und Hizashi ihn ständig mitschleifen wollte. „Verdammt, wo ist denn der beschissene Verbandskasten?", fluchte Shota leise und kniff seine Augen zusammen.

Fast hätte Yagi leise gelacht, doch er spürte die Anspannung seines jüngeren Kollegen, weswegen er ihm bei der Suche zur Hand ging. Tatsächlich genügte ein kurzer Blick des Friedenssymbols, um das Behältnis auszumachen. Es befand sich zwei Regale über Aizawas Kopf. Obwohl der Dunkelhaarige recht groß war, hatte Toshinori doch einen größeren Vorteil, weil er ihn überragte. Ein kurzer Handgriff und der Verbandkasten war endlich in Aizawas Händen, gemeinsam mit einer Wundheilsalbe und Desinfektionsmittel. „Hat er auch angstlösende Medikamente? Das könnte ihm helfen, ein wenig zur Ruhe zu kommen", merkte der große Blondschopf an und ließ den Blick zwischen den Medikamenten schweifen. Auch wenn Helden untereinander oder mit anderen selten darüber sprachen, litt so gut wie jeder von ihnen unter irgendwelchen Ängsten.

Shota war jedoch zu konzentriert dabei, den Verbandskasten zu öffnen, um ihm eine Antwort darauf zu geben. Stattdessen schaffte er es nach einer gefühlten Ewigkeit, den kleinen Kasten zu öffnen, der ihm dabei fast aus der Hand fiel. Sofort streckte Yagi seine Hände danach aus, um ihn aufzufangen. Es war vielleicht nicht die beste Idee, die zwei Betrunkenen damit zu beauftragen, sich um Yamada zu kümmern. „Das ist viel zu wenig ...", murmelte Aizawa, als er die Mullbinden sah und gar nicht erst darauf achtete, dass Toshinoris große Hände immer noch den Verbandkasten hielten.

„Du könntest das, was da ist, schon einmal aufbrauchen. Ich habe vorhin einen Laden gesehen, der noch offen hat. Vielleicht haben die Verbandszeug", meinte Yagi, während er den Dunkelhaarigen musterte, der zu ihm hochsah und nachzudenken schien, „passt ihr auf Yamada auf, und ich versuche schnell mein Glück." Tatsächlich schien erst diese weitere Information die Rädchen in Aizawas Kopf in die richtigen Positionen zu bringen. Toshinori unterdrückte einen Seufzer. Obwohl die anderen Lehrer im längst von den Trinkeskapaden der drei jungen Helden erzählt hatten, hätte er es nicht für möglich gehalten, dass gerade die Geschichten über Shota stimmten. Im Augenblick hatte der Blondschopf jedoch das Gefühl, dass der Undergroundhero nur einen Drink davon entfernt war, komplett einzuschlafen, oder nicht mehr zu gebrauchen war. Nur gut, dass sie nicht mehr in der Bar waren.

Doch auch mit dem momentanen Alkoholspiegel, war Aizawas sonst so scharfer Verstand unglaublich langsam. Aus diesem Grund entschied Yagi sich dafür, ihn an der Schulter zu packen und dorthin zu lotsen, wohin Nemuri mit Yamada verschwunden war. Irgendwie fühlte er sich nicht wohl bei dem Gedanken, die beiden Betrunkenen mit dem Voicehero zurück zu lassen. Der Blonde brauchte im Moment sehr viel Beistand, den die beiden ihm wohl nur geringfügig zuteilwerden lassen konnten. Aber genauso wenig konnte er einen der beiden in den Laden schicken. Also musste er sich einfach beeilen.

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An Tagen wie diesen verfluchte Toshinori seine Gesundheit. Er könnte so schnell zu dem Laden huschen und wieder zurücksein, wenn er seine Zeit als All Might nicht schon aufgebraucht hätte für heute. Stattdessen musste er also als hageres Klappergestell durch die Nacht eilen, und hoffen, dass ihn der nächste Hustenanfall nicht zu lange aufhalten würde. Er hasste seine Schwäche, doch noch mehr hasste er es, wenn es anderen Menschen schlecht ging. Der Gedanke daran, dass Yamada Hilfe brauchte, spornte ihn an, um voran zu kommen.

Am Eingang des Ladens brauchte er erst einmal einen Augenblick, um zu verschnaufen, ehe er eintrat und nach einem Mitarbeiter Ausschau hielt. Niemand war zu sehen, weswegen er sich wohl oder übel alleine auf die Suche machen musste. Zwar kam ihm plötzlich in den Sinn, dass er schon einmal in diesem Laden eingekauft hatte, als er eine kleine Erkundungstour hier gewagt hatte, doch damals hatte er nach anderen Dingen gesucht. Tatsächlich fühlte er sich ein wenig verloren in diesem kleinen Shop, ohne Hilfe.

„All Might!", erklang es plötzlich überrascht und euphorisch zugleich neben ihm.

