Ein Geheimnis
Natürlich lief der Abend genauso ab, wie es mir gedacht hatte. Kaum war ich zuhause gewesen, hatte mir Aiden Tausend Sachen an den Kopf geworfen. Ich hatte die meiste Zeit bloß genickt und war dann erschöpft und mit Schuldgefühlen ins Bett gefallen.
Unser Streit war jetzt einige Tage her und es schmerzte mich immer noch, dass ich alleine aufwachte. Es schien als würde Aiden sich beeilen besonders schnell aus dem Haus zu kommen, während ich noch mehr als 2 Stunden hatte, bis ich bei der Arbeit sein musste.
Langsam stieg ich aus dem Bett und machte mich auf den Weg ins Bad. Ich wollte noch duschen und mich fertig machen. Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Fast wie ein Knacken oder vielleicht auch Schritte? Aufmerksam lauschte ich, hörte jedoch kein weiteres Geräusch. Vielleicht hatte ich mir das ja nur eingebildet?
Ohne weiter darüber nachzudenken ging ich ins Bad und schlüpfte unter die Dusche. Ich ging meine Aufgaben für heute durch und ließ meine Gedanken ein wenig Schweifen. Dummerweise endete ich jedes Mal bei dem Barkeeper. Ich wüsste zu gerne, wie er hieß. Nein. Ich würde ihn sowieso nie wiedersehen, wieso also seinen Namen erfahren?
Genervt schüttelte ich den Kopf, als das heiße Wasser über meinen nackten Körper ronn. Ich mochte meinen Körper. Ich hatte viele weibliche Kurven, doch meiner Meinung nach waren es zu viele Rundungen. Ein bisschen weniger Speck hier und da würde mir sicher gut tun.
Noch 10 Minuten stand ich unter der Dusche, bis ich mich entschied, endlich von den sinnlosen Gedanken loszukommen und mich fertig zu machen. Der Spiegel war noch ganz vernebelt, dennoch erkannte ich meine Umrisse. Die dunklen, langen Haare, die blauen Augen und die blasse Haut, all das waren meine markantesten Züge. Laut Aiden war es genau das, was ihm an mir so gefallen hatte.
Nachdem ich meine Haare getrocknet hatte, tuschte ich schnell meine Wimpern, machte meine vollen Lippen und meine dunklen Augenbrauen und legte dann noch ein wenig goldenen Schmuck an. Für die Arbeit als Sekretärin war es wichtig, dass man immer elegant aber schlicht aussah, weshalb ich eine Menge Schmuck besaß, der genau diese Kriterien erfüllte.
Kaum war ich im Bad fertig, lief ich auch schon wieder zurück ins Schlafzimmer, wo ich mir ein passendes Kleid für heute raussuchte. Es war schwarz, schlicht und reichte mir bis über die Knie, eine Bedingung die Aiden gestellt hatte. Er fand es nicht gut, wenn ich zu viel Haut zeigte, also hatte ich kurzerhand eine neue Garderobe gekauft.
Ein Lächeln huschte über meine Lippen. Es war süß, wie beschützerrisch er war, auch wenn es vollkommen schwachsinnig war, dass ich ihn mit jemandem auf der Arbeit betrügen würde. Mein Chef war ein Idiot und den Rest der Belegschaft kannte ich kaum.
30 Minuten später stand ich an der Eingangstür zu unserem Gebäude. Die Kanzlei Edwards & Clayton, einer der besten Kanzlein in ganz New York. Mein Chef, Aaron Clayton, war einer der beiden Staranwälte der Kanzlei und dementsprechend arrogant und anspruchsvoll. Er erwartete jeden morgen vollständige Berichte, perfekte Terminplanung und dazu noch einen Kaffee.
Seufzend betrat ich das Gebäude, in der linken den besagten Kaffee, in der rechten einen Stapel voll Akten, die ich gestern bis spät in die Nacht durchgesehen hatte. Ein Glück, dass er heute morgen erst aus D.C. zurückkam, was bedeutete, dass ich mehr Zeit hatte für alles.
