Kapitel 6. Anastasia

Bam. Bam. Bam.
Der Kopf der Puppe war schon so durchlöchert, dass man ihn kaum noch erkannte. Schwer atmend und mit schnell schlagendem Herzen nahm ich die neue Munition und füllte mit einer schnellen und elegant fließenden Bewegung die Waffe. Es klackte und wieder begann ich zu schießen. Ich stellte mir vor, dass das Gojos Kopf war und nicht der Kopf einer Attrappe.

»Blöder Wichser« murmelte ich und jagte eine Kugel nach der anderen in seinen beschissenen Schädel.

Wie ich diesen Mann hasste. Doch....
Ich befeuchtete mir die Lippen, als ich an den Sex von vor 2 Tagen zurückdachte und wie er mich angepackt hatte.

»Gott« keuchte ich und ließ die Waffe sinken, als ich mich an dem Tisch abstützte. Der Sex war hart, aber er wusste, was er tat. Ich biss mir auf die Unterlippe und starrte einfach nur auf den Tisch. Als mir sein dummes Gesicht wieder in den Sinn kam und wie er mich geschlagen hatte, griff ich die Waffe stärker und begann erneut, die Puppe zu zerlegen.

»Miss Ramiraz.«

Ich zuckte zusammen und sah zur Seite. Die Kopfhörer abnehmend, blickte ich verwirrt Julia an. Sie war in der Personalabteilung und kümmerte sich um all den Kram, der da halt aufkam.

»Du weißt, dass ich nicht mehr Ramiraz heiße« sagte ich traurig.

Sie nickte und neigte den Kopf entschuldigend. »Verzeihung, Mrs Gojo. Ich muss sie nur informieren, dass ihr Ehemann, Mister Gojo in ... in ihrem Büro sitzt. Auf ihrem Platz und jegliche Unterlagen angefordert hat.«

Sofort versteifte ich mich. »Was hat der Penner?!«, fragte ich wütend, klatschte die Waffe und die Kopfhörer auf den Tisch und verließ den Übungsraum. Mit meinem engen dunkelroten Stift Rock und einem weißen Hemd, der in dem Rock steckte, stampfte ich durch den Flur zum Aufzug. Meine passenden High Heels hallten auf dem gewischten Boden wieder. Julia hielt ihre Karte ran und wir stiegen in den Aufzug. Der hohe Schlitz, der an der Seite meines Oberschenkels verlief, ließ das Outfit ziemlich sexy wirken.

»Wieso hast du den Penner in mein Büro gelassen!?«, fragte ich Julia.
Das war mein Büro! Von meinem Vater übergeben. An MICH!

»Er ist einfach aufgetaucht und ... seine Ausstrahlung war erdrückend«, erklärte sie kleinlaut.

Ich stieß frustriert ein laut aus.
Blöder Wichser, dachte ich und stampfte aus dem Aufzug, als die Türen aufglitten und wir im letzten Stockwerk ankamen. Mit Julia, weiterhin hinter mir laufend, erreichten wir am Ende des Ganges mein Büro. Ich schmiss die Tür auf und strafte ihn sofort mit einem bösen Blick.
»Was zum Henker treibst du hier?!«, schrie ich und beachtete Atlas gar nicht, der auf der Ledercouch saß.

Mein Mann sah mich gelangweilt an. »Hallo, Sugar. Ich dachte«, setzte Satoru an und sah zu der Frau hinter mir, »dass ich mir, vor meiner eigenen Arbeit, einen kleinen Überblick über das verschaffe, was jetzt zur Hälfte mir gehört. Und über das du in letzter Instanz letztlich das Sagen hast.«

Ich ballte die Hände zu Fäusten. »Nenn mich nicht so! Ich bin hier der Boss und nicht deine Sugar«, zischte ich und sah Julia an. »Ruf Damian an, er soll die Unterlagen hochbringen«, befahl ich jedoch wütend.