Erschrocken zuckte der dürre Mann so heftig zusammen, dass ein Hustenanfall ihn zu überwältigen drohte. Nur mit Müh und Not konnte er dagegen ankämpfen. Er war doch im Augenblick in seiner wahren Gestalt unterwegs! Wie konnte ihn da jemand mit seinem Heldennamen ansprechen? Als er sich zur Seite wandte, um herauszufinden, wer sein Geheimnis kannte und in die Welt hinausposaunte, blickte er in grüne große Augen, die besorgt zu ihm aufsahen. „Izuku, mein Junge!", stellte er erleichtert fest. Als Toshinori nach Luft schnappte, bemerkte er erst, dass er den Atem angehalten hatte. „Du sollst mich doch an öffentlichen Plätzen nicht so nennen, wenn ich ... du weißt schon!", mahnte er den Grünschopf, der schuldbewusst den Kopf sinken ließ, „aber zum Glück ist niemand hier!" Aufmunternd lächelte er den Jugendlichen an, der ebenso ein leichtes Lächeln aufsetzte.

„Tut mir leid", entschuldigte sich Midoriya schuldbewusst, ehe er den Kopf schief legte, „aber was machst du hier?" Neugierig musterte er sein Vorbild, dem ein Tropfen Blut aus dem Mundwinkel lief, nachdem er zuvor husten musste. Izuku fühlte sich furchtbar schuldig, seinen Lehrer so erschreckt zu haben. Irgendwie hatte ihn die Freude, ihn hier anzutreffen, wieder einmal übermannt.

„Schon in Ordnung! Ich mache nur eine Besorgung ... ", erklärte er dem Jungen. Erst jetzt wurde Toshinori bewusst, dass er dem Grünschopf hier in der Nähe das erste Mal begegnet war. Der Schüler musste also hier in der Nähe zu Hause sein. Vielleicht kannte er diesen kleinen Laden auch und konnte Yagi schneller zum Ziel verhelfen. Die Hoffnung war zwar klein, aber er musste es versuchen. „Eigentlich suche ich nach Verbandszeug und Wundsalbe. Du weißt nicht zufällig, ob ich hier so etwas finde?"

Natürlich riss Izuku im nächsten Augenblick die Augen auf, während er den großen Blondschopf besorgt musterte. „Bist du verletzt? Haben wir dir bei der Prüfung heute wehgetan?", wollte der Junge sofort wissen.

Obwohl er versuchte es zu unterdrücken, schnaubte Yagi. Als ob die beiden Jugendlichen ihm hätten zusetzen können. Viel eher hatte All Might bei der Prüfung übertrieben und die beiden Jungen zu hart ran genommen. Doch trotz der Verletzungen, die Izuku davon getragen hatte, war er stets um die anderen besorgt. „Mir geht es gut", versicherte er ihm, „es ist für ... einen Freund." Gerade im letzten Augenblick erinnerte sich der Blondschopf daran, dass er Yamadas Schwäche nicht hinausposaunen sollte.

Argwöhnisch wegen den Worten des Friedenssymbols zog der Grünschopf seine Augenbrauen nach oben. „Was hat dein ... Freund den?", fragte er neugierig, ehe er dem mageren Mann deutete ihm zu folgen. Die Abteilung für medizinische Produkte war ganz hinten. Hier kannte Izuku sich sehr genau aus.

„Ähm", begann Toshinori nachdenklich. Er musste seine Worte mit bedacht wählen. „Er hat seine Haut unter der Dusche wundgescheuert, weil er dachte etwas würde auf ihm krabbeln und es ist zu wenig Verbandsmaterial, deswegen habe ich die anderen allein gelassen. Ich hoffe nur, sie kommen mit ihm zurecht und ..." Während er sprach vergaß er auch schon wieder, dass er auf seine Wortwahl achten sollte, um niemanden zu verraten, oder zu viele Informationen preiszugeben. Aber es war absurd zu denken, dass jemand bei dieser Erzählung schnell die nötigsten Parallel ziehen könnte.

Doch Yagi hatte vergessen, dass Izuku einer seiner schlausten Schüler war. Daher hätte es ihn auch nicht so sehr überraschen sollen, wie es tatsächlich tat, als er das Wort ergriff und etwas von sich gab, was Toshinori erschrocken zur Seite springen ließ. „Ist dieser Freund ... Present Mic?", wollte der Junge vorsichtig in Erfahrung bringen, „ich meine ... ich habe gesehen, was Koji und Kyoka gemacht haben. Das war ziemlich fies und du hast gesagt, dein Freund glaubt, etwas krabbelt auf ihm ... Mic-Sensei sah nach der Prüfung nicht sonderlich fit aus." Auch wenn er direkt zu All Might sprach, war es mehr ein Gemurmel zu sich selbst. Irgendwie ergab es Sinn. Die Insekten waren auf Present Mic hochgekrabbelt und er war sofort in eine Schockstarre verfallen. Verständlich, wenn es ihm immer noch nicht besser, sondern sogar noch schlechter ging. Es musste eine Phobie sein.

„Du bist klüger als gut für dich ist", seufzte Toshinori, „ja ... es geht um Present Mic", gab er schließlich zu, biss sich kurz auf die Lippe, „aber du darfst es niemanden weiter erzählen! Er leidet an einer Insektenphobie, aber das konnten die beiden nicht wissen. Sie sollen kein schlechtes Gewissen bekommen. Mic wird schon wieder!" Hoffte Yagi zumindest. Das Wochenende würde dem Voicehero sicher helfen zur Ruhe zu kommen, da war er sich ziemlich sicher.

