Niemals wieder
Kapitel 29 - Niemals wieder
Shoto POV.
Mir war schlecht, als ich die Stufen nach oben ging. Inzwischen kannte ich den Weg auswendig. Wie oft war ich hier hochgegangen, mit der Vorfreude, Katsuki zu treffen... Ihn küssen zu können... Doch heute war es anders.
Ich öffnete die Tür und stand auf dem Schuldach. Katsuki stand am Geländer und sah stur geradeaus. Langsam trat ich näher.
"Wusstest du, dass Eijiro Bescheid weiß?", war Katsukis erste Frage.
Er lehnte an das Geländer und war mir viel zu weit weg, obwohl wir nebeneinander standen. Ich wollte ihn ganz nah bei mir haben. Meine Finger krallten sich an dem Geländer fest, um mich von dem Gedanken abzubringen.
"Ja.... Er hat mich einmal auf dem Flur abgepasst und mich darauf angesprochen", gab ich zerknirscht zu.
"Und du erzählst mir das nicht?!", rief Katsuki und sah mich entgeistert an.
Ich wich seinem Blick aus. Wenn er mich so durchdringend ansah, bekam ich nie irgendwelche geraden Sätze heraus.
"Ich wollte dich nicht beunruhigen und erstmal abwarten, was er tun würde. Und es ist ja auch nichts passiert! Bis gestern hatte ich ihn schon komplett vergessen... Es war nicht richtig, dir nichts zu sagen. Tut mir leid", sagte ich ehrlich.
"Tz, na gut. Ist vergessen..."
Ich sah ihn immer noch nicht an, aus Angst, dann irgendetwas zu tun, was ich später bereuen würde.
"Dann war's das also? Wir beenden es einfach?", fragte er irgendwann, nachdem wir eine kurze Weile einfach nur geschwiegen hatten.
Ich riskierte einen kurzen Blick zur Seite. Er stand aufrecht, um sich nicht anmerken zu lassen, dass diese Situation auch für ihn nicht leicht war. Aber seine verkrampften Hände und das leichte Zittern in seiner Stimme verrieten ihn. Mein Herz wurde schwer.
"Ich kann Katsumi nicht verlassen. Sie wäre am Boden zerstört! Sie... würde uns hassen", sagte ich leise und senkte den Blick.
"Ja... Da hast du Recht", erwiderte er.
"Glaub mir, wenn das zwischen uns irgendwie anders gekommen wäre... Wenn wir uns unter anderen Umständen kennengelernt und nähergekommen wären, würde ich das nicht tun", versuchte ich zu erklären. "Dann hätte ich dich niemals wieder gehen gelassen. Weil ich dich brauche... Ich brauche dich so sehr in meinem Leben."
Verzweifelt sah ich ihn an und trat einen Schritt näher zu ihm. Er erwiderte meinen Blick mit derselben Trauer, die sich erbarmunglos auch in mein Herz grub und es zerfraß.
"Weil ich dich--"
Schnell trat er noch einen Schritt näher und drückte seine Lippen auf meine, um mich zum Verstummen zu bringen. Der Kuss war nur kurz und federleicht. Trotzdem überrollte er mich wie so oft und ließ meine Knie weich werden.
"Bitte sag es nicht, Shoto. Danach gibt es kein Zurück mehr", sagte er erstickt und legte seine Hände an meine Hüfte.
Ich konnte Tränen in seinen Augen schimmern sehen und strich ihm zärtlich über die Wange. "Aber du weißt, dass ich es empfinde, oder?", wollte ich wissen.
Er nickte. "Ja. Und du weißt, dass ich es empfinde. Dass mein Herz niemals für irgendjemanden anderes schlagen wird. Mein Herz gehört dir. Und das wird sich auch so schnell nicht ändern", sprach er sanft meine Gedanken aus und schenkte mir ein leichtes Lächeln.
