niné

"Wo ist es denn?" Nuschelte ich vor mich hin und zog die nächste Schublade meiner Kommode auf. Ich warf meine restlichen Socken und Unterhemden raus, starrte erneut enttäuscht in die nun leere Schublade. Verzweifelt taumelte ich zurück an mein Bett und musterte mein Zimmer. Der gesamte Boden war voller Klamotten und mir stießen die ganzen aufgezogenen und aufstehenden Schränke und Schubladen ins Auge. Enttäuscht wanderte mein Blick weiter durch den Raum, bis ich an meinem unangetasteten Schreibtisch hängen blieb. Sofort stand ich auf und rannte zu diesem hin. Ich legte meine Finger an den Rand der Schreibtischunterlage und hielt inne. Plötzlich spielte sich die gesamte Szene von damals vor meinen Augen ab.

FLASHBACK

Verheult, nicht richtig bei Sinnen, etwas neben mir stehend trat ich durch die Tür unseres Hauses und stand in kompletter Dunkelheit. Mich umhüllte Stille, was mich zu dem Entschluss brachte, dass ich immer noch allein war und so fühlte ich mich auch. Allein. Mein Körper, welcher nicht im Stande war sich zu bewegen, schwankte etwas und ich drohte zu fallen oder jedenfalls zu taumeln. Geistesgegenwärtig hielt ich mich, noch gerade rechtzeitig, an der alten Kommode im Flur fest. Mit einem stumpfen Ton fiel etwas zu Boden was mich mein Kopf sinken ließ. Der Blumenstrauß der am Morgen vor unserer Tür zurückgelassen wurde lag vor meinen Füßen und neben ihm das kleine Kärtchen. Ich drohte wieder in Tränen auszubrechen und spürte wie meine Unterlippe langsam aber sicher anfing zu beben. Kurzerhand griff ich nach dem Bündel Blumen samt Karte und lief in die Küche. Dort schmiss ich den Strauß in den Mülleimer und hielt die Karte ebenfalls über den Müll. Mit zittrigen Händen näherte ich mich der Öffnung, doch konnte es nicht tun. Ich konnte die Karte einfach nicht wegschmeißen. Blindwütig rannte ich die Treppen hoch in mein Zimmer und setzte mich an den Schreibtischstuhl, zog meine Beine hoch und starrte auf das weiße Viereck. Vergib mir. Es konnte nur von Jeno sein, ich konnte es nicht wegschmeißen, niemals.

FLASHBACK ENDE

Ich hatte es nicht weggeschmissen, doch der Schmerz war zu groß, also schob ich es achtlos unter die Schreibtischunterlage, schob es aus meinen Gedanken. Ich war einfach viel zu aufgelöst nach der Sache mit Jeno und meinen schrecklichen Gedanken auf dem Dach, dass ich nicht weiter dachte. Der Zettel konnte nicht von Jeno kommen. Wieso hätte er sich bei mir entschuldigen wollen, wenn er mit mir Schluss machte und mich auch noch beleidigte? Dann würde er sich doch nicht bei mir entschuldigen, es würde kein Sinn ergeben. Mit einem Ruck schob ich die Unterlage beiseite und griff nach dem Kärtchen. Es war mein erster Ansatzpunkt.

Egal, ob ich es gegen das Licht hielt, drehte oder wendete, es gab mir kein Ansatzpunkt zu dem Absender. Ich musste es also irgendwie anders angehen. Vielleicht war es ja eine Sonderanfertigung und der der es mir geschickt hatte, hatte es extra anfertigen lassen. Und extra Anfertigungen wurden hier in einigen Blumenläden als zusätzlicher Service angeboten. Es war zwar noch nicht viel aber ein Anfang.