„Natürlich!", versprach Izuku sofort und nickte. Er würde es zwar in sein Notizbuch schreiben, um seine Analysen über seine Lehrer verfeinern zu können, doch er würde es niemanden erzählen. So etwas tat man auch nicht. Vor allem bei Helden war es besser, wenn ihre Schwächen nicht bekannt wurden. „Die Salben stehen da und die Verbandssachen sind in der zweiten Reihe da hinten", erklärte Midoriya rasch. Er sollte seinen Mentor nicht länger aufhalten, schließlich brauchte sein Englischlehrer Hilfe. Der Grünschopf musste auch gar nicht fragen, wer die anderen wohl sein mussten. Vermutlich waren Midnight und Aizawa bei dem blonden Helden. Immerhin schienen die drei befreundet zu sein.

Damit das Friedenssymbol schneller vorankam, half Izuku ihm die nötigen Sachen zusammen zu holen und zur Kassa zu tragen. Wenn er nicht so einen großen Respekt vor seinem Klassenlehrer hätte, wäre er glatt bis zu Mics Haustüre mitgekommen. Immerhin wusste er nun, dass der Voicehero in seiner Nähe wohnte! Doch er verabschiedete sich an der nächsten Kreuzung und ließ Yagi alleine.

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Währenddessen hatte Nemuri den zitternden Blondschopf auf sein Sofa verfrachtet. Nur zu gerne hätte sie ihm etwas übergezogen, doch zuerst mussten seine Schürfwunden und Kratzer versorgt werden. Im Augenblick tat ihr jeder dumme Spruch, den sie bisher gebracht hatte, furchtbar leid. Sie hatte immer angenommen, dass es nur ein Scherz war, wenn Hizashi aufquietschte, oder sich zierte weiter zu gehen, nur weil irgendwo ein Käfer saß. Auch wenn er sich nie dagegen gewehrt hatte, musste es ihn furchtbar verletzt haben. Über Phobien machte man sich nicht lustig, das wusste Kayama jetzt.

Um ihm ein bisschen zu wärmen, drückte sie ihn an sich, hatte einen Arm um seine Schulter gelegt. Sie musste ihn ohnehin festhalten, da er ständig versuchte, aufzustehen und erneut in die Dusche zu huschen. „Sie krabbeln immer noch auf mir ... ich kann sie fühlen", murmelte er vor sich hin, während er versuchte sich zu kratzen.

„Halte seine Arme fest", bat Shota die Dunkelhaarige. Es war nicht gerade einfach, Hizashis Arm einzucremen und zu verbinden, wenn er sich ständig bewegte und nicht stillhalten wollte. Kurz spielte er mit dem Gedanken sie darum zu bitten, ihre Macke einzusetzen, doch es hatte keinen Sinn, ihn jetzt schlafen zu schicken. Das Problem würde bestehen bleiben um an nächsten Tag genau dort fortsetzen, wo es jetzt endete. „Hiazshi, du musst dich konzentrieren", meinte er an den Blondschopf gewandt, dabei könnte er diese Worte ebenso an sich selbst richten. Seine Augenlider waren schwer und er würde sich nur zu gerne neben die beiden aufs Sofa setzen, um ein wenig zu schlafen, doch im Moment sollte er sich besser zusammenreißen. Obwohl man ihm oft nachsagte, dass er ein mieser Freund war und sich um nichts und niemanden sorgte, so war das nicht ganz richtig. Er sorgte sich für seine Mitmenschen, auch wenn er es nicht so zeigte wie andere.

Die grünen Augen lagen zwar kurzzeitig auf ihm, doch Hizashis Blick wirkte nicht so, als ob er geistig anwesend wäre. Als wäre er meilenweit entfernt. Ihn zu bitten, sich zu konzentrieren war wohl ein sinnloses Unterfangen.

„Wir hätten uns gleich um ihn kümmern müssen. Wieso hast du mir nichts gesagt!", beschwerte Kayama sich.

„Er wirkte normal, als wir ihn im Lehrerzimmer gesehen haben", murmelte Aizawa, obwohl er wusste, dass es eine Lüge war. Bereits dort war ihm ins Auge gefallen, dass Yamada sich am Arm gekratzt hatte. Eigentlich gab er ihr Recht. Sie hätten früher nach ihm sehen müssen, anstatt davon auszugehen, dass eine Partyeinladung ihn davon abhalten würde, so durchzudrehen.

„Das arme Baby", gab Nemuri dramatisch von sich, ehe sie Hizashi gegen ihre Brüste drückte, „wir beschützen dich vor den Krabbeldingern!" Wie konnte Nezu nur zulassen, dass Yamadas Prüfung in einem Wald stattfand? Die kleine Ratte wusste doch sonst immer alles!

Genervt seufzend sah der Dunkelhaarige kurz auf und schüttelte den Kopf. Konnte Kayama denn nicht einmal jetzt ernst bleiben? Doch es war leider ihre Art, so unbeschwert und locker aufzutreten. Genauso, wie es Shotas Art war, ernst und unnahbar zu wirken. Im Augenblick waren sie wohl beide nicht das, was Hizashi gerade brauchte. Schließlich war es wichtig, ihn aus seinen Gedanken zurückzuholen und dafür zu sorgen, dass es ihm wieder gut ging.