"Es tut mir alles so leid. Du wolltest deiner Schwester nie weh tun, das weiß ich. Und trotzdem stehen wir nun hier...", gab ich zu bedenken, doch er schüttelte den Kopf.
"Es gibt niemanden, der an dieser Situation mehr schuld ist. Wir haben beide Entscheidungen getroffen, die uns hierher geführt haben, und müssen nun mit den Konsequenzen leben. Ich erwarte nicht von dir, dass du dich für mich entscheidest..."
Ich legte meine Arme um ihn und zog ihn fest an mich. Seine Nähe linderte den Schmerz in meinem Inneren, auch wenn es nur kurz war. Denn wenn wir zurück zum Unterricht gehen würden, war das alles vorbei. Dann würde er mir nie wieder so nah sein wie jetzt.... Er drückte sein Gesicht in meine Schulter und wir klammerten uns wie zwei Ertrinkende aneinander.
"Ich glaube, ich werde sogar deine große Klappe vermissen", sagte ich sanft und spürte, wie er leicht lachte.
"Manchmal hasse ich es, dass du nie leise sein kannst. Aber nur manchmal... Ich glaube, das ist genau das Problem", erwiderte er und sah mich an.
Zärtlich legte ich meine Hände an seine Wangen. "Manchmal hasse ich es, wie sehr ich dir verfallen bin. Aber nur manchmal.... Ich glaube, das ist ein ziemlich großes Problem", gab ich zurück und zog ihn in einen tiefen Kuss.
Mein Herz schlug heftig gegen meinen Brustkorb und ich fühlte mich das erste Mal nach den letzten 24 Stunden wieder lebendig. Seine Lippen schmeckten nach Schmerz, Verlangen und ... Liebe. Seine Finger krallten sich in mein Tshirt und er drückte sich gegen mich bis kaum noch Platz zwischen uns war. Wir trennten uns nur kurz, um Sauerstoff in unseren Lungen zu bringen, bevor der nächste Kuss unseren Verstand einnahm.
Vielleicht war das der letzte Kuss, den wir jemals miteinander teilen würden. Umso mehr versuchte ich mir einzuprägen, wie er sich anfühlte, schmeckte und roch. Ich ließ mich einfach in diese Gefühle hineinfallen. Etwas in mir hoffte, dass ich auftauchen würde, und sich alles nur als Albtraum entpuppte.
Oder ich würde einfach darin ertrinken und nie wieder aufwachen. In dieser Hitze an Leidenschaft, die meinen Körper übernahm und mich dazu verleitete, mein Zunge in Katsukis Mund zu schieben.
Meine Hände fuhren in seinen Nacken und vertieften den Kuss. Katsuki keuchte leise und gab sich mir hin. Ich spürte, wie er sich völlig von seinen Gefühlen leiten ließ und seine Hände meinen Körper erkundeten, obwohl er schon jede Stelle kannte. Jede einzelne Stelle, weil ich mich vor ihm nicht versteckte....
Weil er die eine Person war, die ich in meinem Leben brauchte. Doch deren Liebe mir verboten war.
Keuchend lösten wir uns voneinander, als es klingelte. Wir fielen zurück in die Realität. Seine roten Wangen und der verklärte Ausdruck in seinen wunderschönen Augen zeigten jedoch eindeutig davon, was wir gerade getan hatten.
"Erinnerst du dich noch an den Gefallen, den du mir schuldest? Für Katsumis Torte...", wollte er wissen.
"Natürlich", antwortete ich und er seufzte schwer.
"Dann tu mir jetzt diesen Gefallen und verschwinde aus meinem Leben. Das ist.. für uns beide das Beste", verlangte er und mein Herz wurde schwer.
Hätte ich gewusste, wofür er diesen Gefallen einlösen würde, hätte ich dem niemals zugesagt... Aber ich hatte ja nicht wissen können, wie schwer es werden würde, ihn gehen zu lassen....