"Guten morgen" begrüßte ich jeden, der mir über den Weg lief, mit einem Lächeln. Die meisten Leute waren bereits im puren Stress und erwiderten bloß ein kurzes "Morgen" oder antworteten gar nicht. Ja, die Arbeit in so einer Kanzlei war immer nervenaufreibend, egal ob als guter Anwalt oder als Sekretär. Hier war jeder im Stress.
Ich saß bereits eine halbe Stunde an meinem Schreibtisch, als Mr. Clayton eintraf. Wie immer trug er einen dunklen, perfekt sitzenden Anzug, seine Frisur war markellos und er verstrahlte die typische Selbstsicherheit eines Anwalts, die bei mir das Bedürfnis nach einem Augenrollen auslöste.
"Guten morgen Mr. Clayton" begrüßte ich ihn möglichst höflich und saß so grade, wie nur irgend möglich. Natürlich bemerkte ich sofort seinen kritischen Blick und ich verkrampfte. Eine der Sachen, die man ertragen musste, als Sekretärin eines Staranwalts war, dass man ihm nie genügte. Egal was ich trug oder tat, es wurde kritisiert.
"Wie ich sehe, haben Sie nur wenig geschlafen. Ich hoffe doch, dass sich das nicht auf Ihre Leistungen auswirkt" murmelte er und ich schluckte schwer. Gott, wie dieser Mann mich manchmal aufregte. Wieso tat man sowas? Wenn er mich so wenig leiden konnte, wieso feuerte er mich dann nicht einfach?
"Aber sicher nicht. Ich werde wie immer mein bestes geben" versicherte ich, was ihn zufrieden zu stellen schien. Er nickte kurz, griff nach den Akten, die ich bereit gelegt hatte und verschwand in sein Büro. Erleichtert atmete ich auf.
"Und von diesem Mann glaubte Aiden, dass ich freiwillig mit ihm ins Bett gehen würde?" murmelte ich leise und verdrehte die Augen. Es war so lächerlich, doch ich verstand seine Sorge auch irgendwie. Meine Kleider waren nunmal eng und Büro-Affären waren keine Seltenheit.
Zwei Stunden später war ich noch immer mit Arbeiten beschäftigt und war noch nicht zu einer Pause gekommen. Mein Kopf dröhnte ein wenig und ich hatte Hunger, doch ich musste noch viele Akten durchsehen, was bedeutete, dass ich mir keine Pause erlauben konnte, zumindest glaubte ich das.
"Miss Delaney?" fragte eine weiche Stimme und ich hob verwundert den Kopf. Eine junge, blonde Frau stand vor mir. Sie trug ebenfalls ein enges Kleid, trug dazu jedoch noch ein Namensschild, wie es eigentlich nur die Damen vom Empfang taten. Neugierig und fragend sah ich sie an. Was wollte denn eine Empfangsdame von mir?
"Jemand hat das für Sie abgegeben" erklärte sie. Unsicher lächelte sie und reichte mir eine einzelne rote Rose. Mein Herz machte einen Satz. Aiden hatte mir eine Rose geschickt. Sowas hatte er noch nie getan, was mich umso glücklicher machte.
"Vielen Dank" meinte ich überglücklich und nahm die Rose entgegen. Die Empfangsdame nickte und verschwand dann wieder. Unglaublich. Aiden hatte mir eine Blume geschickt? Wie süß war das denn bitte?
Gerade wollte ich zu meinem Handy greifen und Aiden schreiben, als mir eine kleine Notiz auffiel. Mit einem noch breiteren Lächeln öffnete ich sie und laß sie durch. Mein Herz stockte. Diese Blume war nicht von Aiden.
"Weißt du Adira, eine schöne Frau, wie du verdient jeden Tag einen ganzen Laden voller Blumen, doch wir sollten wohl klein anfangen hm? Das schwarze Kleid steht dir ürbigens ganz ausgezeichnet, auch wenn ich es mit den Diamantohrringen kombinieren würde kleiner Schmetterling"
Mein Atem stockte und mein Herz schien sich zu überschlagen. Wer hatte das geschickt? Kannte ich die Person? Hatte Aiden sich einen Scherz erlaubt? Scheiße. Was war hier los? Tausende Gedanken überfluteten meinen Kopf und meine Hände begannen zu zittern vor lauter Panik.
