Kapitel 35 - Er/Sie

Shawn
Es war nicht leicht, mit ihr irgendwie im gleichen Raum zu sein und sie doch nicht sehen zu können.Nicht mit ihr reden zu können. Sie nicht sehen zu können.

Unerträglich.

So sehr wollte ich sie in den Arm nehmen.Sie anfassen.Über ihr wunderschönes blondes Haar streichen.

Unerträglich.

Ich glaube, die Tatsache, dass wir getrennt voneinander waren, war die schlimmste Folter.So sehr wollte ich ihre Lippen auf meinen spüren.Ihre weichen, rosafarbenen und perfekten Lippen.
Nachdem wir uns unsere Liebe gestanden haben, hatten wir nicht mehr miteinander geredet.

Plötzlich hörte ich ein Stöhnen von nebenan. Es war aus Ella's Zelle. Dann einen dumpfen Schlag.

"Ella?", fragte ich vorsichtig in die Stille hinein.

Keine Antwort.

"Ella!", rief ich noch einmal, aber auch dieses Mal war nur endlose Stille die Antwort.

Ein mulmiges Gefühl breitete sich in meinem Körper aus.Irgendetwas stimmte hier nicht.

Und da kamen auch schon 3 vermummte Männer angerannt und öffneten ihre Zelle.

Gespannt drückte ich mein Gesicht gegen die kalten Gitterstäbe.
Ich hielt diese fest umklammert, als könnte ich sie jeden Moment auseinander biegen,sollten sie ihr irgendetwas antun wollen.

Und da kamen die auch wieder heraus.
Ein schleifen und schlurfen war zu hören.Und dann könnte ich es sehen.
Bewusstlos lag sie in den Armen des einen Mannes, der Andere packte sie an den Füßen. Ihr Körper hing schlaff wie ein nasses Handtuch in der Luft und der Anblick bei ihrem bleichen Gesicht verschlug mir den Atem.

Mit schnellen Schritten liefen sie an mir vorbei, ich war nicht mal fähig etwas zu sagen.Erst als die Tür zum Flur wieder geschlossen wurde, entwich meiner Kehle ein Schrei.

Ich versuchte eine Antwort zu finden, aber ich wie sollte ich das tun?
Ella war weg.
Die Männer waren weg.
Ich war ganz alleine.
Ich konnte nur hoffen, sie würden Ella nichts antun.

Ella
Mein Kopf brummte, es war, als würden tausende von Hummeln sich um und in meinem Kopf bewegen.
Meine Augen hielt ich geschlossen, sie brannten.
Meine Gedanken waren immernoch leicht benebelt, bis....

"AU!" ,schrie ich und ich konnte spüren, wie etwas warmes durch meine Adern floss.
Ein Blick auf meinen Arm verriet mir,was mich soeben gestochen hatte. Ich hing an einem riesigen Tropf mit einer blauen Flüssigkeit.

Und wo befand ich mich? In einem hellen Raum. Der Raum war fast komplett leer.
Da war nur ein kleiner Bildschirm mir gegenüber an der Wand.

Jetzt erst bemerkte ich, dass ich auf einem Liegestuhl lag. Ich wollte die Nadel aus meinem Arm ziehen, aber ich konnte meine Arme nicht bewegen.
Ich war gefesselt.
Dicke Metallringe umschlungen meine beiden Handgelenke und als ich mich vorbeugte,konnte ich sehen, dass es mit meinen Füßen nicht anders aussah. Ich war an den Stuhl gefesselt.

Auch meine Füße versuchte ich zu befreien,doch das kühle Metall schnitt mir nur noch mehr in die Haut.Mit einem Zischen durch die Zähne lies ich mich wieder gegen die Lehne fallen und atmete tief durch.

Es war komplett still.
Und ich wusste auch warum.
Die Schaumstoffpolster isolierten diesen Raum perfekt.Der Schall konnte nicht nach außen dringen.
Ich saß in der Falle.Und kein Trick aus meiner Bodyguardausbildung konnte mir hierbei helfen.

Da öffnete sich auch schon die Tür und der Bärtige kam herein.Derselbe, dem ich in die Magengrube getreten hatte. Derselbe, der Shawn in den Arm geschossen hatte.
Derselbe, der geholfen hatte, mir eine wichtige Person in meinem Leben zu nehmen. Jake.

Angewidert sah ich ihn an.
Doch er kam nicht alleine.
Und dieses Mal war ich mir durchaus bewusst, wer vor mir stand.

Seine grauen Haare waren zu einer Igelfrisur gestylt, seine ebenso grauen Augen strahlten kalt und seine Arme waren übersät mit Tattoos, noch mehr als früher.
Über seinem rechten Auge erstreckte sich immer noch diese Narbe, er konnte sein Auge nicht mehr öffnen.
Es war meine Narbe. Ich hatte sie ihm verpasst, sowie er mir meine.
Ich konnte nicht anders als siegessicher zu Lächeln.