Julia nickte und ging, doch dabei fiel mir auf, wie sie Satoru mit roten Wangen ansah. Als die Tür ins Schloss fiel, lief ich auf Satoru zu und blieb vor dem großen dunkelbraunen Holzschreibtisch stehen. Mit den Händen stützte ich mich ab und starrte ihn an. »Ich habe immer noch das Sagen und nicht in letzter Instanz. Du stehst nicht über mir.«

Er grinste. »Und wie ich das habe, Suuuuuugar«, gurrte der Idiot und sein Blick glitt meinen Körper entlang und blieb an dem Schlitz an meinem Bein hängen. »So steh es in dem verdammten Ehevertrag, den ich mit deinem Vater ausgearbeitet habe. Du hast die Hälfte hiervon«, er zeigte lasch um sich und sah mir wieder in die Augen. »Du darfst den Boss spielen und fröhlich Entscheidungen treffen. Aber gefällt mir eine nicht, darf ich sie ändern und die über deinen frechen Mund fahren. ICH habe das letzte Wort. Immer. Und ich«, brummte er jetzt dunkler, »stehe, liege und bin immer dann über dir, wenn ich verdammt noch mal will.«

Ich starrte in seine eisblauen Augen.
Boss spielen?
Immer über mir?
Vater, wieso hast du das getan? Wieso?
Ich hätte es auch ohne diesen verdammten Kerl geschafft.

Ich zitterte regelrecht vor Wut, als plötzlich die Tür aufging und eine meiner Angestellten mit einem Tablett verschiedener Getränken hereinkam. »Mister Gojo, ich habe verschiedene heiß und kalt Getränke vorbereite und ... Oh, Miss Rami- ... ich meine Mrs Gojo, schön das sie hier sind.« Sie lief an mir vorbei und blieb vor dem Penner stehen. Auf dem Tablett standen zwei Kaffee, zwei Espresso, zwei Wasser mit Zitrone und zwei heiße Wasser mit verschiedenen Teesorten. »Was hätten sie beide gerne?«

Ich verspannte mich. Das war mein Büro. Das war das Büro meines Vaters. Die Bücherregale, die voll mit unzähligen Waffenbüchern waren. Die verschiedenen Waffen, die an der Wand hingen. Die Schränke, die mit Unterlagen, Kontakten und ja, mit Schuhen vollgestopft waren. Und die teuren Möbel auf dem Atlas saß. Der teure Teppich, die Lampen, der Schreibtisch und der Stuhl auf dem Satoru saß. Das alles gehörte mir. Ich war hier aufgewachsen. Und dieser Mistkerl wollte mir alles wegnehmen.

Satoru lächelte die Dame charmant an und als er die kleine Tasse Espresso nahm, streiften seine Finger ihre. »Ich nehme dann das heiße, kleine Getränk. Danke, Sweety.«

Auch sie bekam rote Wangen und ich verdrehte die Augen. »Ich will nichts«, maulte ich nur, doch das schien sie gar nicht mehr richtig mitzubekommen.

Sie wandte sich kichernd ab und ging zu Atlas. Mein Blick wieder auf Satoru, starrte ich ihn einfach nur mit so viel Hass an. Wieder dachte ich mir nur, dass ich ihn umbringen will.

Er grinste breiter und lehnte sich extra lässig in den Stuhl zurück. »Also, bis dahin sieht alles gut aus. Die Geschäfte laufen und deine Mitarbeiter sind fleißig.« Er zwinkerte der Frau zu, die kurz von dem ebenfalls flirtenden Atlas zu ihm sah.
»Hey, Süße«, meinte er und nahm das Kinn der Kleinen, um ihr Gesicht zu sich zu drehen. Sie sah Atlas an. Sein schwarzes Shirt, die blaue Jeans. Ganz der Kleidung meines Mannes ähnlich. »Ja, hier spielt die Musik.«

Satoru sah zurück zu mir. »Dein Vater hat eine kleine Feier geplant. Hier in unserer Firma. Übermorgen. Es kommen wohl die größten und engsten Kunden. Legal und illegal. Scheint eine gute Gelegenheit zu sein, auch wenn ich tausend andere tolle Dinge lieber machen würde, sie mir vorzustellen, hm?«

Ich biss die Zähne zusammen und stand kurz davor komplett auszuflippen. Doch statt dies zu tun, ließ ich plötzlich die Schultern erschöpft hängen und richtete mich auf. Wenn ich jetzt ausraste, hätte ich nichts gewonnen. Ich muss anders spielen.
Wie sagte Vater immer? Ich solle meine Macht weise nutzen.
Gut. Das würde ich.