Ich rannte die Treppe runter und griff nach meiner Tasche um mich auf die Suche zu begeben, auch wenn mir klar war, dass es nicht nur einen Blumenladen in Seoul gab und es ewig dauern könnte. Doch ich wollte Antworten, deshalb hab ich selbst diesem Versuch eine Chance. "Wohin denn so schnell Bomul?" Erklang es plötzlich hinter mir und ich blickte in die braunen Augen einer älteren Dame. Min Chan. Sie lächelte mich lieb an und kam auf mich zu. "Ich möchte noch wohin." Sie nickte lachend, was ich verwirrte. "Etwa vor deiner Schicht?" Lachte sie und ich schlug mir mit der Hand gegen den Kopf, ich musste gleich noch im Dalbich arbeiten. "Was hattest du denn noch so dringendes vor, dass du selbst deine Schichte vergisst? Du kommst zwar immer Zuspätkommenden aber du kommst, dass sieht Dir garnicht ähnlich Bomul." Hackte sie nach und legte ihren Kopf schief. "Ich habe vor einiger Zeit etwas wichtiges weggeschmissen und muss herausfinden von wo es kam." Sagte ich ehrlich heraus und probierte erst garnicht um alles herum zu reden. "Geht es etwa um die Rosa chinensis?" Ich schaute sie unverständlich an woraufhin sie sich weiter erklärte. "Der Rosenstrauß, der einmal im Müll lag. Den hattest du dort rein geworfen oder vertue ich mich da?" Ich nickte ihr entgegen und kam ihr nun auch näher. "Also warst du das! Ich konnte bis heute nicht verstehen, wie man nur so schöne Blumen wegschmeißen kann. Doch ein gebrochenes Herz ist zu allem im Stande." Sie legte mir eine Hand auf die Schulter und schenkte mir ein verständnisvolles Lächeln. Ich nickte ihr mit geschlossenen Augen zu, doch wusste, dass dies meine Chance war. "Weißt du noch mehr über die Blumen?" Frage ich weiter. "Es sind Rosa chinensis. Diese gibt es nur in zwei Läden in der Umgebung, ich kann sie dir aufschreiben wenn es dir etwas hilft." Ich fing an zu grinsen und nickte ihr glücklich entgegen.

Einige Minuten später drückte sie mir einen Zettel mit beiden Adressen in die Hand und wünschte mir viel Glück bei der Suche. "Du weißt garnicht, wie sehr du mir damit hilfst, Dankeschön!" Rief ich ihr vom Gehweg zu und machte mich auf zum Dalbich. Was ich in diesem Augenblick noch nicht ahnte, nicht nur ich war auf dem Weg dorthin, nicht ich war allein auf meinem Pfad.

Der Weg verlief normal bis mich plötzlich ein unbehagliches Gefühl überkam, als würde ich beschattet werden. Dem Reflex bereits nach drehte ich mich um und hielt nach einem Pinkhaarigen Ausschau. Doch weder erkannte ich Tae noch jemand anderen der mir hätte nachlaufen wollen, also trat ich in das Café ein und ging meiner Schicht nach. Es war heute ein ruhiger Tag und nicht einmal kam ein Pink- oder Schwarzhaariger vorbei, was mich beruhigte. Nun wurde ich auch schon paranoid, ich sollte mich wirklich mal wieder auf andere Gedanken bringen. Vielleicht hatten sie es jetzt endlich verstanden, dann würde immerhin aus meine Paranoia nachlassen. "LinKi, weißt du was? Mach heute einfach schon früher Schluss. Es ist sowieso nichts los und der Himmel verdunkelt sich immer mehr, dann kommst du wenigstens noch im Trockenen daheim an." Mein Chef rief nach mir, woraufhin ich mich umdrehte und zu meinem Erstaunen mit einer früheren Entlassung rechnen konnte.