Vladimir räusperte sich und dann sprach er:
"So sieht man sich wieder, Ella."
"Tu nicht so, als wäre ich aus Zufall hier. Was willst du, Vlad?",kam ich gleich zur Sache.

Ich durfte auf keinen Fall mein Selbstbewusstsein verlieren.
Er hatte mir meinen Freund genommen, da war ich mir sicher. Ich verspürte keine Trauer in diesem Moment,nur Hass. Unendlich großen Hass.
Er war so ein furchtbarer Mensch.
Und er hatte sich seinen Vater genannt. Uns betrogen, seinen Stiefsohn und mich.
Nun lief mir aber doch ein Schauer über den Rücken.

Vladimir lachte kalt. "Immer noch die Alte, was? Aber kommen wir gleich zur Sache. Du hast etwas, dass mir gehört, Ella."

Gespielt verwundert blickte ich ihn an.
Ich wusste den Code auswendig, aber auf keinen Fall würde ich verraten, wo ich ihn notiert hatte, geschweige denn ihn verraten.
So oft hatte ich mir die Nummer durchgelesen, in der Hoffnung, er würde wieder kommen. Ich wusste nur zu gut, wie wichtig sie war. Aber wofür war diese 7-Stellige Nummer?

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Ich tat so, als hätte ich ihn nicht gehört, starrte ihn nur gleichgültig an.

"Ich warte.", drohte Vlad.

"Auf was?" , fragte ich dumm.

"AUF DEINE ANTWORT!", brüllte der gut gebaute Mann nun. Er hatte seine Beherrschung verloren.

"Ich weiß nicht, wovon du redest.", antwortete oh ruhig und monoton. Wie einstudiert und natürlich merkte er, dass ich log.

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"Gib mir die Nummer, Liebes.", bat er in einem wiederlichen unnatürlich freundlichen Tonfall.
"Ich weiß, du hast den Code irgendwo notiert...Du musst ihn mir nur geben und naja, du und dein süßer kleiner Freund, den du ja soooo sehr liebst, bleiben verschont." , sagte er zuckersüß und legte mir dabei seine Hand auf meinen Oberschenkel.
Bei der Berührung seiner kalten Finger zuckte ich zusammen.

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"NEIN!",rief ich.
Er hatte mir die Nummer anvertraut.
Jake. Mein lieber Jake.
Schnell blinzelte ich eine Träne weg.

"Na sowas! Fangen wir schon an zu weinen?", fragte Vlad und lachte hämisch.

Ich schnaubte verächtlich und blickte ihn nicht an. Ich wollte ihn nicht sehen, ich wollte nur, dass er verschwindet.

"Na gut, wenn es nicht auf die nette Weise funktioniert, dann probieren wir es auf die harte Tour. Holt mir den Trog.", befahl er und zwei Männer, die ich noch gar nicht bemerkt hatte, kamen mit einem riesigen Becken voll mit Wasser angelaufen.

Sie banden mich los und ich setzte sofort zum Schlag an.Ich traf ihn genau im Gesicht.
Es machte KLATSCH und der Mann, der mich hatte packen wollen, spuckte angeekelt Blut und einen seiner Eckzähne raus.
Immer noch steckte mir die Nadel im Arm, schnell zog ich sie heraus und verpasste dem Mann noch einen Tritt an seine empfindlichste Stelle.
Er wimmerte und krümmte sich.
Ein weiterer Mann kam auf mich zu, stieß ihn zu Boden, aber ich stockte in meinem Tun, als ich eine bekannte Stimme hörte. Es war Shawns Stimme.

Der Monitor vor mir war angegangen und der hübsche Junge mit dem verbundene Arm war darauf zu sehen.Er war ebenso wie ich an einen Tropf mit grüner Flüssigkeit angeschlossen und er sah garnicht gut aus.

Vladimir stand immernoch ganz gelassen da.Wie bei einer Schulpräsentation begann er zu erzählen.
"Wie du siehst, haben wir auch deinen Freund an einen Tropf angeschlossen. Im Gegensatz zu dir, wird ihm durchgehend, bereits seit mehreren Stunden eine schädlich Substanz zugeführt,natürlich nur in kleinen Dosen, wir brauchen ihn ja noch. Machst du jedoch noch einen Fehltritt, erhöhen wir die Dosis und er wird noch heute Nacht sterben."

Er hielt inne, um meine Reaktion zu prüfen. Wie erstarrt stand ich da, bereits wieder zwei Männer an meiner Seite. Wo kamen die bloß alle her?

"Dies sind Live-Aufnahmen aus dem Saal, in dem er sich befindet, er kann uns also weder hören noch sehen, aber vielleicht willst du ja wissen, was wir mit ihm machen." Er lachte wieder und schaltete dann die Lautstärke mit einer kleinen Fernbedienung an.

"Wo ist Ella?", hörte ich seine schwache Stimme.Ein Mann in einem weißen Kittel erschien im Bild währen er dem bleichen Jungen Blut abnahm.