"Okay... Einverstanden."
Ein letztes Mal legte ich meine Hand an seine Wange und er schloss kurz die Augen. Ohne ein weiteres Worte drehte er sich um und eilte zur Tür zum Treppenhaus. In dem Moment, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, fühlte ich etwas in mir zerbrechen.
Ich sank auf den Boden und legte mein Gesicht in meine Hände. Die ersten Tränen liefen über mein Gesicht. Wieso fühlte sich eine Welt ohne ihn so trostlos an? Würde ich jemals wieder glücklich werden? Konnte mein Herz jemals wieder für jemanden außer ihn schlagen?
Katsuki POV.
Ich hastete die Treppe nach unten und fühlte die Tränen in meinen Augen. Fuck! Es hätte nie zu etwas so ernsten werden sollen!
Als wir diese Affäre begonnen hatten, dachte ich, es würde nicht schwer werden, das Ganze wieder zu beenden. Schließlich war es einfach, etwas zu verlieren, das sowieso von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war.
Und doch fühlte es sich so an, als hätte ich meine bessere Hälfte verloren. Mein Herz brach in tausende Einzelteile und ich war mir unsicher, ob es jemals wieder schlagen konnte.
"Katsuki! Hey!", rief jemand und griff nach meiner Hand.
Ich drehte mich abrupt um und entriss der Person meine Hand. "Fass mich nicht an!", fauchte ich.
Eijiro sah mich für einen Moment perplex an, bevor er zu realisieren schien, was passiert war. "Ihr habt Schluss gemacht", stellte er das offensichtlichste fest.
Ich fuhr mir mit der Hand über die Augen, um die Tränen wegzuwischen.
"Wir waren nie zusammen, Eijiro", sagte ich mit fester stimmer und sah ihn so finster an, wie es mir gerade möglich war.
"Um so besser", grinster er und kam mir näher.
"Was soll das werden, Idiot?! Lass mich einfach in Ruhe. Ich hab grade echt keinen Nerv dafür!"
Ich fühlte mich völlig ausgelaugt und mein Herz blutete in meiner Brust. Außerdem mussten wir zum Unterricht. Wieso ließ er mich nicht einfach alleine?!
"Weißt du, Katsuki. Ich glaube, du hast noch nicht so ganz verstanden, was ich für dich empfinde...", sagte er leise und berührte meine Hüfte.
Ich schlug seine Hand weg. "Ja, weil es mir verdammt nochmal egal ist! Hör auf damit, Eijiro!"
Doch er hörte nicht auf. Ich trat mehrere Schritte zurück, doch spürte eine Wand an meinem Rücken, die es mir unmöglich machte, weiter vor ihm zurückzuweichen.
"Ich liebe dich, Katsuki... Und du liebst mich auch, das weiß ich. Unsere Beziehung zu beenden, war der größte Fehler meines Lebens, aber ich weiß, dass wir das wieder hinkriegen", sagte er und sah mir dabei direkt in die Augen.
Entgeistert starrte ich ihn an.
"Bist du dir eigentlich bewusst, was du da gerade redest?! Drehst du jetzt komplett am Rad?! Ich. Liebe. Dich. Nicht. Also lass mich in Ruhe und ertrink in deinem Selbstmitleid!", erwiderte ich harsch und wollte mich an ihm vorbei drängen.
Doch er hielt mich zurück und drückte mich mit seinem Körper an die Wand. Seine Hand fing meine Handgelenke und hielten sie über meinem Kopf fest, während sein Gesicht meinem gefährlich nah kam.
"Hast du mich nicht gehört?! Lass das, Eijiro!", rief ich und versuchte, mich gegen ihn zu wehren.
"Du liebst mich, Katsuki. Du tust es immer noch", wiederholte er seine Wort von vorher.