Ich lief lächelnd, wegen meiner früh geendeten Schicht, heraus und machte mich auf den Rückweg. Minhyun freute sich bestimmt, dass ich bereits früher ankommen würde, sie war immer traurig, wenn ich das Abendessen mit ihnen zusammen ausfallen lassen musste wegen der Arbeit. Kalter Gegenwind versetzte meinen Körper in Gänsehaut, weshalb ich meine Lederjacke noch ein Stück weiter zu zog und probierte meine eisigen Gedanken von einem anderen Wetter zu überzeugen. Bis ich plötzliche eine Person gegenüber von mir erblickte und wegrennen wollte. Heute war nicht fiel los und die Straßen waren recht übersichtlich befühlt. "Linn." Meinte er überrascht, als ob er nicht mit mir gerechnet hätte, was offensichtlich nicht der Fall war. "Was willst du hier?" Fragte ich ihn. Er kam einen Schritt auf mich zu doch ich lief geradeaus an ihm vorbei. Von verfolgenden Schritten genervt drehte ich mich um und sah, dass er ebenfalls anhielt. "Verschwinde." Sagte ich in einem herablassenden Ton. Hatte doch bereits so sehr gehofft, dass es endlich vorüber wäre. "Aber-.." Probierte er sich zu rechtfertigen. "Kein aber! Versehe es doch endlich Jeno, du hast mein Leben zerstört! Ich-..Ich habe mit dir abgeschlossen." Schrie ich ihn an und drehte mich daraufhin wieder um. Sein Gesichts Ausdruck war verletzt und geschockt zugleich. Es tat so weh, doch ich wollte und konnte einfach nicht nachgeben, weshalb ich zur nächsten Lüge ansetzte. "Ich habe mit euch abgeschlossen."

Gerade als ich weiter lief wurde ich von jemanden in eine Seitengasse gezogen. Daraufhin drückte er mich hart gegen die kalte Hausmauer hinter mir und ich verzog vor Schmerz mein Gesicht. Langsam öffnete ich meine Augen und schaute auf glänzendes silbernes Haar. "Hast du mich vermisst?" Fragte der Größere und hob sein Kopf, sodass ich genau in seine Augen gucken konnte. Ich traute mich nicht ein Wort zu sagen doch schüttelte energisch mein Kopf. Er griff nach meinem Gesicht und grinste dreckig in meine Richtung. "Ich sagte dir doch, dass das noch ein Nachspiel haben würde." Raute er in meine Richtung und begann damit mit seiner Hand unter meine Jacke zu fahren. Ein Schauer lief meinen Nacken hinunter als er sich meinem Hals nähern wollte und mir entwich ein Schrei. Aber plötzlich war er weg und ich flog zu Boden. Der Schmerz war nicht annähernd so schlimm wie das Gefühl von eben und daher bedeutungslos für mich.
Im nächsten Moment sah ich Fäuste fliegen und wünschte mir, die Worte von zuvor, die meinen Mund verließen hatten, niemals ausgesprochen zu haben. "Was tust du da?! Verschwinde verdammt!" Rief ich dem Schwarzhaarigen zu und raffte mich langsam wieder auf. Die beiden Jungs schlugen aufeinander ein und ich sah Blut in beiden Gesichtern. "Bleib wo du bist Linn und komm nicht näher!" Schrie er mir zu und haute ein weiteres Mal zu. "Du packst sie nie wieder an! Sie wurde genug verletzt!" Und daraufhin trafen den Schwarzhaarigen drei Schläge in die Magengegend. "Nei-.." meine Worte wurden von meiner zittrigen Stimme verschlugt. Doch Jeno rappelte sich wieder auf, woraufhin ihn der nächste Schlag nach hinten taumeln ließ. Doch er machte weiter und schlug auf den ältesten zu. "Hör auf!" Schrie ich lauthals. "Nein! Ich liebe dich Linn! Ich lass dich nicht nochmal im Stich!" Nachdem er dies sagte war er wie ausgewechselt und dann prallte der Silberhaarige gegen die Mauer gegen welche er mich zuvor noch gedrängt hatte.

Jeno taumelte etwas, woraufhin ich auf ihn zu rannte. Ohne es wirklich zu durchdenken hatte ich meine Hände schon um seine Taille geschlungen und vergrub mein Kopf in seinem Oberteil. Er legte seine Arme, ohne zu zögern, direkt um mein Kopf und drückte mich an seinen Körper, sich selbst an der Mauer stabilisierend. Er war an seiner Unterlippe verletzt und sein Blut tropfte leicht auf mein Haar, doch das war mir egal. "Linn-.." Ich schüttelte meinen Kopf, aber er redete weiter. "Ich lasse dich nicht mehr im Stich, ich verspreche es Gänseblümchen." Flüsterte er und umschlang mich fester, sein Herz etwas schneller schlagend. War es nur die Frage, ob vor Erleichterung oder vor Angst.

..Fortsetzung folgt..

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