Schweigend verband Aizawas weiter den linken Arm des Blondschopfs. Gerade dafür reichte das vorhandene Verbandsmaterial noch. Hoffentlich beeilte sich Yagi, und kam bald zurück. Der ältere Profiheld hätte gewiss eine hilfreiche Idee. Auch wenn der große Mann sehr unbeholfen wirkte, war er doch erfahren darin, mit solchen Situationen umzugehen. Der Blondschopf kam einfach mit anderen Menschen zurecht, etwas, wofür Shota ihn durchaus beneiden würde, wenn ihm so eine Fähigkeit wichtig wäre.

Tatsächlich war das Glück auf ihrer Seite. Schwere Schritte erklangen im Flur, die langsam näher kamen. „Hallo ihr drei! Ich bin wieder zurück", verkündete er lächelnd, während er ins Wohnzimmer trat und seinen Einkauf hochhielt. Er hatte nicht nur die benötigten Utensilien geholt, sondern noch Essbares dabei. Damit hoffte er, dass die beiden Dunkelhaarigen etwas nüchterner wurden. Außerdem hatte Hizashi bestimmt den gesamten Tag nichts mehr gegessen. Eine kleine Stärkung würde ihm gewiss gut tun.

Doch dafür mussten sie ihn erst einmal aus seiner Schockstarre holen. Nemuris Umarmung war nicht sonderlich hilfreich dafür, auch wenn es ihn etwas beruhigt hatte, während Shota mit dem neuen Verbandszeug den zweiten Arm in Angriff nahm. Danach würde er auch noch den Oberkörper einwickeln. Seine Beine hatte er bisher noch gar nicht gesehen. Am Ende wäre wohl diesmal Hizashi der Mumien-Mann, so wie Aizawa vor ein paar Wochen.

„Du musst ihn loslassen, sonst kann ich mich nicht um die Kratzer am Oberkörper kümmern", murrte Shota, während er den Blondschopf an beiden Armen hielt und sachte nach vorne zog, damit er eine aufrechte Position einnahm, ehe er seufzte „es wäre einfacher, wenn du etwas mithelfen würdest."

Obwohl der Dunkelhaarige leise gesprochen hatte, lagen die grünen Augen trotzdem plötzlich auf ihm. Auch wenn Hizashi im Moment neben ihm stand, war ihm durchaus bewusst, dass Menschen, die er seine Freunde nannte, bei ihm waren. Doch er realisierte nicht ganz, dass sie ihm helfen wollten. Daher versuchte er seine Arme aus dem Griff des Undergroundheros zu ziehen. „Hör auf ... sie sind überall ...überall auf mir ... ich muss sie ... muss sie losbekommen", murmelte er vor sich hin, „alles kribbelt ..."

„Nichts ist auf dir. Du spürst nur die Wundsalbe auf deinen Verletzungen", versicherte Shota ihm, während er ihm in die Augen sah, „kein einziger Käfer ist hier, Hizashi. Du kannst uns vertrauen!" Auch wenn Aizawa nicht zu jener Sorte Freunde zählte, die stets ein gutes Wort für einen übrig hatte, so war doch eines klar: Er war loyal und vertrauenswürdig. So unfreundlich und gemein er auch oft sein konnte, man konnte sich auf ihn verlassen.

Das wusste auch Yamada, der den Kopf schief legte und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Doch alles, woran er denken konnte, waren eklige kleine Krabbeltierchen, die ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagten und Tränen in die Augen trieben. „Sie waren überall, Sho ... überall ..." Seine Stimme war kaum lauter als ein Flüstern. Eine unnatürliche Lautstärke für den sonst so lauten Voicehero.

„Ich weiß ... aber jetzt sind sie weg. Du bist sauber", erklärte der Undergroundhero ruhig, „und verletzt, weil du deine Haut wundgescheuert hast. Darf ich dich weiter verarzten?" Abwartend sah er den Blondschopf an, in der Hoffnung, dass er wieder etwas mehr in die Realität zurückgekehrt war. Ansonsten würde er zu härteren Maßnahmen greifen müssen, damit Yamada sich nicht weiter verletzte. Yagi hatte zum Glück mitgedacht und Stoffhandschuhe mitgenommen. Zur Not würde er Hizashi diese überziehen und mit dem Verbandsmaterial befestigen, damit er sie nicht mehr abbekam und sich nicht weiter aufkratzten konnte. Obwohl es vermutlich besser wäre, ihn ins Krankenhaus zu bringen, wo man ihn richtig behandeln könnte, wusste Shota, dass es nicht einfach werden würde, den Blondschopf aus seiner Wohnung zu bekommen. Draußen wimmelte es schließlich vor Insekten.