Ich schluckte also meine Wut herunter, setzte mich in Bewegung und sprang neben ihm auf mein Schreibtisch. Das Bein, an dem der Schlitz war, legte ich über das andere Bein. So hatte Satoru einen guten Blick auf meinen nackten Oberschenkel. Ich lehnte mich vor und nutzte meine Weiblichkeit. »Ich weiß. Ich hatte gehofft, du würdest nichts davon erfahren« lächelte ich gespielt freundlich und hörte nur halb, dass meine Angestellte, ich glaube, ihr Name war Florentin, wieder kicherte und ihre Nummer auf einen Zettel schrieb. Sie steckte Atlas ihre Nummer zu und fragte dann, was er gerne hätte.
Ich versuchte, wirklich ruhig zu bleiben.

Satoru Betrachtete meine Beine, dann sah er langsam hinauf. Seine Augen funkelten, als er flüsterte: »Denkst du wirklich, du kannst mich so einlullen, Ehefrau?«

»Ja, das denke ich« antwortete ich ehrlich und legte meine Hand auf meine nackte Haut. Die lackierten Finger fuhren langsam drüber, bis ganz hoch. »Oder willst du mir auch das verbieten?«

Sein Grinsen verschwand. »Ich könnte neunzig Prozent deiner weiblichen Belegschaft ficken, die single sind. Und wahrscheinlich genau so viele derer, die einen Partner haben«, stellte er klar. »Sex ist keine Waffe gegen mich. Aber versuch dein Glück. Zudem verbiete ich dir einen Scheiß, Sugar. Du bist nur stur und lästig nervig. Ich sagte doch, spiel Boss, solange du willst, dann gehst du mir wenigstens nicht auf den Sack, wenn ich meine Sachen erledige. Alles, was ich will, kann ich haben, wann ich will. Das war und ist das Ziel. Und lustigerweise bezieht sich das nur auf dein Erbe. Denn du hast Anspruch auf genau wie viel, von meinen Geschäften?«, fragte er offensichtlich Atlas, der der Kleinen, die gerade das Büro verließ, auf den Arsch sah.
»Auf gar nichts. Keine Ansprüche.«
Mein Mann lächelte mich an. »Du hörst es. Deine Ansprüche belaufen sich auf nichts.«