Ich musste nachdenken. Wer immer diese Nachricht geschickt hatte, wusste was ich heute trug. Er wusste, was für Schmuck ich besaß und dass ich heute nur die kleinen Perlenanstecker trug. Fuck. Wer auch immer das gewesen war, er kannte... mich. Könnte das wirklich nur ein dummer Scherz von Aiden sein? Nein, sowas passte eigentlich überhaupt nicht zu ihm. Doch wer war es dann?
"Miss Delaney!" holte mich die Leute Stimme von Mr. Clayton in die Gegenwart zurück. Ich zuckte zusammen und sah ihn überrascht an. Es schien als hätte er mich schon mehrfach gerufen, doch ich hatte ihn vollkommen ausgeblendet, zu beschäftigt war ich gewesen, mit den Gedanken an die mysteriöse Blume.
"Ja sir?" fragte ich schnell in der Hoffnung, dass er das Ganze einfach vergessen würde. Natürlich war dem nicht so. Aufgebracht kam er zu mir und musterte mich argwöhnisch. Scheiße. Er war sauer und das würde er gleich an mir auslassen, so wie er es immer tat, egal ob ich dir Grund für seine Wut war.
"Die Berichte" knurrte er eiskalt und mir lief ein Schauer über den Rücken. Richtig. Ich hätte sie ihm schon längst bringen sollen. "Ich bezahle sie verdammt nochmal zum Arbeiten und nicht fürs Blumen pflücken, also geben Sie sich gefälligst mehr Mühe, sonst sehe ich mich gezwungen Sie zu feuern" drohte er mit und verzog keine Miene. Dieser Mistkerl.
"Natürlich Sir. Bitte entschuldigen Sie meine Unachtsamkeit" erwiderte ich kleinlaut und senkte den Blick. Glücklicherweise schien ihn das zufriedenzustellen und er griff sich mit einem Nicken die Berichte, bevor er sich wieder in sein Büro verzog.
Erleichtert atmete ich auf und versuchte mich auf meine Berichte zu konzentrieren, doch meine Gedanken landeten immer wieder bei dieser Rose. Ich musste diese Person kennen, doch wer war sie? Jemand, der mich mochte und ich nichts davon wusste? Ich ging alle Personen durch, auf die das zutreffen könnte, doch mir fiel einfach niemand ein, zu dem diese Person passte.
Ich könnte natürlich Aiden danach fragen und wenn ich Glück hatte, dann war die Rose tatsächlich von ihm. Falls jedoch der sehr wahrscheinliche Fall eintrat, dass sie nicht von ihm war, dann würde er mich beschuldigen, dass ich ihn betrog. Er würde glauben, dass ich wusste, wer die Rose geschickt hatte und ihm das bloß unter die Nase reiben wollte. Es war völliger Schwachsinn, doch ich wusste, dass er mir trotzdem nicht glauben würde.
Unschlüssig betrachtete ich die Rose. Was sollte ich bloß tun? Wenn sie wirklich nicht von Aiden kam, dann würde er mir das Leben zur Hölle machen. Es würde wochenlang Streit geben und ich war viel zu erschöpft von den letzten Tagen, als dass ich schon wieder alleine schlafen wollte.
Mittlerweile war es 9 Uhr, also konnte ich endlich Feierabend machen. Ich packte meine Sachen ein und griff zögerlich nach der Rose. Sollte ich sie mitnehmen? Wenn Aiden sie in meiner Tasche sah, dann... andererseits konnte ich sie auch nicht hierlassen. Wenn ich Pech hatte, dann entdeckte Mr. Clayton die Rose und glaubte, dass ich mich durch sowas von der Arbeit ablenken ließ. Nein, ich würde sie mitnehmen und verstecken... Irgendwo.
Es wäre das erste Mal, dass ich vor Aiden...
Ein Geheimnis hatte.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top