Zu seinem Glück nickte Yamada jedoch, auch wenn sein Blick noch immer abwesend wirkte. Er versuchte sich aufrechter hin zu setzen, damit Shota leichter seinen Oberkörper umwickeln konnte. Nemuri strich sanft über seinen Arm. „Das wird schon wieder, mein Kleiner", seufzte sie, ehe sie sich erhob, „ich seh mal nach, ob ich Yagi helfen kann." Jener war zuvor in der Küche des Blondschopfs verschwunden, um aus den mitgebrachten Sachen etwas zu Essen zuzubereiten. Irgendwie war der Gedanke, sich von All Might bekochen zu lassen, so seltsam für Kayama, dass sie dem Mann lieber helfen wollte. Außerdem konnte sie sich nicht vorstellen, dass das Friedenssymbol ein sonderlich großes Talent darin hatte. Es war zwar ein vorschnelles Urteil, aber umsonst wäre er wohl kaum so mager.

Schweigen breitete sich aus, nachdem die beiden Männer alleine waren. Mittlerweile war Hizashis Oberkörper komplett eingewickelt. Als Shota jedoch Schrammen auf seinen Beinen entdeckte, seufzte er. „Wieso hast du nichts gesagt, als wir im Lehrerzimmer vor dir standen", wollte er wissen, „du hättest mir nur sagen müssen, dass es dir so geht wie damals. Ich wäre bei dir geblieben." Auch wenn er sich vermutlich im ersten Augenblick darüber beschwert hätte, aber er wäre lieber Yamada in diesem Moment beigestanden, als sich auf diese Party schleppen zu lassen.

Hizashi seufzte. „Es war alles okay ... es war ... ich war fertig ... für die ... die Party ... aber ... aber dann ... da war plötzlich was in meinem Haar ..." Allein bei dem Gedanken daran schauderte er und kämpfte mit dem Drang, sich die Bandagen vom Leib zu reißen, um sich erneut mit einem Schwamm die Haut zu schrubben. Nachdem er diesen dunklen Fussel in seinen Haaren gesehen hatte, hatte er die Kontrolle über sich und sein Handeln verloren. Plötzlich sah er überall Käfer und Insekten, die auf ihm herumkrabbelten. Sofort schloss er die Augen und begann schneller zu atmen.

Als Aizawa bemerkte, dass Yamada zu hyperventilieren drohte, setzte er sich aufs Sofa neben ihn. Auch wenn es sonst nicht seine Art war, und es ihm nicht sonderlich behagte, legte er seine Arme vorsichtig um den Grünäugigen, um ihn sachte an sich zu drücken. „Es ist alles in Ordnung, du bist in Sicherheit", wiederholte der Dunkelhaarige immer wieder, bis Hizashi sich beruhigt hatte. „Vielleicht sollten wir dir etwas Kleidung überziehen, bevor das Essen fertig ist", schlug er dann vor und half dem Blondschopf hoch. Auch wenn es Nemuri vermutlich egal wäre, wenn das Handtuch durch eine unbedachte Handlung fallen würde, wäre es doch sehr peinlich, wenn dies vor All Might passieren würde.

Der Blondschopf ließ sich hochhelfen und in sein Schlafzimmer führen. Nun, da er mit seinen Gedanken wieder etwas mehr im Hier und Jetzt war, schien es einfacher zu sein, ihm zu helfen. Sie fanden schnell etwas zum Anziehen, sodass Shota auch rasch den Rest von Hizashis Körper verarzten konnte. Als sie zurückkehrten ins Wohnzimmer, hatten Yagi und Kayama längst ein paar Schüsseln mit Essen auf dem Couchtisch abgestellt. Gebratenes Hühnchen mit Reis. Zu mehr reichte Toshinoris Kochtalent leider nicht. Doch es genügte, um die Stimmung etwas zu heben.

~*~

Das Wochenende verging schneller als angenommen. Izuku ging die Begegnung mit seinem Mentor die gesamte Zeit über nicht aus dem Kopf. Vor allem als er pünktlich den Radio anmachte, um Put your Hands up Radio zu hören. Die Stimme, die aus dem Gerät tönte, war auf keinen Fall die seines Lehrers. Present Mic sei krank und deswegen verhindert hieß es. Der Grünschopf biss sich auf die Unterlippe, als er das hörte. Er musste ständig darüber nachdenken, was All Might ihm erzählt hatte. Es hatte den Voicehero doch ziemlich schlimm getroffen. Schlimmer, als der Jugendliche angenommen hatte. Doch vielleicht brauchte der Mann einfach das Wochenende, um sich auszuruhen und Kräfte zu tanken.

Als am Montag jedoch Aizawa plötzlich im Klassenzimmer stand, wusste Midoriya, dass wohl auch die Englischstunde flach fallen würde. Erneut wurde ihm erklärt, dass der Mic krank wäre und es deswegen anstatt Englisch nun eine Klassenlehrerstunde geben würde. Da Izuku bereits seit dem aufeinandertreffen mit All Might darüber nachgedacht hatte, wie man dem Profihelden bei seinem Problem helfen könnte, war sein Arm schneller oben, als er nachdenken konnte. Eigentlich hatte er dem Friedenssymbol doch eigentlich versprochen, nichts zu verraten. Vielleicht hatte Aizawa noch nicht bemerkt, dass sein Arm oben war.

Doch zu spät.

„Ja, Problemkind?", fragte der Dunkelhaarige müde klingend.