Ich sah ihn an und konnte nicht leugnen, dass ich ihn UMBRINGEN will!
Ich schrie innerlich, riss mich äußerlich jedoch zusammen und stieg vom Schreibtisch. »Du fühlst dich so mächtig, nicht wahr?«, fragte ich und lief in dem Büro herum. Mein Blick auf die Waffen, die alle von uns stammten. »Doch ohne mich hast du keine Chance in dieser Branche. Was glaubst du, werden unsere Kunden sagen, wenn sie dich sehen?«, stellte ich monoton die Frage und lief zu dem Bücherregal. Ich nahm mir ein Buch, das ich schon ziemlich oft gelesen hatte. »Sie werde sich fragen, was der Boss einer gänzlich anderen Organisation hier will. Sie werden fragen, wieso er sich in das Waffengeschäft einmischen will, obwohl er kaum Ahnung haben kann. Die hohen Kunden, damit meine ich andere Länder und unsere Regierung werden sich fragen, wieso sie Handel mit einem Drogenhändler führen sollten.« Ich steckte das Buch zurück und lief zu meiner Prada-Tasche. Ich schnappte mir meine Slimzigaretten, auch bekannt als Nuttenstängel und zündete mir eine an. »Sie arbeiten mit uns zusammen, weil wir nicht nur qualitativ hochwertig arbeiten, sondern, weil wir auch zwei verschiedene Seiten zusammengeschlossen haben. Es gibt bei uns die Gangster, die jeden töten würden, wenn ich es nur sage und die normalen Mitarbeiter, die ein normales Leben führen und nicht Teil der Organisation sind. Noch nie gab es so etwas und keiner von ihnen will, dass ein beschissener Drogenhändler die Firma mit seiner verdrehten Vorstellung kaputtmacht. Vielleicht bist du ein guter Schutz für all die anderen Organisationen und vor der Unterwelt, die es auf mich abgesehen haben. Aber für die großen Fische in unserem Meer bist du nur ein Krimineller, mit dem sie keine Geschäfte machen wollen.« Ich zog an der Zigarette und sah ihn intensiv an. »Also, wenn du willst Fick all meine Angestellten. Es ist mir Scheiß egal. Ich könnte jetzt hinaus gehen und jeden Mann haben. Und ich habe kein Interesse an deinen Geschäften. Ich will nur das Geschäft meines Vaters. Das ist meins und du gehörst nicht dazu.«

Ein Pfiff erklang und Atlas stand auf und verließ mit einem geflüsterten »Zeit zu gehen« den Raum.

Satoru sah hingegen in meine Augen. Er blieb reglos und atmete ruhig, auch wenn in seinen Augen blaues Feuer zu brennen schien.
Letztlich stand er aber auf und richtete sein Shirt. Er lief auf mich zu und blieb seitlich von mir stehen, sodass unsere Schultern sich fast berührten. »Du hast keine Ahnung, wie weit mein Einfluss reicht. Du weißt nichts davon, wie weit er in deine Reihen reicht, reichen könnte und reichen wird.« Er sah stur geradeaus. »Auf diesem Fest wirst du brav sein. Du spielst meine kleine, liebevolle Frau. Hast du das verstanden? Und bevor du jetzt deine Waffe ziehst, und mir ein Loch in die Stirn schießen willst, es ist dein Vater, der möchte, dass wir vor deinen ach so noblen Kunden, heile Welt spielen. Also reiß dich am Riemen und sei brav.« Er beugte sich etwas zu mir und raunte dann: »Es wird heute spät bei mir. Warte nicht auf mich und vergnüge dich mit den kleinen Wichsern, die du alle haben könntest. Oder besser noch«, raunte Satoru, »Setzt dich doch auf den Schwanz deines Bodyguards. Ich denke, das würde ihm ziemlich gefallen.«
Damit richtete er sich auf und verließ ihr Büro.

Stille.
Endlos lange Stille.
Langsam drehte ich meinen Kopf und starrte in den großen Spiegel, der links an einer Wand hing. Meine Augen waren geweitet und Tränen rollten über meine Wangen. Mein ganzer Körper zitterte und ich war unendlich wütend auf ihn. Ich starrte mein armseliges Spiegelbild an und verfluchte mich selbst.
Wieso nahm er mich nicht ernst!? Ich war die Erbin. Ich hatte bis heute so hart gearbeitet. Ich war immer fleißig. Immer die Beste.
»Ich bin Anastasia Ramiraz!«, schrie ich und zuckte zusammen, als Damian endlich mit den gewünschten Unterlagen kam. »Ich habe die geheimen Unterlagen im Safe weggeschlossen und nur die Unterlagen geholt, die Gojo sehen darf, also-« Als er sah, dass ich heulte wie ein dummes Kind, schloss er schnell die Tür und kam auf mich zugelaufen. Er nahm mich sofort in den Arm und strich mir über den Kopf. Er wusste, dass ich nichts hören wollte.

Ich weinte leise. Für mich. So wie ich es immer tat.
Zeig keine Schwäche nach außen.
Sei stark.
Niemand wird Mitleid haben.
Sei stark.
Sei stark.
Sei stark.

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