Als seine Lippen meine berührten, fühlte ich eine Welle an Ekel in mir aufsteigen. Ich hatte schon ganz vergessen, wie anders es war, ihn zu küssen statt Shoto. Seine Küsse fühlten sich schlampig und gefühllos an. Ich versuchte, ihn von mir zu stoßen, doch sein gesamter Körper schränkte meine Bewegungen ein.
Sofort bereute ich es, dass ich nicht den direkt Weg zum Unterrichtsraum genommen hatte. Durch meinen Umweg gab es keine Chance, dass Shoto vorbeikommen würde, um mir zu helfen. Ich war auf mich allein gestellt..!
"Lass das verdammt nochmal, Eijiro. Du tust mir weh", versuchte ich ein weiteres Mal ihn zu überzeugen.
"Manchmal muss man die Leute zu ihrem Glück zwingen. Und dein Glück bin numal ich, Katsuki...", murmelte er vor sich hin und ich begann allmählich, Angst vor ihm zu bekommen. Was würde er mit mir anstellen?!
Er wollte mich ein weiteres Mal küssen, als er grob zurück gezogen wurde.
"Hast du nicht gehört, dass er nein gesagt hat, Eijiro?!"
Meine Schwester schob sich zwischen uns und funkelte Eijiro zornig an. "Wie kannst du ihn anfassen und küssen, wenn er das offensichtlich nicht will?!"
Ich atmete schnell und starrte Katsumi an. Sie war hier... Sie hatte mir geholfen...
"Katsumi... Was- Was machst du denn hier?", fragte Eijiro verdattert.
"Das tut nichts zur Sache. Fakt ist, dass du meinen Bruder gerade belästigt hast! Wie ekelhaft kann man eigentlich sein. Das hätte ich niemals von dir erwartet!"
Eijiros Überraschung schlug schnell in Zorn um und er trat einen Schritt nach vorne. "Hast du schon vergessen, was er dir angetan hat?! Er hat mit deinem Freund geschlafen, Katsumi. Das kannst du ihm doch nicht einfach verzeihen!"
"Ich glaube dir kein Wort mehr, Eijiro", sagte Katsumi entschlossen. "Weder Katsuki noch Shoto würde mir das jemals antun. Also hau endlich ab. Und ich schwöre bei Gott, wenn du es noch einmal wagst, meinen Bruder anzufassen, wirst du dir wünschen, es nicht getan zu haben!"
Mein Ex-Freund warf mir einen letzten wütenden Blick zu, bevor er sich umdrehte und verschwand. Kaum war er außer Sichtweite, sakte ich auf dem Boden zusammen. Tränen liefen unaufhaltsam über mein Gesicht, als ich zu weinen begann.
"Katsuki... Hey, geht es dir gut?", fragte meine Schwester sanft und kniete sich neben mich.
"Nein... Mir- Mir geht es grauenhaft. Es tut mir so so so leid. Wirklich, Katsumi, bitte verzeih mir", flehte ich unter Teänen.
Sie schlang ihre Arme um mich und drückte mich fest. "Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen musst! Eijiro ist derjenige, der sich falsch verhalten hat! Du hast es nicht verdient, so behandelt zu werden!"
Sie verstand es nicht. Natürlich verstand sie es nicht. Weil sie immer an das Gute in Menschen glaubte. Weil sie daran festhielt, dass ich sie niemals so verletzen würde, wie ich es getan hatte...
"Es tut mir so unendlich leid...", flüsterte ich in ihre Schulter.
"Bitte entschuldige dich nicht. Weißt du was? Du solltest dich abmelden und nach Hause gehen. Brauchst du meine Hilfe?", schlug sie vor und lächelte mich an.
Ich drückte sie fest an mich und schwor mir, niemals wieder etwas zu tun, was sie so sehr verletzen könnte. Ich musste auf sie aufpassen! Das war meine Aufgabe als ihr großer Bruder.
Niemals wieder durfte so etwas passieren... Niemals...
2152 Wörter
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