Izuku zuckte zusammen. Plötzlich lag die Aufmerksamkeit seiner Klassenkameraden auf ihm, da alle neugierig waren, was ihr Mitschüler den zu sagen hatte. Verdammt. Er hätte besser nachdenken sollen, bevor seine Hand nach oben geschnellt war. „Ähm", begann er vor sich hinzustottern. Sein Gesicht lief rot an.

Genervt seufzte Shota und wartete einen Augenblick, ehe er sich wieder abwenden wollte, um den Unterricht zu beginnen. Doch gerade in dem Moment, als er den Blick von Midoriya abwandte, begann der Junge endlich zu sprechen.

„Ich dachte nur ... vielleicht sollten wir Present Mic Sensei irgendwie helfen? Koji könnte doch dafür sorgen, dass ...", begann er langsam immer schneller zu sprechen, weil er in sein übliches Gemurmel verfiel.

Als Aizawa jedoch merkte, worauf der Grünschopf hinaus wollte, unterbrach er ihn. „Stopp", fuhr er ihn laut an, aktivierte seine Macke, um bedrohlicher zu wirken und trat auf den Jungen zu, „wie gesagt: Mic. Ist. krank!" Er betonte jedes Wort, während er streng und mit rotleuchtenden Augen zu dem Schüler hinabsah, der immer kleiner wurde.

„Woah, was? Was hat Koji damit zu tun, dass Mic-Sensei krank ist?", wollte Denki sofort wissen.

„Und wobei können wir ihm helfen?", fragte Eijiro.

„Steckt er in Schwierigkeiten?" Jiro klang besorgt.

Plötzlich sahen alle mit sorgenvollem Blick zu dem Undergroundhero, der seufzend die Augen schloss und versuchte sich kurz zu sammeln. Irgendetwas sagte ihm, dass er gar nicht erst fragen musste, woher das Problemkind Bescheid wusste. Yagi konnte scheinbar nichts für sich behalten, und hatte alles brühwarm seinem Lieblingsschüler erzählt. Anders konnte es gar nicht sein. Nun, da die Katze fast aus dem Sack war, würden seine Schüler sich nicht mit abspeisenden Worten zufrieden geben. Auch wenn sie noch nicht lange seine Schüler waren, so kannte er sie bereits gut genug um das zu wissen.

Als er die Augen öffnete, wirkte er etwas ruhiger als zuvor, doch in ihm tobte immer noch ein Kampf. Am liebsten wäre er aus dem Raum gestürmt, um All Might zu fesseln und zu knebeln. Doch es würde kein gutes Bild abgeben, wenn er dem Nummer Eins Helden so etwas antat. Vermutlich würde man ihn auch noch aufhalten und in den Tartarus schleifen. Es blieb ihm also nichts anderes über, als dennoch zu versuchen, sie vom Thema abzulenken. „Wir sollten uns auf den Unterricht konzentrieren."

„Und was ist jetzt mit Mic-Sensei?" Mina wollte einfach nicht locker lassen. Ihr Blick hing bei dieser Frage nun auf Izuku, der wohl die Antwort darauf kannte.

Da Aizawa sich nicht dazu äußerte, ergriff tatsächlich der Grünschopf das Wort. „Present Mic leidet an Entomophobie, was bedeutet, dass er Angst vor allen möglichen Insekten hat", erklärte er, als würde er ein Lehrbuch vorlesen. Allein die Erklärung reichte bereits, dass Kyoka und auch Koji die Schultern und auch den Kopf hingen ließen.

„Es ist nicht eure Schuld", sagte Aizawa daher rasch, als er die Reaktion der beiden Schüler sah. Er wollte sichergehen, dass sie nun nicht in Schuldgefühlen zerflossen. Das würde ihren Weg zum Helden nur behindern, schließlich hielt sowas auf. Man begann sich zu verkriechen und sich für vieles weitere die Schuld zu geben. Es war einfach nur sinnlos. „Er ist euch auch in keiner Weise böse. Ihr habt eure Prüfung mit Bravour bestanden. Kein Grund zur Sorge", versicherte er ihnen, „er ... er hat nur im Augenblick ein Problem damit, seine Wohnung zu verlassen." Tatsächlich hatten sie es am Freitag noch geschafft, ihn soweit zu beruhigen, dass er wieder klarer im Kopf wurde. Allerdings hieß das nicht, dass er sich komplett erholt hatte. Ständig war entweder Nemuri bei ihm, oder Shota, um ihm zu versichern, dass durch die Fliegengitter am Fenster nichts durchkam, und keine Horde Insekten vor seiner Haustüre auf ihn wartete. Dennoch wollte er nicht nach draußen. Zumindest hatte er aufgehört, seine Haut wund zu schrubben.

Trotz der aufmunternden Worte ihres Lehrers, hob sich die Stimmung der beiden nicht wirklich. „Es tut uns leid ... es tut mir leid!", meinte Jiro, „immerhin war es meine Idee! Koji hat genauso Angst vor Insekten, aber ich habe ihn dazu überredet, sie auf Mic-Sensei zu hetzen ..." Kein Wunder, dass der Profiheld prompt in Ohnmacht gefallen war, nachdem er so laut gekreischt hatte. Im Nachhinein fand sie diese Reaktion doch gar nicht mehr so witzig wie am Tag der Prüfung.