Schmerzverzerrt verzog er sein Gesicht, und als der Doktor die dicke Nadel wieder aus dem Arm zog,atmete er geräuschvoll wieder aus.

"Lassen sie ihn da raus, er hat nichts mit der Sache zu tun.", sagte ich hastig.

"Das hast du auch schon damals gesagt Ella, aber wie du ja weißt, hat es nichts gebracht, oder?" Siegessicher blickte er mich an. Das hatte gesessen.

Jake. 5 6 8 0 4 8 7.

"Du widerliches Arschloch!",schrie ich und trat den Männern auf die Füße. Ich hastete nach vorne , der eine Mann hinter mir packte mich am Arm, aber ich drehte mich um und platzierte einen Schlag direkt auf seiner Nase, es knackte und Blut tropfte auf den Boden, auf dem sein Kollege dann ausrutschte. Er schlitterte auf dem Boden durch die Blutlache und konnte noch gerade so meinen Knöchel umfassen, bevor ich bei Vladimir angekommen war.

Er sah nun nicht mehr ganz so furchtlos aus. Er hatte Angst vor mir, das wusste ich genau.

Ich trat dem Mann ebenfalls ins Gesicht und der Druck seiner Hand ließ nach. Mühelos schüttelte ich sie ab und ging dann immer weiter auf Vladimir zu,aber er ging jedes Mal einen Schritt weiter zurück, fast so, als hätte er ein wenig Angst vor mir.

"Ich hatte dich gewarnt Ella. Ich gebe dir noch eine Chance, mir die Kombination zu verraten."

Fünf Sechs Acht Null Vier Acht Sieben

"Ich scheiß auf deine Chance, lass meinen Freund frei!", sagte ich wütend und so ruhig wie ich nie zuvor.

Ehe ich die Faust erheben konnte spürte ich eine Hand in meinem Genick , die meinen Kopf runterdrückte. Ich sank auf die Knie, ich hatte keine Chance.
Wieder band jemand meine Hände zusammen,diesmal konnte ich mich nicht wehren.
Der Trog wurde vor mich geschoben, es war klares Wasser darin, welches  bedrohlich schwarz vor mir in dem dunklen Holztrog glitzerte.
Ich wusste, was er vorhatte.
Das hatte er mit ihm auch gemacht.
Mit Jake.

Ich konnte mein furchtbares Spiegelbild auf der Wasseroberfläche sehen, meine tiefen schwarzen Ränder und die zerzausten Haare.
Was war nur aus mir geworden?
Ich war einfach nur ein jämmerliches

"Sag die Kombination."

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"Nein."

Ruckartig wurde mein Kopf in den Trog getunkt und ich schluckte viel zu viel Wasser.
Dann wurde ich wieder rausgezogen.

"Sag die Kombination!",wiederholte er.

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"Nein!", rief ich atemlos.

Wieder ins Wasser, ich schrie und schüttelte meinen Kopf, aber das machte es nur noch schlimmer.
Ich schluckte viel zu viel Wasser.
Dann wurde ich wieder rausgezogen.

5

"Sag mir die Kombination Ella."

6

Ich zitterte, hielt meine Augen geschlossen und mein Atem ging immer schneller.
Mein Herz pochte sehr stark, so, als würde es gleich explodieren.
Ich war eine tickende Zeitbombe.

8

"Nein." ,flüsterte ich angestrengt, Tränen liefen meine Wange herunter.Auf keinen Fall würde ich die Kombination sagen, ich hatte es ihm geschworen.

"Also gut.",sagte er.

0

Dann Dunkelheit. Das eiskalte Wasser brannte auf meiner Haut, drang ein, in meine Ohren,Nasenlöcher und zuletzt in meine Lunge.

4

Die Dunkelheit umhüllte mich vollkommen und ich ließ es zu.

8

Ich hörte Gelächter.
Ich hatte nicht mal mehr genug Kraft für einen Schrei, bevor ich das Bewusstsein verlor .

7

Das Letzte was ich sah, war der bildhübsche Shawn, wie er mich mit seinen strahlend braunen Teddy-Augen lächelnd noch einmal -

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Liebe Leser und Leserinnen,
Vielen herzlichen Dank für 7,76 K Reads!!!!!   😱💖❤️😘😍🤣😊😉💕
Dieses Kapitel ist praktisch mein kleiner Schatz, ich habe lange für die Idee und Umsetzung gebraucht und ich finde, es ist mir sehr gut gelungen (Lasst doch mal einen Vote da, wenn ihr das auch so seht!)
Trotzdem ist es sehr schade, dass so wenige voten oder Kommentare schreiben, denn von der Anzahl der Reads her , bin ich nicht so weit unten in der Liste bei Fanfictions mit Shawn. Ich denke, dieses Buch könnte durchaus mehr erreichen (vielleicht auch mal einen Platz in der Rangliste) und ich würde mich wirklich wirklich über einen Vote oder einen Kommentar deinerseits freuen!

Danke für alles und viel Spaß bei den kommenden Kapiteln,
Anni

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