„Wie gesagt: Es ist nicht eure Schuld. Ihr wusstet es nicht, und Mic dachte, er hätte es ihm Griff." Aber wann lag man mit einer Vermutung schon richtig? Er war nur froh, dass Midoriya nichts von den Verletzungen erwähnt hatte, die sich Hizashi zugefügt hatte.

Koda, der bisher schuldbewusst auf seine Tischplatte geblickt hatte, sah plötzlich zu Izuku auf. Er konnte Present Mics Angst wirklich verstehen. Insekten waren richtig gruselig. Sie sahen aus wie Aliens. Also musste er etwas unternehmen, damit es dem Mann besser ging. „Du hattest eine Idee, um ihm zu helfen", erinnerte er den Grünhaarigen mit seiner leisen Stimme, die kaum zu hören war.

Izuku nickte. „Habe ich", versprach er, „du könntest noch einmal mit den Insekten sprechen und sie bitten, weiter zu erzählen, dass sie Present Mic in Zukunft aus dem Weg gehen sollten. Dann muss er sich nie wieder Gedanken darüber machen!" Das war der Plan, an dem er über das Wochenende hinweg getüftelt hatte. Abwartend sah er zu seinem Klassenlehrer, der den Kopf schief gelegt hatte, während er lauschte.

Nachdenklich kratzte Shota sich unter seinem rechten Auge. „Tatsächlich klingt das nach einer guten Idee ...", stellte er fest, ehe seine dunklen Augen zu Koji wanderten, „könntest du das tun?" Wenn sie dann Hizashi davon überzeugen könnten, dass ihn die Insekten zumindest auf dem Gelände der UA in Ruhe lassen würden, würde ihn das bestimmt endlich soweit beruhigen, dass er seine Wohnung wieder verließ. Schließlich konnte er nicht ewig in seinem Versteck hocken. Er hatte drei Jobs, denen er nachgehen musste, um sich seine Wohnung überhaupt leisten zu können.

Koda nickte und streckte einen Daumen hoch. Wenn es dem Voicehero helfen würde, dann würde er es wagen, erneut mit den Krabbeltieren zu sprechen. Es war schließlich für einen guten Zweck!

~*~

Am Ende des Schultages stand Shota gemeinsam mit drei seiner Schüler vor Yamadas Wohnungstür. Er fühlte sich unwohl dabei, den Jugendlichen den Wohnort des Voiceheros zu verraten, doch sie hatten darauf bestanden, die frohe Kunde selbst zu überbringen. Dadurch hatten sie die Hoffnung, dass Present Mic ihnen glauben würde und nicht nur dachte, dass sie ihn veralbern wollten.

Um nicht sofort mit der Tür ins Haus zu fallen, klopfte Aizawa an. Natürlich hatte er Kayama vorgewarnt, die den halben Tag bei dem Blondschopf verbracht hatte. Schließlich sollten sie nicht unangekündigt auftauchen. Es wäre besser, wenn zumindest einer wusste, was gleich passieren würde. Aus diesem Grund war es auch nicht verwunderlich, dass es Nemuri war, die die Tür für sie öffnete und sie hinein ließ. „Er ist im Wohnzimmer", erklärte sie, und lächelte, „wollt ihr etwas trinken?" Ehe ihr jemand eine Antwort darauf geben konnte, verschwand sie auch schon Richtung Küche.

Also blieb Shota damit beauftragt, die drei angehenden Helden zu Hizashi zu führen. Er ließ ihnen den Vortritt und deutete auf den Raum, den sie betreten sollten. Yamada saß auf dem Sofa, die Beine angewinkelt, während er auf den Fernseher starrte. Seine Haare waren zu einem schlampigen Dutt hochgebunden, er trug ein ausgeleiertes T-Shirt, mit langen Ärmeln und eine Jogginghose. Obwohl sein Look die Bandagen zu großen Teilen vor Blicken verbarg, konnte man den weißen Verband in dem V-Ausschnitt des Shirts sehen. Für die Schüler der A-Klasse war im Augenblick ohnehin viel interessanter, wie Present Mic ohne seine Uniform und sein übliches Styling aussah. Izuku machte sich im Gedanken Notizen, um später alles aufzuschreiben. Anscheinend war die Sonnenbrille nicht nur aus Stilgründen, den im Moment trug der Mann eine normale Brille.

Es dauerte ein Weilchen, bis Yamada bemerkte, dass jemand den Raum betreten hatte. Erst als Shota sich räusperte, sah er zu ihnen. „Oh, hey ... hey little Listeners! W...was verschafft mir die Ehre?", versuchte er so euphorisch wie sonst auch immer zu klingen, doch es gelang ihm nur halb. Während der Blick der drei jüngeren Helden dadurch besorgt wurde, war Aizawa erleichtert darüber, dass Hizashi zumindest schon fast wieder der Alte war.

Da keiner der Jugendlich sich traute etwas zu sagen, musste Shota das Wort ergreifen. „Sie wollen dir etwas mitteilen", erklärte er, während er an ihnen vorbei ging und auf das Sofa zusteuerte, um neben Yamada Platz zunehmen. Abwartend sahen die beiden Erwachsenen die Kinder an.

„Richtig", stimmte Midoriya zu, als er sich aus seiner Starre riss und zu Koji und Kyoka sah.

„Wir wollten uns entschuldigen, dass wir die Insekten auf sie gehetzt haben", erklärte Koda leise.

„Das stimmt!", pflichtete Jiro bei, „und Izuku hatte die Idee, die Insekten darum zu bitten, Sie ihn ruhe zu lassen. Sie werden die Nachricht verbreiten, damit Sie nie wieder eines dieser Dinge zu Gesicht bekommen müssen!" Sie waren ziemlich stolz darauf, dass dieser Plan geklappt hatte. Hoffentlich würden diese kleinen Krabbeldinger auch wirklich worthalten.

Aufmerksam hatte Hizashi ihnen zugehört, ehe er seinen Kopf kurz zu Shota wandte und ihn fragend ansah. Nachdem der Dunkelhaarige jedoch mit dem Kopf schüttelte, wanderten die grünen Augen wieder zu den drei Schülern zurück. Tränen stiegen ihm in die Augen. „Das ist ... das ist wirklich echt ... ich weiß gar nicht, was ich sagen soll!", gestand er und lächelte verlegen. Ein seltenes Bild, das man von dem Profihelden zu Gesicht bekam. Für Shota war eher selten, dass der Blondschopf nicht wusste, was er sagen sollte. Sonst war er sich doch nie für ein Kommentar zu schade. „Thank you!"

In der Zwischenzeit kehrte Nemuri mit einem Tablet voll mit Gläsern und Getränken wieder. „Wieso setzt ihr euch denn nicht? Habt ihr ihnen keinen Platz angeboten? Euch kann man echt nicht allein lassen!", begann sie zu schimpfen, ehe sie die Jugendlichen auf das Sofa scheuchte. Jiro fand es amüsant, dass Midnight so mit ihren beiden Kollegen umsprang, während die beiden Jungen keinen Ton von sich gaben. Es dauerte ein Weilchen bis das Eis gebrochen waren, und sie ein bisschen miteinander plauderten. Tatsächlich schafften sie es sogar Yamada ein Lachen zu entlocken.

~*~

Als der nächste Tag anbrach, nahm Hizashi sich vor, seine sicherer Wohnung endlich wieder zu verlassen. Während Nemuri längst dabei war, Frühstück zu machen und Shota noch tief und fest in seinem Schlafsack schlief, wagte Yamada es, sich im Badezimmer für den Arbeitstag fertig zu machen. Er fühlte sich nach wie vor unsicher, und zuckte erschrocken zusammen, wenn er irgendwo einen seltsamen Fleck oder einen Fussel erblickte. Angestrengt versuchte er nicht daran zu denken, was passiert war. Wenn er sich erst einmal wieder in seine Aufgaben stürzte, würde er es gewiss bald vergessen können.

Tatsächlich fiel es ihm bereits leichter als in den vergangenen Tagen, ein belangloses Gespräch mit seinen beiden Freunden zu führen, während sie ihren Kaffee tranken. Alles war wieder beim Alten. Zumindest fast. Denn als es darum ging, zur UA aufzubrechen, haderte der Blondschopf etwas. Kayama ging ihnen voran, hatte die Wohnung längst verlassen, während Aizawa hinter ihm stand, und noch dabei war, in seine Stiefel zu schlüpfen. Der Voicehero stand an der Schwelle seiner Wohnungstür, starr und für den Moment unfähig, den entscheidenden Schritt zu machen.

Die Erinnerung der letzten Tage, vor allem der Prüfung, blitzten vor seinen Augen auf, sodass er das starke Verlangen bekam, umzudrehen, und sich in seinem Bett zu verkriechen. Doch gerade, als er den Kampf mit seinem Kopf zu verlieren schien, legte Shota seine Hand auf seine Schulter, nachdem er an den Blonden herangetreten war. „Du bist bereit", versicherte er ihm, „dir wird nichts passieren!" Es war ein Versprechen.

Hizashi nickte und holte tief Luft. Er würde es schaffen. Die Schüler hatten ihm versprochen, dass die Insekten ihn nicht wieder angreifen würden. Er musste ihnen nur vertrauen. Wieso sollten sie schließlich lügen? Es hatte zumindest den Eindruck gemacht, dass sie es ernst meinten. Shotas diesjährige Klasse war stets darauf bedacht, jedem zu helfen, der in Not war. Aus ihnen würden wunderbare Helden werden, den im Gegensatz zu ihren älteren Kollegen, kümmerten sie sich auch um andere Helden, die in Notlagen geraten waren. Sie hatte Aizawas eingefrorenes Herz aufgetaut, und hatten nun auch Yamada geholfen, seine Angst etwas besser in den Griff zu bekommen. Natürlich wusste er, dass es auf Dauer keine Lösung war, die Insekten auf diese Weise von ihm fernzuhalten, aber für den Anfang war er glücklich damit. Schließlich schaffte er es nun wieder vor seine Tür zu treten, und gemeinsam mit seinen Freunden zur Schule zu fahren. Insektenfrei.

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